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Wie eins Ohrfeige...! Die Wirkung der Proklamation der Darone. Die anmaßende, sogenannte Regierungserklärung des Kollegiums der Grafen , Barone und sonstigen Adligen, die, letzt das Reichskabinett bilden, wirkt nicht nur auf Sozial- demokraten wie eine offene Provokation. Das Blatt der christlichen GewerkschaftenDer Deutsche" schreibt dazu: DieseRegierungserklärung" beweist, daß es sich um k e i n Kabinett der nationalen Konzentration handelt, sondern um ein gegen die Mitte und gegen die Sozialdemokratie gerichtetes K a m p f k a b i n e t t. Die Polemik dieser Regierungs- erklärung scheut nicht davor zunick, in ziemlich offener Farm dem> Zentrum den Vorwurf zu machen, Kulturbolschewismus gefordert j zu haben. Diese staunenswerte Verdächtigung einer von den besten christlichen Kräften Deutschlands getragenen Partei muß besonders schmerzlich deshalb befremden, well sie von einem katholischen Aristokraten unterzeichnet ist. Der Sag: Sie haben den Staat zu einer Art Wohlsahrtsanslalt zu mgchm versucht und damit die moralischen Kräfte der Nation geschwächt", dieser Sah trifft den deutschen Arbeiter und Angestellten, vor allem aber den deutschen Arbeitslosen wie eine Ohrfeige. Wir haben also zur Kenntnis zu nehmen, daß nach Ansicht der Herren v. Papen , v. Schleicher , der anderen Trafen und Barone sowie der bürgerlichen Kabinettsmitglieder die Sozialpolitik, darunter die Arbeitslosenunterstützung, die moralischen Kräfte zermürbt, Sind die Herren der Ansicht, daß Hunger und Elend die moralischen Kräfte der Ration gestärkt hätten? Als Brüning 1930 die Regierung und Steqerwatd das Arbeits- Ministerium übernahm, versprachen beide denKcrnderSozial- gesetzgebung durch die Krise zu retten. Sie haben ihr Versprechen gehalten. Das neue Kabinett von Pupen von Schleicher macht ein solches Versprechen nicht inehr, sondern die Andeutung des Gegemeils. Und diesem Kabinett hat die nationalsozialistische Arbeiterpartei, jaArbeiter"-Partei(!> die Steigbügel geHallen." DieG e r m a n i a" schreibt in ihrer Sonntagausgabe am Schluß einer längeren Betrachtung: Im ganzen gesehen bestätigt sich ans der Erklärung des Reichs- kabinetts die schon aus seiner Geschichte und seinem Dasein gegebene Notwendigkeit, gegen diese Regierung mit allen Mitlein und allen Konsequenzen den schärfsten Kamps zu führen. Di« Deutsche Zen- trumspartei hat nicht ein furchtbares Jahrzehnt hindurch die schwerste Berantwortung aus sich genommen, um schließlich die Idee und das Werk des Volksstaales mitten in einem ausjichisoollen Kampfe um das deutsche Schicksal von reaktionären Kräften zerstören zu lassen. Ein gewaltiges Werk hat sie, in unerschütterlicher Treue zu dem deutschen Führer Brüning, gerade in den letzten beiden Jahren getragen und geschützt, in denen eine noch nie erlebte Krise olles zu zerstören begann. Sie kämpft darum, daß dieses Werk nicht verfälscht, und die Grundlagen einer lebendigen, gerechten Gemeinschaft des Volkes nicht vollends zerstört werden, Sie kämpft dagegen, daß der alle Geist einer längst überwundenen politischen ergreift. Sie kämpft dagegen, daß alte, überholte Kräfte und wirtschaftlichen Epoche wieder die Herrschaft in Volk und Staat unserer Geschichte, ans eine unklare Massenbewegung gestützt und sie mißbrauchend, das Lehen unseres Volkes, seine Rechte und s«i,e staatliche Ordnung wieder im Sinne einer längst vergangenen Zeit umgestalten." Hugsnbergs Presse fürchtet, daß der Wähltern','n zu Veit hinausgeschoben werde. Noch Meinung desLokal- Anzeigers" darf das Bolk gar nicht erst etwas van Taten dieser Junkerregierung erfahren. Deshalb: Der Maßnahme der Reichstagsauslösung ist. zuzu- stimmen, so ungünstig der herannahende Hochsommer für Wahlkamps und Wahltermine auch ist. Der Tag, an dem gewählt werden soll, ist noch nicht festgesetzt. Lieber, weit lieber, den 3. lluli als den 311 Ein neuer, sich langhinschleppender Wahlseldzug dient niemandem... Hier spricht deutlich die Furcht, daß dos Volk, an das die Barone appellierten, ihnen eine unerwarte Ant>' wort geben könnte. Aber es hilft nichts, die Herrfchaften werden nicht aus der Zange gelassen, weder Hugen- b e r g noch Hitler , die diesen.Kurswechsel" gewollt, propagiert und durch Vereinbarung gebilligt haben. Sie sollen gerade stehen für die Verordnungen der Generals- und Adelsregierung. Die Ohrfeigen, von denenDer Deutsche" spricht, steckt das arbeitende Volk Deutschlands nicht schwei- gend ein!_ Auslandsecho der Regierungserklärung Internationale Atmosphäre merklich verändert. Paris . 4. Juni(Eigenbericht.) Der Berliner Korrespondent desT e m p s" bemerkt zu der Erklärung der Reichsregierung:Die Regierungs- erklärung gibt als Grund für die Auslösung des Reichstags die Notwendigkeit an. die deutsche Außenpolitik auf einer klnren Innen­politik auszubauen. Diese Begründung glänzt nicht gerade durch große Logik. Die Regierung kündigt ferner an, daß sie den Kampf für die moralische und wirtschaftliche Gesundung des deutschen Volkes außerhalb der Parteien fortsetzen werde. Auch diese Behauptung wird mtt Skepsis aufgenommen werven. zu- mal die Regierung in derselben Erklärung kategorisch den Sozialis- mus verurteilt und das kathvlische Zentrum anklagt, nicht christlich genug zu sein." Im Leitartikel desTemps" wird unter Anspielung aus die dem Kabinett bevorstehenden Schwierigkeiten mtt den Nazis erklärt: Herr von Papen ist noch nicht am Ends seiner Mühen. Die Re- gierungskrise tritt erst in die entscheidend« Phase. Sie wird denen, die sie au? der Röhe beobachten, noch mehr als eine Heber- r a s ch u n g bereiten, sowohl aus außen- wie auf innen- politischem Gebiet. Der sehr scharfe Ton, de» die englische »nd amerikanische presse gegenüber dem Präsidial-Sabinelt weiter anschlägt, bestätigt, daß der erzwungene»ücktrill Brünings die internationale Atmosphäre merklich verändert hat. An der Schwelle der Verhandlungen von Genf und Lausanne wird dies dem neuen Reichskanzler ernste Sorgen einbringen." Kampf um Sein oder Ilichtsein. Brüssel. 4. Juni. (Eigenbericht.) Der sozialistischePeuple " schreibt zu der deutschen Regie- rungserklärung. sie entschleiere Absichten schwärzester Reaktion auf politischem und sozialem Gebiet. Zur Wirtschaft?. knie und Massenerwerbslosigkeit habe die Regierungserklärung nur hoble Phrasen ohne jeden Ebarakter zu verzapfen, und der Ausruf zur Ruckkehr zu den Grundsätzen des Christentums, um der sittlichen Entartung des deutschen Volkes Einhalt zu tun. sei geradezu unglaublich. Im übrigen schreibt derPeuple " zur Lage in Deutschland , daß

Rezept einer Regierungsbildung.

Man nehme eine große Schöpf­kelle voll Barone ...,

Füge auch einige Generäle und würze sehr sparsam mit einem Großindustrielle hinzu, Bürgerlichen....

Schöpse dann ab. was an gewerkfchaft- lichcm Abschaum herumschwimmt....

Löse bei erhitzter Temperatur den Reichstag auf...,

Und nun kannst d u die Geschichte auslöffeln!!!"

Hernots Regierungsbeginn. Ein Vergleich mit Deutschland .

Paris , 4. Zuni.(Eigenbericht.) Das Kabinett h e r r i o l hat am Sonuabendvormitlag um 1t Uhr seinen Antrittsbesuch beim Präsidenten der Republik ge- macht. Später bestätigte Herriol, daß sich die Regierung am Dienstognachmitiag dem Senat und der Kammer vorstellen werde. Am Sonntag werde ein Sabiuettsral zur Ausarbeitung der Regie- rungserklärung stattfinden, und am Dienstag vormittag werde die Regierung in einem Ministerrat dem Präsidenten der Republik den endgültigen Wortlaut der Erklärung unterbreiten. Als einig« Journalisten Herriot zu der schnellen Lösung der Ministerkrise beglückwünschten, sagte er:Es ist ermutigend und ei». drucksvoll, daß in Frankreich an dem gleichen Tage in der pM- kommensten Ruhe sin Senats- und«in Kammerpräsident gewählt und eine neue Regierung gebildet werden konnte, wahrend in anderen Ländern..." Zu der in der gleichen Stund « vollzogenen Auflösung des Reichstags, auf die man ihn aufmerksam machte, erklärte Herriot :Noch vor kurzer Zeit habe ich nicht geglaubt, daß die Auflösung so schnell kommen würde."

Vom Elysee begab sich Herriot in Begleitung des llnterstaats- sekrelärs Marchandcau nach dem Grabe des»nbekannien Soldaten unter dem Triumphbogen sowie nach den Gräbern B r i u n d s und D o u m e r s, wo er Kränze im Namen der neuen Regiernng niederlegte. Am späten Nachmittag übcpgaben die bisherigen Minister ihren Nachfolgern die Geschäfte. Dos Kabinett wird in der nationalistischen Presse be­reits heftig befehdet. Das schwerindustrielleJournal des D e b a t s" erklärt, es sei ein Kabinett von Freimaurern und Anhängern der Svzialisierung(?>. Vielleicht habe Herriot nicht an ein solches Kabinett gedacht, ober er hoho es jedenfalls gebildet. In dem Matze, in dem am Freitag abend hie Uhr vorrückte, fei e» mehr und mehr dem extremen Radikallsmus in die Anne getrieben worden. D«.Lntra nf i g«ant" erklärt, das Ministerium könne nur eine Etappe darstellen, denn angesichts der beunnzhizenden auhenpolitifchen Lag« müßten sich aste Parteien zpr Verteidigung des Vaterlandes e i n i g e ti. 5?«rriot werde bald erfahren, daß er die Sozialisten fallen lasten und auf die loyale Unterstützung des rechten Zentrums rechnen mutz, auf die er vor der furchtboron Zukunft nicht verzichten könne.

der Verteidigungskamps um die politische und soziale Demokratie jetzt mit nie erreichter Schärfe unter der Führung der Sozialdemokratie einsetzen werde. In den nächsten Wochen gehe es um Sein oder Nichtsein der Demokratie in Deutschland . Dank der Brutalität der jetzigen Machthaber seien da? k o t h o l i- sche Zentrum und die Sozialdemokratie im Ver- teidigungskampse um die Demokratie geeint. Die Sozialdemo- kratie werde sich gewiß tüchtig schlagen. Als Regierungspartei oder als Stütze von Regierungen möge sie Fehler gemacht und gewisse Schwächen gezeigt haben, aber im Verteidigungskampse. in dem sie unter Bismarck und Wilhelm II. geschmiedet worden sei, sei sie unvergleichlich. Diese Arbeitermacht, die in allen Er- scheinungen des gesellschaftlichen Lebens kräftig organisiert sei und in allen Institutionen des Landes lies verankert wäre, könne kein Schleicher und kein Hitler niederschlagen, ohne die deutsche Nation selbst in das tiefste Verderben und in unsagbares Chaos zu stürzen: Reichslandbund auf der Anklagebank. Treviranus soll als Zeuge erscheinen. Der Verleger des Reichslandbundes, Dr. Kluge, und der Leiter der Prssteobteilung des Reichslandbundes, Dr. Pazyna, hatten sich gestern wegen Beleidigung des Ministerpräsidenten Braun in der Berufungsverhandlung zu verantworten. In der ersten Instanz waren Kluge zu 500 M., Pazyna zu 1000 M. Geld- strafe venirteilt worden. Sie hatten im Organ des Reichsland - bundes,..Reichslandbund ", in einem Ausruf der preußischen Re- gierung bewußt« Snbotagepolitik in bezug aus die O st- Hilfe vorgeworfen und im Zusammenhang damit den Minister- Präsidenten Broun auch farmall beleidigt. Reichsmimster Trevi- ranus hatte zur ersten Verhandlung Anssagegemchmigung nicht erhalten. In der gestrigen Verhandlung beantragte Rechtsanwatt Sack noch einmal die Ladung des Ministers Treviranus mtt der B«- gründung, daß in Anbetracht der neuen politischen Konstellation(!) es wohl möglich fei, daß«r nun die Aus- fagegenehmigung erhalten würde. Das Gericht beschloß, TreoinawtS als Zeugen zu laden, um den Angeklagten di« Führung des Wahr- heitsbcweifes für ihre Behauptungen nicht abzuschneiden. Ausstand in Chile . Militär gegen Regierung. Santiago de Chile . 4 Juni. Die Revolutionäre, deren Kern das chilenische Fliegerkorps bildet, sind ntt Anmarsch auf dte Regierungsgebäud«, um den Prä- sidenten M o n t e r o zu stürzen. Flugzeuge überfolgen die Staats- gebäude, ohne jedoch Bomben abzuwerfen. Die Bewegung wird geführt von dem früheren Botschaftsr in Washington, Carlos

Davilo. 75000 Freiniillige sind gegen die Aufständischen mobilisiert. Der Marsch nach den Regierungsgebäuden begann heute vor- mittag 11 Uhr von der im Vorort El Bosque gelegenen Fliegerschule. Mehrer.e Regimenter sowie eine Anzahl Matrosen haben sich der Ausstandsbewegung angeschlossen, während die Haltung der 18 000 Mann starken Polizettruppen noch unsicher ist. Der Kommandant der Garnison , General Carlas V e r g e r a, ver- Süchte zu intervenieren, die Aufständischen drohten ihm jedoch mit der Gsiangennohme, falls er den Bormarsch auszuhalten versuchen sollte.

Mandschureikrieg dauert an. Starke Slusstandstruppen. Nach russischen Meldungen ist es den Japanern in der Mandschurei noch nicht gelungen, ihr« chinesischen Gegner zu ver- treiben. Dos japanische Oberkommando habe in einem Bericht zu- geben müssen, daß die aufständischen Truppen stark seien und die Niederschlagung des Aufstandes daher längere Zeit dauern werde. Zlus diesem Grunde müßten auch die Streit- kräste mehrere Monate in der Mandschurei verbleiben. Wirkung einer einzigen Fliegerbombe. Tokio . 4. Juni. Ein chinesischer Flieger, der van einem Flug gegen kvmmu- nistische Banden in den Provinzen Kwanglung und Honan zurück­kehrte. ließ aus Versehen über den Stadt Pengpu«ine 35 Pfund schwere Bombe fallen, wodurch 22 Personen ge­tötet und 41 verletzt wurden. Die erbittert« Menge überfiel darauf das Hauptquartier der Flugstreitkräfte, deren Kammandant gelyncht sein soll. polen protestiert. Regierungsblock gegen Reichstagsausschuß. Warschau . 4 Iyni. Di« Parlamentssraktion des Regicrungsblacks hat einstimmig ein« Entschließung gesaßt, in der es u. a. heißt, das polnische Volk brandmarke empört di« l ü g e n h a s t e n Nachrichten über aggressive Absichten der polnischen Republik . Die Entschließung nennt dann den bekannten Beschluß des Reichstagsausschusses ..eins boshafte, gegen Frieden und Sichsrhstt gerichtete Handlung". Weiter wird gesagt: Das sich aus Recht, Kraft und Friedensliebe stützende polnische Bolk läßt sich nicht aus dem G l e i ch g«- wicht bringen und rechnet vertrauensvoll daraus, daß die Regie- rung auch weiterhin all« lügenhaften, gegen Sicherheit und Welt» frieden gerichteten Aktionen entlarven wird.