Nr. 237 49. Jahrgang
1. Beilage des Vorwärts
Sonntag, 22. Mai 1932
CENTRAL- MARKTHALLE
Fich hinein
graun
beim Morgen
In einem allen Volkslied heißen die ersten Zeilen: Zieh hinaus beim Morgengrauen, mußt das Dorf verlassen; silberhell die Sternlein schauen nieder auf die Gassen." Die von dem Licht des Morgens erfüllten Straßen der Weltstadt sehen den Wandersmann allerdings auf dem umgekehrten Wege. Es sind auch keine Wandersleut'. die um die dritte und vierte Stunde den Weg in die Stadt beginnen, sondern Händler. An den schwarzen Querbrettern ihrer Wagen steht mit weißer Farbe geschrieben noch die Aufschrift vom vergangenen Tag: ,, Frischer Landspargel 20 Pfennig das Pfund." Welche Zahl werden die Händler einige Stunden später an ihre Wagen malen? Wie wird die große Spargelschlacht ausgehen, die sechs lange Wochen hindurch allmorgendlich in der Berliner Zentralmarkthalle zäh und erbittert, mit Lachen und mit Schelten ausgefochten wird? Je näher der Alexanderplatz rückt, desto dichter werden die Reihen der Händler, die sich zum Kampfe stellen. Autos neben Wagen, Wagen neben Karren, beginnen sich bereits in den Anfahrtsstraßen zu stauen und die ersten aus den Vorstädten kommenden Straßenbahnen haben über den Alexanderplatz hinaus kaum einen Fahrgast noch. Mit Kiepen und Körben bewaffnet klettern Männer und Frauen von den Perrons ; als sie saßen, hatten sie sich geziemend einen ,, Guten Morgen" gewünscht; festgestellt, daß der Tag heiß sein wird, und das in einer Ecke der Straßenbahn sitzende übernächtigte Liebespaar hatte auch am heutigen Morgen wie immer den ersten Gesprächsstoff abgegeben. Dabei tragen die Frisch gewaschenen die Nasenspitze etwas höher, es geht ihnen wie den Insassen eines Zuges, der den neben ihm fahrenden überholt: jetzt sind wir eins aufgerückt, denken sie. Die Turmuhr verkündet unterdessen den Abschluß der fünften Stunde des jungen Tages. Mit seiner sechsten beginnt der Kampf.
Das Vorpostengefecht der Neinsager. ,, Borsicht, vorsehen!"- ,, Nehmt die Hühneraugen weg, Leute!" - ,, Mensch, fahre mir nicht ins Kreuz, denkst du, ich steh zum Vergnügen hier?" So, warte mal Mare, hier komm her, noch ein Stück zurück, haaalt, so is jut!" Von diesen mehr rauhen als herzlichen Gesängen begleitet vollzieht sich der Aufmarsch der Wagenburgen. Der Fußgänger ist in diesem unübersehbaren Trubel hupender Autos, schimpfender Kutscher und polternder Karren nur ein elender Wicht, wert, überfahren zu werden und dennoch, wer warten wollte, bis ihm eins der Fahrzeuge den Weg frei gibt, der würde um die Mittagstunden noch am gleichen Fleck stehen. Bis die Straßenfeger kommen und die während des Kampfes auf der Strecke gebliebenen Spargelstangen, Rhabarberstauden, Kohlrabiblätter und Nordseefische zusammenfegen. Dann hat sich endlich die vom Schloß bis zur Voltsbühne reichende Wagenburg aufgelöst und in den Kochtöpfen der Hausfrauen focht bereits der Spinat.
Nun ist die große Spargelinvasion da, die alle Keime einer Katastrophe in sich trägt. Zwischen dem Havelgau und der Altmark , zwischen Potsdam und Stendal ist fast kein Ort ausgelassen, der nicht Nacht für Nacht die mit Spargelförben hochgetürmten Lastautos nach Berlin in die Zentralmarkthalle schickt. Wobei zu bemerken wäre, daß die großen Spargelorte mie Beelig oder Trebbin sich nicht mit einem Auto begnügen, sondern gleich ganze Karawanen ausrüsten. Und um fünf Uhr morgens, wenn der große Handelsfrieg in der Berliner Engroshalle anhebt, wollen die Stände schier bersten vor frischgestochenem Spargel.
,, Was soll das Bund fosten?" fragen die Gemüsehändler vom Bayerischen Platz, wie die aus der Frankfurter Allee . Vierzig Pfennige" antworten die Spargelfrauen. Merkwürdig übrigens: Frauen stechen, Frauen verkaufen, Frauen kaufen und Frauen fochen den Spargel. Und die Männer essen ihn. Aber über die vier Groschen, die die Spargelfrauen verlangen, lächeln höchstens die Männer, dann sagen sie ,,, Nee" und von den Ständen echot es noch mals ,, Nee", denn um den Spargl für 30 Pf. loszuschlagen, dazu ist es um 5 Uhr noch zu früh. Das Vorpostengefecht im Spargel trieg ist die große Stunde des allgemeinen Neinjagens.
Der erhobene Finger.
Um 6 Uhr wird es lebendiger, ein lustig Feilschen setzt ein. Na, soll's was sein, junger Mann?" locken die Marktfrauen. ,, Was fostet er denn?" Fünfunddreißig Pfennige."- ,, Nee". Aber
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mein Kind, ich habe heute nur die Zeit versäumt, ich könnte mit meinem Spargel längst fertig sein, vier Groschen hätte man mir um 5 Uhr für die Ware gegeben. Sieh dir doch mal meinen Spargel an, mein Kind, das ist doch wenigstens Spargel. Wieviel willst du haben, mein Kind?" Aber das Kind, das immerhin ein Mann in den Vierzigern ist und von der Spargelfrau nur geduzt wird, trogdem er sie offensichtlich gar nicht fennt, ist von den 35 Pfennigen trotz des Redeschwalls durchaus nicht erbaut, standhaft bleibt er bei seinem ,, Nee". Als er später mit zwei Körben voll Spargel die Treppep von der Galerie herunterkommt, gibt sich Gelegenheit, ihn zu fragen, wie er handelseins geworden ist. Drei Pfennige habe ich ihr abgehandelt", sagt er.
Das alles soll schön und gut sein, aber wo lüftet sich das Geheimnis der Straßenhändler, die nachher den Spargel für 20 Pi feilbiefen werden und noch dabei verdienen? Wo mag der verborgene Stand sein, an dem die Straßenhändler einkaufen? Ein Schild hilft auf die Fährte:„ Während der Auktion ist das Karren streng verboten!" Also auf zur Auftion. Und wenn es schon bei den Marktfrauen an den Ständen viel Spargel gegeben hat, dann ist das alles wenig gegenüber den Spargelbergen, die sich hinter dem Gitter des Auktionators auftürmen. Wie im Raubtierkäfig des 300 sieht es in der Auktionsabteilung der Zentralhalle aus: unten hinter dem vergitterten Käfig der Auktionator mit seinen Helfern und davor, auf einer errichteten Tribüne, die Spargelkäufer. Wie die 300- Besucher von der Tribüne aus zusehen, wenn die Löwen gefüttert werden, so stehen die Händler auf der Tribüne- eine
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Reihe über der anderen und passen auf, was für Spargel der Auktionator jezt auspacken wird. Dann ruft er: Hier ein Posten Trebbiner, I. Sorte, zusammen etwa 20 Zentner, ein Gebot bitte!" ,, Achtzehn" ruft ein Wizbold und die ganze Tribüne fichert. Achtundzwanzig" ruft es wieder. Erst diesen Preis greift der Auktionator auf: Achtundzwanzig sind geboten, weitere Gebote... neunundzwanzig, neunundzwanzig zum ersten, neun..., dreißig, dreißig ein Doppelgebot, einunddreißig, niemand mehr, zum ersten, zum zweiten, zum dritten." Aus. Dabei kann sich der Laie vorerst nicht zusammenreimen, wie diese höheren Gebote zustandekommen. Der Anfangspreis wird wohl genannt, das war 28, aber dann ruft nur noch der Auftionator, die Händler dagegen schweigen still. Liest der Auktionator es ihnen von den Augen ab, wenn sie einen Pfennig mehr bieten oder wie geht das vor sich? Bis man bemerkt: Die Leute heben immer den Finger hoch: achtundzwanzig; da geht ein Zeigefinger in die Höhe und schon ruft der Auktionator neunund3manzig, menn jezt ein Mann Zeige und Mittelfinger heben wollte, würde der Auftionator einunddreißig rufen. Aber die Finger gehen hier nur schwer in die Höhe.
Der Spargelverkauf geht nach Sorten. Innerhalb der Sorten nochmals unterteilt in lesen und gebündelten Spargel. und wer dreist die Sorten begriffen hätte, wäre damit noch lange kein Spargeltenner. Jezt kommen zwei Zentner II. Sorte an die Reihe. Für zwölf Pfennige gehen sie weg. Ein paar Körbe III. Sorte bringen acht Pfennige pro Pfund. Also hier fließt die große Spargelquelle des Straßenhandels: auf der Auftion. Und die Zentner posten der I. Sorte erstehen in früher Morgenstunde die Großverbraucher: Hotels und Restaurants.
Zuviel Spargel.
Die Spargelproduktion steht nicht außerhalb der Geseze tapitalistischer Produktion. Die Triebfeder des Kapitalismus ist der Profit. wo der größte Profit winkt, fließt das Kapital hin. Da hat es die guten Zeiten gegeben, in denen selbst im Monat Juni der Preis für ein Bund Spargel taum jemals unter sechs Groschen fant. Da wurde noch Geld am Spargel verdient. Spargelstangen schienen Goldgruben zu sein. Nun wurden Spargelplantagen angelegt: in
der Altmark gab man den Tabakbau auf, in Süddeutschland den Hopfenbau und im Rheinland den Weinbau. Nach der letzten Bodenbenutzungserhebung betrug die Spargelanbaufläche in Deutsch land 1927 noch 13 000 hektar. 1931 mar sie bereits auf rund 20 000 Hektar gestiegen. In den Jahren 1927 bis 1930 hat sich der Spargelanbau in Sachsen um 15, in Württemberg um 28, in Braunschweig um 30, in Baden um 60, in Mecklenburg- Schwerin um 75, in Schlesien um 100 und in der Altmark um 150 Proz. vergrößert! Unwiderstehlich lockte der Spargeljegen. Siedler ließen Hammer und Ambdß in der Ecke stehen und begannen Spargelfulturen anzulegen. Von Weinböhla bis Schwegingen, von der Pfalz bis an die Ostsee produziert alle Welt Spargel. Und am Mittooch, auf der Spargelauftion in der Berliner Zentralmarkthalle, hat die III. Sorte noch ganze sechs Pfennige pro Pfund gebracht! Jetzt meinen die Züchter und sagen einem: Herr, wir sehen die Sonne aufgehen und mir sehen die Sonne untergehen, immer sind wir bei der Arbeit und haben dennoch feinen Lohn dafür!" Es wird noch schlimmer fommen, der Kelch geht noch lange nicht zur Neige. Noch in den letzten Jahren ist Spargelbeet um Spargelbeet entstanden und da die Beete bis zur ersten Ernte des mageren Suppenspargels drei Jahre zu ihrer Entwicklung brauchen, wird wenn die Saat auch dieser Beete noch reift die Spargelinvasion noch ärger werden, und vielleicht erleben die Verbraucher noch den Tag, an dem man den Spargel für einen Groschen das Pfund feilhalten wird. Durch diese immense Steigerung des Anbaus ist der Spargel allerdings von dem Luxusgemüse der Vorkriegszeit zum Volksgemüse geworden.
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Bis in die Gastwirtschaften vor den Toren der Engroshalle erstreckt sich der Spargelhandel, selbst hier noch stehen die Frauen mit ihren Kiepen. Und die Spargelhändler mögen neiderfüllt auf die Fischhändler sehen, zu denen am Morgen ein Mann fam und Schollen verlangte.„ Schollen antwortete der Händler ja, Schollen, lieber Herr, die sind schon alle. Aber Aale können Sie haben, schöne Aale." Die wollte wieder der Mann nicht, aber immerhin zog er einen Aal aus dem Korb und der war so winzig, daß der Mann den Händler fragte, ob er eine Uhrkette habe. Wenn nicht, dann solle er den kleinen Aal dazu nehmen.
Ein heißer Tag- Drei Großfeuer
In den gestrigen Nachmittagsstunden brachen an drei Stellen Berlins faft zur gleichen Zeit gefährliche Brände aus. In Pankow und weißensee brannten umfangreiche Dachstühle nieder und in Tempelhof ging ein Lagergebäude von etwa 3000 Quadratmeter Flächenmaß in Flammen auf. Bei dem Pankower
Ozeanfliegerin Erhardt gelandet.
Die erste Frau, die allein über den Ozean flog. New York , 21. Mai. Die Ozeanfliegerin Erhardt, die am Freitag um 20.50 Uhr von Harbour- Grace startete, ist am Sonnabendnachmittag etwa 4 Kilometer von Londonderry ( Irland ) glatt gelandet. Sie ist die erste Frau, die allein im Flugzeug den Ozean überquerte. Die Fliegta erzählt, daß sie gegen Gewitter, Rebel und Regen fämpfen mußte. Sie beschloß in Londonderry zu landen, weil fie am Brennstoffbehälter einen wahrscheinlich während des Gewitters entstandenen fleinen Riß festgestellt hatte.
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Dachstuhlbrand erlitten drei Feuerwehrleute schwere Berlehungen, ein Beamter wurde leicht verlegt.
Der erste Alarm kam aus der Bergholzstraße 9/12 in Tempelhof . Dert war in einem breiten über hundert Meter langen Lagergebäude der Firma Hück und Lindemann kurz vor 14 Uhr Feuer ausgebrochen. In dem einstöckigen Bau lagerten große Vorräte von Borzellan, Steingutwaren, Kisten Verpackungsmaterial usw. Das Feuer hatte in wenigen Minuten so verheerend um sich ge= griffen, daß das Lagergebäude bald ein einziges Feuermeer bildets In kurzen Abständen rückten acht Berliner Wehren und einige freimillige Wehren zur Bekämpfung des Brandes an. 15 Schlauchleitungen wurden an die Motorsprizen angeschlossen und stundenlang ungeheure Wassermengen in die Feuersäule, die bis weit in die Stadt hinein sichtbar war, geschleudert. Dem Brandherd entströmte eine gefährliche Strahlenhize, so daß sich die LöschmannEntfernung halten mußten. Starter Funkenflug gefährdete außerschaften bei den ohnehin tropischen Temperaturen in respektvoller dem einige benachbarte Gebäude. Mehrere Trupps Feuerwehrleute hielten diese Gefahrenobjekte unter scharfer Beobachtung. Der Schaden ist hoch, zum größten Teil aber durch Versicherung gededt.
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