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Nr. 261 49. Jahrgang

1. Beilage des Vorwärts

Sonntag, 5. Juni 1932

ufruhr im R

Rosen­garten

Von Zeit zu Zeit ist in dem kleinen Rosengarten im Humboldthain etwas los. Mal dies, mal jenes, meist nichts Schönes. Letzthin, vor ein paar Wochen, ging es um die Krimoline". So sagen die Männer vom Humboldthain zu dem bekannten Räu­berspiel ,, Kümmelblättchen". Er sah bedrohlich aus, dieser Aufruhr im Rosengarten, einer der Kombattan­ten büßte sogar seinen Mantel dabei ein. Im Grunde

genommen ist eigentlich immer Krieg im Hain . Um die Bänke. In diesem kleinen Krieg wird allerdings weder geschlagen noch geschimpft, beides nicht, es wird höchstens gebrummelt. Achherrje, nun haben sie schon wieder unseren schönen Platz an der Sonne besetzt. Die missen meiter nichts als Kartenspielen." Oder die Kartenspieler drehen zur Mittagsstunde den Spieß um und brummeln: Achherrje, nun haben die Weiber unsere schönen Plätze besetzt, um zu quatschen." Vor ein paar Jahren noch hätten sie sagen können: um zu stricken." Das ist aus. Die weiblichen Stammgäste des Humboldthains stricken keine Strümpfe mehr, noch sticken sie bunte Blumen auf leinene Decken; es reicht kaum fürs Brot, mer soll da an Wolle oder Seide denken. Und die alten Kartenspieler fragen bisweilen den Vorübergehenden: Herr Nachbar, können Sie uns einen Groschen in Pfennige umwechseln?" Kein Silber mehr, nur noch Kupfer regiert den Wedding .

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Vater, setzen Sie doch mal!

Der Kampf im Rosengarten ging aber nicht allein um die ,, Krinoline". Da man gerade beim Aufwaschen war, ging es auch gleich gegen die Schlesische"; es sollte kein Talon mehr aufgezogen werden. Das Schlachtfeld befand sich an einem kleinen Weg am Rosengarten. Hier stellten sich um acht Uhr morgens die Dunkel­männer mit dem Kümmelblättchen" ein. Kommen Sie Bater, setzen Sie sich doch mal", lockten sie die alten Leute an. Und wer nun ein halbes Jahrhundert lang seinen Stat gespielt hat, dem juďt es schon in den Fingern und wiewohl der Einsatz bei der Krimoline nie unter einer Mark war, hüpften genug in das ver­lockend gepriesene Nez. ,, Mann jammern die vom Humboldthain haben die Banditen die Leute ausgeplündert! Einem Molkerei befizer, der eine Kuh kaufen wollte, dem haben sie auf die Schnelle 220 Mark abgenommen! Ein alter Mann, der eben seine Pension geholt hatte, fetzte einmal 2, einmal 5 und zweimal 10 Mart, da war er 27 Mart los!" Das ist ein großes Zetern jetzt im Hain und die Geschröpften malen aus, wie die Spielhalter und Falsch­spieler dann um 12 Uhr mittags gingen, um sich vom Geld der Armen den Wanst vollzustopfen. Um 3 Uhr nachmittags waren jene wieder da und von neuem hub das Teufelsspiel an.

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,, Da haben wir uns aber zusammengetan", erzählen die Männer vom Hain . Ihr Lumpen, fingen wir an zu schimpfen, schämt ihr euch nicht, den Armen das Geld abzunehmen? Macht, daß ihr wegkommt, ihr Bande, damit wir hier wieder unseren ehrlichen Stat spielen können! Und was sagen Sie, Herr Nachbar, da gab es doch noch Leute, die wir behüten wollten, die schimpften: wir sollten den Mund halten, es ginge uns gar nichts an, was sie mit ihrem Gelde machten. Da mußten wir andere Seiten aufziehen." Die Schilderung nun, wie sich die Männer vom Hain das Bacchanal der Falschspieler ausmalten, wie sie beim Mittagsmahl jedem Spieler eine Kokotte auf den Schoß setzten und das alles von ihrem Geld, das war schon phantastisch, aber jetzt bitte Ruhe: Jetzt betritt die Delegation der ehrfamen Statspieler, denen sich die Schafkoppbrüder angefchloffen haben, die Räume des Polizeiamts. ,, Herr Kommissar", sagten sie ,,, wir können die Blutsauger im Hain nicht mehr ertragen. Sie müssen da mal aufräumen." Dann klagten sie ihr Leid, wie man den Armen mit ,, Kümmelblättchen" und ,, Gottes Segen bei Rohn" das Geld abnimmt und dann kam der Moment, von dem die Männer im Hain bis ans Ende ihrer Tage erzählen werden: wie das Berbrecheralbum aufgeklappt wurde, wie sie den Ganoven auf der Nase herumtippen durften, bis sie zwei gefunden hatten und ein großes Geschrei anstimmten: Ha, da sind die Schurken, da sind fie! Schließlich war das Reden wieder an den Polizisten, die meinten: Wollen Sie Anzeige erstatten, meine Herren?" Aber die Delegierten befamen mit einem Male Angst vor ihrer eigenen Courage und drucksten: Ach, wissen Se, nee, lassen Se man, det wollen wa nich." So ging die Sache vorerst aus wie das Horn­berger Schießen.

Galerie der Statspieler:

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boldthain, aber die sollen sich hier nicht wieder blicken lassen",| verzehren, Invalidenrente plus Hinterbliebenengeld für seinen ge= drohen die Statspieler. fallenen Aeltesten. ,, Ja" erläutern die Männer- ,,, W. geht es einigermaßen, er zahlt nur 21 Mark Miete!" So arm ist der Wedding: wer für den Tag einen knappen Taler hat, ist schon reich. Dann ist noch der alte Schirrmeister von der vormals Königlichen Pulverfabrik zu Spandau da, ein paar pensionierte Eisenbahner, Dreher von der AEG. und bisweilen kommt auch der Mann vom Konfitürengeschäft: ,, Kunden kommen doch nicht, da hat man Lange­mer ist denn dran zum Ausspielen?"

Unbeschadet davon blühen im Humboldthain jetzt die Akazien, prall wie Trauben hängen die Blüten von den Zmeigen. Zu nächt­licher Stunde, wenn über ihnen die Sterne glänzen, atmen die Akazienblüten. Ihr Duft ist süß und lind wie ein Hauch. In diesen Juninächten ist der Hain groß genug, um die Liebenden im Schatten seiner Bäume zu verbergen. Wer allerdings, vom Bahnhof Gesundbrunnen und der Himmelfahrtskirche kommend, am. Morgen den Humboldthain betritt und durch die Grenzstraße dem Lenzener Platz zu pilgert, der glaubt zuerst, eine Demonstration zu treffen. Denn auf hundert Meter ist der Kreuz- Bube und die Karo- Sieben nicht zu erkennen, nur Köpfe, Köpfe, nichts als dicht­gedrängte Männerköpfe. Wem nehmen wir denn den Plaz weg meinen diese Männer beim Näherkommen, zwei ſizen ritt­lings auf der Bank und zwei müssen immer dabei stehen." Die Frauen werden natürlich das Gegenteil erzählen. Aber alt ist die Mehrzahl der Männer, sehr alt. Arbeitslose, Rentner, Pensionäre. Der Krösus ist P. Um die Siebziger herum, aber noch gut bei Leibe, jeden Monat bekommt er seine Gulden. Weil er in jungen Jahren Plantagenverwalter in Holländisch- Indien war. Wenn er nach dem Ersten seine Gulden in deutsche Silberlinge wechseln geht, macht er mit seiner Skatrunde einen kleinen Bummel. P. ist ein Mann von Wort, um 6 Uhr abends will er die Bank im Hain verlassen. Manchmal gelingt es nicht, dann bringt ihm seine Frau Stullen. Einmal war er auch nicht gekommen, hinterher erfuhr er, daß seine Frau Pfefferlinge gekocht hatte. Um diese Pfefferlinge meint er heute noch. Dann kommt K. Er war Werkmeister, jetzt gibt er gerade Karten, ist 61 Jahre alt und meint, er wäre der jüngste von allen. Wenn diese Männer ihre Rentenbezüge nennen, sagen sie immer 73,30 Mark oder 80,65 Mart. Pfennige sind für fie viel Geld. W., den alten Schuhmacher, bezeichnen sie als einen gut dastehenden Mann. W. hat monatlich vielleicht 80 Mark zu

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weile

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Patente und Athleten.

Im allgemeinen werden beim Statspielen teine Vorträge ge= halten. Aber auf dem Wege läßt sich einiges erzählen. K. kann seine Patente nicht verwinden. Das heißt, das Patent für den Milchtopf hat er nie gehabt. Er hat es nur seiner Frau erzählt, der die Milch überkochte. K. wollte in den Milchtopf ein Rohr stellen, oben derart gebogen, daß die aufkochende Milch wieder in den Topf zurückfließen mußte. Aber als er 1907 auf die Gast­wirts- Ausstellung fam, hatte man dort bereits einen solchen Topf. Jetzt beschäftigt sich K. mit einem Fahrrad, das durch die Schwer­kraft des Radfahrers getrieben wird und mit einem Ellipsenzirkel. Nächstens will er in die Werkstatt seines Freundes gehen und mit dem Bauen beginnen. M. wieder war Athlet. Unterhaltsam ist das, wenn er seine Räuberpistolen erzählt. 1889 follte er an den Wintergarten" engagiert werden, für einen Zahntraftakt. Sein Pater, ein biederer Zimmermann, wollte ihn aber verdreschen, als er hörte, M. wolle Artist werden. So wurde er kein Artist.

Manchmal verirrt sich ein Nazi in den Humboldthain. Dahin, wo die Spieler sitzen. Dann halten die Nazis immer Reden. Worauf mar geholt wird. Mag ist der große Mann vom Humboldthain. Er war 1918/19 bei der Volks- Marine- Division. Wenn die Nazis genug gesungen haben, wird ihnen bedeutet, daß man jetzt die Nase voll habe und sie gehen sollten. Seit einigen Tagen wartet man aber auf die Nazis: man möchte gerne wissen, was sie zu Herrn von Papen sagen...

Flugunglück im Grunewald- Stadion .

Kunstflieger Krause abgestürzt und schwer verletzt.

des Flugzeuges sind von der Luftpolizei beschlagnahmt worden.

Das Olympia fest des Deutschen Sports im Grunewald -| der Kunstflieger eine Schädelfraktur davongetragen. Die Trümmer stadion begann am Sonnabend mit einem schweren un glüdsfall. Der Flieger Hans Werner Krause hatte bei seinen kunstflügen auf einer der Deutschen Luftfahrt gehörenden Tiger­schwalbe" anscheinend eine Motorpanne, die ihn zwang, bei stehendem Propeller plöhlich zu landen. Die Maschine stieß hart auf der hinter dem Stadion liegenden Pferderennbahn auf.

Bis eines Morgens die Polizei kam. Kriminalbeamte. Die sahen dem Krimolinenzauber eine Weile zu, ja, es stimmte alles, hier war es richtig, dann machten sie Feierabend. Ein Zocker Der Pilot wurde bewußtlos aus den Trümmern des ab­( Falschspieler) wollte noch ausrüden, da padten ihn schon die Be- gestürzten Apparates geborgen. Mit einem Wagen der Reichswehr amten. Aber schnell faßt er in die Manteltasche und wirft alle wurde Krause ins Hildegard Krankenhaus und dort sofort Silberstücke in den Park. Ein Augenzwinkern später lag teine Mark in den Operationssaal gebracht. Hier stellte sich heraus, daß trotz mehr auf dem Rasen. Die Opfer hatten die feltene Gelegenheit des Absturzes aus großer Höhe die Verlegungen nicht lebens­ergriffen, ihr Geld wiederzubekommen. Seitdem ist Ruhe im Hum- gefährlich waren. Außer leichten inneren Verlegungen hatte

Von einem Augenzeugen wird uns dazu mitgeteilt: Der junge Hans Werner Krause, der Sohn des Vorsitzenden des Ver­bandes Brandenburgischer Athletikvereine, war mit einem von der Deutschen Luftfahrt G. m. b. H. zur Verfügung gestellten Doppel­decker aufgestiegen und hatte schon mehrere Loopings gut aus= geführt. Als er sich wieder zu größerer Höhe emporgeschraubt hatte, begann er, wie beabsichtigt, das sogenannte Trudeln. Gerade als der Ansager die Zuschauer darauf aufmerksam machte, daß das Trudeln ein künstlich herbeigeführter Absturz sei, blieb dem Kunst­flieger der Motor stehen, so daß er das Flugzeug nicht wieder in seine Gewalt bekam. Der Apparat stürzte auf die Rennbahn un­mittelbar neben dem Stadion.

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