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Tlr. 271 49. Jahrgang
2. Beilage des Vorwärts
Sonnabend, 11. Juni 19Z2
Anpassung an die Armut der Nation." DieWirtschastsführer" haben sie nicht nötig. Pharisäer, die den Zöllnern predigen.
Die neue Regierung der Zunker, des Mililärodels und der Großindustrie hat iy ihrem Aufruf die Anpassung unseres staatlichen Lebens an die Armut der Ration verlangt und steht im Begriff, den Aermsten der Armen, den Arbeitslosen. ihre heule schon kärglichsten Unterstühungen»och weiter abzubauen. Es erscheint angebracht, der in der Regierungserklärung gezogenen falschen Bilanz eine wahre Bilanz gegenüberzustellen, nämlich die, wie denn die h e r r s ch a f l s s ch i ch l e n jener Ber- armung der Ration sich angepaßt haben, die die Regierungserklärung dem angeblichen Slaatsfozialismus und angeb» lichen kvohlfahrtsstoat in die Schuhe zu schieben versucht. Die maßlose Schuldenaufnohme des Großgrundbesitzes hatte nicht nur unfähige Leitung zur Ursache, sondern in erheblichem Ilmsang auch die Ausrechtcrhaltung des feudalen Lebensstils. Die sogenannten Wirtschastsführer, die Leiter und Aufsichtsräte der Großunternehmungen, die ein gut Teil der deutschen Industrie in Grund und Boden gewirtschastet haben, haben sich gegenseitig phantastische Bezüge gewährt. aus denen neben einer verschwenderischen Lebensführung ihr gesellschaftlicher und politischer Ehrgeiz bestritten wurde. Die September-Notverordnung 1931 hatte die Möglichkeit zur sofortigen Kürzung aller Privatgehältcr über 1S0IX> Mark
Mark, der Akkumulatorenfabrik Berlin 110 009 Mark. Bei den kleineren Gesellschaften sind Gehälter über 50 000 Mark gang und gäbe. Auch die Aussichlsratstantiemen verraten nichts von der An­passung an die Armut der Ration: sie betragen zwar nicht mehr 100 000 Mark je Nase, die in den besten Jahren der Glanzstoffkonzern verteilte, sie erreichen aber bei Gesellschaften, die noch höhere Dividenden auszahlen, noch immer 10 000 bis 20 000, sogar 30 000 Mark und darüber. Bedenkt man, daß unsere Wirtschastsführer heute noch bis zu 20 Aufsichts- ratsmandate haben dürfen und daß man ferner durch Schaffung von Beiräten das Trinkgeldstiftem möglichst im vollen bisherigen Ilmsange aufrechterhält, so ergeben sich für unsere Wirtschaftskapitäne neben den Gehältern entsprechendeNeben- einnahmen". Herr Thyssen war bisher in 31, Herr Reinhart in 25, Herr Lübbert, der Wirtschaftsfachmann des Stahlhelms, in 18, Herr v. Stauß in 21 Aufsichtsräten vertreten. Das muß man mit jeweils 10 000 bis 30 000 Mark multiplizieren, um die Anpassung an die nationale Armut bei diesen Nebeneinnahmen festzustellen. Und wer am stärksten aus diesen Pfründen saugt, ist am reak- tionärsten, stehthinter" der Feudalregierung und sinanziert Hitler.
gegeben, die Gelegenheit zur Anpassung an die Armut der Nation war also gegeben! Wie sieht aber diese Anpassung nun aus? Unterlagen dafür sind durch die letzte Aktienrechts- Novelle gegeben, die vorschreibt, daß Bezüge des Vorstandes und der Aussichtsratsmitglieder im Geschäftsbericht ausgewiesen werden müssen. Ziffern sind erst für eine kleine Zahl von Gesellschaften bekannt, weil die Borschrift nicht für vor dem 31. Dezember 1931 abgeschlossene Berichte gilt. Aber schon hier wird möglichst versucht, die Angaben unter Verletzung der klaren gesetzlichen Vorschriften zu verschleiern. Hierbei ist noch zu berücksichtigen: Zahlreiche Unter- nehmungsleiter erhalten Zuwendungen in der Form von V e r- trauensspesen, Repräsentationszuschüssen, Dis» Positionsfonds usw.. die unter Generalunkosten verbucht wer- den und in den offiziell ausgewiesenen Bezügen nicht enthalten sind. Unsere Wirtschaftskapstäne beziehen ferner nicht bloß bei einer Unternehmung Gehalt und Tantiemen, sondern streichen darüber hinaus noch klei Konzern- oder anderen Unter- nehmungen erheblich« Tantiemen als Nebeneinkommen ein. Aber auch die verbleibenden eingestandenen Bezüge zeigen, mit welcher Rücksichtslosigkeit die kleine kapitalistische Oberschicht ihren Lebensstandard" gewahrt hat. Diese Zusammenstellung ließe sich beliebig erweitern. Sie zeigt die fortbestehende groteske Uebersetzung der Direktionen der Groß- Unternehmungen und die noch immer anhallende phantastische lieber- bezahlung. Die beiden Spitzengesellschaften des Allianz-Konzerns hoben neben 24 Vorstandsmitgliedern noch 37 Direktoren, neben den zahlreichen Auftichtsräten noch Landesausschüsse mit insgesamt 81 Mitgliedern. Die Durchschnittsgehälter der Vorstands- Mitglieder belaufen sich bei der Mehrzahl der größeren Gesell- schaften auf 100 000 bis 150 000 Mark. In einem Vorstand gibt es sehr verschiedenartig be- zahlt« Direktoren: die Generaldirektoren, die ordentlichen Vor- stands- und die stellvertretenden Vorstandsmitglieder. Beim Vor- stand der JG. Farben befinden sich 21 ordentliche und 22 stell- vertretende Vorstandsmitglieder. Man kann annehmen, daß die Bezüge der leitenden Direktoren eine Viertelmillion Mark betragen oder noch darüber hinausgehen. Wenn schon beim Mannesmann-Konzern, dem kleinsten der schwcrindustriellen Konzerne, die Vorstandsbezüge fast eine Million betragen, wie viel« hunderUouscnde Mark werden die Herren Thyssen, Vögler, Reusch und die sonstigen schwerindu- striellen Finanziers der Nationalsozialistischen  Arbeiter"-Partei er- halten?! Das Durchschnittsgehalt der Vorstandsmitglieder der Deut- s ch e n Bank betrug fast 150 000 Mark, der C o m m e r z b a n k 100 000 Mark. Beide Bonken wurden vom Reich saniert! Die stramm nationalen Direktoren der Braunkohlenge- se lisch asten des Petschek  -Konzerns und anderer Braunkohlen- konzerne erhalten als Minimum etwa 100 000 Mark. Darunter sind national zuverlässige Direktoren mit schärfster antisozialer Ein- stellung wohl überhaupt nicht zu haben, die die AngesteUtenschaft aus Stahlhelm und Nazis rekrutieren und für rücksichts- lose Kürzung der Löhne und Gehälter sorgen. Die Direktoren der Schubert u. Salzer A.-G. erhalten je säst 150 000 Mark, die Direktoren der Sarotti A.-G. 120 000
Zum Thema Reaktion und Hitler noch etwas Pikantes: Rekord-Tantiemen wurden bei der Akkumulatoren- fabrik Berlin   gezahlt. Wer sind die Glücklichen? Von den 13 Aufsichtsratsmandaten hat allein 3 die Familie Q u a n d t besetzt: Werner Quandt-Pritzwall..Gerhard Ouandt-Wittstock und Dr. Günther Quandt  , Wohnsitz ursprünglich Rittergut Severin, von dem aus Hitler   seinen mecklenburgischen Wahlfeldzug führte, später Neubabelsberg   und jüngstens Zürich  (!). Die Fa- milie Quandt   bezieht allein für ihre anstrengende Aufsichtsratstätig- keit bei der Akkumulatorenfabrik Berlin, die sie von Zürich  . Pritz- walk und Wittstock   aus ausüben, 120 000 Mark Austichtsrats- tantiemen! Der streng nationale Herr Dr. Günther Quandt übt von Zürich   aus noch 18 andere Aufsichtsratsmandat« bei deut­ schen   Gesellschaften aus. Dr. Günther Quandt-Zürich hat als Großaktionär dqr Akkumulatorenfabrik Berlin(er besitzt 15 Mil- lioncn von 20 Millionen Kapital) sich kürzlich 37 Prozent Dividende oder rund 51� Millionen Mark auszahlen lassen können. Seine Frau und die Politik hat er indessen Herrn Dr. Goebbels   überlassen! Ein häusig sehr beträchtlicher Teil der Zuwendungen an die Leiter von Anternehmungen wird oft von vornherein über An- kosten verbucht. Auch auf Dieses System verstehen sich gerade die nationalen Herren sehr gut. Die Wintershall A.-G. hat bis 1929 fast 5 Millionen Mark aus dem Dispositionsfonds des Generaldirektors R o st e r g verausgabt und riesige Auswendungen der Direktion für politische Zwecke und Zuwendungen an die Presse über Geschäfts- Unkosten finanziert. Herr Rosterg   hat schon im vergangenen Winter in Zeitungsaufsätzen die Naziregierung herbeigesehnt und die Auf- Hebung der verfassungsmäßigen Rechte der Arbeiterschaft gefordert. wollen wir noch mehr wissen über die wahren.sittlichen Grundlagen der Ratio n", wie sie uns hier vor Augen stehen und die die jetzige Regierung gegen das Gift de» Staats- soziolismus doch wohl wird verleidigen müssen? Roch mehr über die Anpassung der deutschen herrenschichlen an die Armut der Ration? Roch mehr über die moralische Zermürbung des deutschen Volkes, die nicht vom Reichtum, sondern von der Armut der Unter- stützten ausgeht? Sorge die Reichsregierung für Reinheit und nationalen Anstand bei den Pharisäern de» Kapitals, die ihr nahe- stehen. Ein leidendes Volt darf sich Ermahnungen zur Moral von dieser Regierung verbitten. Oer englische Eisenzoll. Von 10 Prozent auf Prozent erhöht. Das mit außerordentlichen vollmachten ausgestattete dreiköpfige Zolldirektorium, das May-Komitee. ha» dem britischen Schatzamt jetzt eine heraufsehung der englischen Roheisenzölle von 10 auf 33% Proz. vorgeschlagen. Bei der handel»polilischen Ein­stellung der gegenwärtigen englischen   Regierung und der proteklio- nistischen Mehrheit des Unterhauses besteht kein Zweifel, daß die neue Zollerhöhung in nächster Zeit in Kraft geseht wird. Bei der letzten großen Zollnovelle vom 22. April waren die
Roheisenzölle auf dem Stande des zehnprozentigcn Generaltarifs vom Februar 1932 gelassen worden, da das May-Komitee wegen der zwangsläufig eintretenden Belastung der eisenverarbeitenden Industrie vor einer weiteren Einfuhrerschwernis von Roheisen zurückschreckte. Die britische Schwerindustrie beantwortete diese Zu- rückHaltung mit heftigen Angriffen gegen das Komitee und die Regierung, die bei ihrem Zollprogramm die Stahlindustrie einfach vergesse n" und ihre lebenswichtigen Interessen außer acht gelassen hätten. Dem anhaltenden Druck dieser auch in Eng- land mächtigen Wirtschastsgruppe Hot das Zolldirektorium jetzt nach- gegeben und die Roheisenzölle den Zollsätzen für Halb- und Fertig- fobrikate angepaßt. Man darf aus das Echo in der ver- arbeitenden Industrie Englands gespannt sein, denn daß das Zolldirektorium selbst mit einem Proteststurm rechnet, be- weist schon der Hinweis in dem veräsjentlichten Kommunique, daß eineungewöhnliche Preisverteuerung" zu einer W i e d e r a b- s ch a f f u n g der Eisenzölle zwingen würde. Daß der englischen  Regierung bei ihren hochschutzzöllnerischen Maßnahmen selbst nicht ganz wohl ist, zeigt im übrigen sehr deutlich die Warnung des Handelsininifters an die Industrie, daß die Regierung nicht bcab- sichtige, den einzelnen IndustriezweigenF a u l h e i t s p r ä m i e n" zu geben, und daß sie bei offenkundiger Vernachlässigung der tech- nischen und kaufmännischen Betriebsfllhrung den Zollschutz wieder rückgängig machen würde. Das ist allerdings, wie die Erfahrung auf diesem Gebiet gezeigt hat, leichter gesagt als getan. 6 Prozent bei Wintershall  . Oer letzte Kali-Abfchluß. Der mächtigste Konzern der deutschen   Kaliindustrie, die von Rosterg   geleitete Wintershall A.-G. in Berlin  -Kasjel, veröfferrt- licht jetzt als letzte Großunteinehmung des Kalibergbaues Jahres- abschluß und Geschäftsbericht für 1931. Die Befürchtungen der Finanzkreise, die nach den überraschenden Riesenverlusten bei Burbach an den bevorstehenden Abschluß des Wintershall  -Konzerns �geknüpft wurden, haben sich nicht erfüllt. Wintershall   hat im Gegenteil die Krise gut über st an den und wesentliche Verluste sind aus der Konzernverschachtclung nicht ent- standen. Der Reingewinn hat sich von 16 aus 11,1 Mill. Mark ermäßigt: die Dividende bleibt mit 6 gegen 8 Proz. noch sehr ansehnlich. Der Absatz des Konzerns verringerte sich im Zusammenhang mit dem Umsatzrückgang des Kalisyndikates von 5,59 auf 3,98 Mill. Doppelzentner Reinkali. Auch bei den Nebenprodukten waren größere Lieferausfälle zu verzeichnen. Boll beschäftigt blieb da- gegen die Mischdüngerfabrik in Sondershausen  . Durch schärfere Zusammenlegung der Betriebsstätten wurden 3 Werk« stillgelegt, wodurch sich die Belegschaft auf rund 4300 Mann verringerte. Aber auch diese Restbelegschast, der Ansang Januar der Lohn um 15 Proz. gekürzt wurde, hatte infolge Einlegung zahlreicher Feierschichten noch einen zusätzlichen Druck auf das Arbeitseinkommen zu erleiden. Demgegenüber legt die Verwaltung in ihrem Geschäftsbericht Wert auf die Feststellung, daß die Gesamtbezügo des vier- köpfigen Vorstandes im letzten Jahr einschließlich aller Nebenleistungen 251 420 M. betragen haben, während der 30köpfige Aufsichtsrat, dessen Tätigkeit bei derartigen Monopolunternehmungen auf das engste begrenzt bleibt, 300000 M., also je Kopf 10 000 M. an Tantiemen erhielt. Nach dem, was bei Wintershall   in den letzten Jahren vorgegangen ist, möchten wir die Angabe, daß der Vorstand einschließlich aller Nebenleistungen nur 251 420 M. erhalten hat, bezweifeln. Wir haben seinerzeit, ohne daß wir berichtigt wurden, darauf hingewiesen, daß eine Revision bei Wintershall   einen Sonderposten für Ausgaben festgestellt hat, bei denen sich u. a. phantastische Summen für Reisespesen des Generaldirektors befanden. Insgesamt waren es 5 Millionen Mark Ausgaben, deren Zwecke ziemlich dunkel waren, auch hinsichtlich der Verwendung für poli- tische Zwecke. Herr Rosterg   ist ja auch als eifrigerSyftem"bekämpfer bekannt. Hohe Gewinne bei Deutsche Erdöl A.G. Nilanzklarheit nach wie vor verpönt. Die Deutsch  « Erdöl A.-G., die mit einem Kapital van 100,4 Mill. arbeitet und als Besitzer und Kontrolleur der wichtig- sten deutschen Erdölvorkommen den möchtigsten Konzern in der deutschen Oelindustrie bildet, hat die Krise im vergangenen Jahr noch wenig zu spüren bekommen. Der G«jchästsgcwinn.hat sich von 16,3 aus 15 Mill. Mark verringert und nach Abzug van Unkosten und Abschreibungen wird ein Reingewinn von 4,70 gegen 5,54 Mill. Mark ausgewiesen, aus dem eine Dividende von 4 gegen 5 Proz. im Vorjahr gezahlt wird. In den Zechenbetrieben des Konzerns ist der Rückgang der Förderung im Gegensatz zu den anderen Ruhrzechen in sehr erträg- lichen Grenzen geblieben, denn er beträgt nur 9,4 Proz., während demgegenüber trotz zahlreicher Feierschichten die Belegschaft um 15 Proz. abgebaut wurde, woraus sich eine weitere be- deutende Leistungssteigerung je Mann und Schicht ergibt. In den Braunkohlenbetrieben hielten sich Förderung und Brikettproduktion auf dem Stand von 1930, während der Brikettabsatz sogar noch einem Zuwachs um 2 Proz. aufweist. Bei der von dem Unternehmen beherrschten Deutschen   Petrolcum-Gesellschast ging die Rohölproduk- tion um 6 Proz. zurück. Auch in der vorliegenden Bilanz Hot die Verwaltung ihre bekannte Verschleiern ngs Methode bei- behalten und denkt gar nicht daran, den durch die Aktienrechts- Novelle erweiterten Publizitätsvorschrislen, die noch nicht in Kraft sind, nachzukommen.
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