Einzelbild herunterladen
 
Leiter Uber   dem 3)orf! 3)ie QeU'hiclüe eines Slreiks/ Ton S. Richards
Sie stieg den Abhang hinauf. Die Kiepe drückte auf den Schultern, sie blieb stehen und verschnaufte. Der zahnlose Mund öffnete sich, Mine sprach mit sich selbst,-- Tja... sind eben schon Achtundsechzig, Mädchen... wirst alt." Die linke Hand krampfte sich um den geschnitzten Stecken und dann schob sie ihren Körper wieder aufwärts, Schritt für Schritt, immer höher hinauf. Oben auf dem Bergplateau lagen die Felder der Dörfler! Köhler-Mine war einst ein lustiger Kerl gewesen. Kein Tanz- boden der Umgebung, über den sie nicht die Burschen im tollen Reigen zur Kirmes geschleift hatten. Die Köhlers waren ein kräftiges Waldbauerngeschlecht. Aus Arbeit und Alltag wuchsen die Jahre herauf. Leute kamen und gingen im Dorf. Kinder und Männer. Mine hatte deren drei gehabt und überlebt. Eines Tages klingelte der Feldwächter Nach- richten durch das Dorf:Krieg!" In einer Stube versammelten sich die Kinder.Krieg? Seid ihr toll? Krieg ist Mord! Kommt keiner ohne meine Einwilligung fort! Wer soll die Aecker bestellen, wenn ihr fort seid, wer sie vor dem Walde und der fressenden Heide schützen?" pochte die fragende, knurrende Stimme durch den schweigenden Raum.Wer wird die Hirsche von der Saat vertreiben?" Die Alte schnappte nach Luft und erhitzte sich im Eifer ihrer fragenden Belehrungen. Demütig schlichen die Kinder aus der Stube. Auch der Feldwächter mußte in den Krieg, wie die anderen vor ihm. Seine Frau klingelte die Dorfnachrichten aus: Einen Brief an Mine Köhler. Ihr Aeltester war geblieben! Mit den Monaten folgten andere im Dorfe. Mine Köhler verzweifelte noch nicht. Morgens und Abends sagte sie ihr Gebet auf. Wir schrieben 1917! Nichts als Kohlrüben und Plakate brachte dieser Winter ins Dorf:Durchhalten!" Mine Köhler opferte das letzte sich selbst! Aus Mangel an männlichen Arbeitskrästen lief sie morgens durch dos Dorf, ins Tal hinaus, zur Fabrik. Dort mußte sie, wie die anderen, arbeiten. So schwer, daß manchmal darüber das Beten vergessen wurde! Als die Frauen des Dorfes in der Fabrik arbeiteten, verkamen die Felder. Heide nistete sich in dos urbare Land, das sie einst mit den Kindern und Männern mühsam dem Wolde entrissen hatten Wie alles in ihrem Leben, ging auch der Krieg vorüber! Die Männer kamen zurück, bärtig, mit fremden, wirren Ideen im Kopfe, von Revolution und Freiheit. Mine wurde nicht klug aus den Worten der Jungen, es war eben der Krieg. Verdrossen zog sie mit dem. was ihr der Krieg gelassen hotte, aus die Höhen, auf die verwahrlosten Felder. Groß war die Not im Dorfe. Die Felder waren unfruchtbar. es fehlte an Dünger, an Tieren, an Händen, an Geld. Die Fabrik zahlte niedrige Löhne, die reichten nicht aus für alles, was die Häusler im Dorfe brauchten. Die Leute sanken in sich zusammen. Ihre Haut wurde gelbgrau und faltig, wie ein Harmonikabalg. Immer spitzer werdende Ge- sichter atmeten trostlose Verbissenheit. Die fadenscheinigen Kleider waren viel zu weit geworden für die entsagenden Körper. Es war, als wenn das ganze Dorf einschrumpfte! In der Fabrik lohnte sich die Arbeit nicht mehr. Eines Abends trat ihr Jüngster in die große, geräumige Stube: Mutter, da kommt wer aus der Stadt, wollen uns mit ihm be- sprechen...!" Und dann kamen sie aus dem Dorfe zu ihr. Schweigend, dumpf saßen die Männer in der Stube umher, auf der Ofenbank, den Stühlen, auf dem Fußboden. Ein Fremder sprach. V e r s a m m- l u n g! Mine saß teilnahmslos in der Ofenecke und strickte. Das waren Männerfachen, ging sie nichts mehr an. Der Morgen kam herauf. Ein kalter Regen rieselte vom Himmel, die aufgeweichte Erde war in dichte Nebel gehüllt. Von Zeit zu Zeit fegte ein Windhauch von den Bergen herab, rauschte leise in den Zweigen der Bäume, fuhr raschelnd und klappernd über die grauen, nassen Schieferdächer und Wände der geduckten Häuser. Eine müde Musik zum Elend des Dorfes. Mine sah von ihrer Strickarbeit auf. Sie kamen durch das Dorf gezogen. Alle, die Schöler, Gunzer, Kaiser, Biehler und Himmel- reich?! Sie st r e i k t e n!--- Mine horchte auf.Streik... was ist dos?" Ein Sohn erklärte ihr das Wort.Streik," murmelte sie vor sich hin,das ist doch Krieg?" Wieder so ein gottverfluchter Krieg! Fangen sie schon wieder an, die Kerle? Sie streikten drei Wochen. Die Männer saßen zusammen und berieten die Lage. Ueber die Berge kamen Gendarmen von Königsgrund herüber und be- wachten die Fabrik Unruhen wurden befürchtet! Die Sonne ging unter! Eine ungeheure Sonne: rot, wolkenlos, sie senkte sich herab und betrachtete die streikenden Ar- beiter mit neugierig blinzelnden Strahlen. Dann versank sie hinter den blauen Bergen und ließ noch lange ein rotes Band zurück, voll von Wehmut und Trauer! Die Nacht breitete sich aus! Lastautos kamen durch das Dorf und fuhren zur Fabrik. Wie ?in Lauffeuer verbreitete sich die Meldung, stieg über die Berge, �ber den Komm des Waldes, hinunter in die Nachbartäler, rief laut und vernehmlich ein schändliches Wort: Streikbrecher!
Trotz bleichte die Gesichter in den Stuben, die Situation wurde ernst. Bei Morgengrauen begannen die Schlote zu rauchen, Hämmer dröhnten durch das Tal, die Mühlen mahlten knirschend weißen Ton' In den Lagerschuppen richteten sich die Streikbrecher häuslich ein Es sollte ein langer Kampf werden. Streikbrecher...?" Mine Köhler verstand dieses Wort und seinen Sinn nicht. Sie spürte nur den Hunger ihrer Kinder. Nichts war mehr im 5?ause: keine Kartoffeln, kein Korn, kein Oel. Und drüben, über den Bergen, in den fruchtbareren Tälern, weigerten sich die Bauern, den streikenden Wäldlern Lebensmittel zu verkaufen. Sie fürchteten um ihre Hypotheken, die ihnen dieHerrschaft" gegeben hatte. Der ganze Wald hatte sich gegen die Streikenden verschworen. Mine hörte auf zu beten. Der Hunger ging um. Streitsucht flackerte auf, die Not wuchs ins Grenzenlose. Da raffte sich Mine Köhler auf. Die Herrschaft mußte Helsen  . In der Nacht war ihr dieser Gedanke gekommen. Um fünf Uhr
morgens trat sie aus der Stube, nahm den Stecken und wanderte dem Abhang zu. Der Sohn sah sie vorübergehen und rief sie an. Zur Herrschaft will ich, kann uns nicht verhungern lassen!"Hilft doch nichts, Mutter!" Mine sah ihren Sohn an. In ihren Augen glimmten grünliche Kerne, unbarmherzig und kalt.Hab meine Männer und ein Kind der Herrschaft geopfert, hob sie nie im Stich gelassen in ihrer Not, damals... im Kriege... Werden mich jetzt nicht im Stiche lassen..." Aechzend stieg sie über die Berge nach Königsgrund hinab, zurHerrschaft". Erbost über die Zudringlichkeit, bellten die Hunde, der Lakei verwehrte Mine den Zutritt zur Villa.Was..? Mine Köhler soll nicht zur Herrschaft sprechen?... Kommst aber schön an... Lakei du!" Zwei Stockhiebe, winselnd ließ er die Gartenpforte los. Mine schlürfte über den sauber geharkten Weg des Vorgartens zur Herrschaftstreppe hinüber. Abends war sie zurück. Gespannt erwarteten sie die Frauen des Dorfes.Mine hilft!" flüsterte es in den Stuben, an den Türen, auf den Fluren. Aber Mine konnte nicht helfen. So nicht..! Müde und stumm faß sie in ihrer Stube. Die ganze Nacht schwieg sie. Am Morgen lächelte sie die Schwiegertochter trüb an, um ihre Augen- winkel liefen die Runzeln in Unmengen zusammen:Haben viel Geld... aber kein Gewissen mehr. Ein Erempel wollen sie, ein Exempel...!"
Sieben Wochen währte der Streik. In den weiten, unheimlich düsteren Wäldern knallten allnächtlich die Schüsse. Wilderer'-- Auf den Feldern der Bauern, drüben, vor Königsgrund, waren die Früchte nicht mehr sicher. Aus der Gemeinschaft friedlicher Bauern des Walddorfes war eine Horde marodierender Menschen ausgebrochen. Die Lawine aus Hunger und Not wälzte sich über das Dorf hinweg. Vor Mine Köhler stand ein braunes, breitschultriges, fpitzohriges Geschöpf, ihr Enkel:Großmutter, Ursel ist krank!", Mine schrak zusammen. Ursel? Das Kind braucht vor allem Milch. Mine griff die Notgroschen an. die Jungens mußten weit über Land gehen und Milch für Ursel holen. Dreimal versuchten es die Männer in den Oberdörfern und drüben in der Ebene. Dreimol marschierten sie stundenweit. Aber Milch, für Mines Enkelkind bekamen sie nicht.
Min« kroch hinter dem Ofen hervor, als die Söhne heimkehrten. ohne Milch, voll Bitternis.Wart oben?"Tja, gibt nichts: weißt doch... die Herrschaft!" Die Alte duckte sich, wie unter harten Schlägen. Sie griff tastend, suchend durch die Luft:Wollt ihr mein Enkelkind verhungern lassen? 5)aben Köhlers euch nicht lange genug gedient? Eins, zwei, drei Geschlechter? Drei Geschlechter und vier Tote!" Sie riß sich schmerzhaft empor und humpelte fort. Nicht den Abhang hinauf, nicht nach den Feldern. Verbissen ging Mine durchs Dorf. Ohne Kopftuch. Zwischen den grauen Strähnen schimmerten rote Haar« wie Feuerglut Aus ihrem rotbraunen Ge- ficht glühlen die Augen hervor: grün, wie Malachit.! Die schritt ins Tal hinein. Ein Kuckuk rief in langen Ab- sätzen seinen Lockruf durch den Wald. Emsige Eisvögel kreuzten über dam Bache hin und her und spiegelten sich kokett im klaren Wasser. Sonst aber herrschte ein schweres, schlummerndes Schwei- gen über dem Wege, tief eriüllt von den Düften trockenen Grases. Mine Köhler spürte das alles nicht, sie ging zur Fabrik. Am Tore standen die schläfrigen Gendarmen, sie sahen Mine schon von weitem kommen und ließen sie passieren. Es war ohnehin Mittagszeit, wozu Mine anhalten? Die Alte war wunderlich und stand mit der Herrschaft sehr gut. Geradenwegs ging Mine über den Hof ins Brennhaus. Sie kannte das alles vom Kriege her, drüben hatte sie Koks geschaufelt. Das Brennhaus war menschenleer. Der große Ofen vermauert und angezündet worden. Die glühenden Augen der Feuerungen durchleuchteten den halbdunklcn Raum, Abdämpfe zischten leise, mit prasselndem Geräusch sielen innen die Feuer zusammen. Flammen- schatten leckten über die brüchige Kalkwand des Hauses. Mine trat an den großen Ofen heran. Sie tastete die Lehmverschmierung der Füllung ab. Dann hob sie ächzend das kurze Brecheisen für den Anstich und stieß zu!-- Hart, dumpf, knirschend stieß das Eisen in die Mauer, fraß sich hinein, bröckelte Lehmwerk los. Ein Knall!? Eine ungeheure Stichflamme schlug aus dem Ofen heraus, ver- sengte alles, riß unter starkem Druck das frische Gemäuer ein, wehte eine glühende, sprühende Fahne des Aufruhrs zum Gebälk hinauf. Das Ofenhaus brannte! Die Gendarmen schreckten auf!Feuer!" In die schläfrige Mittagsglut stieß der böse Alarmruf hinein. Die Dörfler sahen von der Höhe deutlich die roten Zipfelmützen der Feuersbrunst im Winde flattern. Der rote Hahn stand drohend über dem Tale. Herrschaft und Arbeiter einigten sich. Die Fabrik wurde gerettet, der Streik beendet. Mine Köhler aber blieb verschwunden...
dileme Abenteuer eines*&ages Aus den lllemoiren eines SBehnmarkfcheins/ Ton xeinnch Memmer
Schon hatte ich mich damit abgefunden, eine abzuzählende, weg- zustouende bloße Sache zu sein, da begann eine neue persönliche Laufbahn. Der stahlgepanzerte Kerker, der mir keinen Begriff von meinem Wert vermitteln konnte, öffnete sich eines Nachmittags quietschend und die fleischige Hand des Mister Richman, der seine Alligatorbrief- tasche füllte, ließ mich als Kleingeld in die Hasentasche wandern. Als er mit feiner Freundin und einem Schwärm männlicher Tra- banten im Grandhotel des Westens zum Tee erschien, übergab mich dieser amerikanische Berliner   Kaufhausdirektor der Garderobenfrau für Aufbewahrung seines Hutes... bin ich gar ein Trinkgeld? Aber wie schwoll ich vor Stolz und Staunen, als mich die gute Frau wie einen vom Himmel gefallenen Schatz auf beide Seiten küßte und triumphierend in ihren umfangreichen Busen schob! Wie ein Abenteurer bin ich einmal oben, einmal unten. Mein Wert ändert sich, unabhängig von meinem Börsenkurs. Ich stehe in umgekehrtem Verhältnis zum Vermögen meines Besitzers. Dar- aus erklärt es sich, warum es z. B. ein bankrotter M i l l i o- n ä r, der sich mit den schäbigen Ueberresten seines Vermögens noch immer Tag für Tag die Seligkeiten einer Garderobenfrau leisten könnte, vorziehen mag, Selbstmord zu begehen: er übersieht, daß das Trinkgeld wieder zum Schatz anwachsen kann. So wie der ständig von Reichtümern träumende arme Teufel übersieht, daß mit den zunehmenden Mitteln auch die Wünsche bis ins Ungemessene, schließlich durch Geld gar nicht mehr zu Erfüllende wachsen und immer mehr Dinge dem reicher Werdenden keine Freude mehr be- reiten. Die Garderobenfrau aber hängte, als ihr kleines Geburtstags- karolinchen hereingesprungen kam, die eigenen Wünsche an den Nagel und legte mich als Saatkorn für ein künftiges Unabhängig- keitsbäumchen, an dem die goldenen Heiratschancen wachsen, in die Patschhand des Kindes, das beim Kaufmannsspiel die Wert« phan- tastisch festzusetzen pflegte und, um eine richtige Vorstellung meiner zu bekommen, mich gleich beim Zeitungsverkäufer der Horelhalle in klingende Münze umwechseln ließ. Der Zeitungsverkäufer, ein Mann, der in den Zeitungen viel von Bankkrachs liest, dachte: besser als mich langsam anwachsen zu lassen und geduldig zu warten, um dann eventuell das ganze auf einmal zu verlieren, sei es, mich direkt zu multiplizieren... und stellte tiefsinnige Betrachtungen an Hand der Wettberichte an, die leider immer erst einlaufen, wenn es zu spät zum Wetten ist. Da kam der Hellseher des Wegs, ein Mensch, der allersings mehr helle i st als daß er helle sieht(denn: wenn er die Zukunft wirklich wüßte, was brauchte er sich erst mit dem Verkaufen von Voraussagungen abzuplagen und die große Reklametrommel zu rühren)... und der Zeitungsverkäuser bot mich hinter dem Vor- hang seines Standes dem Bügelsaltenpropheten für einen lukrativen Blick in die Zukunit an. Um mich klein zu machen, öffnete dieser seine mit großen Fünfzigern(die ihm, sagte er, die Hotelgäste auf Schritt und Tritt aufdrängen) gespickte Briestasche: da legte sich von hinten eine Hand auf sein« Schulter und der Helle schob, in richtiger Voraussicht des Kommenden, die aufgeblähte Brieftasche dem Zei- tungsverkäuser zu und entfernte sich würdevoll mit dem Herrn(Ge- richtsvollzieher). Mit kleinem Wechselgeld zusammen wanderte ich in die Hosen- tasche eines nicht auf Geld, sondern Ruhm gestellten Heldentenors, der seine Rechnung bezahlen kam: auf dem Weg in den Festsaal, wo er vor einigen Theaterdirektoren und Impresarii   Probe sang. Bei dieser Gelegenheit verknautscht« mich der Tenor und preßte mich. als käme er dadurch höher hinauf, mit dem Taschentuch fest zu- sammen, so daß ich, als er es einige Stunden später in einem Warenhaus beim Riehen   einmal herauszog, unbeachtet zu Boden fiel. Traurig zugerichtet, aber nichtsdestoweniger verführerisch, lag ich auf dem von vielen Schritten widerhallenden Jmbihhallenparkett der Lebensmittelabteilung und konnte sehen, wie der Anblick meiner
Herrenlosigkeit die Hemmungen beseitigt und Menschen zu demorali- sieren vermag. In den Augen der Menschen las ich alle ihre ver- schiedenen Begierden, die Leidenschaften wurden durch die winkende Möglichkeit ihrer Befriedigung hell entfacht, hier die Putzsucht, dort die Trunksucht, da die Spielsucht, die Vergnügungssucht, der Geiz, die Wollust. Die Hände schienen sich strecken zu wollen, aber die Augen hielten einander gegenseitig in Schach  . Bor allen Blicken aber setzt« sich ein zierlicher Frauenschuh vom Kaffeetisch nebenan in solch natürlicher Weise auf mich, daß niemand daran zweifeln konnte, daß es rechtlich sei. Knapp bedeckt, sah ich den Tenor am Büfett seinen Verlust in dem Moment entdecken, als er theo- tralisch zwei Hungerleidern beispringen wollte, die ihre letzten Pfen- nige zusammenkratzten, um das Raubtier Magen zu befriedigen. Er ließ sie stehen und machte sich achselzuckevd aus dem Staub. Für einen Zehnmarkschein soll ich meinen jungen Körper an Ihre grauen Haare verkaufen?" sagte, mich zusammen mit einem Spitzentüchlein auflesend, das blühende Mädchen am Koffeetrsch. Ich dachte, Sie böten mir Ihre Hilfe in selbstloser Weise an, ckls ich von meinem Freunde, der mich in diese Stadt entführt hat, aus offener Straße im Stich gelassen wurde... aber, danke, zum Heim- fahren reicht? ja wohl noch, mein Herr!" Mit diesen Worten schwenkte mich unvorsichtigerweise das junge Mädchen als einen Ehrenretter durch die Lust. Dann setzte jie mich in der neuesten der vielen, wie Pilze aussprießenden Konditoreien ad. Der mich in Empfang nehmende Besitzer mußte soeben ein großes Donnerwetter über sich ergehen lassen. Er hatte, ein von weither Zugezogener, das Mobiliar von dem einen, vom zweiten die Apparatur und die Tapeten vom dritten bezogen; und zahlen tot er nichts, nicht einmal die Privatschuldcn an den ihn bestür- menden Freund, dessen Beziehungen er auf so schnöde Weste aus- genützt hatte. Mit großartiger Gebärde reichte er mich dem Freunde als Beschwichtigungsmittel hin: so sind die Menschen, wenn sie nur einmal wieder Geld sehen in dieser schweren Zeit, flammt da» Flämmchen des Vertrauens wieder auf. So find die Menschen: derselbe Mann, der so viel Krach gemocht. um einen kleinen Bruchteil seines Besitzes wiederzuerlangen, wirst mich auf den Wirtshaustisch, wo zwei Freunde ihn jubelnd emp- fangen, ausrufend:Den versaufen wir!" Ich, das Produkt schweiß­kostender Arbeit, wurde als eine sonderbare Schadloslzaltung für meine Ungenügsam keit in eine Substanz umgesetzt, die dem Wen- schen recht eigentlich die Kraft zur Arbeit nimmt... allerdings auch die Sorge um mich einen Augenblick vergessen läßt. Warum nur setzt niein Wiederbesitzer eine Art Stolz darin, mich auf eine so unfruchtbare Weise wieder loszuwerden... und warum sprechen die Menschen gerade in diesem wertevertilgcnden Etablissement so viel und häufig von ihrem persönlichen Wert? Das war am Abend dieses Tags, und der Mann der Arbeit kam, sein sauer verdientes Kleingeld in ein unteilbares Ganze um- zuwechfeln, das leichter zu hallen, zu behalten und zu verwahren ist. Als ich mit dem Mann der Arbeit durch die Straße ging, be- merkte ich einen dunklen Schatten, der ständig neben ihm herzog, obgleich die Sonne schon lange hinter den Häusern hinabgesunken war. Und immerzu raunte der dunkle Schatten dem Manne der Arbeit zu, daß er doch etwas abgeben, mich wieder einwechseln und ihm, dem Schatten, den größeren Teil preisgeben müsse, denn die Arbeitsmöglichkeit habe er finanziert, und nun verlange er seinen Zinseszins. Der ewig abgebende Mann der Arbeit ober hatte mich nötig, und er wollte auch nicht sein Weib oder sein Kind an den dunklen Schatte» oerkaufen, wie es dieser verlangte: da entspann sich ein Kampf, und während zwei Gestalten auf der dunklen Brücke rangen, fiel ich abermals zu Boden, der vom Regen » war, und wo mir wie beim Feuer vor meinem Leben bangte: da stieg ein Mann, der ins Wasser hatte springen wollen, übers Geländer und eine heiße Hand griff nach mir... Damit war der Tag für mich zu Ende. Was mag der nächste bringen?