Beilage
Dienstag, 24. Mai 1932
Der Abend
Spalausgabe des Vorwärts
Die Wohlfahrt in der Krise
Eine Uebersicht/ Von Marie Hirsch
Seitdem die Wirtschaftskrise im Jahre 1930 zur vollen Aushängigkeit, die durch den Unterstützungsbezug und die Nachprüfung wirtung gekommen ist, hat sich der Charakter der Wohlfahrtspflege der Verhältnisse( Bedürftigkeit) hervorgerufen wird, so beson starf geändert.
Bereits die Zusammensetzung der Hilfsbedürftigen zeigt den grundlegenden Wandel der Entwicklung, wie die nachstehende Sta tistik beweist. Die Zahlen sind folgende:
1930.
Klein Sozial- Kriegsbeschädigte werbslos( Städt.
rentner
rentner 11. hinterbliebene
Wohlfahrtser. Erwerbslosenh.) 30 000 50 000 133 000 251 000
Jahr
Herbst 1929....
21 000
66 000
1 200¹)
21 000
68 000
2 700
1931.
21 000
72.000
3.600
Frühj.( Febr.) 1932.
20 000 65 000
3.900
Deutsche Städte:
Herbst 1929.
. 124 000 240 000
25 000
180 000
"
1930.
77 000 188 000
23 000
280 000
122 000 270 000
25 000
796 000
1994 000
ders stark.
Die aufgewiesene Spannung zwischen Rechtsbewußtsein und Abhängigkeitsverhältnis beim Unterstützten ist durch Maßnahmen der Wohlfahrtspflege nicht aufhebbar. Sie ist ein Problem der fünftigen Gestaltung unserer gesellschaftlichen Lebens- und Arbeitsordnung. Nur das gesellschaftlich politische Handeln ist für die Aufhebung dieser Spannung verantwortlich. Was aber heute und jeden Augenblick geschehen kann, ist der Versuch, eine solidarische Haltung zu verwirklichen. Diese Solidarität verlangt ebenso sehr Umgangsformen der Beamten, Fürsorger und Prüfer als auch die Pflicht, im einzelnen Fall die augenblickliche gesellschaftliche Notwendigkeit des heutigen Unter
stügungssystems dem Hilfsbedürftigen klarzumachen und ihm aufs zuzeigen, daß mit den Mitteln der Wohlfahrtspflege selbst die Spanrung, unter der er leidet, nicht beseitigt werden kann. Bedauerlicherweise ist diese Klärung der Lage der Hilfsbedürftigen bei dem Arbeitspensum, das heute zwangsläufig von den Beamten und Angestellten der Wohlfahrtsbehörden gefordert werden muß, häufig nicht möglich. Trotzdem gibt es ein Mindestmaß an Solidarität, das von allen, die in Wohlfahrtsbehörden arbeiten, gefordert merden muß, denn es ist sozialistische Grundüberzeugung, daß Arbeitslosigkeit im gesellschaftlichen Sinne einen Anspruch auf Unterstützung in der gegenwärtigen Wirtschaftsordnung einschließt. und daß der Arbeitslose be= rechtigt ist, von denen, die noch im Arbeitsprozeß stehen, Soli darität zu fordern.
1931..
Frühj.( Febr. 1932).
-
Aus dieser Aenderung in der Zusammensetzung der Hilfsbedürftigen ergibt sich ohne weiteres ein völliger Wandel im Gesamtcharakter der Unterstützten; der unterstüßte Wohlfahrtserwerbslose ist ein Glied jener ,, industriellen Reservearmee", die auch in Zeiten guter Konjunktur vorhanden ist, in Zeiten heftiger und lang= mieriger Krisen aber zu einem Problem der gesellschaftlichen Ordnung wird. Während der Renten- und Unterſtüßungsempfänger aus der Invalidenversicherung als arbeitsunfähiger oder alter Mensch die Unterstützung, die den Rentenbezug ergänzt, als rechtmäßige Beihilfe zur Bestreitung seines Lebensunterhalts empfindet, ist der Wohlfahrtserwerbslose Hilfsbedürftiger wider Willen. Dieses Bewußtsein bestimmt sehr stark die Haltung der Wohlfahrts= erwerbslosen zu den öffentlichen Einrichtungen, die die Unterstützung gewähren. ,, Wir verzichten gern auf die Bettelgroschen, wenn man uns Arbeit gibt" ist eine Formu lierung, die so häufig angewendet wird, daß sie schon fast zur Schablone geworden ist.
"
Die Haltung des langfristig Arbeitslosen bestimmt sich durch das Bewußtsein, bei geringen Unterstützungssägen in der Lebensform und Lebenshaltung nur einen minimalen Spielraum zu haben. Gleichzeitig aber erzeugt die unausgefüllte Freizeit das dringende Bedürfnis, das Leben gestalten zu müssen; hierzu reicht aber wiederum das aus der Unterstützung fließende Einkommen nicht im entferntesten aus. Die Passivität, die sich bei langer Arbeitslojig feit einstellt, versperrt den Blick auf die Möglichkeiten zur Gestaltung des persönlichen Lebens auch dort, wo solche Möglichkeiten noch zu ergreifen wären. Hier hat alle Bildungsarbeit mit Arbeitslosen anzusetzen.
Die Lage der Wohlfahrtspflege, die sich aus der vollkommen veränderten gesellschaftlichen Situation ergibt, wird gekennzeichnet durch folgende Merkmale: einmal die fast unhaltbar gewordenen finanziellen Verhältnisse der Gemeinden und den damit verbundenen Zwang zum Abbau fürsorgerischer Einrichtungen und Maßnahmen; zum anderen durch die Notwendigkeit, dem Massennotstand gerade mit fürsorgerischen Maßnahmen, vor allem auf pädagogischem Gebiet, zu begegnen.
Hausangestellte
berichten über ihr Leben
Wir wiesen bereits darauf hin, in welch fatastrophaler Weise sich die Lage der Hausangestellten im Verlauf der Wirtschaftskrise gewandelt hat. Eine Wanderung durch den Inseratenteil einer Sonntagszeitung umriß die Situation sehr klar. Wir lassen nunmehr einige Hausangestellte und solche, die die Not der Zeit zwang, jede Arbeit anzunehmen, selbst erzählen. Eine Hausangestellte in einer
berichtet zum Beispiel:
Pension im Westen
,, Ich bin schon seit einigen Jahren Zimmermädchen in einer großen Pension. Ich bin die einzige, die so lange ausgehalten hat. Mädchen, die gleichzeitig mit mir angestellt waren, blieben in den meisten Fällen nicht länger als ein bis zwei Monate. Gingen sie nicht freiwillig, so genügte eine Laune der Besizerin, die Mädchen zu entlassen. Sie war mit dem Personal nie zufrieden und wechselte ebenso häufig wie gerne. Daß ich länger als alle gehalten wurde, ist nur deshalb, weil ein Mädchen doch da sein muß, das die anderen, immer wieder neuen, abrichten muß. Daß ich selber blieb, verdanke ich meiner Erfahrung, daß es anderswo auch nicht besser ist. So hielt ich eben durch...
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Die Pension, in der ich beschäftigt bin, war bis vor kurzem sehr groß. Drei Stod merte mit über vierzig 3immern. Früher waren wir vier, dann drei Mädchen, im letzten Jahre aber maren mir bloß 3 mei. Man stelle sich bloß vor, über vierzig Zimmer und drei Etagen! Den ganzen Tag ging es da treppauf treppab. Ich habe überdies noch die Privatwohnung der Befizer zu reinigen, ebenfalls drei Zimmer. Dann muß ich mittags den Gästen servieren, die ganz verschieden zum Essen kommen. letzte Gast oft um vier Uhr nachmittags. Außerdem muß ich Geschirr maschen und überdies noch, seit das Büropersonal abgebaut ist, das Haustelephon bedienen.
Der
Nicht ganz so start berührt von den Auswirkungen der Krise ist die Gesundheitsfürsorge. Der Versuch, vor allem die Die Behandlung des Personals durch die Besitzerin ist skandalös. Schulgesundheitsfürsorge( Untersuchung und Speisung der Schulfinder) noch einigermaßen leistungsfähig zu erhalten, wird im allJeder Wunsch ist ein Befehl, jede Anrede ein Gebrüll. Man het gemeinen von den Gemeinden unternommen; trotzdem sind bei den mich von halb sieben Uhr früh bis 11 Uhr nachts, bis ich todmüde bin und kaum mehr meine Glieder spüre. Das Effen Speisungen sowohl als auch bei den Erholungsverschickungen erist wenig, man wird nie satt, und überdies noch schlecht. Wir behebliche Streichungen im Haushaltsplan vorgenommen worden. Sehr viel bedenklicher ist die außerordentlich starke Beschränkung tommen nämlich ganz anderes Effen als die Gäste und die Besizer. aller Maßnahmen auf pädagogischem Gebiet. Hier besteht Gewöhnlich bekommen wir die lleberreste von ein paar Tagen vordie Schwierigkeit, daß die Auswirkungen der Krise in der Arbeits- her. Wenn wir über verdorbenes oder nicht mehr ganz frisches Effen vermittlung und Lehrstellenbeschaffung das Ergreifen 3wedent- flagen, werden wir mit einer Flut Beschimpfungen überhäuft. Es kam nicht selten vor, daß abends für uns nichts anderes da war als sprechender Maßnahmen fast unmöglich gemacht haben. Es bleibt nur die Schaffung ergänzender Einrichtungen, wie der Wertheime Kartoffeln. Wir müssen in der Speisekammer neben der Küche für erwerbslose Jugendliche, der Tagesheime und der Fortbildungs- essen. Unser Tisch darf nie gedeckt sein auf dem rohen Holz stellt man uns die Schüssel hin. Es ist fast tein Unterschied mehr zum und Schulungskurse, die von der Reichsanstalt für ArbeitsvermittHund, der im selben Raum mit uns frißt. Ueberhaupt ist für unsere lung bei den Arbeitsämtern eingerichtet sind. In Berlin werden in zeitlich begrenzten Kursen schäzungsweise jeweils 10 bis 20 Broz. Besizerin Personal eine untergeordnete Menschenklasse, was sie Das ist der Gesamtzahl der arbeitslosen Jugendlichen von diesen Veran- wiederholt vor uns betont. Das ist entwürdigend. staltungen erfaßt. nicht mehr arbeiten, sondern dienen. Und man weiß, daß für
Alle diese ergänzenden Maßnahmen sind freilich in gewissem Sinne nur Erfahmaßnahmen. Zum Beispiel können sie den zwanglos formenden Charakter einer guten Lehrstelle nicht ersetzen; dagegen ist der pädagogische Wert dieser Einrich tungen, verglichen mit ,, dem pädagogischen Erfolg" in den Kleinbetrieben des durch die Krise betroffenen Handwerkertums, ho ch zu veranschlagen. Alle fürsorgerische Arbeit in den Jugendämtern und der dort eingebauten Familienfürsorge gewinnt nur ihren Sinn in der Zusammenarbeit mit den Einrichtungen, die die Jugendlichen gruppenmäßig erfassen. Die Unterstützung der Jugendlichen und Minderjährigen erfordert eben dem Wesen der Sache nach fürsorgerische Ergänzungsmaßnahmen.
Sehr viel problematischer ist fürsorgerisches Eingreifen auf dem Gebiete der wirtschaftlichen Fürsorge. Zwar läßt die Höhe der Unterstützungsrichtfäße und der Umfang der gewährten Sachleistungen( Kleidung) ergänzende Leistungen durch freiwillige Sammlungen, Speisungen der freien Wohlfahrtspflege oder privater Organisationen als angebracht erscheinen. Wenn sorgfältig darauf geachtet wird, läßt es sich auch leicht ermöglichen, daß solche Mehrleistungen auch wirklich denjenigen Familien und Personen zu kommen, bei denen tatsächlich Bedürftigkeit vorliegt. Freilich ist die Voraussetzung dafür eine intensive Kenntnis des Aufbaues des Bezirks, in dem der betreffende Fürsorger arbeitet. Aber nur ein bestimmter Kreis von Unterstützten begegnet solchen mehr oder weniger faritativen Leistungen ohne inneren Widerstand. Der Unterstützte wider Willen hat bei der Gewährung von Leistungen der Wohlfahrtspflege durchaus das Bewußtsein eines Rechtsanspruchs, menn auch nicht im juristischen, so doch im moralischen Sinne. Gerade deshalb empfindet er den Widerspruch zwischen dem von ihm geforderten moralischen Recht und der Ab
1) Das Steigen der Ziffern bei den Kriegsbeschädigten ist nach begründeter Vermutung vorwiegend auf eine Aenderung in der Zählmethode zurückzuführen.
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küche. Der zugedeckte Waschkessel ist mein Tisch. Das Essen ist schlecht und der Lohn nicht viel besser."
Der folgende Bericht stammmt von einer
technischen Assistentin für medizinische Institute. ..3 wei Jahre dauerte meine Vollausbildung als technische Assistentin für medizinische Institute. Mit dem Staatsexamen= zeugnis in der Tasche ging ich auf Stellensuche. Doch bald fam ich dahinter, daß dies zweckios ist. Es murde mir geraten, mich um= zustellen und zu Kindern oder in einen Haushalt zu gehen. Ich hatte ,, Glück". Im Dezember vorigen Jahres bekam ich eine Stelle zu einem neunjährigen Mädchen. Die Eltern waren sehr reich. Ich fand eine höchstluxuriöse Zehnzimmerwohnung, zwei Hausgehilfinnen und einen Chauffeur vor. Meine Beschäftigung war, das Kind zur Schule zu bringen und wieder zuholen, mit ihm die Schulaufgaben zu machen, zu nähen und für das Kind zu waschen. Zunächst war die Mutter des Kindes sehr liebenswürdig und auch das Essen war gut. Aber bald brüllte mich die Mutter bei jeder Gelegenheit und meistens in sehr sinnloser Weise an. Das Essen wurde völlig ungenügend. Ich durfte die herrschaftliche" Toilette nicht betreten. Nie gab mir die Frau die Hand. Weshalb sie mir mohl ihr Kind anvertraute?!
Ich zog die Konsequenzen. Nach einigen Wochen bot sich mir die Gelegenheit, mich bei einer Aerztin vorzustellen, die ein mädchen suchte, das ihr beim Haushalt helfen sollte und das sie dafür, in Anbetracht des nur geringen Gehaltes( Wohnung und Essen wurden mir nicht gewährt), zur Sprechstundenhilfe ausbilden wollte. Diese Ausbildung konnte ich als technische Assistentin gut brauchen. Als ich mich vorstellte, wurde als meine Arbeit festgelegt: Zimmer machen, kochen und in der Praxis helfen. In Wirklichkeit war meine Arbeit folgende: 7 Uhr antreten, für den Teetisch sorgen, während das Ehepaar frühstückte, die Praxisräume säubern. Sie mußten einen Tag gebohnert, den anderen feucht aufgewischt werden. Freitags follte ich auch noch den Flurteppich klopfen, nach dem Bohnern Staub mischen und alles für den Patientenempfang vorbereiten, während der Sprechstunde die Tür öffnen und gleichzeitig Wohnzimmer und Küche machen. Ich ermartete, in die Sprechstunde gerufen zu werden, denn deshalb war ich doch hier: etwas zu lernen. Aber bloß ein einziges Mal murde ich gerufen. Im übrigen sollte ich nur alle Gefäße nach der Sprechstunde säubern. Nachmittags ging es ebenso. Das nennt man dann ,, Ausbildung zur Sprechstundenhilfe". Außerdem mußte ich einholen, kochen, alles allein, dann Wäsche slicken, plätten, die Schuhe des Hausherrn säubern und die schmutzige Wäsche der Aerztin in den Wäschekorb bringen. Da ich mich über die Gebühr ausgenutzt fühlte, gab ich auch diese Stellung auf."
Facit.
unsereins zehn andere schon da sind, die froh sind zu dienen, um nicht ersten Fall hat die Krise die Lage der Hausangestellten nur stempeln zu müssen oder nach Hause zu fahren, wo doch auch nichts zu holen ist. Ich bin körperlich vollständig herunter. Ich habe ein schweres Fußleiden davongetragen, auf das von meiner Brotgeberin menig Rücksicht genommen wird.
Die Pension wurde jetzt verkleinert. Nur mehr eine Etage. Ich bin jetzt das einzige Mädchen, aber für meine heruntergewirtschafteten Kräfte genug, sechs 3 immer und die Privat wohnung in Ordnung zu halten. Als die übrigen Stockwerte auf gelöst wurden, mußten meine Kollegin und ich den ganzen Tag schwere Möbel schleppen. Immer drei Teppen rauf und drei Treppen runter. Es war ein unsinniges Herumräumen und eine Beschäftigung für Transportarbeiter, aber nicht für Mädchen, die überdies noch ihre tägliche Beschäftigung dabei machen mußten. Ich habe alles durchgehalten, aber lange tann ich es nicht mehr...
Ein Hotelzimmermädchen erzählt:„ Ich bin Zimmermädchen in einem kleinen Hotel unweit des Alexanderplatzes. Das Hotel ist ein 2 b steigeqe quartier. Ich habe keine andere Stelle gefunden, deshalb bin ich hier. Was ich da höre und sehe, ist ekelhaft. Anfangs glaubte ich, daß ich es gar nicht aushalten werde. Aber ich habe mich an das Milieu ge= wöhnt. Es efelt mich nicht mehr, ich bin ganz stumpf geworden gegen die Dinge, die da hinter den Türen geschehen. Oft werde ich in ein Zimmer gerufen, um den Gästen Wein zu servieren. Auch wenn ich mich gegen viele Anrempelungen und Anzüglichkeiten mehren fann und das lernt man mit der Zeit, man wird sehr so muß ich oft unfreiwilliger Zeuge von Widerwärtigkeiten sein. Dagegen fann man sich nicht mehren. Ich habe mich oft und oft nor mir selber furchtbar geschämt. Aber es ist doch so schmer gemorden, Arbeit als Hausgehilfin zu finden.
grob
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Außer mir ist nur ein Portier in dem Hotel. Ich habe fa ft immer Nachtdienst. Meine Schlafstelle ist in der Wasch
Wir haben hier drei Fälle, die in ihrer Art typisch sind. Im relativ geändert. Betriebsverkleinerung Personalein schränkung- Abwälzung der gesamten Arbeitslast auf eine Arbeitskraft. Der zweite Fall zeigt eine wesentliche Veränderung. Die Not zwingt eine Hausangestellte in einem Absteigequartier unter Bedingungen Arbeit zu nehmen, die sie selbst als moralisch unhaltbar empfindet. Eine radikale Veränderung ist auch im dritten Fall festzustellen. Die Absolventin einer höheren Schule und eines Staatsexamens muß, um zu verdienen, die Stellung einer Hausangestellten annehmen.
Allen drei Fällen gemeinsam ist die unüberbrückbare Kluft, die sich frasser als in jedem anderen Betrieb zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer auftut. In Fall eins und drei unterstreichen die Arbeitgeberinnen den standesmäßigen Unterschied zwischen ihnen und dem Personal. Sie lassen deutlich fühlen, daß für sie die Hausangestellte keine Arbeitskraft ist, für deren Hilfeleistung man dankbar sein müßte, sondern eine minderwertige Abart von Mensch. In allen drei Fällen wird von der Hausangestellten die eigene Stellung und die Behandlung als entwürdigend empfunden.„ Das ist nicht mehr arbeiten, das ist dienen", drückt es die Hausangestellte der Pension prägnant aus.
Soziologisch für unsere Betrachtung am aufschlußreichsten ist Fall drei, weil hier ein der Herkunft und der Ausbildung nach im bürgerlichen Sinn gleichberechtigter Mensch nun plöglich als Hausangestellte in einem bürgerlichen Milieu steht, in dem sie bisher mit dem Anspruch auf Gleichberechtigung verkehrte. Es zeigt sich, daß meder Herkunft noch Vorbildung sie vor der Paria: stellung bewahren, in der die übrigen Hausangestellten leben. Weder die menschliche, noch die kulturelle Qualifikation entscheidet, sondern lediglich Besiz und Geld. Die fapitalistische Ordnung enthüllt sich hier in ihrer ganzen Unmoral, die natürlich in den Lucifer. anderen Fällen nicht geringer ist.