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Beilage Freitag, 10. Juni 1932

Alice Ekert- Rothholz:

Fürsten außer Betrieb

Freiherrn von Gayl gewidmet.

Der Mensch wird hart durch die harten Zeiten. Nur ein paar Beute tun uns immerzu leid: Die armen, armen Fürstlichkeiten.

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Sie bevölkern man denke! oft nur ein einziges Schloß. Dieses Schloß hat höchstens 40 Etagen. Etwas Grundbesiz. Etwas Hofstaat. Alles nicht groß. Keine Bleisoldaten. Keine Sorgen. Keine Hofequipagen. Sie können sich eben nicht richtig ausbreiten Die armen, armen Fürstlichkeiten!

Sie spielten Heldenfach und machten schlapp. Das haben sie niemals verwunden.

Gewöhnliche Sterbliche finden sich ab

Aber sie werden abgefunden...

Die Republik zahlt gern die paar Kleinigkeiten

Für die armen, armen Fürstlichkeiten.

Heut find sie dienstfrei. Aber sonst gesund. Haben ganz nette Beschäftigungen.

Sie halten Reden. Sie verteilen alte Orden im Offiziersbund. Sie schreiben Deldrud- Erinnerungen.

Bo sie alles( bis auf die Kosten) bestreiten... Die armen, armen Fürstlichkeiten!

Bleinere Fürsten haben heut nicht mal ein Hofballett. Seitenlinien filmen Fürstenrollen.

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Sie machen ihre Sache da zwar ganz nett, Doch Herr Goldbaum spielt fürstlicher. Rischt zu wollen! Der Film braucht Arbeiter. Fürsten sind Drohnen, Sie waren immer nur zweibeinige Deforationen...

Sie belebten die Dentmal- Industrie.

Auch diese Tätigkeit wurde zu Asche. Was nun?

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Als Ersatzhandlung spielen sie: ., Kleines Potsdam in der Westentasche."

Die Republik zahlt auch dieses. Heut ist das ja bart, Aber das wird an den Arbeitslosen gespart.

Kurz: sie treiben kaum verhinderte Monarchie.

Sie fabrizieren Hohenzollern - Träume.

n Wilhelms Geburtstag reiten fie

In großer Aufmachung durch leere Galaräume...

* Sie dürfen auch hezzen.

Die Republit schleppt trozdem die Fürstlichkeiten ergebenst durch diese wadkligen Zeiten.

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Die Monarchie machte Pleite. Mit Vater und Sohn Sie wurde fomisch- geip.nstische Bosse. Doch die Herren Fürsten nehmen feine Notiz davon. Sie warten...

orauf?

Auf die Hausse.

gotanoë

Der Abend

Spalausgabe des Vorwärts

Kuhle Wampe...

Proletariers Wechende vor den Toren Berlins / Von Otto Obst

An einem Sonnabend noch Arbeitsschluß fand ich eine Ein-| gewöhnt man sich bald; denn der Mensch ist ein Gewohnheitstier. ladung vor, das Wochenende in der Zeltstadt zu verleben. Eine Schlafgelegenheit im Nebenzelt war zugesagt. Der Besizer war zur Hochzeit in Berlin . Keine lange Ueberlegung! Sachen und die nötigen Fressalien wurden schnell gepackt. Bald fuhr ich mit der Stadtbahn in der Richtung Grünau .

Am Ziel angelangt, wurde ich von Freunden begrüßt und den anfäffigen Zeltstädtern vorgestellt. Das unpersönliche Sie" wurde ausgeschaltet. Alles duzt sich. Alt und jung, Männlein und Weiblein. Für die Aelteren gilt der Vornamen, für die Jüngeren der Vor­namen mit dem Zusaz Onkel. Ein gewaltiger Unterschied zwischen steifer, städtischer Höflichkeit und der natürlichen Herzlichkeit in der Beltstadt. Alles geht so freundschaftlich vor sich, als ob man sich schon viele Jahre kennt.

Meine städtische Kleidung vertauschte ich mit der ortsüblichen Badehose. Ich wollte erst mal ein Bad nehmen; aber damit war es Essig. Das Zelt meines Freundes war zwar fertig. Er hämmerte aber noch mit den anderen an seiner Vorlaube oder Veranda, wie er es hochtrabend nannte, herum. Ich mußte tüchtig mit zugreifen. Als alles mit Nessel bespannt war, auch die nötige Beleuchtung ihren Platz gefunden hatte, wollte ich mich erholen. Weit gefehlt! Da lagen noch eine Kiste und einige Bretter. Wir brauchen noch ein Büfett; Teller, Tassen, Messer, Gabel, Mehl und Zucker müssen untergebracht werden", sagte mein Freund. Bald war auch diese Arbeit bewältigt. Die Bretter waren aber noch nicht alle. Was tun? Ein Keller sei dringendes Bedürfnis, um Brot, Butter, Wurst, so­weit vorhanden, fühl und frisch zu erhalten, entdeckte mein Freund. Bir traten also noch einmal in Aftion. Seine Frau hatte inzwischen den Spiritusfocher in Betrieb gesetzt und den Tisch gedeckt. Wir erholten uns bei der wohlverdienten Abendmahlzeit.

Dann warf sich die jüngere Generation in Wichs, verab­schiedete sich und ging zum Tanz. Wir Schwerarbeiter gingen erst mal baden, um uns den Schweiß abzuspülen. Ein Rundgang durch die Zeltstadt zeigte uns alle Neuheiten: Windschutz am Kocher, Kochkiste und vieles mehr. Sparsamster Brennstoffverbrauch ist ständiger Gesprächsstoff. Jeder erfindet etwas Neues, um am Spiritus oder Petroleum zu sparen. Was sich bewährt, wird All­gemeingut.

Die Betten hatte mein zwölfjähriger Schlafgenosse, der nicht mit zur Hochzeit war, zurecht gemacht. Bald lagen wir, die ,, reifere Jugend", in Orpheus Armen. Aber so ein Zeltbett ist eine un­gewöhnliche Schlafstätte. Der Schlaf ist nicht so ruhig wie im eige= nen Bett. Man drückt sich ganz anständig die Knochen. Aber daran

leuchtet am besten die politische Verschiebung der Machtverhältnisse. Wer hätte früher für Arbeiter so großzügig gesorgt!

Unmittelbar qm Blauer See entstanden zwei nach einem ein­heitlichen Plan angelegte Arbeiterfiedlungen. Meist fleine Reihen häuser, mitunter auch Etagenwohnungen. In den Einzelhäusern be. finden sich unten Wohnküche, ein Zimmer und Waschküche, im ersten Stoc zwei Zimmer und noch eine Treppe höher ein fleineres Zimmer. Ferner ein großer Keller, ein fleines Stallgebäude und ein hübscher Garten. Die monatliche Miete beträgt etwa 15 Mart ( anfangs fogar nur 8 Marf!). Kein Mensch wird auf den Gedanken kommen, daß die Reichsbahn, zumal als private Gesellschaft, zu diefen Werkswohnungen draufzahlt. Es zeigt sich hier an einem fleinen Beispiel, wie billige Wohnungen geschaffen werden können, sobald der Unternehmergewinn wegfällt und die hohen 3inslasten. Wie jedes andere Bauen teurer sein muß, zeigt eine private Sied. lung der Arbeiter in Kirchmöser , die sich zu einem Arbeiter- Bauspar­verein zusammenschlossen. Durch die notwendigen Kapitalaufnahmen stellten sich die Mieten hier auf das Doppelte, auf etwa 28 bis Vor der Revolution war Kirchmöser ( bei Brandenburg a. 5.) 30 Mart( allerdings mit einem schönen Bad dabei), was bei den ein armseliges Bauernnest mit einigen hundert Einwohnern heute dauernden Lohnfürzungen nun doppelt schwer ins Gewicht fällt. ist es eine großartige moderne Siedlung von 4000 Menschen. Als Bauerndorf war es unbekannt, abgeschnitten von der Welt, ohne Räumen, mit einer Schülerwerkstatt und einer modernen Küche für

Die Cat

Ein Kapitel roter Kommunalpolitik

Eisenbahn ; der Gesinnung nach ausgesprochen konservativ und reaktionär. Heute durchzieht ein freier Geist, eine soziale Gesinnung die neu erstandene Arbeitersiedlung. Klassenverbundenheit und Solidarität machen die Arbeiter zu Trägern eines wirklichen Ge: meinschaftslebens.

Im Jahre 1917 wurde in Kirchmöser eine riesenhafte Anlage für eine Pulverfabrik begonnen. Aber das jähe Ende des Krieges legte die noch nicht fertige Kriegsmaterialfabrik wieder still. Die deutsche Reichsbahn übernahm den Riesenkompler mit etwa 250 Ge­bäuden, eigenem Kraft- und Wasserwerk und Fernheizanlage, um hier das modernste Eisenbahnausbesserungswerk einzurichten. Die schwersten Lokomotiven werden wie Kinderspielzeuge mittels elektrischer Kräne von einem Arbeitsplatz zum andern in der Riesen halle befördert.

Um nun aber die 2000 Arbeiter in diese Gegend zu ziehen und unterzubringen, die für das Werk gebraucht wurden und die die Reichsbahn zum Teil aus dem Reiche von inzwischen geschlossenen Werkstätten übernahm, mußte sie ein großzügiges Siedlungswerk schaffen. Während die Pulverfabrik des kaiserlichen Staates eben primitive Baraden aufstellte für die, die nicht in der Nähe wohnten, und sie hier zusammenpferdhte, für die Offiziere und höheren Beamten dagegen schöne große Billen am See erbaute, mußte die Reichsbahn der Republik für menschenwürdige Behausungen sorgen. Das be­

Rauchen Sie lieber

Eine moderne Schule wurde gebaut, mit großen lichtvollen

Schule zu schicken

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die Mädchen. Die Bauern, die voll Neid auf die hübschen Arbeiter­wohnungen sahen, weigerten sich anfangs, ihre Kinder in die neue weil sie etwa fünf Minuten vom alten Dorf entfernt liegt. Ihre Kinder sollten weiterhin in das kleine stall­ähnliche Gebäude mit seinen zwei oder drei Räumen gehen. Aber der Widerstand wurde gebrochen.

Bade- und Sportpläge wurden errichtet. Die Gemeindever­tretung, die zum größten Teil aus Arbeitern besteht( auch der Gemeindevorsteher ist ein ehemaliger Angehöriger des Werkes). sorgt auf dem ganzen Gebiete der Kommunalpolitik, daß den Ar­beitern hier ein menschenwürdiges Dasein in Luft, Sonne und Wasser gegeben wird. Die primitiven Feldstraßen wurden durch die Arbeitslosen gegen Tariflohn, nicht als Arbeitsdienst in aus­gezeichnete Fahrstraßen verwandelt. Die Gemeinde hat trotz dieser pielseitigen Arbeiten im letzten Jahr noch ohne jegliche Schulden gewirtschaftet.

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Ohne soziales Verständnis erwies sich bei diesem Aufbauwerk die Kirche. Obwohl außer der alten Dorfkirche in der Siedlung noch, zwei moderne große Beträume existierten und sehr schlecht besucht waren, bestand sie auf Grund irgendwelcher alter Paragraphen auf den Bau einer neuen Kirche, die die Gemeinde 300 000 Mark kostete. Wieviel Nützlicheres hätte mit dem Gelde geschaffen werden können.

eine Zigarette weniger aber dafür

eine gute

Bergmann Klasse 48

mit Goldmundstück und OHNE Mundstück

Als es schummerig wurde, hielt ich es nicht mehr aus. Also rous in die Veranda. Alles schläft. Da es die größte Sünde ist, andere im Schlaf zu stören, verhielt ich mich ruhig. Zigaretten rauchend be trachtete ich den Morgennebel über dem See und schließlich aus Langeweile die Zelte. Ohne Prophetengabe konnte ich die Lage jedes einzelnen Schläfers feststellen. Nebenan schlief jemand, der hatte den Allerwertesten der Zeltbahn zugekehrt. Die Rundung zeichnete sich sehr gut ab. Im nächsten Zelt hatte der Schläfer die Knie hochgestellt. Man hörte auch allerhand liebliche Geräusche; denn Zeltwände sind noch dünner als Neubauwände.

Mit hereinbrechendem Morgen wurde es belebter. Einige gingen angeln. Auf dem See zeigten sich die ersten Vierer. Die Zelte öffneten sich nach und nach. Wieder wurden die Kocher in Betrieb gefekt.

Als Morgenwäsche nahm man ein Bad. Der Hochzeiter und seine Frau hatten sich wieder eingefunden. Sie redeten große Töne von Kuchen, Braten und diden Zigarren Nach dem Kaffee schob mein Freund sein Zieharmonikabett zusammen. Und siehe da: lange Röhren und andere Utensilien hatte er vor seine Veranda gehert. Ich betrachtete die Dinger mißtrauisch. Mein Freund schmunzelte und sagte sehr freundlich: Wir wollen heute noch einen Brunnen bauen. Es ist zwar schon einer da, aber der Dreilitertant ist alle Augenblicke leer und man läuft den ganzen Tag nach Wasser." Also schön, sollte mein Freund feinen Brunnen haben! Und da waren die anderen Fachleute" ja auch schon da. Man beriet, welches die geeignetste Stelle für den Brunnen wäre. Nachdem jeder seinen Senf zugegeben hatte, wurde man sich einig und ging an die Arbeit. Die Hausfrauen, die nicht Kartoffeln schälten, gaben uns Ratschläge oder machten sich über uns luftig. Aber trotz Spaß und Spott funktionierte der Brunnen bald. Der eigentliche Feier­tag wurde durch ein gutes Mittagsessen eingeweiht.

Nach der Mittagsrast kam der Sonntagsbesuch aus der Stadt. Ein allgemeiner Austausch von Tassen und Tellern ging los. Denn jeder hat nur Geschirr für seinen Bedarf. Erscheint Besuch, so wird von dem Zeltnachbar das Fehlende entliehen. Alle helfen sich aus. Mit Baden, Essen, Paddeln verging schnell der Nachmittag. Ueberall fonnte man mit einsteigen. Ob Segel - oder Paddelboot. Städtische Manieren sind abgelegt. Alles geht ohne Zwang und natürlich zu. Reiner ist allein, feiner arbeitet allein. Ueberall ist Hilfe zur Hand. Jeder ordnet sich freiwillig in die Gemeinschaft ein.

Der Abend nahte zu schnell; ich bedauerte Abschied nehmen zu müſſen...

Freilich fann man es der Kirche faum übelnehmen, daß sie auf ihre Macht pocht, wenn weite Kreise der Arbeiterschaft, die innerlich der Kirche völlig gleichgültig gegenüberstehen, ihre Kinder in die Sonntagsschule schiden und sie ohne jede lleberlegung firchlich reaktionärer Beeinflussung aussehen. Dabei sollte doch die Seit ben Arbeitern flar genug zeigen, wie überall finsterster Rückschritt Frei­heit und Aufstieg der Arbeiterschaft bedroht, wie alle herrschenden Klassen des alten Staats den Arbeiter mieder zum willenlofen Stlaven des Unternehmertums herabdrücken wollen. Gerade bei uns freilich zeigt die Freidenferortsgruppe mit ihren 400 Mitgliedern, daß das Proletariat die Gefahr der Reaktion auch auf geistigem: Gebiet erkannt hat.

Was zeigt das kleine Beispiel Kirchmöser ? Eine einige Ar­beiterschaft ist start. Eine einige Arbeiterschaft fann selbst heute weitgehend für die Interessen der arbeitenden Menschen sorgen und jedem Bolfsgenossen ein menschenwürdiges Dasein verschaffen. Eine einige Arbeiterschaft wird ihre endgültige Befreiung erkämpfen und mit der politischen und wirtschaftlichen auch die geistige Reaktion aus dem Felde schlagen. Peter Garbe. ( Aus dem neuesten Heft des sozialdemokratischen Diskussionsorgan: ,, Das Freie Wort".)

Dr. Waller Klein: Der Vertrag von Bjorkoe")

auf seine Art den zaren zu einem Bündnis mit Deutschland bringen Der merkwürdige Vertrag von Bjperfoe, bei dem Wilhelm II. mollte, ist gerade in den letzten Jahren viel diskutiert worden. Den Anlaß dazu bot vor allem die ausführliche Darstellung Bülows in feinen Denkwürdigkeiten. Jetzt liegt eine gründliche, auf genaue Kenntnis des Materials beruhende Einzeluntersuchung über den Vertrag vor. Klein bemüht sich, die deutschen Staatsmänner und ihre Versuche möglichst günstig anzusehen, aber er muß doch die schweren Fehler der wilhelminischen Politik zugeben. Klein sagt u. a.:,,Der Bjoerkoe- Vertrag verlangte von Rußland zuviel ohne genügende Gegenleistung." Der Vertrag sei ,, nicht genügend durch dacht" gewesen. Endlich: Das deutsch - französische Problem murde im Vertrag überhaupt nicht berücksichtigt." Das genügt eigentlich, um den hoffnungslosen Dilettantismus der deutschen Außenpolitik zu kennzeichnen. Es ist richtig, daß damals, in der Beurteilung der deutsch - russischen Beziehungen, Wilhelm II. persönlich vernünftiger war als Bülow. Aber wenn der Kaiser auch einmal einen richtigen Gedanken hatte, verdarb er ihn durch die abenteuerliche und mider­spruchsvolle Art der Ausführung.

Arthur Rosenberg .

*) Dr. Walter Klein, der Vertrag von Bjoerkoe, Wil­ helm II. , Bülom und Holstein im Kampf gegen die Isolierung Deutschlands . Universitas- Verlag, Berlin . Deutschlands .

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