Der Abend
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Nr. 278
B 139 49. Jahrgang
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Nazisturm auf Ministerwohnung
Münchener Hitlerjugend gegen Ministerpräsidenten Dr. Held
Aus den verschiedensten Gegenden des Reichs häufen sich die Nachrichten über nationalsozialistische Ausschreitungen. Man meldet systematische Sprengungen gegnerischer Versammlungen, Angriffe auf gegnerische Zeitungsgebäude, Fensterstürme gegen Synagogen usw. Einen Höhepunkt auf diesem Weg zum Dritten Reich scheinen aber die Vorgänge darzustellen, die sich gestern in München abgespielt haben. Von dort wird uns berichtet:
München , 15. Juni( Eigenbericht.)
In der Nacht zum Mittwoch 30g eine Gruppe Hitlerjungens vor die Wohnung des Ministerpräsidenten Dr. Held, um durch Sakenmusik gegen die nichtübernahme der Straßer- Rede durch den bayerischen Rundfunk zu spektakeln. Die Polizei zerstreute die Demonstranten, denen e aber nach einigen Stunden neuerdings gelang, fich dem Gebäude soweit zu nähern, daß sie mit Steinen die Fenster der Wohnung des Ministerpräsidenten einwerfen konnten. Die Täter entfamen und konnten bisher noch nicht verhaftet werden.
Angehörige einer Partei, die im Reiche Regierung 5 partei ist und die von der Reichsregierung in liebevollster Weise gefördert wird, werfen dem Chef einer Landes
regierung, die sich mit der Reichsregierung in Streit befindet, die Fenster ein! Wer kann da noch zweifeln, daß die Reichs regierung solche Treue belohnen und das SA. - Verbot und das Uniformverbot sofort aufheben muß! Die Leute, die der baŋerischen Regierung die Fenster einwerfen wollen, sollen das fünftig in Uniform tun!
Stürmische Proteste!
Die Arbeitsinvaliden an den Reichspräsidenten. Der Zentralverband der Arbeitsinvaliden hat an den Reichspräsidenten folgendes Telegramm gerichtet:
Berbandstag. Zentralverband der Arbeitsinvaliden Breslau , Vertretung von über 350 000 Invaliden, ist empört über die fürchterlichen kürzungen der Arbeitsinvalidenrenten durch neue Notverordnung. Die Regierung v. Papen hat Sie, Herr Reichspräsident, falsch beraten. Durch Notverordnung wird soziale Not unermeßlich gesteigert. Notverordnung atmet unjozialen Geist und widerspricht wahren chriftlichen, nationalen Notwendigkeiten. Arbeitsinvaliden erklären die Regierung v. Papen als Feind und sprechen Ihnen, Herr Reichspräsident, das Bedauern aus für den Erlaß der neuen Notverordnung. Verbandstag Zentralverband der Arbeitsinvaliden.
Der Raub an den Kriegsopfern! Der Reichsbund der kriegsbeschädigten und Kriegerhinterbliebenen hat für Donnerstag seinen Bundesvorstand nach Berlin einberufen, der entsprechende Maßnahmen gegen die neue Notverordnung der Reichsregierung von Papen zu
beschließen hat. 30 Millionen Mark will die Regierung Papen an den fargen Bezügen der Opfer des Krieges sparen!
Ein 20 prozentiger Leichtbeschädigter erhielt bisher im Durchschnitt 24 Mart Rente monatlich.
Die Kürzung auf Grund der Notverordnung be. trägt 8 Mark oder 33 Prozent,
so daß er mit 16 Mart im Monat auskommen muß. Der 40 pro3entige Leichtverlehte erhielt bisher im Durchschnitt 34 Mart. Auch er muß 8 Mart pro Monat für die kürzung einbüßen. Sehr hart trifft die verheirateten Kriegsbeschädigten schwerer und leichter Art die Bestimmung der Notverordnung, nach der man ihnen
die Kinderzulagen bei Vollendung des 15. Lebensjahres streicht.
Der Wahlkampf in Beffen
Schwere Ausschreitungen von GSA. Terroristen.- Zahreiche Verletzte
Darmstadt, 15. Juni. ( Eigenbericht.)
Die für die Dauer des hessischen Wahlkampfes vom Ministerium des Innern gewährten Erleichterungen und Milderungen der geltenden Notbestimmungen haben infolge sofort einsehender nationalsozialistischer Provokationen, die zu allen gegebenen 3uficherungen in schroffitem Widerspruch stehen, zu schweren Unruhen geführt.
In Mainz und anderwärts marschiert die SA. bereits in voller Uniform auf. Der Darmstädter Nazi- Redakteur Glahn hat am Sonntag in einer Versammlung die Bauern auf= gefordert,
wie zu Zeifen Florian Geners die Sensen zu schärfen und gegen die jetzigen hessischen Machthaber loszuziehen. In ver schiedenen Orten im Odenwald kam es infolge des Terrors von SA.- Trupps, die mit Lastkraftwaden herbeigeführt worden waren, au großen Saalschlachten. So wurden in Reichenbach von einer riesigen Nazi- llebermacht sozialistische Versammlungs besucher ohne jeden Anlaß überfallen und 15 Personen teilweise schwer verletzt.
Auf den Nazi- Laftwagen fand die Polizei zwei Militärpistolen Modell 08 und eine große Zahl Hieb- und Stichwaffen sowie sonstiger Schlagwerkzeuge.
In Bensheim an der Bergstraße gab ein wegen mehrerer Einbrüche mit Zuchthaus vorbestrafter Naziführer nachts ohne jeben Grund aus einem Fenster zwei Schüsse ab auf einen von einer Verfammlung fommenden Trupp der Eisernen Front, unter denen sich Fraktion des Hessischen Landtags 3 inntann befand. der Referent, der bisherige Fraktionsführer der sozialdemokratischen
Mit Rücksicht auf diese und ähnliche Vorfälle, deren Wiederholung angesichts der Haltung der Nazis in erhöhtem Maße droht, hat der hessische Innenminister
das Berbot des Transports von Versammlungsteilnehmern mit Lafffraftwagen
in vollem Umfange wieder in Kraft gesezt. Außerdem wird in der amtlichen Bekanntgabe zum Ausdruck gebracht, daß das Iragen von Parteiuniformen nach wir vor verboten bleibt. Die Polizei ist angewiesen worden, das Verbot mit aller Strenge durchzuführen.
Organisierter Landfriedensbruch.
Gießen , 15. Juni. ( Eigenbericht.)
Das auf Agitationsfahrt in Oberhessen befindliche Laut= sprecherauto der SPD. wird seit dem 13. d. M. ohne jeden Anlaß im Kreise Alsfeld in Oberheffen an jedweder Agitation ge
hindert.
Organisierte Ueberfallkommandos der Nazis begannen am 13. d. m. in Ermenrod in Großfelda den Lautsprecherwagen zu überfallen, mobei der Wagen schwer beschädigt und ein
Sämt
Mann der Begleitmannschaft schwer verletzt wurde. liche Wege wurden abgesperrt und mit allen Mitteln versucht, den Wagen fahrunfähig zu machen. Am nächsten Tage wurden diese Angriffe derartig verstärkt fortgesetzt, daß es überhaupt unmöglich war, mit der Agitation nur zu beginnen. Mehrere Horden Natio nalsozialisten, mit Keulen, Sensen, Forten und Steinen bewaffnet,
Erste Antwort
auf
Papens Hungerdiktat
Hinzu kommt, daß die kriegswaifententen ebenfalls bei Bollendung des 15. Lebensjahres wegfallen, d. h. daß Vollwaisen, die bisher 25 bis 30 mark im Monat erhielten, und Halbwaisen, die bisher im Durchschnitt 19 Mark erhielten, in der Folge leer ausgehen, sobald sie das 15. Lebensjahr überschritten haben! Saalbau Friedrichshain Pharus- Säle
überfielen den Wagen, nachdem sie seiner ansichtig wurden. Diese Ueberfälle waren besonders heftig in Windhausen, Storndorf , Badenrod; Wallenrod konnte nicht befahren werden, da bereits vorher ein Radfahrer aus Wallenrod uns die Warnung entgegen. brachte, daß zur Zerstörung des Wagens alles vorbereitet sei. Es handelt sich um eine gewaltsame Agitationsverhinderung traffester Der Polizeischuß versagte diesem terroristischen Auftreten gegenüber bisher vollkommen.
Art.
Hakenkreuzterror in Braunschweig . Lleberfall auf eine Arbeiterversammlung.
Braunschweig , 15. Juni. ( Eigenbericht.)
Am Dienstagabend veranstaltete die Sozialdemokratie in Lan gelsheim eine Versammlung, in der über die drohende Stillegung des Harz - Erzbergbaus gesprochen wurde. Die Nationalsozialisten, die schon am Vorabend Wolfshagen , wo ebenfalls eine sozialdemokratische Versammlung stattfand, regelrecht belagert und besetzt hatten, waren wieder aus der ganzen Umgebung zusammengezogen. Die Arbeiter Langelsheims, die ebenfalls aus Braunschweig und Goslar Verstärkungen erhalten hatten, richteten sich auf eine Verteidigung ihres Lokals ein. Plötzlich zogen sich die Nationalsozialisten im Schutz der Dunkelheit zurück, um aus einem sicheren Versted Feuer auf das Lokal zu er öffnen. Sieben Personen wurden verlegt. Der Arbeiter Tiesler aus Braunschweig erhielt einen Armschuß und mußte ins Landeskrankenhaus Braunschweig eingeliefert werden. Der Arbeiter Junge aus Goslar erhielt einen Beinschuß. Die Landjäger waren machtlos.
Das Ueberfallkommando aus Braunschweig , das nach etwa einer Stunde eintraf, unternahm nichts gegen die Nationalsozialisten,
wohl aber durchsuchten die Beamten das Versammlungslokal nach
Waffen. In der Nähe des Lokals wurden dann auch Waffen der Nationalsozialisten, die sie fortgeworfen hatten, gefunden.
Die Braunschweiger Polizei magt gegen Nationalsozialisten nur sehr selten etwas zu unternehmen, da sie die Rache des Ministers Klagges bzw. des Nazi- Kommandeurs der Schußpolizei fürchtet. Dem Gemeindevorsteher in Langelsheim , dem Sozialdemokraten Hermann, hatte Klagges vor einigen Monaten die Polizeigemalt entzogen, weil er eine Versammlung, in der Klagges sprechen wollte, verboten hatte. Hermann hatte das vorsorglich getan, meil auswärtige Formationen zugezogen merden sollten. Wie richtig das Verhalten Hermanns war, hat die gestrige Schießerei wieder bewiesen.
Die Verantwortlichen!
Hitler führt vom Wohlfahrtsstaat zur Glendsanstalt.
Das Hungerdiktat des Kabinetts der Barone hat die Parteien des jogenannten neuen Systems, die Deutschnationalen und die Nationalsozialisten in schwere Verlegenheit versetzt. Ihre Agitationslügen, ihre Versicherungen, daß mit dem Sturze des alten Systems die Steuerlast geringer und das Einkommen steigen würde, sind durch die Notverordnung zerrissen worden. Die beiden neuen Systemparteien versuchen sich von der Verantwortung zu drücken. Die Deutschnationalen wollen die Hungerverordnung des Kabinetts Papen als Folge des bisherigen Systems hinstellen. Bei den Nationalsozialisten spricht man davon, daß man diese Notverordnung ablehne - solange die neue Regierung nicht Taten nach dem Herzen der Nationalsozialisten zeige. Wenn erst die Notverordnung über die Wiederzulaffung der SA. erschienen sein wird, oder wenn gar die Regierung daran gehen würde, über die Einführung der Arbeitsdienstpflicht der Hitlerschen Bürgerkriegsarmee eine halbstaatliche Stellung zu geben, dann würde die Nationalfozialistische Partei, unbeschwert vom Elend des werftätigen