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Heinrich Herfner gestorben.

Ein bürgerlicher Vertreter der positiven Sozialpolitik.

Im Alter pon 69 Jahren ist gestern Heinrich eriner gestorben. Heinrich Herkner gehörte als Schüler Don Knapp und Brentano zu den Brofessoren der National­ökonomie, die vom Beginn ihrer wissenschaftlichen Tätigkeit an durch ihre pofitine Stellung zur sozialen Reform auch engere Beziehungen zur deutschen Arbeiter­schaft gehabt haben.

Berhältnismäßig jung wurde Herkner , der als Sohn eines Michinenfabrikanten in Reichenberg in Böhmen Ein­blicke in die Praris der Industriearbeit gewonnen hatte, nach Beendigung seiner Studien zum ordentlichen Professor an der Technischen Hochschule in Karlsruhe berufen. In die Zeit feiner dortigen Lehrtätigkeit fällt die Veröffentlichung seines damals bahnbrechenden Buches über die Arbeiter frage". Damals, im Jahre 1894, mar es für die bürger­fiche Wissenschaft noch eine Tat, daß ein Gelehrter in einem Buche über die Arbeiterfrage nicht nur die große Be­deutung der Sozialpolitif für den wirtschaftlichen Fortschritt würdigte, sondern daß er auch der modernen Arbeiterbemegung, im besonderer der Gewerkschafts­bemegung, eine gerechte Würdigung zuteil werden ließ. Das Buch, das eine groß angelegte llebersicht über die Tatsachen und Probleme der modernen Sozialpolitik enthielt, erlebte piele Auflagen von wachsendem Umfang und viele lleber­jegungen in fremde Sprachen. Es war fein Werf, das aus der Geistesrichtung der Arbeiterbewegung selbst stammte, aber ein Werk, das dazu beitrug, meiteren bürgerlichen Kreisen, vor allen Dingen Studenten, den Sinn der moder­nen Arbeiterbewegung und der modernen Sozialpolitik

näherzubringen.

Es mar in jener Zeit nur selbstverständlich, daß ein sozialpolitisch positiver Geist, wie es Herkner damals mar, auch eine hervorragende Rolle im Verein für Sozial­politit spielte. Der akademische Weg Herfners hatte über die Universität Zürich und die Technische Hochschule in Char lottenburg im Jahre 1913 zur Nachfolge auf dem Lehrstuhl Gustav Schmollers im Borsiz des Vereins für Sozialpolitik, Den er von 1917 bis 1929 innehatte.

Leider muß man feststellen, daß gerade unter der Lei­tung des Verfassers der Arbeiterfrage" der Verein für Sozialpolitik die Entwicklung von der positiven sozialpoli­tischen Einstellung zu einem programmiosen, allgemeinen fozialwissenschaftlichen Gelehrtenverein nollendet hat, wie überhaupt gerade diejenigen, die die Verdienste Herkners um die Sozialwissenschaft und die Sozialreform zu würdigen wiffen, mit Bedauern feststellen müssen, daß er in der Nach friegszeit, obwohl fest auf dem demokratisch- republikanischen Boden stehend, für die moderne Ausgestaltung der Sozial­politik nicht mehr das volle Berständnis gehabt hat. Als Herkner im Jahre 1922 mit zwei öffentlich stark diskutierten Auffägen über die wirtschaftlichen Grenzen der Sozialpolitif hernartrot, waren es nicht so sehr die non der Einstellung der Arbeiterbewegung abweichenden Auffassungen, die Befremden erregten, als die ungewöhnliche Bahl der Zeitschrift der reaktionären Arbeitgeberverbände als Ort der Publitation. Gerade durch die Wahl dieser Blattform entstand der Einbrud, daß der alte Borfämpfer der Jozialen Reform nicht nur wissenschaftliche Bedenten por zubringen hätte, sondern auch einen persönlichen Front­mechfel nollzogen hätte.

Hertners Betätigung im letzten Jahrzehnt war eine sehr nielfältige. Neben der atademischen Lehrtätigkeit mar er feit 1920 non der Reichsregierung zum Mitglied des Borläufigen Reichswirtschaftsrates berufen, deffen fozialpolitischem Ausschuß er angehörte. Weiter widmete er sich mit großer Hingabe der Durchführung der Begabtenprüfungen für diejenigen jungen Menschen, die, zum Teil aus der Arbeiterschaft fommend, zum Studium der Sozial- und Wirtschaftswissenschaften ohne Reifezeugnis an der Universität zugelassen wurden.

Herkner ist nie ein Sozialist gemefen, er hat immer den Kapitalismus als wirtschaftliche Grundlage bejaht. Die Ar­beiterschaft hat mit Bedauern den alten Herfner im letzten Jahrzehnt off als den Kronzeugen ihrer Gegner aufmarschie ren sehen, aber das hindert uns nicht, das Andenken an den jungen Vorfämpfer der sozialen Reform, das Andenken an den vornehmen Menschen und das Andenken an den afade= mischen Lehrer, der den neuen deutschen Staat stets bejaht hat, an seinem Grabe zu mürdigen.

Schwere Straßentumulte.

Kommuniffenfrowalle im Rheinland . Zwei Schwerverlegte in Köln . Köln , 27. Mai.

In nerschiedenen Stadtteilen versuchten heute abend kommu­niftische Elemente Demonstrationszüge zu bilden. Dabei fam es im Stadtteil Ehrenfeld und in Köln - Salt zu fehr schweren Zusammenffößen. In ihrer Bedrängnis machten die Beamten von ihrer Schußwaffe Gebrauch.

Während es in Ehrenfeld ohne Berletzungen abging, wurden in half drei Personen durch Schüffe verlegt, von denen zwei dem Kalker Krankenhaus zugeführt werden mußten. Wie die Bermallung des Krantenhauses mitteilt, sind die Verletzungen der beiden so schwer, daß Lebensgefahr besteht.

In den späteren Abendstunden tam es immer wieder zu An­jammlungen, bei denen zahlreiche Schaufensterscheiben zertrümmert

wurden.

KUBE

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Justiz à la Kube.

H

,, Reungia Prozent aller Staatsanwälte gehören wegen Rechtsbeugung C

auf die Anklagebant."

Kien

( Kube im Preuß. Landtag am 25. Mai.)

15

*

Dritter Reichs- Anwalt Kube: Die angeklagten Staatsanwälte geben felbft zu, nach ihrem Gewissen gehandelt zu haben. Ein nach nationalsozialistischen Moralbegriffen todwürdiges Verbrechen!"

Sozialversicherung in Not.

Folgen der Erwerbslosigkeit und des Lohnabbaus.

schuß des Reiches übersteige die Beitragseinnahmen. Hätten diese etwa 60 Millionen betragen, so habe das Reich im letzten Jahre 70 Millionen an Zuschüssen gegeben. Selbst wenn das Reich in diesem Jahre wieder einen Zuschuß von 70 Millionen gebe, bleibe für 1932 immer noch ein Fehlbetrag von 44 Millionen, für den Dedungsmöglichkeiten gesucht werden müßten, wobei aber von vorn­herein irgendeine Beitragserhöhung ganz ausgeschlossen sei.

Aus dem Bericht, den Ministerialdirektor Grieser vom Reichs- I aus ihren Beiträgen zwei Invaliben ernähren. Der Zu­arbeitsministerium im Sozialpolitischen Ausschuß des Reichstages über die Lage der Sozialversicherung gab, ist noch hervorzuheben: In der Invalidenversicherung beträgt nach seinen Mitteilungen das monatliche Aufkommen an Beiträgen nur noch 54 Millionen Mark gegenüber 70 Millionen im Jahre 1931, 80 Mil lionen im Jahre 1930 und 90 Millionen im Jahre 1929. Dabei können die Einnahmen von 54 Millionen im Monat April fáum als Jahresdurchschnitt für 1932 angesehen merden. Die Ausgabe verpflichtungen für Heilverfahren usm. blieben etwa die gleichen und die Ausgaben für Renten stiegen sogar um etwa 70 Millionen im Jahre.

Zur Zeit ergebe ich in jedem Mongt ein Fehlbefrog son 28 iionen Mart.

Bisher sei die Invalidenversicherung ihren Berpflichtungen trobem dadurch nachgetommen, daß fie zur Dedung des Fehlbetrages ihre Vermögensmerte herangezogen habe. Die Schmierigkeiten, die fich hierbei ergäben, feien groß und wüchsen dauernd. Die Reichsregie rung habe entsprechend dem Wunsche des Ausschusses ihr Augen mert gerade auf diesen Bunft gerichtet mit dem Erfolg, daß die Erfüllung der Verpflichtungen gelungen sei. Es sei auch unbedingt damit zu rechnen, daß die Renten am 1. Juni unverkürzt ausge zahlt mürden.

Die außerordentlich schwierige Lage sei bestimmt nicht durch die Schuld der Invalidenversicherung hervorgerufen morden, jon­dern sie sei eine unvermeidliche Küd mirfung aus dem allgemeinen Niedergang der nationalen und internationalen Wirtschaft.

In der Knappschaftsversicherung habe im Jahre 1929 1 Prozent Beitrag aus der Lohnsumme 15 Millionen Marf erbracht. Heute dagegen seien es nur noch 6 Millionen. Die Gründe lägen zu drei Vierteln im Abbau der Belegschaft, im übrigen in der Senkung der Löhne. Die Zahl der Bergleute in Deutschland habe 1925 noch 730 000 betragen, fie fei jezt auf 430 000 zurückgegangen, davon allein im Ruhrgebiet von 400 000 auf 190 000.

Die heutigen Schwierigkeiten der Knappschaftsversicherung seien lediglich dutch den schnellen Absturz der Löhne verursacht worden, den niemand habe noraussehen können. Andererseits seien die Renten in die Höhe gegangen. Heute müßten drei Bergleute

des Nachmittags mehrfach zu größeren Ansammlungen, die teilweise unter Anwendung des Gummifnüppels zerstreut wurden.

Remscheid , 27. Mai.

Seit gestern nachmittag ist die Stadt Schauplaj fommu nistischer Tumulte. Nachmittags hatten sich größere Gruppen von Kommunisten auf dem Marktplak angesammelt und mußten vom lleberfallfommando zerstreut werden. Vier Personen wurden wegen Widerstand festgenommen. Am späten Nachmittag und in den Abendstunden tam es auf dem Marktplatz und Gladbach- Rheydt , 27. Niai. den anliegenden Straßen erneut zu Ansammlungen von Demon­Nachdem es am Freitagvormittag an den Zahlstellen des ſtranten, gegen die mehrfach mit dem Gummifnüppel vorgegangen Arbeitsamtes bereits zu Zusammenstößen zwischen Kommerden mußte. Dreizehn Beteiligte wurden festgenommen. Kurz nach 22 Uhr wurde ein Ueberfallkommando nach der Honsberger munisten und Nationalsozialisten gekommen war, ver­anstalteten in den Nachmittagsstunden, wie der Polizeibericht meldet, Straße gerufen, wo sich kommunistische Sprechhöre gebildet hatten. Beim Erscheinen wurden die Beamten mit etwa acht bis einzelne Trupps von Erwerbslosen Kundgebungen, mobei sechs Kommunisten festgenommen wurden. In der Friedrich- 3ehn Pistolenschüssen nmpfangen. Ein Beamter er­zehn Pistolenschüssen empfangen. Ein Beamter er­straße wurden bei einem Zusammenstoß zwischen Kommunisten und das Feuer. Ob dabei jemand verlegt wurde, fonnte nicht fest­Rationalsozialisten zwei kommunisten durch Revolver= füffe perlegt, einer von ihnen lebensgefährlich. Als gestellt werden. der Tat verdächtig murden in einem nationalsozialisti= anderen Nationalsozialisten verhaftet.

Die Angestelltenversicherung verzeichne einen monot­lichen Rückgang an Beitragseinnahmen von 5 Millionen Mart. Da­gegen stiegen die Pensionen nach Zahl und Wert auch in dieser Ber­sicherung ständig.

Außerordentliche Schmierigkeiten bestünden auch in der 11 n fallversicherung. Manche Berufsgenossenschaften befänden fich in einer trostlosen Lage, z. B. die des Baugewerbes, mo 85 Proz der Arbeiter ermerbslos feien. Von der durch die Rotrerordnung gefchaffenen Ermächtigung, eine solidarische Haftung der Berufs genoffenfchaften anzuordnen, habe die Reichsregierung bisher feinen Gebrauch gemacht. Diese Ermächtigung laffe fich nur mit großer Borsicht anwenden.

In der Krantenversicherung seien die Einnahmen, die 1929 noch 2,3 milliarden betragen hätten, auf 1,6 milliarden im Jahre 1031 zurüdgegangen. 3mar habe die Arbeitslosigkeit aud) eine Berringerung der Bersicherungsfälle verursacht, doch bereite die Notwendigkeit, einen Ausgleich zwischen Beitragseinnahmen und ausgaben zu schaffen, den Krankenkassen außerordentliche Schwierig­teiten. Es müsse aber festgestellt werden, daß die Kassen alles getan hätten, um die Versicherten vor neuen Beitragserhöhungen zu be wahren.

Die Behebung der Schmierigkeiten bei den Versicherungs­trägern sei außerordentlich schmer.

Ueber alles formale Recht hinaus hätten die Versicherten ein Notstandsrecht, ausfömmliche Leistungen zu erhalten;

auf der anderen Seite hätten aber auch die Versicherungsanstalten das Notstandsrecht, in ihrem Bestande erhalten zu bleiben. Dar­aus ergebe sich die Frage, wie ein Ausgleich zwischen der Not­wendigkeit einer Erhaltung der Versicherung und dem Bedürfnis der Berficherten geschaffen werden könne. Bon der Reichsregierung seien in dieser Hinsicht noch keine Beschlüsse gefaßt worden. Weder das Reichsarbeitsministerium noch das Reichsfabinett hätten irgend welche Entscheidungen getroffen.

Schwere Saalschlacht in Innsbrud.

Bisher 32 Berlegte eingeliefert.

Bei einer nationalsozialiffifchen Versammlung im Gasthof Boer in Höffing, einem Vorort von Innsbrud, fam es heute abend zu einer Saalschlacht mit Parteigegnern, wobei es eine große 3 ahl Berlette gab.

Auch vor dem Gasthaus war es zu Demonstrationen gekommen. Die Gendarmerie mußte mit gefälltem Bajonett den Platz absperren und hat bis jetzt drei Berhaftungen vorgenommen. Die Rettungs­gesellschaft und die Rettungsmannschaft lieferte bisher 32 Ber­letzte in das Krankenhaus ein, darunter einige Schwerver­letzte. Die Retungswagen wurden von der erregten Menge attackiert und beschädigt. 3wei Kompagnien Militär ffehen am Kirchplatz in Höffing in Bereitschaft.

Prag duldet keine Jrredenta.

ichen Berkehrslokal zwei Personen zusammen mit vier KPD. - Abgeordneter Fränken verhaftet.hu des Abgeordnetenhauses, die Immunität des deutschen

Muppertal, 27. Mai.

Die Tumulte, die schon vorgestern abend begonnen hatten und feit gestern mittag neu aufflammten, haben auch in den gestrigen Abendstunden Unruhe in die Stadt getragen. Gegen 20.30 Uhr per­fammelten sich größere Massen auf der Paradestraße an, die gegen die Polizeibeamten mit Steinmürfen vorgingen. Auch in den Stadtteilen Barmen und Hedinghausen tam es im Laufe

Wegen Beteiligung an Straßentrawallen in Düsseldorf .

Wegen Beteiligung an den Straßenfrawallen in Düsseldorf hat die Polizei den kommunistischen Landtagsabgeord neten Fränken in Rheydt verhaftet. Nach seiner Ein­lieferung ins Bolizeigefängnis unternahm er einen Fluchtverfuch. er fonnte jedoch wieder feffgenommen werden. Er wurde bereits dem Richter vorgeführt.

Drag, 27. Mai. Wie die Blätter melden, beschloß der Immunitätsaus. nationalsozialistischen Abgeordgneten Knirsch und des deutsch­nationalen Abgeordneten Dr. Schollisch megen ihrer Aus­führungen bei den Sigungen des fudetendeutschen. Heimatschut verbandes in Nürnberg und Oppeln aufzuheben. Der Im­munitätsausschuß habe sich vom Innenministerium ein Gutachten darüber abgeben lassen, ob der erwähnte sudetendeutsche Heimat­fchugverband eine 3rredenta Organisation darstelle. Das Innenminifterium soll in seinem Gutachten eine positive Er tlärung abgegeben haben.