10. Juni
1932
10 Pf.
270
B 135
* Der Abend™
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Spätausgabe des„ Vorwärts"
49. Jahrgang
Wazetgensrets: Die einfaltige tiltmeterzelle 80 14. Reklamezeile 2.-M. Ermäßigungen nach Zarif Doftichedfonts: Borwärts- Berlag G. m. b. 5., Berlin Nr. 37 536. Der Berlag behält sich das Recht der Ablehnung nicht genehmer Anzeigen vor' Redaktion und Ervebitton: Berlin GBB 68, Sindenfte. S Berufsrecher: Donboff( A 7) 292-297
Audienz bei Hindenburg
Süddeutsche Ministerpräsidenten wünschen Klarheit über die ,, Reichskommiffar" Pläne
Amtlich wird mitgeteilt:
Der Reichspräsident hat den Ministerpräsiden ten der Länder Bayern , Württemberg und Baden auf die telegraphisch an ihn gerichtete Bitte um Empfang geantwortet, daß er gern bereit sei, die Herren zu der gewünschten gemeinsamen Besprechung zu empfangen und zwar in Gegenwart des Reichskanzlers. Als Zeitpunkt hierfür hat der Herr Reichspräsident Sonntag, den 12. Juni, 11 Uhr vormittags, festgesetzt.
Worüber verhandelt wird.
Die Münchener Neuesten Nachrichten " schreiben, es sei ein nicht alltäglicher Vorgang, daß die Ministerpräsibenten mehrerer Länder gemeinsam um einen Empfang beim denten mehrerer Länder gemeinsam um einen Empfang beim Reichspräsidenten nachsuchen. Man muß daraus
schließen, betont das Blatt, daß besonders ernste Sorgen sie dazu bewogen haben. Es läßt sich natürlich unschmer erraten, daß Fragen, die das Verhältnis zwischen Reich und Ländern betreffen, in der erbetenen Unterrebung mit dem Reichspräsidenten erörtert werden sollen und die süddeutschen Ministerpräsidenten das Bedürfnis fühlen, die Stellungnahme ihrer Länder zu diesen Problemen darzulegen. Die Art und Weise, wie der neue Reichs. fanzler in die preußische Frage eingegriffen hat, und die gleichzeitig wieder aufgetauchten Erörterungen über die eventuelle Einsetzung eines Reichsfommiffars für Preußen wurden im Süden nicht ohne Beunruhigung verfolgt. Dazu kommen die Pläne des neuen Reichs fabinetts über die Reimsreform. Wir wünschen, schließt das Blatt, daß das Ergebnis der persönlichen Aussprache zu jener Beruhigung führt, die uns gerade gegenwärtig in dem Berhältnis zwischen Reich und Ländern bitter nottut.
Die Münchener Zeitung" bemerkt zu dem Schritt der süddeutschen Länder in Berlin , dieser Schritt zeige mit aller Deutlichfeit die ungeheure Gefahr einer heraufziehenden Reichsfrise. Da verantwortliche Minister der Reichsregierung auch jetzt nach entschieden erflärten, es merde durchaus nicht an eine sogenannte Reichsreform auf faltem Wege gedacht, müßte es eigentlich bei gutem Willen auf allen Seiten möglich sein, bei der Länderkonferenz in Berlin zu einer Verständigung im Interesse ganz Deutschlands zu kommen.
Hereinfall mit Reichskommiffaren".
Der Bersuch der Reichsregierung Schleicher Bapen, in Breußen die Regierung durch einen Reichskommissar zu ersetzen, wird nach dem Artikel ,, Der Angriff auf Preußen" im ,, Borwärts" vom 8. Juni auf ganz anders gelagerte Fälle in der Vergangenheit ( Sachsen , Thüringen und dergleichen) gestützt und begründet. Dazu wird uns aus Thüringen geschrieben:
Die Begründung ist, soweit Thüringen genannt ist, falsch. Im Gegensatz zu der Einsetzung eines Reichskommissars in Sachsen im Herbst des Jahres 1923, gelang es dem damaligen Reichsminister des Innern, Jarres , nicht, einen Reichskommissar" in Thüringen einzusetzen. Es sei denn, der Reichswehr General Hasse, der sich unberechtigte Eingriffe in die Verwaltung Thu ringens erlaubte, würde heute nachträglich noch zur Begründung des Vorgehens gegen Preußen, zum Reichskommissar ,, be= fördert".
Herr Jarres gab sich damals die größte Mühe, es durchzusetzen, aus einer verlogenen Heglampagne gegen die sozialdemofratische Regierung heraus, die Einfegung eines Reichskommissars zu erreichen. Die Aufklärung, die Herr Jarres fich in einer langen Sigung mit dem Thüringischen Staatsministerium über die tatsächlichen Verhältnisse in Thüringen verschaffte und seine Materialsammlung, die er durch Beauftragte zusammentragen ließ, brachten ihn von seinem Borhaben nicht ab.
In einem energischen Abwehrkampf gegen Jarres nud nach einer eingehenden Verhandlung mit dem damaligen Reichskanzler Marg siegte die thüringische Regierung über
Der„ Wohlstand" der Invaliden
Antwort an das Kabinett der Barone
Berufs- und Wirtschaftszweige, wie Banten , 2andwirtfchaft, Industrie und Reedereien außerordentliche Mittel von Reichs wegen bereitgestellt wurden.
Der Zentralverband der Arbeitsinvaliden hat| durch die Unterstützungsaktionen der Regierung für die verschiedensten an den Reichskanzler ein Schreiben gerichtet, in dem es heißt: Die Arbeitsinvalidenschaft hat Ihre Regierungserklärung mit höchstem Erstaunen und tiefster Bestürzung gelesen. In dieser Erflärung spricht die neue Regierung von einer ,, Anpassung des staatlichen Lebens an die Armut der Nation" und weiter davon, daß die moralischen Kräfte der Nation durch eine übertriebene Wohl
Dasselbe Recht auf Unterstützung haben auch die Sozialversicherung und die Rentenempfänger.
fahrtspolitik geschwächt seien. Durch die Sozialversiche Herr Reichstanzler! Ehe Sie den Sozialrentnern auch nur einen rung sei die Arbeitslosigkeit noch gesteigert worden. Wir Pfennig von ihren färglichen Bezügen fürzen, haben Sie die Pflicht, müssen aus diesen Ausführungen schließen, daß ein starter Abbie hohen Pensionen zu beseitigen, Ausgaben im Reichshaushalt einbau der Leistungen aus der Sozialversicherung vorgenommen zusparen, die ohne Schaden für die Nation fortfallen können. Wir werden soll. erinnern nur an die hohen Ausgaben im auswärtigen Dienst und an die vielfach überflüssigen Ausgaben für die Reichsmehr.
Iff Ihnen bekannt, daß die Invalidenrenten im Durchschnitt pro Monat über die überaus geringe, zum Leben völlig unzureichende Summe von 36 Mart betragen?
Ist Ihnen weiter bekannt, daß auf dem Gebiete der Sozialper ficherung im Laufe der letzten Jahre schon erhebliche, uns außerordentlich schwer getroffene Kürzungen stattgefunden haben? Ist Ihnen weiter bekannt, daß durch die große Fianznot der Gemeinden die öffentlichen Fürsorgeleistungen auf das Unerträglichste abgebaut wurden?
Es wird dann an die Eingabe an das Kabinett Brüning erinnert, in der die Sanierung der Sozialversicherung von der Einnahmeseite her verlangt wurde.
,, Wir haben weiter darauf hingewiesen, heißt es dann, daß
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Danzig , 10. Juni. ( Eigenbericht.)
Die unter dem Drud der Nazis stehende Bürgerblodregierung hat sich heute wieder ein neues tolles Stüd geleistet. Ein von der Sozialdemokratie herausgegebenes Mitteilungsblatt für die Mitglieder der Partei, das nur fachliche Mitteilungen enthält, ist von der Polizei beschlagnahmt worden. Die Beschlagnahme ist vom Gericht mit der Begründung bestätigt worden, daß das Mitteilungsblatt, das vier Quartseiten umfaßt und nur nach Bedarf erscheint, eine Fortsetzung der verbotenen Tages zeifung„ Danziger Boltsstimme" darstelle! Die Beschlagnahme und ihre Bestätigung zeigt, daß die Nazis kein Mittel unversucht laffen, um je de Tätigkeit der Sozialdemokratie im Freistaat zu hemmen.
Herrn Jarres. Thüringen blieb vom Reichskommissar verschont. Die Regierung Schleicher- Papen tann sich bei ihrem Vorgehen regen Preußen unmöglich auf Thüringen stüßen.
Abwehrfront christlicher Arbeiter.
Heinrich 3mbusch gegen den Klaffenstaat.
Das Kartell der christlichen Gewerkschaften für GroßBerfin veranstaltete am Freitagabend eine bedeutsame Sundgebung. In ihrem Mittelpunkt stand ein Bortrag des chriftlichen Bergarbeiterführers Heinrich Imbusch , der zum ersten Male seit dem Kriegsende vor den Berliner christlichen Gewerkschaften das Wort erhielt.
Imbusch betonte, es gehe in dem von der Papen - Regierung eingeleiteten Stampf nicht nur um die Arbeitnehmer und um die Gewerkschaften, sondern um die Interessen des Gesamtvoltes und um die Interessen Deutschlands . Ein klassenstaat dürfe nicht wiederkehren. Es dürfe nicht wieder dahin kommen, daß eine Klasse die Herrschaft ausübe und daß nur wenige große Einkommen haben werden, während Millionen am Berhungern find.
Ehe den Arbeitsinnaliden die Renten gekürzt werden, müssen die Besigenden in entscheidender Weise zur Steuer herangezogen werden und muß auch das Einkommen ausreichend besteuert werden. Ehe man den Arbeitsinvaliden ihr fnappes Stüd Brot noch meiter schmälert, müssen Sie dafür sorgen, daß den noch wohlhaben den Schichten im Volte die erforderlichen sozialen Lasten auferlegt werden, damit in Deutschland niemand zu hungern braucht....
Die Opfer der Arbeit haben durch jahrzehntelange Arbeit dem Vaterland und der Volkswirtschaft alles gegeben, was sie hatten, ihr Leben und ihre Gesundheit. Die Arbeitsinvaliden haben ein Recht, daß Staat und Gesellschaft ihnen jetzt auch den Lebensraum gewähren, den fie verdient haben.
Der Staat sei allerdings gewissermaßen zu einer Wohlfahrts= anstalt gemacht worden, aber weniger für die Arbeitnehmer als für andere Kreise. Nie sei für die Landwirtschaft und besonders die des Ostens mehr getan worden, als in den letzten Jahren.
Die Launen der Primadonna.- Keine Hitler Rede im Rundfunt.
Die erste Tat" der Regierung der Barone war, daß sie dem Führer" aller Hafenkreuzler die Möglichkeit gab, sich auf allen deutschen Sendern als politischer Rundfunkredner vorzustellen. Die große Attraktion sollte am kommenden Dienstag
steigen,
gesagt, weil sie in Hessen notwendig sei. An ihrer Stelle muß Aber die Primadonna hat plötzlich Launen bekommen und abnun ein Star zweiter Ordnung die Rolle creiren", wie es im Bühnendeutsch heißt: Gregor Straßer wird einspringen und die Rundfunkhörer von Pillfallen bis lleberlingen mit einem Vortrag über„ Die Staatsidee des Nationalsozialismus " beglücken.
Die Verehrer und Verehrerinnen des großen Adolf sind bitter enttäuscht. Sie hatten gehofft, er würde am Mikrophon einen so schönen neurasthenischen Tobsuchtsanfall vorführen, mie im Münchener Prozeß, mo er megen Ungebühr zu 1000 Mart Ordnungsstrafe verurteilt werden mußte. Aber er läßt sie im Stich und schicht bloß seinen Gregor. Kein Wunder, daß Trauer in Anti- Israel herrscht!
Zeichen der Zeit.
Was ist Beethoven gegen Militärmufit!
Die Wiener Festwochen bringen u. a. auch Beethovens ,, Miffa folemnis". Die ,, Ravag", Radio Wien, hat auf ihre Umfrage bei den Sendegesellschaften der Erde nur aus Polen den Bescheid erhalten, daß man diese Aufführung übernehmen molle. Dagegen haben sämtliche reichsdeutschen, alle deutschschweizerischen und 98 nordamerikanische Sender erklärt, daß sie das Wiener Militärkonzert„ Dreihundert Jahre Soldatenlied" übertragen.