Am Mittwoch wieder Landtagsfihung.
Die Wahl des preußischen Ministerpräsidenten.
Auf der Tagesordnung der nächsten Sigung des Preußischen Landtags am Mittwoch, 22. Juni, steht an erster Stelle die Beratung der nationalsozialistischen, tommunistischen und deutschnationalen Anträge auf Verabschiedung eines politischen Amne fstiegefeges.
Ferner enthält die Tagesordnung neben der endgültigen Wahl des Landtagspräsidenten und der Wahl des minister präsidenten zahlreiche Anträge der deutschnationalen und der tommunistischen Fraktion, über die eine gemeinsame Beratung stattfinden soll.
Beamtensolidarität mit dem Schrader- Berband.
Der von den Nationalsozialisten im Preußischen Landtag eingebrachte Antrag auf Auflösung des Verbandes der. preußischen Polizeibeamten, des sogenannten Schrader Verbandes, war Gegenstand von Besprechungen im Hauptausschuß des Bezirkskartells Berlin des Deutschen Beamtenbundes. Dieser Hauptausschuß, der 117000 Beamte zu vertreten hat, faßte eine Entschließung, in der er sich mit dem Protest des Schrader- Berbandes gegen den Auflösungsantrag solidarisch erklärt und hinzufügt, er erwarte, daß die Voltsvertreter die in der Verfassung gewährleisteten Rechte der Beamten wahren, und fordere aus diesem Grunde Ablehnung des nationalsozialistischen Antrages.
Preußens Durchführungsbestimmungen Bur letzten politischen Notverordnung.
Der preußische Minister des Innern hat am 16. Juni folgende erste Verordnung zur Verordnung des Reichspräsidenten gegen politische Ausschreitungen vom 14. Juni 1932 erlaffen, in der er die für das Berbot periodischer Druckschriften in Preußen zuständigen Stellen benennt:
,, Auf Grund des§ 7 Absatz 1 der Berordnung des Reichspräsidenten gegen politische Ausschreitungen vom 14. Juni 1932 wird folgendes bestimmt: Außer mir, dem Minister des Innern, als der obersten Landesbehörde, sind für Maßnahmen nach§ 7 der Verordnung die Oberpräsidenten für den Bereich ihrer Provinz, der Regierungspräsident von Sigmaringen für den Regierungsbezirt Sigmaringen und der Polizeipräsident in Berlin für den Bezirk der Stadt Berlin zuständig. Die Zuständigkeit der Oberpräsidenten, des Regierungspräsidenten in Sigmaringen und des Bolizeipräsidenten in Berlin erstreckt sich auch auf das Verbot von Kopfblättern, soweit diese im Freistaat Preußen erscheinen und die das Berbot des Stammblattes veranlassenden Ausführungen gebracht haben."
Krisenfürsorge.
Neuregelung durch Verordnung.
Die bisherige Berordnung über die Krisenfürsorge für Arbeitsfafe vom 23. Oftober 1931 mird mit dem 26. Juni außer Kraft gesetzt. An ihre Stelle tritt ein Erlaß des Reichsarbeitsministers, wonach die Abgrenzung des bisher zur Krisenfürsorge zugelassenen Personentreises beibehalten wird.
,, Krisenfürforge erhalten in Zukunft nur Arbeitslose, die hilfsbedürftig sind."
Wer die Arbeitslosenunterstüßung aus der 36- Tage Ver. ficherung abgehoben hat, wird also erst auf seine Hilfsbedürftigs feit hin geprüft, bevor er weitere Unterstügung befommt.
Ob Hilfsbedürftigkeit vorliegt, entscheidet sich nach den Bor schriften für die allgemeine Fürsorge in den Reichsgrundsägen über Borausfegung, Art und Maß der öffentlichen Fürsorge in der Faffung vom 1. August 1931 in Verbindung mit§ 15 der Reichsgrundsätze.
Die Unterstützungssäge der Arbeitslosenversicherung gelten auch für die Krisenfürsorge. Sie sind Höchstsätze. Im Rahmen dieser Säße richtet sich das Maß der Krisenunterstützung nach dem Grade der Hilfsbedürftigkeit.
Die Unterstützung darf nicht höher sein als der Betrag, den der Arbeitslose in der öffentlichen Fürsorge zu erhalten hätte. Der Arbeitslose ist an sich verpflichtet, jede Aenderung seiner wirtschaftlichen Verhältnisse ohne Aufforderung dem Arbeitsamt anzuzeigen. Unterläßt er dies, so hat er zuviel gezahlte Unterftügungsbeträge zurückzuerstatten."
Die Gesamt höchstdauer der persicherungsmäßigen Arbeitslosenunterstügung und der Krisenunterstützung beträgt nach wie Dor zusammen 58 Wochen.
Für Arbeitslose, die das 40. Lebensjahr vollendet haben, kann der Borsitzende des Arbeitsamts die Rrifenunter stügung für weitere 13 Wochen gewähren, wenn die Lage des Arbeitsmarktes dies erfordert.
Der Vorsitzende des Arbeitsamts kann die Unterstützungshöchstdauer beschränken, wenn die Lage des Arbeitsmarktes oder die örtlichen Verhältnisse dies angezeigt erscheinen laffen.
Was die Durchführung der Krisenfürsorge anfangt, fo wird die Hilfsbedürftigteit in allen Fällen von der Gemeinde oder dem Gemeindeverbande geprüft. Die Entscheidung über die Gewährung der Unterstüßung liegt nach wie vor bei dem Borsigenden des Arbeitsamtes. Soweit jedoch die Gemeinde oder der Gemeindeverband die Bedürftigkeit der neint, ist der Borsigende des Arbeitsamtes an diese Beurteilung gebunden. Ueber das Zusammenwirten der Arbeitsämter mit den Gemeinden oder den Gemeindeverbänden ergeht noch eine besondere Anordnung.
Der Erlaß tritt am 27. Juni 1932 in Kraft.
Das Attentat gegen Dr. Luther. Staatsanwalt erhebt Anklage wegen Körperverlegung. Wegen des Attentats, das am 9. April auf dem Potsdamer Bahnhof gegen den Reichsbantpräsidenten Dr. Luther rerübt worden ist, hat jetzt die Staatsanwaltschaft Berlin nach Ab schluß der Voruntersuchung Anklage gegen Dr Mag Raofen und den Kaufmann Werner Kerischer wegen gemeinschaftlicher Körperverlegung mittels einer Waffe und Bergehen gegen das Schuß waffengele erhoben.
Beide Angeklagte befinden sich in Untersuchungshaft.
Landbundführer bei Hindenburg . Der Reichspräsident empfing am Sonnabend die Präsidenten des Reichs- Landbundes, Graf von Kaldreuth, Bethge, Lind und Willikens und die Direktoren Kriegse heim und Dr. Siburg. Die Landbundführer haben bei dieser Unterredung ihre Zollpläne zur Sprache gebracht.
Der tschechoslowakische Gesandte Dr. Chvalfousty stattete dem Reichspräsidenten seinen Abschiedsbesuch ab. Der Reichspräsident bantte dem Gesandten für seine fünfjährige Arbeit und schenkte ihm fein Bild mit Autogramm im Silberrahmen.
,, Grüß' mich nicht unter den Linden."
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,, Also, Herr von Papen, es bleibt bei unseren Abmachungen: Sie geben uns die neue Uniform..."
Zustimmung Nolverordnung
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Abzüge
..... dafür wird unsere Preffe fein Wort gegen Ihre neuen Nofverordnungen, gegen die Rentenfürzungen und Steuerlasten schreiben."
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,, Auf der Straße aber werden wir nach wie vor ganz fremd fun."
Die römischen Schreckensurteile.
Parteiterror und Justiz.
Locarno , 18. Juni. ( Eigenbericht.)
Am 15. und 16. Juni hat man im jajchistischen Ausnahmegericht in Rom nicht Recht gesprochen oder Recht zu sprechen versucht, sondern eine Episode des Bürgerkrieges ausgetragen, zwischen der im Besiz des Staatsapparats befindlichen Bartel und bem feiner Entrechtung bewußten Teil des italienischen Bolles. dem seiner Entrechtung bewußten Ieu des italienischen Boltes. Der liberale Staat verteidigt sich, der faschistische greift an", hat Mussolini einmal gejagt. Einen solchen Angriff, in den äußeren Formen einer Gerichtsverhandlung, haben wir hier vor uns.
Um die Tätigkeit der Gruppe Bovone zu verstehen, muß man fich die politische Lage in Italien tarmachen: feine Breßfreiheit, kein Koalitions- und Versammlungsrecht, strengste Bestrafung jeder Kritik, auch der telephonisch in Privatgesprächen geäußerten, Berbot aller politischen Barteien außer der faschistischen, Behandlung aller faschistischen Parteifunktionäre als öffentliche Beamte, Aufhebung aller Rechtsgarantien für die Nichtmitglieder der faschistischen Partei. Unter diesen Umständen ist der Gedanke aufgetaucht, durch den Lärm der Explosionen auf die Not des Landes aufmerksam zu
machen.
In einem freien Lande hätte ein derartiger Gedanke gar nicht aufkommen dürfen,
und die Sprache der Bonbe wäre völlig unverständlich gewesen. Bovone, ein 29jähriger Mühlenbefizer aus dem Piemont, gibt zu, vier Bomben in Bologna , drei in Turin und sechs in Genua zur Explosion gebracht zu haben. Es waren Bomben mit Uhrwerk; die mur zu demonstrativen Zwecken beabsichtigte Explosion war immer auf eine Zeit verlegt, in der das betreffende Lofal leer war. Aus den beschlagnahinten Briefen geht hervor, daß Bovone unglücklich darüber war, daß ein Bachtmeister in Bologna , der einen Sprengförper untersuchte, dabei getötet wurde. Bei allen anderen Explosionen entstand, der Absicht des Täters entsprechend, nur Sachschaden. Bovone ist bereits am Morgen des 17. Juni hingerichtet worden.
Bon den beiden Mitangeklagten Bonones war Enza ein Handlanger und die Tänzerin Grete Blaha ein verliebtes Mädchen, das nach der Auffassung der Richter im Schwarzhemd seinen Geliebten hätte anzeigen müssen.
Daß sie dies unterlassen, soll die Dreiundzwanzigjährige mit dreißig Jahren Zuchthaus büßen.
Den anderen Gruppen legt man überhaupt teine Tat zur Last, nur Vorbereitungen und Absichten. Der Kunstmaler Guido Mazzocchi, ein fünfundfünfzigjähriger Republikaner , tommt mit zehn Jahren Zuchthaus davon, weil er ,, Reue" an den Tag legt, mit welchem Artikel in diesem Prozeß nicht eben reichlich aufgewartet wird. Ein in Paris lebender Republikaner hätte ihn Hasenfuß" gescholten, weshalb er sich entschloß, Sprengmaterial über die Grenze zu bringen.
Die vierte und legte Gruppe umfaßt vier Personen, von denen drei einander überhaupt nicht kennen. In dieser Gruppe könnte sich einer befinden, den die Polizei gut fennt. Im Auftrag eines Emigranten, bes Anarchisten Bibbi, will der Angeklagte Belloni, der sich Anarchist nennt, nach Italien gekommen sein, um ein Atten tat gegen Mussolini zu machen, weil man ihm in Paris die Lage in Italien als etwas Entsetzliches geschildert hatte. Die Bombe trug er in einem Thermophor bei sich. fie murde aber bei der Grenzüber schreitung aus der Schweiz beim Nahen von Grenzauffehern in den See geworfen. Belloni will dann Jtalien anders gefunden haben als es ihn geschildert worden war und hätte daher den Attentatsplan schon aufgegeben gehabt als er verhaffet murde. Delfini, der weite Angeklagte dieser Gruppe, ist Republikaner , erklärt, im Gefängnis mißhandelt worden zu sein. Er ist nach Italien gekommen, um seiner Idee zu dienen und hat mit Belloni verhandelt, mit dem
gemeinsam er die Grenze ohne Papiere überschritten hat. Er befindet sich in elendem Gesundheitszuffande eine Folge der... Verhöre! Der dritte Angeklagte, Defoni, fennt die beiden Borigen nicht, ist im Auftrag von Giustizia e Libertà nach Rom gelommen, um dort eine Geheimbruderei zu errichten, und ist von Paris aus an die Adresse Bellonis in Rom , Via del Bantaggio, gewiefen morben. Diese Adresse dürfte die Polizei eher getannt haben als Meloni. Der wird verhaftet, sobald er sich in der angewiesenen Bohmung zeigt. Das gleiche geschieht dem Doftor Germani, der nach Rom geht, um über die heimliche Ausreise von Frau Matteotti und ihrer Kinder Fühlung zu nehmen. Er sollte Meloni Geld abliefern und wird verhaftet, sobald er die ihm in Paris angegebene Wohnung betritt, mit sofortigem Erschießen bedroht und sieben Tage bei Wasser und Brot in Dunkelhaft gehalten. Hier ist also die Kette so: Belloni angeblicher Anarchist, kommt mit Geld, von dem er das Gefühl hat, es stamme vom Freimaurerorden" nach Rom mit Attentatsauftrag aus Paris . Er wird faschistisch erleuchtet und gibt das Attentat auf. zu dem übrigens die in den See geworfene Bombe auch nicht das geeignete Werkzeug war. Die Polizei wird ihrerseits erleuchtet und verhaftet ihn und alles, was nach ihm in die Wohnung tommt Delfini, Meloni und Germani. Wunder der gemeinsamen Adresse!
Germani hat mit der ganzen Sache nichts zu tun. Er hat im Ausland gelebt, weil er, ein schwerer Kriegsbeschädigter, ein tüchtiger Arzt, im eigenen Lande teine Erlaubnis zur Ausübung des ärztlichen Berufes bekam, da er politisch nicht rückgratios war. Daß er nach Rom gekommen war in der Hoffnung, Frau Matteotti ins Ausland zu bringen, interessierte das Gericht nicht; der Präsident sagte das ganz offen. Tatsachen interessieren nicht, wenn sie nicht in das Phantasiegebilde der Anklage passen. Germani fannte die Giustizia e Libertá.
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Das genügt um ihr als ein Werkzeug im Solde der Feinde Italiens " zu kenzeichnen den Mann, der als Kriegsfreiwilliger wirklich im Krieg war, nicht nur die siebzehn Tage, die Mussolini in dem ungemütlichen Schützengraben verbracht hat. Zehn Jahre Zuchthaus für Germani. Das Gericht weiß, daß er unschuldig ist. Da er aber schon 16 Monate in Untersuchungshaft figt, warum sollte man ihn freilassen?
Ueber der ganzen Verhandlung schwebte die
Angst vor der Pariser antifaschistischen Konzentration". Nun ist es zweifellos mahr: die Emigranten wollen das Regime in Italien stürzen, wie es die Mehrheit der Italiener stürzen möchte. Der Faschismus ist die Diktatur einer fleinen Minderheit. Das Bewußtsein dieser Tatsache macht ihn so ängstlich. Auf verfaffungsmäßigem Wege kann man den Faschismus nicht zu Fall bringen, weil es in Italien feine Verfassung mehr gibt. Man kann ab. warten, bis er von innen abfault, wozu gute Vorarbeit da ist; man fann verfuchen, ihn von außen zu stürzen.
„ Eine Bombe ist mehr wert als hundert Reden", hat Muffolini felbft geschrieben,
als er das Attentat im Theater in Buenos Aires verherrlichte. So faschistisch denkt feiner von der Konzentration; faschistisch, durch Ströme von Blut, will feiner das heutige Regime stürzen. Aber die Verbreitung antifaschistischer Literatur und Kundgebung antifaschistischer Gesinnung ist für die Emigration Recht und Pflicht. Eine Episode des ungleichen Rampfes waren die Verhandlungstage des 14. und 15. Juni; eine weitere, der Prozeß gegen Sbar dellotto, der wegen der Absicht eines Attentats erschossen worden ist Der Faschismus verteidigt sein Nahrungsfeld mit den Mitteln, die ihm zu Gebote stehen. Er streut seine Drachenfaat aus, eine Saat unendlichen Hasses, die aufgehen wird.