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öeaangen sei Man kcinne dqrin nicht mehr die bi?hsrigs zurück- haltende Amtsführung und die stet» korrekte Form des alten Prasi» Kenten erkennen. Gewiß sei schon lange deutlich gewesen, daß hindenburg sich von der Politik der Regierung Brüning zurückziehen wolle. Der Präsident Hobe durch die Begründung, mit der er Brüning verabschiedete, schon enthüllt, in welcher Richtung er zu wandeln gedenke. England. condon. 30. Mai.(Eigenbericht.) Der Rücktritt der Regierung Brüning gilt hier als das Ereignis des Tages. Trotzdem sind die Londoner Abendblätter hauptsächlich mit den Ziehungen der Nennlotterie zu dem bevor- stehenden Derby beschäftigt. Sie bringen seitenlange Lebens» geschichten der glücklichen Gewinner und finden kaum Raum für das Ereignis des Tages. Man kann nicht sagen, daß der Rücktritt völlig überraschend kam. Immerhin hatte man damit gerechnet, daß Brünings Position bis Lausanne gesichert sei. Jetzt diskutiert man in politischen Kreisen vor allem ober die Rück- Wirkungen des Rücktritts auf die Lausanner Konferenz. Die- jenigen Regierungskreise, die ohnedies sich damit abgefunden hatten, daß Lausanne nur eine Vertagung der Probleme bringen werde, sind jetzt noch mehr davon überzeugt, daß man etwas andere« gor nicht erst versuchen sollte, ja. sie sprechen bereits von einer Per- f ch i e b u n g der Lausanner Konferenz. Den Mahnern dagegen, die England beschwören, die Initiative zu ergreifen, gibt die Tat- fache, daß Brünings Regierung unhaltbar geworden ist, ebenso wie der Wahlsieg der Nazis in Oldenburg neue Argumente.Das Uebel der neuesten Entwicklung in Deutschland so schreibt beispielsweise derDaily ch e r a l d" wird nach schlimmer gemacht, wenn man diese Entwicklung in England benutzt Zur Verschiebung der Lausanner Konferenz, zur Verschiebung des Angriffs auf die Welt- trise.'' Welche Richtung in England schließlich den Ausschlag geben wird, kann nur die Zukunft lehren.

Reichstag und die Regierungsbildung. Das Reichskabinett hat den Etat noch nicht verabschiedet. Der A e l t e st e n r a t des Reichstags, der am Dienstagnach- mitlag zusammentritt, um zur Einberufung des Reichs- t e g e s Stellung zu nehmen, findet durch den Sturz der Regierung Brüning eine völlig veränderte Lage vor. Da sich der Aeltestenrat des Reichstages bisher innner auf den Standpunkl gestellt hat, daß Tagungen, sofern kein« verhandlungsfähige Regierung vorhanden ist, zwecklos feien, dürste der Reichstag an dem ursprünglich in Aussicht genommenen Termin, dem 6. Juni, kaum zusammentreten. Hinzu kommt, daß das Reichskabinett den Etat nicht mehr verabschiedet hat, so daß er vorläufig weder dem Reichsrat noch dem Reichstag zugehen kann. Reichstagsausschüsse vorläufig abgesetzt. Di« politischen Ereignisse haben zu einer vorläufigen Unter- brechung der Arbeiten der Reichstagsausschüfse geführt. Der Vor- sitzende de» Haushaltsauzschusses des Reichstags, Abg. Hoinmnn (£03.), hat diesen Ausschußmitgliedern mitgeteilt, daß wegen der politischen Ereignisse die aus Dienstag, den 31, Mai 1932, anbc- räumte Sitzung des Haushaltsausschusses aufgehoben werde. Ein Termin für den Wiederbeginn der Arbeiten ist noch nicht genannt. Es ist anzunehmen, daß auch die Übrigen Reichstagsausschüfse vor­läufig ihre Tätigkeit unterbrechen.

Terror in Ostfriesland . Steuerfireik mit Gewalttätigkeiten. Emden , 30. Mai. (Eigenbericht.) v, einer der letzten Nächte wurde in Emden in dem Geschäfts- total des sozialdemokratischenVolksboten" das groß« Fenster der Buchhandlung eingeschlagen. Von ähnlichen Terrorakten wird Ostfriesland feit Wochen heim- gesucht. Etwa zwei Dutzend Ä e m e i n d e v hrst e h e r n, die für die Veitreibung von Steuern sorgten, wurden in letzter Zeit nachts die Fenster ihrer Wohnungen ein- geworfen. In einzelnen Fällen wurden Zettel hinterlassen, in denen aus die Pflichterfiillimg der Bürgermeister hingemiesen und weitere Terrormahnahmen angekündigt wurden. Aehnlich erging es Leuten, die ihre Steuern bezahlten und damit nach der Ansicht der Terroristen den Steuerstreik sabotierten. Auch Land- j ä g e r, die sich an Zwangsbeitreibungen beteiligten und Voll- ziehungsbeamte sind von den Terroristen, von denen bisher keiner einwandfrei festgestellt werden konnte, ebenfalls heimgesucht worden. Das Landratsamt Emden wurde ebenfalls nicht oerschont. Außerdem wurde ein B 0 m b e n a t t e n t a t auf die Besitzung eines Viehtransporteurs in Leer (Ostfricsland) unter- Nammen , der im Austrage der Vollstreckungsbenmten die Ab- transporte des beschlagnahmten Viehs durchführte. Bisher hat nun vergeblich auf die durchgreifenden Maßnahmen der Behörden gegen diesen Terror gewartet. Gegen die Reichsbahn. Die Stadt Schneidemuhl demonstriert. Schneidemühl . 30. Mai.(Eigenbericht.) Am Montagabend fand auf dem Marktplatz in Schneidemühl , dem Hauptort der Grenzmärt Polen-Westpreiißen,«ine Riesen- demon st ratio» gegen die Abbau maßnahmen und die Wirtschastsdiktatur der R e t ch s b a h n v e r w a l t u n g statt. Die Veranstaltung war van etwa 10 000 Menschen besucht. BGos und Geschäfte hatten zum Zeichen des Protestes geschlosien. Die gesamte Stadt erklärte sich mit den S 0 0 Eisenbahnern soli­darisch, die die Reichsbahn neuerdings entlassen hat. In dem Schneidemühler Ausbesserungswerk arbeiteten 1924 noch mehr als 2000 Arbeiter. Sic sind heute bis auf 700 entlassen, während in anderen Werkstätten der Prozentsatz der Abgebauten nur 8 bis 10 Proz. ausmacht. An der Kundgebung nahmen Vertreter aller Parteien und der Behörden teil. Der Oberbürgermeister der Stadt Schneidemühl führte aus, daß man im Reich nicht vergessen dürfe. daß die Schneidemühler Bevölkerung>n einer Gegend der Armut und in einer Härte des Klimas einen schweren Exist-nzkamp' führt, daß die Bevölkerung schwerste Opfer bringe und schwerste Verluste erleide, Schneidemühl , da» Bollwerk an her Ostgrenze, habe eine besondere Mission zu erfüllen und dürfe nicht mit dem Maßstob anderer Städte gemessen werden. Desbolb müßte» dieser Stadt die notwendigen Kraftquellen erholten bleiben. Dezhalb müsse die Reichsbahn d-e ausgesprochenen Entlassungen ryckaängiq machen. Auch die Reichsbahn mnsie sich an staatspolitische Notwendigkeiten holten. Die Demonstration verlange von den Behörden, daß sie nichts unversucht lassen, um den berechtigten Forderungen einer demonstrierenden Stadt Rechnung zu trogen.

Kopfüber hinab.

Michel:Seii bin ich nicht mehr mit solcher Begeisterung in den Abgrund hineingerast!" Die Bedingungen der Sozialisten. Große Aussprache auf dem pariser Parteitag.

Paris , 30. Mai. (Eigenbericht.) Der Sozialistische Kongreß setzte am Montag die Debatte über die Frage der Regierungsbeteiligung fort. In der Bormittagssigung sprachen die drei Abgeordneten Lobas, Riviere und Vincent-Auriol , von denen nur ver erste gemäß der Eni- schließung des Nord-Departements sich nicht sehr warm für die Be- teiligung an einer Regierung Herriot einsetzte. Die interessanteste Rede war die Vincent-Auriols, der, wie er sagte, mit soliden Argu» menten, die Opportunität der Mitarbeit an der Regierung darlegen wolle. Aber dies« Mitarbeit müsse auf Grund eines Programms durchgeführt werden, das dem Willen der Wähler entspreche. Es müsse der Aufrechterhaltung des Friedens und dem wirtschaftlichen und sozialen Gleichgewicht gewidmet sein. Frieden und Abrüstung seien an die Frage der deutschen Reparations- Zahlungen gebunden. Die Formel Frankreichs :Wir iverden nur in dem Maße unsere Schulden an Amerika entrichten, in dein mir von Deutschland bezahlt werden", sei eine retardierende Formel. Deutschland müsse wieder gutmachen. Aber man diirse nicht ver- gtssen, wa» es schon bezahlt hohe. Die Reichsregierung behaupte, Deutschland habe schon das bezahlt, wo»«» schulde. Die franzosische Regierung behaupte das Gegenteil. Um die Wahrheit festzustellen, gerrüge es, dem Vorschlage Blums betreffend eine internationale Sachversiändigenuntersuchung zu solgen. Dadurch, daß man, als es noch Zeit war, nicht die These des internationalen Sozialismus angenommen Hobe, habe man Deutschland alle internationalen Schulden aufgebürdet. Ein Land könne ober nur in dem Maß« seines Ueberschusses aus der Außenhandelsbilanz zahlen. Die wirtschaftliche Wiederoufrichtung Deutschlands hänge von der wirtschaftlichen Organisation Europas ab und diese ihrerseits von der ollgemeinen Abrüstung. Im übrigen verteidigte Vincent-Auriol die drei von Lisan Blum in seiner Nor- bonncr Rede angeführten Bedingungen für die Mitarbeit, die, wie aus seinen Darlegungen hervorging, Maßnahmen seien, die nicht- durch den Willen der Sozialistischen Partei zur Debatte ge- stellt werden, sondern durch die Notwendigkeit, Mittel für die Aus- balancierung des Budgets zu finden. Die Verstaatlichung der Eisenbahn sei angesichts des Defizits der Gesellschaften nur eine Buchungsoperation. Das gesamte Versicherungs» wesen, Sozialversicherung, landwirtschaftliche Versicherung und die Privatnersicherungen müßten in einem allgemeinen staatlichen Ver- sicherungssnstem zusammengefaßt werden. Die Nachmittaqsitzung brachte nach Reden der Abgeordneten Grumbach- Marquct und Deal, die sämtlich die Notwendig- feit der Beteiligunq an der Regierung unter den obwaltenden außergewöhnlichen Umständen betonten und nach einer Rede Brackes, der keine große Begeisterung für die Mitarbeit zeigte, den Höhepunkt der Debatte mit einer Rede Leon Blums . Der Führer der französischen Sozialisten zag gewissermaßen die Bilanz aus den gesamten Reden und legte unter fast ein- stimmigem Beifall des Kongresses die gegenüber den Radikalen in den nächsten Tagen einzunebmende Haltung dar. Blum erklärte, er müsse nicht nur für den Kongreß sprechen, son- der» für die gesamte Oeffentlichkeit. Die von vielen Rednern aus- gesprochene Meinung, daß das Ergebnis der Wahlen die Lage geändert habe und für die Mitarbeit unter allen Umständen ivrechc, teile er nicht. Das Wahlergebnis hätte zwar die Er- Wartungen übertroffen, aber es fei unter den berechtigten Haff- nungen geblieben. Die Sozialistische Partei hätte darauf rechnen können, daß ihre Fraktion die stärkste in der neuen Kammer werden würde. Dann hatte die Sozialistische Partei nicht nur die Führung der Staatsgeschäfte einfach übernommen, sondern sie hätte sie gefordert. Die meisten Bezirksvcrbände der Partei hätten in ihren Entschließungen zum Ausdruck gebracht, daß es unter den gegenwärtigen Umständen nicht möglich sei. die Hypothese der Beteiligung von vornherein abzulehnen, Die Beteiligung enispreche den Wünschen der össenllichen Meinung des Landes und werde auch vom Ausland« erwartet. Sie solle der Regierung einen belebenden Antrieb geben. Aber sie dürfe nicht ohne Bedingungen oder Garantien durchgeführt werden. Diese Bedingungen, die nicht fitr die Radikalen, sondern für die Sozialistische Partei selbst aufgestellt werden, müßten Taten entsprechen. C« handele sich für die Partei nicht darum. wie andere Parteien in der Regierung zie sitzen. Ihre Beteiligung müsse mit einer Aenderung in innen- und außen- politischer Lginsicht verbunden sein. Blum sprach sich dann über die Bedingungen aus: Die erst« sei die Abrüstung. Sie sei zugleich«ine Frag« der allgemeinen

Politik und der Budgetpolitik, serner eine Vorbedingung für da» Gelingen der Lausanner Konserenz. Die internationale Abrüstung sei heute mehr denn je notwendig, selbst, wenn nach der Demission Brünings ein Nazikabinett in Deutschland an die Macht komme. Frankreich dürfe durch Ablehnung der Abrüstung Hitler nicht einen Vorwand für die Wiederaus- rüstung Deutschlands geben. Die Kontrolle der Abrüstung müsse durch dle internationalen Organismen und die internationale Ar- beiterschaft gesichert werden. Was die Lausanner Konserenz anbe- treffe, so liege die Houptsragc nicht in der Bezahlung der Reparativ- ncn, sondern darin, ob in Lausanne eine Zusammenarbeit der Völker und eine internationale Zusammenarbeit der Banken und der Großindustrien zustande komme. Die Frage der Verstaat- lichung der Eisenbahnen werde schon in den nächsten Wochen aufgeworfen werden, wenn die Gesellschaften vom Parlament Maßnahmen zur Behebung ihrer Defizits verlangen werden. Die Bersiaatsichung würde keinerlei neue Lasten für da« Land mit sich bringen. Mit der Nationalisierung der Versicherungsgesellschaften sei dasselbe der Fall, denn es müßten Mittel zur Weiterzahlung der Arbeitslosenunterstützung gefunden werden. Die Ausgleichung des Budgets sei nicht mit einer einfachen Einschränkung der Ausgaben, mit einer Verringerung der Gehälter und Löhne möglich. Die neue Regierungspolitik müsse dafür sorgen, daß der Verbrauch er« höht werde, damit die bisherigen Mindereinnahmen aus den Steuern verschwinden. Als weitere Bedingungen müßten die Einführung des Verhältniewahlsystems, das Verbal der privaten Waffen- fabrikation und die Durchführung der 4 0< S t u n d« n- W 0 ch« gefordert werden. Alle diese Bedingungen müßten fd formuliert werden, daß sie von den Radikalen angenommen werden können und sogar müssen.(Großer Beifall.) Anschließend äußerte sich Blum über das weitere Verhalten der Partei. Das Programm für die Mitarbeit werde am Dienstag vom Kongreß angenommen werden. Einer besonderen Mitteilung an die Radikale Partei bedürfe es nach seiner Ansicht nicht. Wenn die Radikale Partei, deren Exckutioausschuß am Dienstagabend zusammenkomme, dann mit Ja antworte, sei die Partei durch diese Antwort gebunden und der Kongreß brauche nicht von neuem zu beraten. Wenn die Radikalen mit Nein antworten, sei die Angelegenheit für die Partei geregelt. Wenn die Radikalen aus- weichende Antworten in dem Sinne:Wartet ab! Habt Ver- traue» zu uns. Wir werden uns schon verständigen" geben, dann bedeute das nach seiner Ansicht ebenfalls ein Nein.(Großer Bei- fall.) Wenn die Radikalen erklären, sie würden einen Punkt an- nehmen, einen anderen ablehnen und für einen dritten Gegen- vorschlage machen, dann müßte der Kongreß von neuem ent- scheiden. Grumbach fragte daraus Löon Blum, was geschehen werde. wenn die Radikale Partei antworte, sie walle mit einer sozialistischen Delegation über das Programm verhandeln? Werde die Partei dann Ja sagen und dem Kongreß die endgültige Entscheidung über- lassen? Blum erwiderte, wenn es sich bei den Beratungen mit den Radikalen um nebensächliche Punkte des Programme handele, dann habe er nichts gegen die Entsendung einer Delegation einzuwenden. Aber falls die Verhandlungen über den allgemeinen Rahmen des sozialistischen Programms hinausgehen, dann werde er Nein antworten.(Großer Betfall.) Benaudel sagte darauf in etwas gereizten, Ton, er wolle nur eine Bemerkung machen, da«r sich absichtlich nicht als Redner habe einschreiben lassen. Die Frage der Unterhaltung mit den Radi- koien sei wesentlich. Werde man den Radikalen die Beschlüsse des Kongresses in Form eines Brieses iibersendcii, auf den nur mit Ja oder Nein zu antworten fei, oder werde man mit den Radikalen über die Bedingungen verhandeln? Die Anhänger der Beteiligung würden dem Kongreß ein anderes Verfahren als das von Leon Blum vorgeschlagene unterbreiten, denn sein Verfahren mache jede Verhandlung unmöglich und komme der Ablehnung der Beteiligung gleich. Die Intervention Renaudele rief lebhasten Wider- spruch, vor allem auf den Z u s cha u e rt rib üin e n, hervor. was den Vorsitzenden Vincent-Auriol zu der Erklärung veranlaßte, daß er«ine Unterbrechung des Redners durch Nichtkongreßmitglieder nicht mehr dulden werde. Blum beendete dann mit einigen allgemeinen Bemerkungen unier dem fast einstimmigen Beifall des Kongresses seine Rede. Der Kongreß ernannte dann ein« Kommission, die in der Rache, zum Dienstag da» dem Kongreß zu unterbreitende Pro» zramm für die Rsgisrungsbeteiligung ausarbeiten(oll.