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Nr. 24349. Jahrgang

1. Beilage des Vorwärts

Donnerstag, 26. Mai 1932

Fahrtbericht vom Flugschiff. Rindesmord aus Schwermut.

Rund 8200 Kilometer Flugstrecke bewältigt.

Das Ozeanflugboot Do X  , das feit Dienstag abend auf dem Müggelsee verankert liegt, hat den Flug von New York   über Reufundland- Azoren in die Heimat störungsfrei und programmäßig durchgeführt. Damit ist zum erstenmal ein neuer Flugzeugtyp in so fyftematischer und umfangreicher Weise in den verschiedensten Ländern und Meeren geprüft worden. Vor sechs Jahren ist mit dem Bau des Flugschiffes begonnen worden, und nach verschiedenen Umbauten und Ausgestaltungen in technischer und architektonischer Beziehung hat man jetzt endgültig den Grundstein zu einem Flugzeugtyp gelegt, der in Zukunft den Schnellverkehr zwischen Europa   und Amerika  , hinweg über die unermeßlichen Weiten des Ozeans vermitteln wird.

( Neufundland  ) gemacht. Von New York   ging der Kurs am 19. Mai auf die Trinidad Bay bei Dildo  . Mit einem Abfluggewicht von 52 000 Kilo und einer Startdauer von nur 53 Sekunden wurde nach 12% stündigem Fluge glatt gelandet. St. Johns, bzw. Holy Rood, wo der Betriebsstoff lagerte, tonnte wegen des starken Nebels nicht angeflogen werden. Am 20. Mai erfolgte die Ueberführung in einem Fluge von 40 Minuten Dauer von Dildo   in der Trinidad Bay zur Betriebsstoffübernahme für den großen Atlantikflug.

21. Mai Flug über den Nordatlantik. Start bei Tagesanbruch. Nach 15 Stunden wurde die 2260 Kilometer entfernte Stadt Horta  auf den Azoren   erreicht. Der Bordbericht über die Atlantiküber­querung lautet:

Außerordentlich interessant ist ein kurzer Gesamtbericht, der ,, Horta  , Greenwich Time. Nach 15 Stunden 5 Min. Flugzeit über die Flugstrecke und über die Zeiten Aufschluß gibt. Am glatt gelandet. Durchweg südliche Gegenwinde mit Nebel und Regen­22. Mai ist das Dornier- Flugschiff. Do X 1, D 1929 nach pro- streifen, mit abwechselnder Gelegenheit zur astronomischen Beobach­grammäßig verlaufenem Flug, von Nordamerika   über Neufund- tung stop. Das beim Start etwa 55 To. wiegende Schiff machte land Azoren   im Hafen von Vigo  , Spanien  , gelandet. Der Süd- fliegerisch auf den sehr böigen Neufundlandbänken feine Schwierig­atlantikflug des Flugschiffes Do X 1 im Juni 1931 und der jetzige feiten. Startzeit 1 Min. 5 Sef. stop. Die Motoren liefen bei ökono­Nordatlantikflug sowie die beiden Alpenflüge: Bodensee  - Splügen  - mischem Brennstoffverbrauch ausgezeichnet. stop. Landung erfolgte paß-( 3200 Meter)-Genua  - Spezia   der beiden für Italien   be- bei Horta   in freiem Atlantik und bei Stockdunkelheit ohne Hilfs­stimmten Flugschiffe Do X 2 und Do X 3 haben die Richtigkeit mittel und machte keine Schwierigkeiten. Es wurde sofort mit Ueber­der Ideen Dr. Dorniers bewiesen, und der Bau dieser großen Flug- nahme von Brennstoff begonnen, um morgen nach Vigo   weiter einheiten bedeutet einen wertvollen Beitrag zur Förderung des zufliegen." deutschen   Flugwesens und zur Stärkung deutscher   Weltgeltung. Seit dem Abflug vom Bodensee   hat Do X1 rund 45 000 Flug­filometer zurückgelegt, davon 32 000 Kilometer reinen Streckenflug, der Rest waren Erprobungs- und Gästeflüge. Das Schiff ist seit November 1930 in feine Halle mehr gekommen, sondern es lag stets ungeschützt im Freien, allen Witterungseinflüssen ausgefeßt. Der Rückflug erfolgte wieder unter Führung von Kapitän Christiansen. Neben Flugkapitän Merz steuerte diesmal an Stelle des Piloten von Clausbruch  , der seinen Südamerikaflugdienst wieder aufnehmen mußte, Flugzeugführer Diele. Die übrige alte Besagung blieb un­verändert: Navigationsoffizier Niemann  , Funtoffizier Kiel, Mas schineningenieur Eitel und die Bordwarte: Meister Brombeis, Mar­quardt, Fischer; Monteure; Jäger, Schmid, Dabernig; außerdem der Curtiß- Ingenieur Brewton.

Am 14. Mai wurde das Flugschiff zu Wasser gebracht. Es er­folgten zwei Gästeflüge mit 112 Personen beim ersten und 78 Per­sonen beim zweiten Fluge an Bord.. Da der technische und fliege­rische Befund zufriedenstellend mar, wurde das Schiff startflar zur legten Etappe vor dem Atlantiffluge, nach St. Johns  

22. Mai. Horta  - Vigo  . Start 8.20 Uhr, Landung 19.48 Uhr. 23. Mai. Programmäßiger Start um 10.45 Uhr von Vigo   nach Southampton   bzw. dem Marineflughafen Calshot, wo die Landung um 19.37 Uhr erfolgte; unterwegs starten Gegenwind und schwere Regenböen.

24. Mai. Flug Calshot- Berlin. Start 10.20 Uhr, Landung 18.36 Uhr.

Am 24. Mai startete Do X   in Calshot( England) zum end­gültigen Fluge nach Berlin  , wo es kurz nach 7 Uhr abends lan­dete. Die Flugstrede betrug rund 8200 Kilometer.

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Eine Schwerfranke vor Gericht.

In schwerverletztem Zustande wurde geffern die 21jährige Frau Charlotte M. in den Saal des Schwurgerichts III getragen, wo sie sich unter der Anklage des Totschlags an ihrem acht Monate alten Söhnchen Hermann zu verantworten hatte. Die junge Angeklagte hatte am 24. november v. 3. aus Berzweiflung über den traurigen Verlauf ihrer Ehe ihr einziges kind er­würgt und dann einen Selbstmordverjuch unternommen.

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Zur Zeit wird von der Führung des Flugbootes im Einver nehmen mit den zuständigen Stellen des Reichsverkehrsministeriums beraten, wie man Do X   den Schauluftigen am besten aus nächster Nähe zeigen kann. Wahrscheinlich wird der Luftriese in die Nähe des Restaurants Müggelschlößchen" geschleppt werden, wo Lauf­stege, die direkt zum Boot führen, angelegt werden sollen. Es ist jegt, nach unseren Informationen, als sicher anzunehmen, daß Do X  etwa 8 bis 10 Tage für die Besichtigung freigegeben wird.

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Charlotte M. hatte vor zwei Jahren den jüngeren Bruder ihrer Stiefmutter geheiratet und wohnte zuletzt mit ihrem Mann, der als Gärtner und Chauffeur arbeitete, in Berlin  - Staaten. Sie er­zählte dem Schwurgericht, daß ihr Mann von dem Moment an, wo er mußte, daß er Vater wurde, nicht mehr für sie dagewesen sei. Er sei die Nächte fortgeblieben und sei nach der Arbeit immer in Lokale zum Billardspielen und Biertrinken gegangen. Da sie immer allein gewesen sei, habe sie beschlossen, ihr Leben zu beenden und das Kind mit in den Tod zu nehmen, damit es nicht, wie sie, eine Stiefmutter bekomme. Vors: Hatten Sie sich denn schon vor der. Tat mit diesem Gedanken getragen?" An gef 1.: Ich habe ein Jahr lang gegen diesen Gedanken gekämpft. Immer konnte ich ihn fort­schieben, aber dann ging es nicht mehr. Am 24. November habe ich mit dem Kindchen stundenlang gespielt. Wie ich es gemacht habe, meiß ich nicht. Vors.: Früher sagten Sie, Sie hätten den Jungen fest an ihre Brust gedrückt und dabei wahrscheinlich erstickt. 2 n get 1.: Das stimmt, aber von den Einzelheiten habe ich keine Ahnung mehr. Vors.: Wann haben Sie denn gemerkt, daß das Kind tot war? Angefl: Das muß in der Dämmerstunde gewesen sein. Ich zog dem toten finde das Taufkleidchen an und legte es auf das Bett. Aus dem Garten holte ich Veilchen, Astern und Tausendschönchen, die ich zu einem Kranz und zu einem Strauß band und dem Kind brachte. Es waren die letzten Blumen aus dem Garten. Die Mutter schloß dann ihre Laube ab und irrte in der Stadt umher. Zuerst hatte sie die Absicht, sich zu erhängen oder ins Wasser zu gehen, dann warf sie sich von einer Eisen­bahnbrücke in Westend   auf den Bahnkörper. Da sie aber nicht, wie beabsichtigt, vor einen fahrenden Zug fiel, sondern auf ein Nebengleis, wurde sie mit einem dreifachen Bein bruch und mit einer Lendenwirbelverlegung in das Krankenhaus gebracht, von wo sie heute in das Kriminalgericht transportiert wurde. Bevor sie das Haus verlassen hatte, schrieb sie eine Reihe von Abschiedsbriefen. Auf einem Zettel gestand sie, daß sie das Kind erwürgt hatte. Ihren Eltern teilte sie mit, daß ihrem Mann feine Schuld träfe. Ihrem Mann schrieb sie, daß sie nicht mehr wisse, wozu sie noch leben solle. Ihre Tat geschehe nicht aus Haß, sondern aus Liebe, da sie ihm nur ein Stein am Beine fei. Dr. Leppmann als Sachverständiger bezeichnete die 21jährige Angeklagte als einen im Grunde heiteren Menschen, der aber starken seelischen Schwankungen unterworfen sei und seit dem Tode der Mutter zur Schmermut neige. Das sei auch bei der Beurteilung

Wendung im Falle Gedewag" Europa  "-Flugzeug in Geenot. ihrer Tat zu berücksichtigen.

Haftbefehl gegen Banfier Heinrich Borchardt.

Das Verfahren gegen den Bankier Heinrich Borchardt, der beschuldigt war, gemeinsam mit dem Generaldirektor der Vereinigten Krankenkassenversicherungs A.-G. Dr. Julius Apelbaum dunkle Geschäfte gemacht und sich um hohe Summen bereichert zu haaben, hat gestern eine sensationelle Wendung genommen. Allgemein wurde erklärt, daß der Bankier von den Untersuchungs­behörden nicht länger feffgehalten werden dürfte, da sich die Be­schuldigungen zum größten Teil als haltlos erwiesen hätten. Heute mittag ist nun plötzlich vom Bernehmungsrichter im Polizeipräsidium gegen Bankier Borchardt Haftbefehl wegen Depot­

unterschlagung erlassen worden. Im Laufe des Nachmittags

wurde B. nach Moabit   übergeführt.

Selbstmord in der Heilanstalt. Sanitätsrat Reich erschossen aufgefunden!

In seinem Arbeitszimmer in der Heilanstalt Wittenau  wurde gesten nachmittag der 63 Jahre alte Sanitätsrat Dr. Friedrich Reich erschossen aufgefunden.

Sanitätsrat Dr. Reich mar seit Jahren stellvertretender Leiter der Wittenauer Heilanstalt. In letzter Zeit machten sich bei dem Arzt, wahrscheinlich infolge Ueberarbeitung, nervöse Störungen bemerkbar. In einem Anfall von Schwermut scheint Reich zur Waffe gegriffen zu haben. Als er gestern gegen 17 Uhr allein in seinem Arbeitszimmer, weilte, schoß er sich eine Kugel in die Schläfe. Als Angestellte auf die Detonation des Schusses hinzu eilten, fanden sie Sanitätsrat Reich mit blutender Stirnwunde auf. Hilfe tonnte nicht mehr gebracht werden; der Lebensmüde starb menige Minuten später, ohne das Bewußtsein wiedererlangt zu haben.

Am Rande einer Schonung unweit dès Bahnhofes Hei­ ligensee   wurde gestern abend der 21 Jahre alte Student Albrecht Freiherr von Wangenheim erschossen aufgefunden. Nach dem Befund liegt zweifellos Selbstmord vor. Aus einer Repetierpistole hatte sich der jugendliche Lebensmüde einen Herz­schuß beigebracht. Das Motiv zur Tat ist noch ungeklärt.

Das Ende eines Berliner   Anwalts. Nach fast einem Jahr tot aufgefunden.

Wien  , 25. Mai.

Ein aufgefangener SOS- Ruf.

Boston  , 25. Mai.

Die Radiostation auf Castle Island fing heute einen von dem oft flugzeug des deutschen Dampfers ,, Europa  " ausgefandten SOS- Ruf auf. Das Postflugzeug, das in einer Entfernung von 700 Meilen von New York   auf der Europa  " nach Boston   gestartet war, befindet sich etwa 100 Meilen von der Europa  " und 600 Meilen von Boston   entfernt.

Der SOS- Ruf wurde um 17.10 Uhr aufgefangen. Es wird angenommen, daß sich das Flugzeug zu dieser Zeit etwa 400 Meilen

Der Staatsanwalt beantragte megen Totschlags bei mildernden Umständen drei Jahre Gefängnis. Das Gericht vers urteilte die Angeklagte wegen Totschlag zu einem Jahr Ge fängnis unter Zubilligung einer Bewährungsfrist nach Ver. büßung von sechs Monaten.

Bahnhof Jannowitzbrücke in neuer Gestalt.

Die Umbauarbeiten auf Bahnhof   Jannowißbrücke gehen allmählich ihrem Ende entgegen. Die Bahnsteighalle ist bis auf den Anstrich und den Abbruch der alten Ueberdachung fertig­gestellt. Nach Beendigung des Anstrichs, der bereits in Angriff genommen wurde, kann die alte Ueberdachung abgebrochen werden, da sie vorerst noch als Gerüst für die Malerarbeiten und als fartenausgabe am Zugang von der Holzmarktstraße, mit

östlich von Nantucket befand. Küstenwach schiffe sind zur Hilfe- Schutzdecke für den Verkehr dienen soll. Die neue Fahr

leistung unterwegs.

Seit dem 5. August 1931 wurde der Berliner   Rechtsanwalt Rudolf Pinner, der sich damals in Bad Gastein   zur Kur aufhielt, vermißt. Kürzlich wurde nun von einem Jäger in der Nähe der Mitteralpenhütte im Radectal bei Böckstein   an einem bewaldeten Berghang zwischen Felsblöden das Stelett eines etwa vierzigjährigen Mannes gefunden, dessen rechte Hand die bei Ab­gabe eines Schusses charakteristische Fingerhaltung aufwies. Da­neben lag eine Pistole. Am Schädel des Toten waren deutlich Ein- und Ausschuß zu erkennen. Aus diesen Umständen wird auf Selbstmord geschlossen. Sämtliche bei der Leiche in einem Rucsac vorgefundenen Gegenstände sind reichsdeutschen Ursprungs. Papiere wurden nicht gefunden. Man vermutet, daß es sich um die Ueberreste des vermißten Rechtsanwalts handelt.

Der internationale Faschismus. Auf Einladung der Jugendliga für Menschenrechte spricht der bekannte ungarische Sozialist Belá Menzer in den Räumen der Liga für Menschenrechte, Berlin   N. 24, Monbijouplaz 10, Eingang 4, III, am Freitag, 27. Mai, 20 Uhr, über das Thema: Der internationale Faschismus". Für Gäste Un­fostenbeitrag 15 Pf.

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