Beilage
Sonnabend, 28. Mai 1932
Der Abend
Spalausgabe des Vorwärts
*
Nun aber zurück um einen Tag, zurück ins Kino und zurück zum unpolitischen Teil!
Unter der alten Dorfeiche wird mal wieder ein Zelt auf-| doch bezahlen; denn jedenfalls: hat nun das Kino recht oder nicht, geschlagen. Das ist an sich nichts Neues; manchmal kommt ein ist nun der Meckdonald Präsedente oder nicht...? Marionettentheater, zuweilen ein Wanderzirkus, und oft ein Ka- Na also! russell. Aber diesmal ist das Zelt besonders groß, und hintendran ist noch ein besonderer kleiner Ausbau, und in diesen recht luftigen Ausbau wird ein umfänglicher Apparat gestellt. Und die überall herumgeschickten rosaroten Handzettel, anscheinend vom Druckfehlerteufel persönlich hergestellt, versichern, daß man mit Hilfe jotanen Apparates einen spannenden Film vorführen werde, gegen 10 Pf. Eintrittsgeld pro Person, Kinder und Soldaten die Hälfte WD= bei es unklar bleibt, woher man die Soldaten nehmen will, denn man schreibt 1931. Abends um acht Uhr soll's beginnen.
-
Die alte Dorfeiche zwar blickt nur mit faum merklichem Schütteln des riesigen Kopfes hinunter; sie wundert sich prinzipiell
über nichts mehr, jeit neulich ein Herrenfahrer die interessante und für ihn recht schmerzhafte Feststellung machte, daß eine Dreihundert Jahr- Eiche widerstandsfähiger ist als ein Hundert- Pferd- Kompressor; sie trägt die Narbe in ihrer Rinde mit mehr Würde als der Herren fahrer die seine in seiner Schädelrinde, und sieht auch dem neumodischen Kinobetrieb gefaßt entgegen. Nur die Stare, die in den obersten Haarspißen des Eichenhauptes frabbeln wie Läuse, die plötzlich schwazhaft geworden sind, zeigen sich aufgeregt, und auch der Dorfbewohner hat sich eine gewisse Spannung bemächtigt. Die letzteren erscheinen denn auch ziemlich zahlreich, von der uralten Mutter Wilhelms bis zum schreienden Säugling des Nachtwächters, und sogar eine Soldatenuniform ist da: der alte Matthes, als Geizkragen verschrien, hat seine Montur von Anno 70 angezogen und entrüstet sich, daß er trotzdem nicht für fünf Pfennig hineintommt; zahlt aber schließlich dennoch unter Seufzen und Klagen seinen Groschen und beschließt bei sich, durch eifriges Schimpfen sich schadlos zu halten.
Die Kinobesizersfamilie besteht aus Vater, Mutter, Sohn und Tochter. Soviel Personen sind auch nötig, denn es handelt sich um ein Kino mit Handbetrieb: nicht elektrischer Strom bewegt die Kurbel, sondern schwielige Fäuste und rote Hausfrauenfinger müssen herhalten und im Laufe des Abends sich sehr oft abwechseln. Diese Art der Vorführung bietet die Möglichkeit, auf altersschwache Stellen des Filmstreifens durch langsameres Drehen die gebührende Rücksicht zu nehmen und nach Belieben Zeitlupenaufnahmen einzufügen; so wird erreicht, daß der Film in jedem der siebzehn Kurzatte höchstens dreimal reißt.
-
Aber zuerst kommt eine Wochenschau eine, wie die Beschrif= tung verkündet, sogar„ Hochaktuelle Wochenschau". Diese Wochenschau ist, nach meiner Schätzung, allermindestens drei Jahre alt. Es werden allerlei Ozeanflüge, Paraden und Parlamentswahlen gezeigt, die vor drei Jahren dem Vernehmen nach einmal ſtattgefunden haben; die Zuschauer indes sind der festen Ueberzeugung, all das sei gestern geschehen, und sie sind nicht einmal geschädigt: denn die wenigen Wissenden stellen mit Befriedigung fest, daß sich seither nichts Wesentliches in der Welt geändert hat, insonder heit was Ozeanflüge, Baraden und Parlamentswahlen anbetrifft. Na ja, die Mehrheiten, die Flugzeugtypen und die Uniformen haben vielleicht hier und da gewechselt, aber schließlich und endlich gerät der Roggen auch in einem Jahr besser und im anderen schlechter, und mal werden Lupinen gesät und mal Kartoffeln und mal Getreide, und dann sind eben doch wieder die Lupinen dran. Tröftlich, tröstlich!
*
Der Herren Politiker wegen, die an dieser Stelle empört die versorgten Häupter schütteln, muß ich jetzt vorgreifen und eine beweiskräftige Anekdote anführen, die sich erst am nächsten Tage ab= spielte. Da nämlich saßen ein paar ältere Bauern des Dorfes im Krug und besprachen den letzten Abend.
,, Un eď segg ju", versicherte der alte Matthes, wat de Wochenschau west is, die is doch een paar Johr alt west. Denn jüh mal so, bet so ne Sat ut Amerika bet to uns tamen is, dat dauert doch sin Tid!"
Auf die Wochenschau also folgt, laut Handzettel, ein spannendes, herzergreifendes Drama in siebzehn tiefgerührten Akten". Es besteht in einer ganz schrecklich aufgeregten Liebesgeschichte unter lauter ganz schrecklich vornehm gekleideten Leuten, von denen die eine Hälfte ganz schrecklich gutherzig und die andere ganz schrecklich niederträchtig ist, und indes die erste Hälfte nur ans Wohltun und ans Küssen denkt, denkt die andere nur ans Stehlen und Totschlagen. Die Diva hat große Kalbsaugen, deren Glanz sie dem Arsen und deren Umfang sie den Segnungen der Basedowschen Krankheit verdankt, indes die langen, nachtdunklen Wimpern sich nur dank dem Erfinder des Mastygleims an den Klapplidern befinden. Es muß leider gesagt werden, daß ihre Erlebnisse mit dem uniformgeschmückten Geliebten und seinem Widersacher, der natürlich in powerem Zivil herumläuft, im Publikum auf volle Berständnislosigkeit stoßen wenigstens werden fie ausgesprochen heiter aufgefaßt. Da es sich um einen stummen Film handelt, ersetzen die jungen Burschen die fehlenden Geräusche durch entsprechende Schnalzer bei den Kußszenen sowie durch aufmunternde Zuruse an den Geliebten, wenn die Diva aus irgendwelchen Gründen die horizontale Lage einnimmt- 3. B. wenn sie in Ohnmacht fällt, was sie in jedem Akt zu tun pflegt.
-
Nur die noch ziemlich junge Frau des reichsten Bauern im Dorf, die es immer mit der Bildung hat, ist mit diesem Verhalten des Publikums, dem ihr Mann sich anschließt, nicht einverstanden. Sie sitzt vor mir, und ich höre, wie sie ihren Mann bei jedem
316
Lacher und bei jedem Schnalzer zurechtweist:„ Aberst Korl, dat is doch ernst!"
„ Woso is dat ernst?" verantwortet sich Korl.„ Kuck doch, wie tomisch die mit die Dogendeckel klabastert!"
„ Se meent dat doch aberst ernst!"
,, Wo kann denn die dat ernst meenen! Klabasterst denn du
mit de Oogen, wenn eck di een Kuß gewen duh?"
,, Neäh, ick nich aberst dit is doch een vornehme Person!" ,, Eck weit oock, wat vornehm is!" verteidigt sich Korl. ,, Un eck segg di, dit is een Trauerspül!"
-
,, Neäh, dit is eens tom Lachen wirst et jo seihn!" auf. Bis zum sechzehnten Akt. Immerhin lacht Korl vorerst nicht mehr. Aber er paßt scharf
-
In diesem zeigt es sich, daß der Film kein Happy end hat das war wohl zu der Zeit, als dies Drama gedreht wurde, noch nicht erfunden. Und der Widersacher in powerem Zivil hat einige andere Zivilisten gemietet, und die erwischen den Bräutigam in finsterer Nacht und gehen auf ihn los, und er wehrt sich, aber sie schlagen ihn dennoch tot.
Und hier endlich jauchzt das ganze Publikum und ist mitgerissen von der Handlung, und Korl wendet sich triumphierend an seine gebildete Frau:
,, Na, wer het nu recht hat? Eck! Et is doch eens tom Lachen!"
*
wird, ist der Erfolg des Abends entschieden. So fix hebben wi Und als im siebzehnten Akt auch der Zivilist noch totgedroschen uns lang nich amüseert!" sagen die jungen Burschen zu ihren Mädchen beim Hinausgehen und schlagen sich seitwärts unter die jungen Riefern, die wohlwollend rauschen... Denn die jungen Burschen haben infam gesunde Herzen, und für sie gehört das Lachen zum Lieben und nicht das Weinen wie bei den armen, unglücklichen Filmdiven mit den Basedow - Augen...
-
Die alte Dorfeiche läßt die jungen Burschen gehen, ohne weiter den Kopf zu schütteln. Sie wundert sich prinzipiell über nichts mehr, nicht über Meckdonald und nicht über die Kinobesizersfamilie, deren vier Mitglieder sich die vom Kurbeln schmerzenden Arme reiben, als wenn sie nicht zwei Stunden lang Kino gespielt, sondern gebuttert hätten was übrigens nach Meinung der alten Eiche und der alten Mutter Wilhelms vernünftiger gewesen wäre.....
autos in der Wüste
Wie es früher war und wie es heute ist
In dem Buch Pfadsuche in der Wüst e"( Franch'sche Verlagsbuchhandlung, Stuttgart ), berichtet E. G. Lorenz über die Bemühungen, die Wüste Sahara verkehrstechnisch zu erobern. Die Gegenüberstellung des mühevollen Kampfes des Forschers Nachtigal und der sicheren Durchquerung der Wüste mit Raupenautomobilen zeigt, welch gewaltiger Fortschritt in der Eroberung der Wüste bereits gemacht ist.
1869 Mühevolle Pfadfuche.
wt.
Esel hoch. Backen werden aufgeladen, langsam setzt sich der Zug nichts als Sand, soweit das Auge reicht. Noch ist das Reiten auf in Bewegung. Es geht ins Land Fessan , Mursuk zu. Sand, dem gehöckerten Wüstenschiff angenehm. Die Kühle des frühen Tages, Erwartung des Kommenden weitet die Sinne; bald aber, mit dem Steigen der Sonne, wächst die Hize, und Müdigkeit quält den des Reitens ungewohnten Forscher. Um nicht einzuschlafen, steigt er vom Tier und watet mit den anderen durch den Sand. Wenn es nur etwas zu entdecken gäbe! Vielleicht Steine, Pflanzen! Doch die Augen schmerzen, je länger man auf den Boden stiert. Endlich ist der erste Tag, in dem man den Gürtel des Sandmeeres bezwingt, vorüber. Am Fuß des Tarhumagebirges wird das Lager aufgeschlagen.
Mit lautem Schrei treiben die Diener Kamele, Pferde und
In den beiden folgenden Tagen wird das Gebirge überschritten, das, zerklüftet, unwegsam, voller Steinschutt, immer wieder zu mühseligen Klettereien und zu großen Umgehungen zwingt. Die festen englische Schuhe, die Nachtigal trägt, zerreißen am scharfen Gestein, bald sind die Füße wund und schmerzen doppelt im heißen, trockenen Geröll. Solange die Sonne noch nicht senkrecht steht, ist es möglich, sich im Schatten der Bergwände zu halten. Mittags „ Neäh", weist ihn aber Oll Dirksen zurecht,„ neäh, dat stimmt muß gehalten werden. Eng drücken sich Menschen und Tiere hinter die Felsblöcke, um sich den sengenden Strahlen zu entziehen. Niemand spricht ein Wort. Zwar ist noch reichlich Wasser vorhanden, aber keiner will das lauwarme Naß, dessen Genuß nur den Durst
-
dat nu woll nich. Ja, wenn so ne Saf irst möt druckt werden dauert woll sin Tid; irst mol, bet ein dat schreewen het, un denn, bet een anner dat druckt het. Weitst jo all, wat dat Tid kost, bet unsein een Breef hat schreewen...
man keen Burt, dat sün doch man Bilder, di wo eenfach knipst
werden! Bi'n Photegraphen, dat geiht holterdipolter, knips, un fartig is et! Sühste, dadrum geiht dat so schnell!"
wird. Was kommt da nicht alles zum Vorschein: Riesige Kisten mit geheimnisvollem Inhalt, Zelttücher, Zeltgestänge, Tonnen und Betriebsstoff, Werkzeugkästen, Gewehre, Maschinengewehre, Kleiderballen, Handkoffer und tausenderlei mehr. Da ist auch Flossi, das Cxpeditionshündchen und Glückstier, das feinem Unternehmen fehlen darf. Wie die Raupenwagen auf die Rampe gefahren werden, steigt die Begeisterung zu einem wahren Orkan, man redet, schreit, lacht, gestikuliert, tanzt, tollt. Es ist ein Fest, wie es selten wieder=" fehren wird.
Am Abend des 16. Dezember ist die Kolonne marschbereit; in der folgenden Nacht einhalb vier springen die Motoren an: verhaltener Rhythmus, pulsierendes Leben großer Maschinentiere vor dem Start nach Timbuktu . Kalt ist die Nacht, von Gewölk dunkel verhangen, grell spielt das Licht der Scheinwerfer auf weißem Hausgemäuer. Langsam schlürfen die Ungeheuer davon in die unabsehbare, blau leuchtende Ebene hinein, zwischen Palmengruppen hindurch, die wie Gespenster vor dem Ort stehen, über ausgetrocknete Salzseen hinweg, an Bewässerungsanlagen vorüber. Weithin leuchten die Flammenaugen, spiegeln sich im Wasser oder stieren dichtverschlossene Zelte von Nomaden und Hirten an, die im Freien übernachten. Hundegefläff schlägt den Nahenden entgegen und er stirbt hinter ihnen in der Nacht. Eiskalte Feuchtigkeit steigt vom Boden auf, der von funkelnden Salpeterkristallen bedeckt ist. Niemand spricht; in ihre Mäntel gehüllt, halb im Schlaf, wartet die fröftelnde Mannschaft auf den Morgen.
Aberst dit hür sün doch erhöht. Eisig sind die Nächte im Gebirge, falt und grausam scheinen werfen ihn Schlag um Schlag, ohne Ruck, hinter sich. Ihre hier die Sterne, man wärmt sich an den Leibern der Kamele. Am vierten Marschtag ist die Bergwelt überwunden. Weithin streckt sich die Ho che bene mit grünen Triften und Flußtälern, die allerdings kein Wasser führen. Wie die Farbe Augen und Sinne belebt! Rascher greifen die Füße aus, die Tücher werden von den Gesichtern genommen, und Guiseppe, der schweigsam geworden war wie Mohammed el Katruni, magt sogar einige Scherze. Biesen und Palmeneilande mehren sich, an Quellen findet man frisches Wasser. Das grausame Gestern wird vergessen.
Allgemein stimmt man Oll Dirksen bei; aber Matthes gibt sich noch nicht geschlagen.„ Ek weet aberst ganz genau, dat Meck donald nich mihr Präsedent von England is. Schonn lange nich mihr! Un in de Wochenschau wir ne Parade vor den Ministerpräsedenten Meckdonald! Also möt dat Bild alt west sin!"
,, Neäh, neäh! Denn mötst du di eben irren, Matthes! Denn is hei eben doch Präsedent!"
,, Un hei is nich mihr Präsedent!"
,, Un hei is Präsedent!"
„ Un ick duh wetten um een Buddellje Richtenberjer, dat Meckdonald nich Präsedent is!"
,, Un ick sett twee Buddelljen gegen!"
-
In diesem Moment wird die neueste Nummer der„ Lindower Zeitung" hereingebracht der Krüger hält sie neuerdings, weil die Sommerfrischler immer nach der Zeitung fragen. Und diese Zeitung trägt in fetter Cicero auf der ersten Seite die Zeile:
,, Macdonald zum englischen Ministerpräsidenten gewählt!" " Sühste", schreit triumphierend Oll Dirksen,„ eck heff dit jo glif jeggt! Mit die Bilder, dat geiht eben schneller wie mit dat Schreewen un Drucken, de Zeitung weet dat all hüt irst, aberst dat Kino hat et schon gestern wußt! Krögern, her mit die Buddellje!"
Ja- und nun könnte ich ja daherkommen und Oll Dirksen erzählen, daß Macdonald vor drei Jahren auch schon mal englischer Ministerpräsident war, und daß inzwischen sein Sturz fam und die Neuwahlen und manches andere, was aufregend war und welterschütternd, und daß er nun eben wieder Ministerpräsident geworden ist, und daß zufällig, ganz zufällig die Vorführung des uralten Films mit den allerneuesten Meldungen zusammengefallen ist- alles das könnte ich erzählen. Aber ich werde mich hüten; Dll Dirksen wird mich auslachen und Matthes muß seine Buddellje
Am sechsten Tage bricht plötzlich das grüne Paradies in sich zusammen; wieder dehnt sich meilenweit steinige Einöde, Höhen wachsen auf, Felsblöcke sperren den Pfad. Müdigkeit überfällt den Zug, der mühsam hinschwankt, bis gegen Abend Beni- ulid, die letzte Station mit grünem Olivenhain erreicht wird. Zu Tode erschlafft wirft sich alles in die Decken und schläft bis in den kommenden Tag hinein. Doch der beschwerlichste Weg liegt erst vor ihnen. Es ist das furchtbarste Stück zwischen Tripolis und Bornu; fein Baum, fein Strauch, nicht ein einziger Grashalm, nur Stein, Stein, Stein. Sechs lange, alle Kraft verzehrende Marschtage bringen die Karawane bis nach Bonds chem, einer traurigen Wüstenstation. Der nächste Plazz heißt Sokna. Bis dahin find es wieder fünf Tage steinige Wüste ohne Menschen, Wasser und Vegetation. Wehe, wenn in diesen Breiten der Gibli weht, der trockene, heiße, atemraubende Südwind, der selbst das Wasser in den Schläuchen rasch verdunsten läßt und Tier und Wanderer unfehlbar dem Tod in die Arme treibt! Niemand kann so viel Wasser mit sich schleppen, um ihm zu trogen. Er ist schlimmer als der Sandsturm, heimtückischer als dieser und schneller zur Stelle
1922: Durch querung im Auto.
Heute, am 15. Dezember des Jahres 1922, hat Tuggurt sein besonderes Ereignis. Auf dem Schmalspurgleise steht ein dicht verhüllter Güterzug. Hunderte von Eingeborenen, Männer, Frauen und Kinder, umlagern die Wagenreihe. Jezt werden die Zelt blachen abgenommen, für Sefunden schweigt Geschrei und Gespräch, um toller aufzusprühen, wie nun Stüd um Stüd, Paden nach Backen von den Plattformen genommen und seitwärts aufgestapelt
Nach anderthalb Stunden ist man am Kasse von Tamassin, einem kleinen französischen Stützpunkt, angekommen, wo ein junger, eingeborener Führer heißen Kaffee als Willkommensgruß bietet. und während man gierig den ersehnten Trank schlürft, rötet sich der Himmel. Rosiges Perlmutter überzieht die Dünen, bläulich leuchten Gräser und Bäume. Weiter geht es. Die Raupen pressen den Sand zusammen und Schmiegsamkeit gleicht dem weichen, mahlenden Fuß der Dromedare; sie bereiten den Boden, über den die Wagen hingleiten. Gegen Mittag rattern sie am Dorf N gussa vorbei, das malerisch im roten Ziegelgewande mitten in den Sanddünen liegt. Zwei Stunden fanal trennt sie von den unaufhaltsam Dahinfahrenden. Das Grün später taucht die Dasenstadt Warglia auf. Ein Bewässerungsder Bäume ist dunkel, stellenweise schwarz im grellen Licht des Tages, die Häuser stechen wie Sepia von der Umgebung ab. Kaum sind die Fahrzeuge am Saum einer Pflanzung angelangt, als ihnen aus der sandigen Ebene ein Zug schreiender Reiter zu Pferd und auf Kamelen entgegenstürmt. Gewehre werden abgeschossen, Fahnen geschwenkt, furchtbar gellt das Schreien der Nahenden. Nun sind sie heran, umjagen die Wagen, halten jäh inne und stellen sich in langer Reihe auf. Ein französischer Offizier, Befehlshaber im Bes reich der Doase von Warglia, reitet mit den Stammeshäuptlingen zum Führerwagen und begrüßt die Wagemutigen im Namen Frankreichs und seiner treuen afrikanischen Eingeborenen. Troms mein werden geschlagen, Pfeifen gellen, zu wildem Reiterspiel lösen sich die Reihen der farbigen Heerschar, Frauen und Mädchen wiegen fich im Tanz, Akrobaten zeigen ihre Kunststücke; zuletzt wird noch ein Wettrennen von Pferden und Dromedaren veranstaltet, bei dem die Gäste als Schiedsrichter mitwirken müssen. Das Ganze beschließt ein Festessen im großen Zelt des Stammesfürsten.
Nun sigen die Fremden in seinem Zelt, auf mächtigen, weichen, roten und schwarzen Teppichen, die von den Frauen von Dicholfa, den berühmtesten Weberinnen, geknüpft werden. Draußen lagert das Volk. Ueber lodernden Feuern braten Hammel am Spieße, und wenn der Vorhang am Zelteingang sich hebt, bietet sich den Reisenden ein malerisches Bild, so schön, wie es ihnen in ihrer Jugend beim Lesen von alttestamentarischen Festen die findliche Phantasie vorgegaufelt hat.
Die Sonne sinkt. In zartes Rosa hüllen sich die Dünen. Weit im Westen dunkelt das Hoch- und Dedland von Hammada in violetten Tönen, Morgen wird man über die Schwelle schreiten, die das Leben in westlicher Zivilisation trennt von dem im Herzen des großen, wilden Landes!