Verbandstag der Arbeitsinvaliden.
Jm Kampf um die soziale Demokratie.
Der 2. Verhandlungstag war den Fragen der Sozialpolitik gewidmet. Im Mittelpunkt standen die Referate des Verbandsvor. sizenden Genossen Karsten über den Stand der Sozialpolitik und das Referat des Ministerialrats Dr. Maier, Dresden , über Finanznot und öffentliche Fürsorge. Karsten erinnerte bei der Betrachtung der hinter uns liegenden Zeit, daß die letzte Er höhung der Invalidenrenten unter der Regierung Her mann Müller durchgesetzt worden sei. Es müßte dagegen protestiert werden, daß man die Arbeit der Organisation für die 3er rüttung der Sozialpolitik verantwortlich machen wolle. Schuld an der Zerrüttung der Sozialpolitik seien in erster Linie Krieg, Inflation und fehlerhafte Maßnahmen in der Wirtschaftspolitik gemesen. Alle diese Dinge seien aber lediglich auf die
unfähige tapitalistische Polifik
zurückzuführen. Es sei lächerliches Geschwäß, wenn Hitler jetzt behauptet, die Arbeiterschaft habe 1918 ein geordnetes Staatswesen übernommen. Die Hitlerbewegung wird heute mit dem Gelde des Kapitals ausgehalten, weil die Kapitalisten die Nationalsozialisten als Sturmbod gegen die deutsche Sozialpolitit benutzen. Es fäme für alle Arbeiterorganisationen heute darauf an, mit allen Kräften zu verhindern, daß diese Söldlinge des Kapitals die politische Macht in Deutschland bekommen.
Nach einem Ueberblick über die Finanzlage der Sozialpolitik wies Karsten auf das üble Schlagwort vom deutschen ,, Wohlfahrtsstaat" hin, das jetzt zu den Argumenten der Reichsregierung gehört. Wenn die Regierung von Papen solche Phrasen ausspricht, so beweist sie damit nur, daß sie willens ist, einen noch stärkeren Abbau an den sozialen Bezügen der Hilfsbedürftigen in Deutschland vorzunehmen. Zur Sanierung der wichtigsten Versicherungszweige, die heute sich in der schlimmsten Gefahr befinden, ist es notwendig, unbedingt für Erhöhung der Versicherungseinnahmen Sorge zu tragen. Die Reichsregierung muß auf alle Fälle mit ausreichenden Zuschüssen einspringen. Wie richtig die Verbandsforderung nach einer neuen Regelung des Beitragswesens in der Invalidenversicherung gewesen ist, das hat die augenblickliche Krise überzeugend nachgewiesen.
Auf alle Fälle aber muß den Abbauplänen der Reaktion der allerschärfste Widerstand entgegengesetzt werden.
Karsten brachte zum Ausdruck, daß, wenn gehungert werden müſſe, dann solle auch auf der ganzen Linie gehungert werden. Der Zentralverband habe bei großen politischen Kämpfen mit in der
ersten Linie zu marschieren. Bei Aufrechterhaltung des Grundfazes der parteipolitischen Neutralität müsse doch gesagt werden, daß die Arbeitsinvaliden nicht gewillt seien, sich von Hitler , Hugenberg und Dingelden einfangen zu lassen. Die kommenden Reichstagswahlen seien von außerordentlicher Bedeutung für die Arbeitsinvaliden. Es täme darauf an, der Regierung von Papen und ihrem reaktionären Anhang, den Nationalsozialisten, zu zeigen, daß mir gewillt sind, unsere Rechte mit Entschiedenheit zu verteidigen. Die Ausführungen des Referenten fanden stürmischen Beifall.
In der Diskussion sprachen Steffes, Bochum , Ridet, Halle, Böttcher, Dresden , Berger, München , Matthes, Halle, Böttcher, Dresden , Berger, München , Matthes, Kassel , Rosenthal, Essen, und Stams , Heidelberg . Die durchaus fachlichen Ausführungen aller Diskussionsredner waren von dem ganzen Ernst der politischen Situation getragen. Sie ergaben aber auch gleichzeitig ein Bild vorbildlichster Geschlossenheit und Kampfbereitschaft in der Organisation. Die Diskussion erbrachte den Nachmeis, daß die politische Haltung des Verbandes in den Reihen des Verbandes selbst unbedingte Zustimmung fand.
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Ministerialrat Dr. Maier wies in seinem Referat darauf hin, daß zur Zeit in den Gemeinden bis zu 40 von 100 Einwohnern aus der Fürsorge unterstützt werden müssen. Die Fürsorgeunter stützungsempfänger müssen mit einer
Unterstützung von 7 bis 10 m. in der Woche auskommen. Furchtbares Glend und ein Leben ohne Freuden sind die Folgen. Für die Gemeinden ergeben sich außerordentliche Etatsschwierigkeiten. Eine Besserung kann aber nicht durch Herabsetzung der Fürsorgeunterstützungen herbeigeführt werden. Ersparnisse müssen auf anderen Gebieten gemacht werden, und steuerliche Möglichkeiten sind nachzuprüfen. In der Politik müsse der Grundsay maßgebend sein, daß Einkommen und Vermögen nach ihrer Leistungsfähigkeit auf das stärkste herangezogen werden. Besser gestellte Landesteile müßten die Lasten der ärmeren Landesteile mittragen.
Unannehmbar sei auch das Berlangen, Arbeitslosenver ſicherung, Krisen- und Wohlfahrtserwerbslosenfürsorge zusammenzulegen. Die Arbeitslosenversicherung müsse von einer solchen Vereinigung ausgeschlossen werden. Der Redner wandte sich ganz entschieden gegen die Beseitigung der gehobenen Fürsorge Ebenso
Achtung BVG.! Morgen, Freitag, 20 Uhr, im Ceciliensaal SPD.- Funktionärkonferenz
der Kammersäle, Teltower Straße 1-4
Bestimmte und pünktliche Anwesenheit aller Funktionäre ist erforderlich. Das Betriebssekretariat.
lehnte er eine Einheitsfürsorge für das ganze Reich ab, da eine solche Vereinigung mehr Schlechtes als Gutes für die Hilfsbedürftigen bringen würde. Wenn es der deutschen Sozialpolitik im Laufe der Jahre gelungen sei, mit zur Verlängerung des Lebens alters der Arbeiterschaft beizutragen, so müsse aber jetzt eine Politik betrieben werden, die
dieses Leben auch noch lebenswert erscheinen läßt. ( Stürmischer Beifall.)
In der Diskussion sprachen Hofmann, Berlin , Rohde, Brandenburg , Krieg, Leipzig , Bruhn, Hannover , Steffes, Bochum , und Beder, Saargebiet. Auch diese Diskussion brachte den Nachweis der bedeutenden positiven Arbeit, die der Verband auf dem Gebiet der Fürsorge geleistet hat. Sie brachte aber auch gleichzeitig den Willen zum Ausdruck, daß trotz der gewaltigen Finanz
not aller öffentlichen Körperschaften mit allen Mitteln um die Erhaltung der gehobenen Fürsorge, wie überhaupt um die Erhaltung des heutigen Lebensniveaus, gefämpft werden muß.
Der Verbandstag nahm dann eine Entschließung an, in der es heißt:„ Durch den starken Einfluß, den die Arbeiterschaft in der Nachkriegszeit auf die Gesetzgebung auszuüben in der Lage war, ist die soziale Gesetzgebung in ihren wesentlichen Grundzügen stark auf und ausgebaut worden. Diese Sozialpolitik hat in außer ordentlichem Maße dem Wiederaufbau der durch den Krieg zerstörten deutschen Volkswirtschaft gedient und der Arbeiterschaft die versucht.... Die Regierung Brüning ist darum gestürzt worden, notwendigen sozialen Lebensbedingungen mit Erfolg zu sichern weil sie trotz aller Gesetzesverschlechterungen den Wünschen der Reaktion längst nicht weit genug entgegengefommen ist. An ihrer Stelle regiert heute ein Ministerium, zufammengesetzt in feiner Mehrzahl aus Adligen und im übrigen aus Vertretern der kapi talistischen Klasse.
Jeglicher Einfluß der Arbeiterschaft ist ausgeschaltet.
Dieses absolut unfoztale Regierungsgebilde hat es sich zur Aufgabe gemacht, all die Errungenschaften der Nach friegszeit wieder zu beseitigen und die soziale Lage des arbeitenden Standes in der schlimmsten Weise herunterzudrücken. Ganz offen gibt die neue Regierung von Papen das zu.
In ihrem Aufruf proflamiert sie die Anpassung des staat. lichen Lebens an die Armut der Nation". Sie behauptet fälschlichermelse, daß der„ Staat" zu einer" Wohlfahrtsanstalt" gemacht und daß durch die soziale Gesetzgebung die Arbeitslosigkeit gesteigert morden sei. Sie fündigt an, daß sie ihren Willen mit Notverordnungen durchlegen will.
Offener Staatsstreich der Reaktion droht.
In dieser Zeit müssen alle staatserhaltenden sozialen Kräfte 311 einer eifernen Kampfesfront zusammengeschmeißt werden. Die Arbeitsinvalidenschaft insbesondere hat die Aufgabe, in dem Kampfe um die Erhaltung der sozialen Versicherung und der Fürsorge auch die legten Kräfte aufzubieten.
Das Regiment Papen will in der Sozialversicherung die Ausgaben bis zum letzten drosseln. Wir wollen, daß den Arbeitsinvaliden, den Unterstützungsempfängern und den Arbeitslosen die sozialen Lebensmöglichkeiten erhalten bleiben!
Der Kampf der Arbeitsinvaliden um ihr Recht ist nur mit Erfolg zu führen durch eine geschlossene machtvolle Organisation. Jezt heißt es, den letzten Arbeitsinvaliden dem Verbande zuführen, um mit allen Kräften und Mitteln das Lebensrecht der Arbeitsinvaliden zu verteidigen!
Der freiwillige Arbeitsdienst.
Stellungnahme der Jugendverbände.
Der Landesausschuß Brandenburg der deutschen Jugendverbände teilt mit, daß in dem Bericht im Abend" vom 10. Juni einige Irrtümer enthalten sind. So hat der Vertreter des Landesarbeitsamtes Brandenburg in keiner Weise die technische Nothilfe als Träger des freiwilligen Arbeitsdienstes empfohlen, wie er überhaupt keine Organisation empfohlen hat, sondern auf Anfrage aus der Konferenz heraus erklärt, daß alle Organisationen, die die Vorbedingungen erfüllen, also auch die Teno, Träger des Dienstes sein können.
Dr. Biebahn- Spandau forderte nicht Rüdfehr zur Primitivität" in der Lebensweise, er forderte auch nicht, dem Arbeitslosen noch weitere Beschränkungen" aufzuerlegen, sondern er sowie die meiteren Redner betonten, daß gerade bei der Tätigkeit im Arbeitslager darauf Wert zu legen ist, daß nicht nur gute Verpflegung verabreicht wird, sondern daß auch das kulturelle Niveau der Lagerteilnehmer erhöht wird. Er wie die weiteren Redner betrachten den freiwilligen Arbeitsdienst als eine sozial- pädagogische Angelegenheit. Unter diesem Gesichtspunkt und nicht als Abtapfelung" gegen die Deffentlichkeit sind die Arbeitslager anzu
sehen.
Daß manche Redner zu verschiedenen Auffassungen famen, ergibt sich aus ihrer verschiedenen Einstellung und den ihnen vorliegenden Erfahrungen. Es war gerade Aufgabe dieser Tagung, diese Verschiedenheiten herauszustellen und man darf den Rednern daraus keinen Vorwurf machen. Der Redner der freien Gewerkschaften, Bollmerhaus, hat nicht betont, daß nur überbündische Arbeit möglich sei, sondern daß der freiwillige Arbeitsdienst auch durchaus von den einzelnen Organisationen geleistet werden kann."
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