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Morgenausgabe

Nr. 261

A 132

49. Jahrgang

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Der Vorwärts" erscheint wochentäg. lich zweimal, Gonntags und Montags einmal, die Abendausgabe für Berlin  und im Handel mit dem Titel Der Abend". Jllustrierte Sonntagsbeilage Bolk und Zeit"

Vorwärts

Berliner   Boltsblatt

Sonntag

5. Juni 1932

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Bentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands  

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Antwort an Papen  .

Das Volk gegen die Barone.

Die Redaktion hat den Vorsitzenden der Sozialdemokra­tischen Partei, Otto Wels  , den Vorsitzenden des den Vorsitzenden des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes  , Theodor Leipart  , den Reichstagspräsidenten Paul Löbe   und den Vorsitzenden der sozialdemokratischen Reichstagsfraktion, Rudolf Breitscheid  , gebeten, ihre Meinung über die Erklärung der Regierung Papen   den Lesern des Vorwärts" darzulegen. Sie tun es in den folgenden, in Protest und Kampfbereitschaft übereinstimmenden Ausführungen.

Otto Wels  :

Diese Regierungserklärung ist zwar kein Programm, sondern mehr ein Sammelsurium von Stammtischschlag worten, die sich selbst ein drittklassiger nationalsozialiſtiſcher Dis­fuffionsredner in einer Dorfversammlung genieren würde, zu produ­zieren. Immerhin genügen diese Schlagworte, um flar zu zeigen,

weffen Geistes Kinder die neuen Herren sind: es ist der übelste Geist

der politischen, sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Reaktion, der aus ihnen spricht. Man mißbraucht den Begriff der Nation und den Begriff Gott  , um die Junterherrschaft wieder auf­zurichten.

Diese Regierung vertritt die Anschauung einiger tausend Adelsfamilien von Großgrundbesihern, föniglich- preußischen Offi­zieren und Beamten a. D. und Großzindustriellen sonst wagt niemand, sich offen zu ihr zu bekennen.

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Aber diese Regierung war nur möglich durch den Aufstieg der Hitler- Bewegung. Hätte sich das Herrenklub- Kabinett dem Reichstag vorzustellen gewagt, dann würden Hakenkreuzler, Hugen­berger und Dingeldener ihr

Die Hand, die ein Staatsmann den Franzosen entgegenstrect,| Klaffenkampf, der Zersehung durch das marxistische Denken, von der wirkt födlich für Deutschland  wirkt tödlich für Deutschland  " Herr von Papen streckt allen Na­fionen die Hand zum friedlichen Zusammenwirken entgegen und läßt sich seine besonders guten Beziehungen zu Frankreich   von einer ergebenen Presse bescheinigen unter freundlicher Toleranz von Hugenberg   und Hitler!

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Fast zuviel Siege des Hakenkreuzes auf den ersten Hiebkein Wunder, daß Herr von Schleicher sich mit Hittlers Angesicht begnügt und die 107 im Reichstag, die Straßer, Goebbels  , Reventlow, nicht mehr zu sehen wünscht, daß er den Reichstag   brüsk verabschiedet, ohne auch nur den Versuch der Erwerbung von Vertrauen gewagt zu haben!

lange die Wähler ihr dazu die Macht gegeben. Diese Macht nahm Die Sozialdemokratie hat diese Entwicklung aufgehalten, so in dem Grade ab, als verwirrte Köpfe den Traum des Dritten Reiches träumten und das Hakenkreuz an ihre Heldenbrust hefteten. Die Arbeitslosen, die Invaliden, die Kriegstreiber, aber auch die noch in Arbeit Befindlichen, die Angestellten und Beamten und mit

ihnen Mittelstand und Bauern, werden jetzt die Früchte dieses Sieges ernten.

Deutschland   wird erwachen

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aus einem bösen Traum!

Theodor Leipart  :

Die Erklärung der neuen Reichsregierung ist geeignet, in den Massen der arbeitenden Bevölkerung, insbesondere der gewerkschaft­lich organisierten, die aller stärkste Beunruhigung hervor­zurufen.

Unternehmerkreise nur allzu gut bekannt ist, die aber im offen­In einer Sprache, die uns aus Kundgebungen sozialreaktionärer

Notwendigkeit des Aufbaus auf christlicher Weltanschau­ung verbrämt werden, beweist, daß die neuen Herren den Wunsch haben. dem Hitlertum, dessen Vertreter sie nicht ins kabinett ge­nommen haben, wenigstens durch die Uebernahme seines Phrasen­schatzes ihre Reverenz zu erweisen. Daß sie vom Margismus eben­fowenig verstehen wie von wahrhaft christlicher Gesinnung, braucht nicht besonders befont zu werden.

Was schließlich zur auswärtigen Politif gejagt wird, ist so wenig originell, daß um dieses Programmpunktes willen Brüning   wahrhaftig nicht hätte gestürzt zu werden brauchen.

Und nun sollen wir die Taten der Regierung abwarten. Wir zu können. Das Kabinett Schleicher- Papen ist der Versuch, das find nicht so geduldig und glauben uns schon heute ein Urteil bilden System Primo de Rivera   ins Deutsche zu übersehen. In Spanien   ist das Regime einer geistlosen Diktatur kläglich zusammen­gebrochen. Daß es in Deutschland   nicht andauern kann dafür wird die Arbeiterklasse sorgen.

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Gegen die Schande!

Ein Kampf des Volkes um Ehre und Brot. Von Friedrich Stampfer  .

Die Erklärung der Regierung Schleicher- Papen ist klar und fordert eine flare Antwort. Was gibt diesen bekannt sind und die allesamt ihren Beruf zum Staatsmann Herren, deren Verdienste um Staat und Volk ziemlich un

haben. Aber sie hat das Parlament aufgelöft, nicht nur, weil fie fundigen Gegenfah fteht nicht nur zu allen früheren Regierungs- erst zu beweisen haben, das Recht, über Regierungen, Re­

ihrer Niederlage im voraus sicher war, sondern offenbar auch, weil fie einer öffentlichen Aussprache geistig nicht gewachsen war. So viel ist klar: eine kleine Schicht von feudalen Monarchisten, auf Schleichwegen mit Unterftüßung der Hitler  - Bewegung an die Macht in der Republik   gelangt, hat den Volksmassen den schärfften klaffentampf von oben angefagt. 3hr Bernichtungsfeldzug gegen den Wohlfahrtsstaat" wird dabei nicht halt machen vor den Arbeitslosenunterstützungen und Sozialrenten, die auch die Mitläufer des Nationalsozialismus beziehen. Da wird fein Unterschied gemacht werden zwischen Margiffen und Anti­margiffen". Gleiches Elend für alle mit Ausnahme der Herrenschicht das ist die wahre Parole dieser Clique! Diese Parole muß und wird den Millionen von proletarischen und klein­bürgerlichen Nachläufern des Hitlerismus die Augen öffnen.

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Das Adelskabinett verlangt innerpolitische Klarheit". Es foll fie haben. Das werttätige Bolt nimmt den kampf auf!

Paul Löbe  :

Nieder mit der Regierung Brüning  , los von den Notverord­nungen, weg mit dem System des Parlamentarismus freie Bahn uns Tüchtigen!". Mit diesem Feldgeschrei zog die Nationalsozia­ listische Deutsche Arbeiterpartei   in die Arena. Mit Jubelgefängen und Triumphgefchrei quifitert sie ihren ersten Erfolg- Brüning ist gestürzt, das Parlament ist aufgelöst, die SA. foll frei werden Die Vereinbarungen mit Herrn Hitler   helfen der ersten Regie­rung in den Sattel, die von den Nationalsozialisten toleriert wird: Herr von Papen, Freiherr von Neurath  , Freiherr von Gayl, Freiherr von Braun, Graf Schwerin von Krosigk  . Herr Eltz von Rübenach  , General von Schleicher   und zwei Herren der Bourgeoisie!

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die neuen Männer sind da.

Als Arbeiterpartei zogen sie aus, den Freiherren   halsen sie auf den Thron, mit dem Wort Sozialismus" schmückten sie ihr Firmen­schild, den kapitalisten öffneten sie das Tor. Herr Straßer ver­kündet die sozialistische Gesinnung von 95 Prozent des deutschen  Bolles, feine Partei half den 5 Prozent Grundbesikern, Kapitals­intereffenten und Offizieren in die Macht!

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bekannten kaiserlichen Botschaften über die Sozialpolifit, Staatssozialismus   und von jener Auffassung, die den Staat als eine predigt die neue Regierungserklärung die Abkehr vom fogenannten Art Wohlfahrtsanstalt betrachte.

Dazu ist zunächst zu sagen, 1. daß die von der neuen Regierung bekämpfte Auffassung in der Reichsverfaffung verantert ist und 2., daß es in den Ländern, in denen eine andere Auffassung herrscht, für das Elend und die knechtschaft der arbeitenden Menschen überhaupt keine Grenzen gibt.

Die Regierungserklärung läßt erkennen, daß dem deutschen  Volke kämpfe von außerordentlicher Schwere bevor­stehen. In diesen kämpfen muß das arbeitende Bolf einig sein. Der Plah der gewerkschaftlich Organisierten ist dort, wo die Fahnen der Demokratie und des Sozialismus wehen!

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Rudolf Breitscheid  :

Das Kabinett Papen   gibt sein Programm durch Presse und Rund­funk bekannt. Es dem Reichstag vorzutragen, hat ihm der Mut ge­fehlt und das läßt sich angesichts des Inhalts der Erklärung begreifen. Der Reichskanzler würde schon gleich mit seinen ersten Säßen, in denen er von der Zusammenfaffung aller aufbauwilligen und staatserhaltenden Kräfte spricht, ein hohngelächter her­vorgerufen haben und der Frage nicht entgangen fein, ob sich diese Aufbauwilligkeit auf die Barone des Berliner   Herrenklubs be­schränkt.

Das Kabinett Papen   will, so versichert es, den Kampf um die Erhaltung der Lebensgrundlagen des Boltes, insbesondere auch der werftätigen Bevölkerung, unverzüglich aufnehmen. Das ist schön von dem Kabinett Papen  , aber noch schöner wäre es, wenn man uns etwas darüber sagte, wie man sich diesen Kampf vorstellt. Das Schweigen über diesen immerhin nicht ganz unwichtigen Teil des Programms versucht man mit der heroisch anmutenden Erklä­rung zu rechtfertigen, daß die Regierung feine Versprechungen machen wolle. Dahinter kann sich sowohl 3de enlosigkeit ver­bergen wie auch die Abneigung gegen ein allzu frühzeitiges Auf­

decken der Karten.

Auf jeden Fall ist das Schweigen mißlich, denn eine offene Enthüllung der wahren Absichten des Adelsklubs könnte recht un­günstig selbst auf einen Teil derjenigen Wähler wirken, mit dem er einstweilen rechnen zu dürfen glaubt.

Herr von Papen, seine Freiherren, seine Grafen, seine Generäle kündigen den zweiten Sieg des Hakenkreuzes an: Weg mit dem Staatssozialismus  ", weg mit dem Wohlfahrts­sta a t", nieder mit dem Klassenkampf"( von unten), an feine Stelle tritt der Klassenkampf der Herren von oben. Immerhin: wes das Herz voll ist, des geht der Mund über, Weg mit der Politik der Notverordnungen Herr Goebbels   und deshalb erfahren wir aus dem Programm, daß die Regierung hat es hundertmal durch den Sportpalast geschrien! Die alten Not- Schleicher- Papen sich den Wiederaufbau durchaus im Sinne des verordnungen bleiben, fie merden von Herrn Hitler tole- arbeiterfeindlichen kapitalismus denkt. Gegen riert, die neuen Notverordnungen kommen, sie werden von Staatsfozialismus und Wohlfahrtsstaat" wird zu Felde gezogen Herrn Hitler   toleriert verschwinden wird nur die Not­verordnung gegen die Großgrundbesitzer aus Ostelbien. 5 gegen 95 Prozent!

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und es ist deutlich genug, daß der Angriff sich gegen die Sozial­politik und insbesondere gegen die Sozialversicherung richtet. Daß diese reaktionären Pläne mit Redensarten wie der von dem unjeligen

gierungssysteme, Weltanschauungen und Parteien, mit so an= kann sich den Unfehlbarkeitston, auf den das ganze Schrift­maßender Ueberheblich feit zu urteilen? Man stück gestimmt ist, nur aus der Ideenwelt seiner Urheber er­flären, die sich nun einmal für g'e borene Führer halten, weil die Wiege, in der sie lagen, mit einer Freiherrnkrone geschmückt war. Sie möchten auch in dieser Beziehung die alte Zeit wieder herstellen, sie werden sich aber davon über zeugen müssen, daß in der neuen Zeit an die Verstan= deskräfte der Regierenden viel größere Ansprüche ge­stellt sind. Von diesen notwendigen Verstandeskräften läßt ihre Erklärung leider nichts erkennen.

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Wie könnte sonst mit den Worten der Erklärung selbst zu sprechender gemeinschaftsfeindliche" Ver­fuch unternommen werden, das Volk willkürlich in zwei Teile zu scheiden, von denen der eine ,, national" ist, der andere nicht? Die Männer, die im Schützengraben lagen, als der jezige Herr Reichskanzler in New York   außenpolitisch tätig war, haben ein Recht, sich alle Belehrungen über das, was national ist, zu verbitten. Sie dürfen daran erinnern, daß der kaiserliche Reichskanzler von Bethmann Hollweg  in wiederholten Reichstagsreden während des Krieges der­artige Unterscheidungen für die Zukunft als moralisch völlig unmöglich abgelehnt hat. Aber mußte sich nicht auch dieser kaiserliche Kanzler gegen eine Heze zur Wehr setzen, die ihm die echte Nationalgesinnung absprach?

M

Es soll nicht näher untersucht werden, ob bei den Krisen­vorgängen der letzten Woche eine schöne Charaktereigenschaft, die man dem deutschen   Volke zuspricht, die deutsch   e Treue, die ausschlaggebende Kraft gewesen ist, darüber fönnte Herr Groener sich kundiger äußern. Wir fühlen uns auch nicht berufen, in den Streit der Weltanschauungen einzutreten, soweit er nicht unsere eigene betrifft, wir wollen daher nur interessierte Zuschauer sein, wenn die neue Reichs­regierung mit Alfred Rosenberg  , Heines und Schulz gegen Kaas, Brüning   und Josef Wirth  ,, christliche Grundsäge" perwirklichen wird. Wir verstehen bloß nicht, warum die kommunistische Gottlosenpropaganda verboten worden ist, die plump und unwirksam war. Ist das nur darum geschehen, weil die neue Regierung diese Propa­ganda in eigene Regie nehmen und wirksamer treiben

will?

Das alles find für uns nur Nebenerscheinungen. Aber mit verbissener Energie werden wir uns dagegen wehren, daß unter Mißbrauch irgendwelcher Ideologien und Gefühls­