Nach Wiederaufnahme der Sihung beantragen Nationalsozialiften, Kommunisten und Deutschnationale erneut, die Abstimmung zu wiederholen.
Abg. Ceinert( So.) widerspricht.
Die Sozialdemo
tratie se und bleibe Gegner der unterschiedslosen Umnestie aller Gewaltverbrecher und habe das geschäftsordnungsmäßige Recht, eine erneute Astimmung darüber zu verhindern.
Präsident errl erklärt. gegen den Widerspruch der Sozialdemokratie die Abstimmung nicht wiederholen zu können.
Kommunisten, Deutschnationale und Nationalosialisten bringen neue Amnestie gefehe ein und verlangen sofortige Verab. schiedung in allen drei Lejungen.
Die fozialdemokratische Fraffion widerspricht, Präsident Kerel erfärt die Beratung daher für unmöglich.
Die Deutschnationalen beantragen eine Entschließung, burch die die Regierung aufgefordert wird, nach dem zu erwartenden Amneftieneses schon jezt zu verfahren.
Die Sozialdemokratie widerspricht per Beratung, da noch gar nicht abzusehen sei, ob und welches Amnestiegesez zustande fäme. Sie bringt aber einen Entschließungsantrag ein, wonach das Staatsministerium allen politischen Verurteilten Strafaufschub oder Strafaussetzung be willigen soll, wenn die Tat und ihre Folgen nicht besonders verwerflich pder schwerwiegend erscheint. Nach langen Schimpfreden erflären sich Nationalsozialisten, Rommunisten und Deutschnationale damit einverstanden, daß nur dieser Antrag zur Beratung fommen tann.
Abg. Sube( Njoz.) hält eine lange milbe Schimpfrebe gegen das Zentrum und den Justizminister Dr. Schmidt. Wenn es in Preußen zu einer Koalition mit dem Zentrum fäme, dann nur zu einer solchen, in der allein die Nationalsozialisten zu tommandieren hätten.
Die Deutschnationa'en beantragen, in die Resolution einzufügen, daß diese Bestimmung nur geften soll, bis das durch die Schuld cer Sozialdemokratie am heutigen Tage nicht verabschiedete preußische Amnestiegesch zustande kommt.
Abg. Heilmann( Soz.): Wir fönnten auf diesen schlechten Scherz mit der Zurückziehung unseres Antrags antmorten, und dann wären Sie hereingefallen. Im Interesse der beschleunigten Freilassung der politischen Gefangenen, die es verdienen, sehen wir davon ab. Die sozialdemokratische Resolution wird mit dem deutschnationalen Rusatantrag bei Stimmenthaltung der Sozialdemokratie einstimmig angenommen. Es folgen die Anträge auf Aufhebung der preußischen Notverordnungen.
Finanzminiffer Dr. Klepper
fetzt die Notlage auseinander, burch die die preußische Staatsregierung fehr gegen ihren Willen zu neuen Belastungen gezwungen morden sei.
Die Debatte geht weiter.
Bor Eintritt in die Aussprache weist Präsident Bertl auf ben Beschluß des Aeltestenrats hin, die Ange'egenheit unter allen Umständen noch zu erledigen, und zwar mit einer Rees zeit von zwei Stunden für jede Fraktion.( Beifall bei den Nationalsoz.)
F
DEUTSCHLAND ERWACHE!
„ Der Angriff" enthält ja tein Wort gegen die neuen Gehalte und Rentenfürzungen?" Na, selbstverständlich! Wenn wir wieder Uniform tragen dürfen, fann die übrige Be vö.ferung ruhig die paar hundert Millionen berappen!"
Das Blutgericht wütet.
In dem Verschwörerprozeß verurteilte das aus Offizieren der Faschistenmiliz bestehende Sondergericht den Abg. Karper( Komm.) begründet dann die kommunistischen An- 29jährigen Kaufmann Bovone zum Tode durch Er träge. Die preußische Regierung habe sich der schamlojen Ausbeu- schienen in den Rücken, die übrigen Angeklagten zu reis tung der Vrmen durch die Regierung von Papen angeschloffen. Abg. Dr. 3rble( Dnat.) begründet die deutschnationalen Anheitsstrafen zwischen 10 und 30 Jahren. Bovone blieb träge auf Aufhebung der neuen preußischen Notverordnung und Beseitigung der Schladtfteuer.
Abg. Dr. Klein( soz.) erklärt, die preußischen Finanzen, auf die der preußische Staat früher stolz gewesen sei, feien jezt nicht nur auf den Hund, sondern sogar auf den Klepper gekommen.( Heiterkeit bei den Nationalsozialisten.)
Aba. Szillat( S0%.)
betont, daß die Entwicklung der preußischen Finanzen weit günftiger fet als in den Staaten, in denen die Nationalsozialisten porüber. gehend ihre Experimente vornehmen fonnten. Die Haftung ber Nationalsozialisten zur Reichsnotverorbnung fei bezeichnenderweise ganz anders als zur preußischen.
Die Sigung dauert um Mitternacht noch an.
Faschistische Schmuzkübel.
Niederträchtige Berleumdungen gegen Otto Braun . Breffegesindel vom Schlage der„ Niedersächsischen Tageszeitung", dem offiziellen nationalsozialistischen Kopfblatte Hannovers , bringt sensationell aufgemachte Meldungen unter der Ueberschrift:„ Otto Braun geflüchtet. 100 millionen und eine Krant. heit."
In dem Artikel wird behauptet, daß Braun ganz plößlich so trant geworden sei, daß er sich für einen längeren Urlaub nach Astona, alfo ins Ausland, zurückziehe und daß diese Krankheit erst dann ausgebrochen sei, als man sah, daß die 100 Millionen des Reiches zur Flickung der durch marristische Mißwirtschaft entstan denen Löcher im Staatsfädel nicht eingehen. Wir übergehen die anderen Beschimpfungen dieses Artifeis, um auf Grund von Mitteilungen von unterrichteter Sette folgendes festzustellen:
Otto Braun befindet sich nicht in Astona, sondern in Berlin . Er hat bereits im engeren Kreise wochenlang vor der Wahl erklärt, daß er nach den Landtagswahlen, gleichgültig, welchen Ausgang sie nehmen würden, sich für längere Zeit von den Dienstgeschäften beurlauben müsse, meil sein Gesundheitszustand außerordentlich geschwächt sei. Er hat sich in der Tat von den Folgen einer sehr schweren Grippe, die turze Zeit vor den Wahlen zu einem regelrechten Kollaps geführt hatten, nicht erholen fönnen und erlitt noch in den letzten Tagen der Wahlbewegung, für die er sich als Redner unter den größten förperlichen Schwierigkeiten zur Verfügung gestellt hatte, dazu noch eine sehr schmerzhafte Gallentolit. Braun wird noch einige Wochen äußerster Schonung bedürfen, ehe er so weit ist, um in einem deutschen Heilbade eine regelrechte und schwere Badefur antreten zu können. Erst nach deren Verlauf und einer etwa erforderlich werdenden Nachkur wird ärztlicherseits zu übersehen sein, wann Braun sich wieder förperlich so gekräftigt hat, daß er in dieser oder jener Form in die aktive Politik zurückkehren wird. Seine Verbundenheit mit der Politik wird er, wie wir hören, schon jezt dadurch bezeugen, daß er bas an ihn ergangene Angebot, wiederum die Spizenkandidatur in Ost preußen zu übernehmen, annehmen wird.
Mit den 100 Millionen Defizit hat die Krankheit natürlich nichts zu tun, we'l sie eben schon seit Monaten in latenter Form bestanden hat. Es ist bekannt, daß die Schwierigkeiten, in die die preußische Staatsregierung geraten ist, nicht eine Folge margistischer Mißwirt. schaft, sondern eine einfache ökonomische Folge der Rückgänge der Reichssteuerüberweisungen find. Das einzusehen, dazu reicht allerdings weder der ökonomisch- politische Verstand noch der Anstand der nationalsozialistischen Presse aus. Otto Braun wird eher in die aktive Politik zurückkehren, als es den Nationalsozialisten lieb sein wird! Dafür bürgt jedem, der ihn kennt, seine in 40jähriger Tätigkeit erprobte Treue zur Partei und sein politisches Verantwortlichkeits. gefühl.
Nationalforialist Röver Ministerpräsident in Oldenburg . Der oldenburgische Landtag wählte am heutigen Nachmittig den nationalsozialistischen Gauleiter Röver mit 26 Stimmen zum Minister präsidenten.
bis zuletzt dabei, daß er nie vorgehabt habe, ein Attentat auf Mussolini zu begehen.
Je 30 Jahre Gefängnis erhielten Zovones Geliebte, die aus Wien stammende österreichische Tänzerin Margarethe Blaha, ebenso Enza, der Booones Bomben in Genuas Straßen niederlegte, ferner die Teilnehmer der anderen Gruppe, nämlich der Anarchist Belloni, der Handelsvertreter Delfini, der Beauftragte der antifaschistischen Bropaganda in Rom , namens Melloni, und der Bantbeamte Sandri, der Explosiomaterial trans portierte. Der Kunstmaler Mazzochi und der Arzt Dr. Germani erhielten je 10 Jahre Gefängnis.
Bopone machte im Prozeß einen furchtbaren Ginbrud, weil er unverblümt geftand, daß ihm nur an dem aus Paris über mittelten Geld zur Regelung seiner finanziellen Verhältnisse ge legen gewesen sei. Seine Geliebte, die Tänzerin Blaha, sagte, daß sie, als fie spät erst von der Bombenfabrikation erfuhr, nur deshalb keine Anzeige gemacht habe, weil sie den Mann liebte. Delfini, per sich über die Untersuchungshaft beffagte, befannte fich als demokratischer Republikaner. Bon der Bombe in der Ther.
Es geht schon los.
Blutige politische Zusammenstöße.
Wanne- Eidel, 16. Juni. ( Eigenbericht.) Am Donnerstagabend gegen 6 Uhr fam es zwischen Kommu nisten, die zu einem Protest gegen die Notverordnung aufgefordert hatten, und Nationalsozialisten, die sich teilweise schon in Uniform zeigten, zu Schlägereien, bei denen ein Na tionalsozialist niedergestochen und schwer verlegt wurde. Die Schlägereien verschärften sich; es wurden auch Schüffe gewechselt, doch wurde anscheinend niemand verletzt.
In Solingen tam es in den Abendstunden des Mittwoch zu Zusammenstößen zwischen Kommunisten und Nationalsozialisten. ünf Personen wurden zum Teil schwer verlegt. Mehr mais mußte die Polizei einschreiten, um die Ruhe wiederherzustellen. Verhaftet murden fünf Personen.
Wie das Polizeipräsidium mitteilt, ist es am Donnerstagoor mittag zu größeren Ansammlungen vor dem Rathaus der Vorstadt Bieschen, und zwar im Zusammenhang mit der dort stattfindenden Auszahlung der Fürsorgeunterstüßung gekommen. Im Zusammenhang mit diesen Borgången sind neun vorläufige Festnahmen erfolgt. Auch gegen Anfammlungen vor dem Rathaus in der Borstadt Löbtau murde von der Polizei eingeschritten. Beiter hat es im Laufe des Donnerstagvormittag auch Rundgebungen auf der Rosenstraße gegeben, die zerstreut worden sind. Wie weiter mitgeteilt wird, sind in den letzten Tagen mehrfach Trupps in Lebensmittelgeschäfte eingedrungen und haben dort unter Rufen mie„ Die Fürsorge bezahlt alles! Wir müssen doch essen!" usw. Lebensmittel meggenommen.
Städtische Oper.
Giacomo Puccinis einaftige Buffo- Oper Gianni, Schicchi in einer sowohl musikalisch als auch szenisch fein durch gearbeiteten Aufführung. Vorher Igor Straminffys Ballett fuite Betrufchta". Biel Beifall, voll belegtes Haus.
F.L
mosflasche, die ihn der Anarchist Bonone tragen ließ, babe er nichts gewußt und sie, als er davon erfuhr, in den Comer See geworfen. Der Kunstmaler Mazzochi brachte nur aus Gefälligfeit für seine antifaschistischen Freunde in Paris Pakete über die Grenze. Er habe angenommen, daß sie antifaschistische Drucksachen enthalten. Der Arzt Germani erklärte sich als antifaschistischer Liberaler. Nach den Aussagen einiger dieser Angeklagten sollen pier in Paris lebende Flüchtlinge besonders belastet sein, und zipar der frühere Abgeordnete Facchetti als Anstifter, dann auch Rosselli und auch die früheren liberalen Chefredakteure Tarchia ni und Bianca.
Heute folgt der Prozeß gegen den Anfang Juni in Rom verhafteten Sbardeloto.
Der Faschist als Batermörder.
Die Gendarmerie in Andrig verhaftete ben Studierenden der Meblzin och straffer, den Sohn des om 28 April durch ein Bombenattentat in Andriß getöteten Bürgermeisters Joseph Hoch straffer. Die Gendarmerie hat festgestellt, daß der Berhaftete vor dem Attentat von Arbeitern eines Steinbruchs Sprengstoff und Sprengtapsein erhalten hat.
Wie der sozialdemokratische Arbeiterwille" hierzu berichtet, besteht der Berdacht, daß der Sohn den Anschlag auf seinen Vater perübte, weil dieser nicht dulden mollte, daß der Sohn Mitglied der Heimwehr fei.
Etwa 500 Erwerbslose zogen heute vor das hiesige Stadthaus und schichten eine Abordnung zum Oberbürgermeister. Nachdem die Abordnung den Erwerbslosen das Ergebnis ihrer Berhandlungen mitgeteilt hatten, plünderten die Demonstranten einen Fleischerladen in der Hauptverkehrsstraße von Hindenburg und einige Fleischverkaufsstände auf dem Wochenmarkt. Die Polizei nahm vier zehn Bersonen fest.
Halle, 16. Juni.
Am Donnerstagnormittag rotteten sich auf dem Marktplatz mehrere hundert Erwerbslofe zusammen, die Hungerrufe ausbrachten. Von den Demonstranten wurden mehrere Marktstände geplündert. Ein Trupp Erwerbsloser drang in ein Warenhaus ein und entwendete Burstiparen. Die Polizei griff ein und fäuberte die Straße somie den Marktplatz.
Gorgulow- Prozeß erst im Herbst.
Er selbst will jetzt Zeit gewinnen.
Der Präsidentenmörber Gorgutom, der während einer Bernehmung durch den Untersuchungsrichter verlangt hatte, so Schnell wie möglich hingerichtet zu werden, hat sich inzwischen anders besonnen. Auf den ihm zugestellten Beschluß der Anklagekammer, baß er des vorfäglichen Mordes angeklagt sei und sich vor dem Schwurgericht zu verantworten habe, hat er Berufung megen Richtigkeit des Untersuchungsverfahrens eingelegt. Die Unterſuchungsaften sind darauf dem Appellgericht übergeben worden, das in den nächsten Tagen zu dem Berufungsantrag Stellung nehmen wird. Bei Ablehnung der Berufung kann Gorgulon noch Kassation bes Beschlusses der Anklagefammer beantragen. Jedenfalls dürfte der Prozeß gegen ihn anstatt im Juli erst im Oktober stattfinden.
Der Streit von 25 000 New- Yorfer Bauarbeitern, der sieben Wochen dauerte, ist mit einem Kompromiß beendet worden. Es wurde eine Lohnfürzung um 15 Pro3. gegen ursprünglich geforderte 30 Broz, angenommen. Die neuen Tageslohnfäße betragen für Konstruktionsarbeiter 11,20 Dollar, für Maurer 13,20 Dollar und für Stuffateure 12 Dollar, also ungefähr soviel wie in Berlin die Wochenlöhne. Von dieser Lohnabmachung, die für ein Jahr gilt, merden 130 000 Mann betroffen.