Großer Bankbetrug. Auf gefälschten Scheck 4V 000 Mark abgehoben. Bd der Bau- und Bodenbank in der Taubenslrahe 2 ist doc einigen Tagen ein rassinierter Schcckdieb stahl entdeckt worden. Bisher noch unbekannte Diebe stahlen im fiajfcn- raum einen Scheck der Bank, schrieben ihn auf 40 0 0 0 M. aus und legten ihn bei der Reichsbank oor. Erst in den Abendstunden, als die Reichsbank das Lastenkonlo der anderen Bank übersandte, wurde der Betrug entdeckt. Die Kriminalpolizei wurde so- fort benachrichtigt. Die Bank stand— wie noch erinnerlich— schon einmal im Mittelpunkt einer Kriminalaffäre. Vor einiger Zeit versuchten zwei Angestellte zusammen mit einer berüchtigten Knacker- kolonne die Tresors der Bank zu sprengen und hatten sich bereits geheime Zeichnungen von den unterirdischen An- lagen gemacht. Der große Coup, der an den Riesenbankeinbruch vom Wittenbergplaiz erinnerte, konnte in letzter Minute verhindert und die Beteiligten festgenommen werden. In den gestrigen Mittags- stunden wurde bei der Reichsbank ein Scheck der betreffenden Bank vorgelegt, der die vorschriftsmäßigen Unterschriften der bevollmächtigten Direktoren trug und über 40 000 Mark ausgestellt war. Der Kassierer am Schalter der Reichsbank ließ die Unterschriften prüfen: sie wurden nicht beanstandet und er zahlte den Betrag aus. Der Bote verschwand mit dem Gelde. In den Abendstunden wurde der Bank das Lastenkonto überwiesen. Dabei machte man dort die Entdeckung, daß ein Scheck über 40 000 Mark nicht ausgegeben und zu Unrecht abgehoben worden war. Der Scheck hatte sich in einer Kassette im Kastenraum der Bank befunden, die in erreichbarer Röhe des Kassierers stand. Die Unterschriften des Schecks sind sehr gut gefälscht und wurden auch bei der Reichs- dank für echt gehalten. Die Bank hat eine Belohnung von 1000 M. ausgesetzt. Die Nachforschungen der Kriminalpoli-ei werden mit aller Energie betrieben. Du sollst nicht falsch Zeugnis reden. Die Kampfmethoden der„Christlich-Unpokitischen." Ein evangelisches Wochenblättchen„Der Bote für die Branden- burgifche Frauenhilfe" leistet sich in feiner letzten Nummer ein Stück, das angeprangert werden muß. In einem kurzen Aufsag, „Vom Kampf gegen die christliche Schule", heißt es: „Der Berliner Schulrat Dr. Löwenstein, der bekanntlich seit vielen Jahren der Führer der Gottlosenbewegung im Lager der Schuljugend ist, erläßt soeben einen Aufruf zum Kamps gegen dje christliche Kirche und Schule anläßlich der be< vorstehenden Elternbeiratswahlen." Es ist allgemein bekannt, daß die sogenannte Gottlosenbewegung von den Kommunisten ausgeht, und ein Blick in das Reichstags- Handbuch der letzten Legislaturperiode hätte dem Verfasser genügt, um festzustellen, daß Dr. Löwenftein Sozialdemokrat ist und dieser Bewegung vollkommen fernsteht. Die Sozialdemokratie verficht, das ist erst letzthin im„Vorwärts" in einem Artikel unseres Freundes Prof. Fuchs betont worden, den Standpunkt der Toleranz gegenüber allen religiösen Bekenntnisten. Sie verlangt diesen Standpunkt allerdings auch vom Gegner für die Weltanschauung des Freidenkertums. Wiederholt ist von sozial- demokratischer Seite betont worden, daß von uns Geschmack- losigkeiten und Ungezogenheiten, die sich die kommunistische Gott- losenbewegung leistet, abgelehnt und verurteilt werden. Nur böser Wille oder fahrlästige Unkenntnis können zu einer Berwechslung der sozialdemokratischen Frcidenkerbewegung und der kommunisti - schen Gottlosenpropaganda führen. Es handelt sich für die Herausgeber des evangelischen Blättchens viel weniger um die Person des Genossen Löwenstein als darum, zu den kommenden Elternbeiratswahlen für die sogenannte christlich-unpolitische Liste gegen die Liste Schulaufbau zu werben. Dabei kommt es auf einen Verstoß gegen das achte Gebot: Du sollst nicht salsch Zeugnis reden wider deinen Nächsten! nicht an. Gerade diese Kampfesmethoden aber werden die Wähler oeranlasten, im Interesse ihrer Kinder der Liste ihre Stimme zu geben, die das Programm einer freiheitlichen und duldsamen Schule verkörpert: der L i st e S ch u l a u s b a u.
Lügenpest über Deutschland Lüge a's bewußtes Kampfmittel— Neue Hetze gegen Reichsbanner ?im«rnMNi.fc„n hin iinorfmrtpn in L n n a e l s- I verordnunasiacken frech auftretenden SA. -Leute. Da den Herren
Im Anschluß an die unerhörten Vorgänge in Langels- heim, wo Nationalsozialisten, mit Lastkraftwagen aus der ganzen Umgebung zusammengeholt, eine Versammlung der Eisernen Front zu sprengen versuchten, hatte die nationalsozialistische Presse, unter- stützt von den übrigen nationalistischen Hetzblättern, berichtet, daß der SA. -Mann Rudolf G e l b k e aus Kästorf bei Borsfelde von Reichsbannerleuten durch Hiebe mit einer Fahnenstange so schwer oerletzt wurde, daß er verstarb. Der Gau Braunschweig des Reichsbanners stellt demgegenüber fest, daß der ehemalige SA. -Mann Rudolf Gelbke nicht in Langels- heim war. Gelbke ist vielmehr auf einem Schützensest in Kästors von Nationalsozialisten, also von seinen eigenen Leuten, nieder- geschlagen worden. Die tV s Br-' hat gegen eine ganze Anzahl Nationalsozialisten, die an dem Ueierfall auf die Bersammlung der Eisernen Front in Langelsheim beteiligt waren, Strafanzeige erstattet. Obwohl so der wahre Sachverhalt der Vorgänge in Langels- heim vor aller Oesfentlichkcit klar liegt und obwohl rechtsstehend« Zeitungen wegen ihrer lügenhaften Berichterstattung bereits Bs- richtigungen des Reichsbanners veröffentlichen mußten, schreibt der „Angriff" gestern abend in großer Aufmachung von dem„Reichs- bannerüberfall in Langelsheim ", den er ein„Viehisches Blutbad roter Horden" nennt. Es wird dann weiter davon gefaselt, daß man bei den„marxistischen Mordbuben" ein Musterarsenal von Mord- Werkzeugen, darunter drei Schnelladepistolen, zwei Trommel- rcoolver, zahlreiche Rahmen Vollmunition und sogar D u m- D u m- Geschosse gefunden habe. Derartige Lügenberichte lesen sich wie die Greuelgeschichten, die im Kriege in der Welt über deutsche Soldaten verbreitet wurden. Die Lüge wird von den Nationalsozialisten als bewußtes Kampfmittel angesehen. So ist auch die neue Hetze zu ver- stehen, die das Berliner Naziblatt gegen das Reichsbanner führt. In bewundernswerter Weise haben die Kameraden des Reichs- banners in den letzten aufgeregten Tagen Disziplin ge- übt, trotz der vielen Provokationen der überall in ihren neuen Not-
verordnungsjacken frech auftretenden SA. -Leute. Da den Herren Nazis nun das so erwünschte„Material" gegen das Reichsbanner fehlt, wird weiter geschwindelt und das Reichsbanner als „wehrseindlich".„pazifistisch" und auf„Bürgerkrieg eingestellte Organisation" in der übelsten Weise beschimpft. Der Zweck der Hetze ist jedoch zu durchsichtig, als daß er Cr- folg haben könnte. Immer mehr unverschämte Lügen. Im Rahmen seines Schwindelfeldzuges schreibt der„Angriff" auch von einem Ueberfall von„Reichsjammer-Lumpen- pack" auf einen uniformierten Hakenkreuzler in Pankow , bei dem Mitglieder eines Reichsbanner-Spielmannzuges mit ihren In- strumenten auf den Nazimann eingeschlagen und ihm mehrere Ver- letzungen beigebracht hätten. Die„feigen Burschen", so heißt es in dem nationalsozialistischen Blatt,„versuchten dann den Verletzten vor ein Auto zu werfen, und nur durch die Geistesgegenwart des Chauffeurs wurde jedoch ein Unglück verhütet". Diese Meldung des Lügenblattes ist von A bis Z erfunden. Diese Hetze gegen das Reichsbanner bleibt wirkungslos: zu oft ist das Berliner Naziblatt schon bei ähnlichen Lügen ertappt worden. Wir nennen nur den Fall R e n d e r s, jenes SA.-Mannes, der behauptete, an der Pots- damer Brücke in den Kanal geworfen zu sein und später dos Ge- ständnis ablegte, selbst ins Wasser gesprungen zu sein. Oder den Fall der„durchschnittenen Kehle" des SA -Mannes F e d d e. der sich noch heute bester Gesundheit erfreut und nie von„Rotmord" über- fallen worden ist. Aehnlich war es mit dem Nazischützen N e u b e r t, der seine Freundin ansckzoß und Reichsbannerleute der Tat ver- dächtigte. Die Spitzenleistung der Verlogenheit war jedoch die Meldung von einem Ueberfall auf einen Nationalsozialisten, den politisch Andersdenkende in einem Haustor aufhängen wollten, durch dos Hinzutreten von Pastanten daran jedoch im letzten Augenblick gehindert wurden. An diese infamen Lügen reiht sich der Pantower Fall würdig an.
Voiksfrenf gegen Hifler-Barcnei Unsere nächsten Partei- und Betriebsveranstaltungen: 47. Abt Mittwoch, den 22. Juni, 20 Uhr, im großen Saal des Gewerkschaftshauses, Engelufer 24/25, öffentliche Kundgebung „Kampf um die Lebensrechte der Arbeiterklasse". Referent: Dr. Kurt Löwenstein , MdR. s 8. Kreis— Spandau. Donnerstag, den 23. Juni, 20 Uhr, in Koch's Bismarcksäle, Feldstraße 52, öffentliche Jungwählerversammlung. Referent: Max Westphal. Achtung! Berliner Osten! Eisorne-Front-Veranstaltung des Kartells fUr Arbeitersport und Körperpflege am Donnerstag, dem 23. Juni, auf dem Sportplatz Friedrichshain . Abendsportfest, verbunden mit einer Sonnenwendfeier. Aus dem Programm: Konzert des Bläserchors der FTGB., sportliche Vorführungen, Sprechchor und Rezitation von Theo Maret. Am Feuer spricht Genosse Karl Litke . MdR. Eintritt 20 Pf., Erwerbslose 10 Pf. Beginn 18 Uhr. Karten an der Abendkasse und bei allen Parteifunktionären! SPD. -Fraktlon Bezirksamt Reinickendorf . Donnerstag, 23. Juni, 19� Uhr, Im Lokal Marks, Reinickendorf-West, Berliner Str. 70. Versammlung:„Aufgaben der Betriebsfraktion". Referent: Gottlieb Reese. SPD. -Fraktion Bezirktamt Wilmersdorf. Freitag, 24. Juni, 20 Uhr, Eiserne-Front-Veranstaltung bei Kulka, Lauenburger Str. 21, Ecke Uhlandstr.„Kampf um die Lebensrechte der Arbeiterschaft." Referent; Gottlieb Reese.
Kreugers Flotte versteigert. Luxusjachten des Wirtschastsverbrechers unter dem Hammer Stockholm , 21. Juni. Die mit großer Spannung erwartete Versteigerung von Kreugers Flotte"— mehrere wertvolle Jachten und drei Flugzeuge— endete mit einem niederschmetternden Ergebnis. Ein« Motoryacht„Torise" und zwei Flugzeuge blieben gänzlich um verkauft, da die wenigen erfolgenden Gebote dem Auktionator z» niedrig erschienen. Im übrigen wurden inegelamt 28 000 Kronen er. zielt, während der Wert der zur Auktion kommenden Fahrzeuge auf weit über 300 000 Kronen geschätzt wurde. Allein das Rennboot „Svalan" hatte Kreuger 172 000 Kronen gekostet: auf der Ver- steigerung brachte es jedoch nur ganze 5000 Kronen. Aehnlich war es mit den anderen Schiffen. Ein« Jacht des Kreuaerdirektors Litwrin, die annähernd 120 000 Kronen wert sein soll, brachte 14 100 Kronen. Der äußere Rahmen der Auktion stand in geradem Gegensatz zu ihrem Ergebnis. Von überallher hatten sich Jnterestenten ein- gefunden, um der Versteigerung beizuwohnen. Zum Leidwesen der Konkursverwalter stellte sich jedoch heraus, daß es fast alles nur „Sehleute" waren, die diese Sensation nicht verfehlen wollten.
Benzinexplosion zerstört drei Hauser. Infolge einer Benzinexplosivn wurden in Bordeaux drei Häuser durch Feuer zerstört. Mehrere Personen erlitten schwere Brandwunden, einige erkrankten an Bergiftungserscheinungeu.
Mit den Rittern vom Twiel, über die ganz Konstanz lacht, hat es eine iegene Bewandtnis. Es sind gar keine Ritter, sondern Pfragner, Biktualienhändler, kleine Gewürz- krämer, Unzünftige, oie an irgendeiner Hantierung in den Gewölben hocken, Winkelschneider, Schustersknechte, Pasteten- bäcker, Nudelmacher, Tüncher, Ehgräbenpuger, Bürstener und Vertilger von Geziefer, sogenannte Wanzenknicker. Rur Hundsfänger find keine dabei. Kleine Leute sind es, die brav ihrem kleinen Brotamt dienen, die aber am gewöhnlichen Tagestrott kein Genüge finden, sondern sich zu Höherem be- rufen fühlen. Kleine Winkelpinkler und zahnlose Hündlein sind es, die hoch herheulen möchten über ihr vortreffliches Geschlecht. Knechte, die sich berauschen an der Vorstellung der Herrengeburt. Sie atmen Gottesluft, wenn ein Adliger sie mit dem Aermel streift. Die Augen gehen ihnen über, wenn sie ein schöngemaltes Ritterwappen sehen: einen halben Eselskopf, eines Schweines Keule, einen geschwänzten Stern, einen Dreiangel, einen schnappenden Wolfskiefer, ein Pfauen- auge, eine Trompete, eine Balte oder sonstwie ein Aextlein, einen goldenen Bracken, eine steifstenglige Lllie, einen Schwanenhals, eine silberne Leiter, eine Geierkralle, eine Bärenpfote, drei Felchen quer, Gezack einer Grafenkrone, Adlerflügel� oder ein geherztes Lindenblatt. Die stolze, den armen Hund oerachtende Ritterschaft und deren vornehmes Leben hat's diesen kleinen Leuten angetan. Run haben sie, um sich vor sich selber zu erheben, einen eigenen Ritterbund gegründet, kommen einmal im Monat zusammen zur Tafel' und zun: fesllichen Zutrunk und fühlen sich selig und über das gewöhnliche Erdengeschmeiß erhoben im Gebrauch und in der Rachäffunü wirklicher Ritterschaft. Turniere kennen sie zwar nicht: dafür gibt es in den Saufgesprächen hie und da ein plumpes Lanzenbrecben. Ein Totenkopf steht bei ihrem Gelage in der Mitte oes Tisches: ein Totenkopf, um den vier geweihte Kerzen brennen. Fluchen und unfeine Reden führen ist angesichts dieses gebleichten Schädels ver- boten; aber erlaubt ist, diesem Sinnbild der Vergänglichkeit in die gelben Zähne hinein jeden Humpen auf einen Zug
bis zur Nagelprobe zu leeren. Je größer Gurgel und Schluck, desto größer die Ehre der Ritterschaft. Die Frauen der Twieler werden die Burgfrauen genannt, ihre Töchter die Burgfräuelein, ihre Söhne teils Junker, tells Knappen. Kommen Gäste, so sind das nicht gewöhnliche Gäste, wie sie jede Herberge hat, Straßenwanderer, mit Läufen im Bart, sondern es find fromme Pilgrime aus heiligem Land, mögen sie gleich an der nächsten Schmierecke wohnen. Die Ritter vom Twiel halten auf feine Lebensart und auf höfisches, weltmännisches Benehmen. Da gibt es eherne Satzung und Regel. Nicht jeder darf sich niedersetzen am Tisch, wie er will, nein, so fährt nur eine Bauernfrau an den Trog. Ein Twieler Ritter aber, der weiß was sich schickt, nimmt keinen Stuhl, ohne den Zunächstsitzenden zu fragen:„Ehrenfester und getreuer Ritter, hochzupreisende Zier der Ritterschaft, ist es deinem Knecht und Steigbügelhalter erlaubt, daß er in deine Burg einreite?" Und erst, wenn daraufhin der Herr Käsehändler gnädig mit seinem Ritterkopf nickt, ist es dem nicht minder ehrenfesten, tugendsamen Anfrager gestattet, seinen nudelmacherischen Hintern auf den geschnitzten Stuhl der Ritterschaft zu setzen. Die Ritter vom Twiel leben nicht des stillen Suffs allein, nein, sie dienen auf ihre twielische Art auch den schönen Künsten und der Wissenschaft. Jeder nämlich, der in ihren Kreis will, hat, eh ihm der Ritterschlag erteilt und die wippende Feder aufs Haupt gesetzt wird, eine Antrittsrede zu halten. Das Thema ist, damit keiner der Ritter dem andern etwas voraus habe, jedesmal das gleiche. Alle Zwoundvierzig, die die Ritterschaft vom Twiel zu ihren Mitgliedern zählt, haben gesprochen über den Frag- fatz:„Inwiefern ist des Menschen Leben einem brennenden Licht zu oergleichen?" Bei Gott, ein tiefgründiger, inhalts- schwerer Satz, bei dessen Ausbeinung gar mächtiglich die Schädel rauchten! In diesen Lehrgesprächen hat den Vogel abgeschossen Huldrich Wischer, der kleine feist- und rotgesich- tige Helgenmaler und Abkonterfeier, der nachdrücklichst, mit viel Kraft der Stimme, davor warnte, besagtes menschliches Lichtstümpeli etwa gleichzeitig an beiden Enden anzuzünden. alldieweilen dies wohl eine lichtere Flamme, zugleich aber, und das sei das Betrübliche, eine viel raschere Verbrauchung nicht nur des Dochtes, sondern auch des edlen Lebenswachses ergäbe. Welcher abgegebene Lichtblitz den Rittern vom Twiel dermaßen einleuchtete, daß die Huldrichen Wischer zum Meister vom Stuhl erkiesten. Eine Wahl, die wohlgetan war: denn unter Wischers humpenfreudiger Hand nahmen die Kapitelsabende der Ritter vom Twiel einen erfreulichen Aufschwung. Auf seinen Anstoß hin tätigten die Twieler mit
der Schloßherrin von Meersburg einen Vertrag, laut welchem sie jeden ersten Freitag im Monat den großen Rittersaal im Schloß zum Umtrunk benutzen durften.(Gegen ein Pauschal von jährlich sechs Gulden, zahlbar jewellen auf Sankt Martins Abend.) Da kamen denn die Ritter vom Twiel, karnevalisch ausstaffiert, von Konstanz her in einem Schnellboot gefahren, erklommen unter Verschüttung un- herrenmäßig viel Schweißes die Steilwand, auf der der Turm Dagoberts steht, und saßen dann unter mancherlei Vermummungen und unter Führung gar seltsamlichen, hoch- adeligen, ritterschaftlichen Gesprächs in guter Ordnung bis zur Mitternachtsstunde im Rittersaal und schütteten in ihre ritterlichen Bäuche unheimliche Mengen Meersburger Weines. Den Weinftichern im Städtlein war die Gesellschaft lieb und wert; denn ihre Tränkung und Zehrung hinterließ jedesmal einen ansehnlichen Batzen Geldes. Doch den andern Meersburgern Bürgern waren die Ritter vom Twiel ein Streifen des Anstoßes: denn der Rückweg zum Schiff war gemeiniglich nächsten Tags durch eine Ausschüttung un- williger Mägen bezeichnet, die recht unritterlich die Luft ver- stank. Lei welchem Anblick die Meersburger nasenrümpfend zu sagen pflegten:„Aha. die Konstanzer Bogenkotzer sind wieder freitagen gewesenl" Auch an diesem ersten Freitagabend im Monat hatte die Ritterschaft vom Twiel treulich ihrer eigenen Narrheit und dem Bacchus gedient. Vor allem war dieser letzte Dienst der Ritter derartig nachhaltig und wirksam gewesen, daß sie unterwegs auf dem See, als sie eine Geschügkugel weit vor sich das heimkehrende Ratsboot erblickten, dies für ein Raub- schiff der Grimmensteiner Brüder vom End hielten. Nun waren zwar diese Pfragner und Krämer und Abkonterfeier in ihrem Alltag durch die Bank ganz unritterhaft, die Bor - ficht alleweil für den weitaus besseren Teil der Tapferkeit erklärten und die nur den einen Leibspruch kannten: „Brüder, wo der Feind steht, alleweil zurück!" Aber der stundenlang eingeschüttete Traminer halte ein Wunder getan und die Herzen dieser Hasen der Angst in Herzen brüllender Löwen verwandell.„Drauf und dran! Legt euch ins Zeug, ihr Ruderer!" hatten sie geschrien und mit Stöcken und den mitgeführten Armbrüsten Lärm über Lärm gemacht, halten den Bäntharz am Steuer gezwungen, stracks auf das Räuber- boot zuzuhalten, und als alles nicht schnell genug ging, nmßte Zweiweich, der Segelmeister, das große Vierecksegel setzen, trotzdem kaum eine Hampsel voll Wind ging. (Fortsetzung folgt.)