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BERLIN

Donnerstag 30. Juni 1932

Redaktion u. Expedition: Berlin S 68, Lindenstr. 8

el A7 Donhoff 292–297

Der Abend

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Spätausgabe des Vorwärts"

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Nr. 304

B 152 49. Jahrgang

Preußen verbietet nicht!

Ueber Vorwärts"-Verbot soll das Reichsgericht entscheiden

Jetzt zeige dich,

rotes Berlin !

Der Minister des Innern, Severing, hat auf das Ersuchen des Reichsministers des Innern, den ,, Vorwärts" und die Kölnische Volkszeitung" auf fünf Tage zu verbieten, am 29. Juni d. J. geant. wortet, daß er die gesetzlichen Voraussekun gen für Verbotsmaßnahmen gegen diese beiden Zei-( Zur Lustgartendemonstration am Montag) tungen nicht als gegeben erachte. Der preußische Minister des Innern hat daher gemäß§ 7 Absak 3 Sat 2 der Verordnung vom 14. Juni 1932 die Ent scheidung des Senats des Reichsgerichts angerufen.

Aus der Begründung der Stellungnahme des preußischen Ministers des Innern teilt der Amtliche Preußische Pressedienst das Folgende mit:

I. Zum geforderten Verbot des Vorwärts".

Ich vermag nicht anzuerkennen, daß durch die beanstandelen Veröffentlichungen der Herr Reichspräsident oder die Reichsregierung beschimpft oder böswillig perächtlich gemacht würden; auch sehe ich in diesen Veröffentlichungen teine Gefährdung lebenswichtiger Jntereffen des Staates durch die Be. hauptung unwahrer oder entstellter Tatsachen.

Soweit das von dem Herrn Reichsminister des Innern angeregte Berbot auf§ 6 Abjah 1 Ziffer 2 der Verordnung vom 14. Juni 1932 gestützt werden soll, muß der Tatbestand der Beschimpfung ausscheiden, weil

das Merkmal einer besonders rohen Form nicht gegeben ist. Auch bezüglich des alternativen Tat. bestandes der böswilligen Verächtlichmachung

fehlt es schon an dem objektiven Merkmal. Die Auslaffungen der Zeitung in der Sondernummer behaupten Die Auslaffungen der Zeitung in der Sondernummer behaupten nun zwar, daß zwischen der Aufhebung des Uniformverbots einer­feits und den wirtschaftlichen Laffen der Notverordnung vom 14. Juni 1932( RGBl. I S. 273) andererseits ein politischer Zusammenhang beffehe. Diese Darstellung enthält eine sehr scharfe politische kritik an den Maßnahmen der Reichs­regierung und des Herrn Reichspräsidenten und soll offenbar die Auffaffung derjenigen Kreise wiedergeben, die von den sozialen Einschränkungen in eigener Person betroffen werden und außerdem politische Gegner der NSDAP . find. Diese scharfe kritit vom Standpunkt derjenigen Staatsbürger, als deren Sprachrohr der Borwärts" als Zentralorgan der Sozialdemokratischen Partei an­zusehen ist, kann ich indes noch nicht als kundgebung ansehen, die den Herrn Reichspräsidenten und die Reichsregierung als mit einem fifflichen Matel behaftet hinstellen und sie als der Achtung der Boltsgenossen unwürdig erscheinen lassen will.

Die von dem Herrn Reichsminister des Innern für die Stübung des Berbots auf 86 2bf. 1 3iff. 4 der Verordnung vom 14. Juni 1932( RGBl. I S. 297) gegebene

Begründung vermag ich besonders aus recht­lichen Erwägungen heraus ebensowenig als durchschlagend anzuerkennen.

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Eine Gefährdung lebenswichtiger Intereffen des Staates im Sinne diefer Bestimmung könnte, sofern wie im vorliegenden Fall eine Störung der inneren Sicherheit des Staates in Frage steht, nur dann vorliegen, wenn durch die beanstandete Veröffentlichung die Gefahr ernsthafter Gewalttätigkeiten in Gestalt von Aufruhr­bewegungen oder anderer innerer Unruhen hervorgerufen würde. Zu einer weitergehenden Auslegung dieses Begriffs bieten weder die Faffung noch die Borgeschichte dieser Berordnung irgend­einen Anhalt.

Daß aber die Auslassungen in der Zeitung die Hervorrufung von Gewalttätigkeiten der vorbe. zeichneten Art besorgen ließen, vermag ich um so weniger anzuerkennen, als der auf derselben Seite in der mittleren Spalte oben abgedruckte, bestimmt ernst gemeinte Aufruf Sozialdemo­fraten! Republikaner! Bewahrt kaltes Blut!" zur Zurückhaltung und zur Unterlassung von Ge. walttätigkeiten auffordert.

Wenn wir marschieren, wenn wir marschieren, Wenn unsre Fahnen mit den Pfeilen weh'n, Wenn wir zu vieren, wenn wir zu vieren, Wenn wir zu vieren in der Reihe geh'n, Dann erschallt unser Ruf in die Rund': Freiheit! Freiheit! Freiheit!

Wir sind die Eiserne Front!

Wenn wir zusammen, wenn wir zusammen Bruder und Schwester im Kampfe steh'n, Wenn wir entflammen, wenn wir entflammen Für unsre heiligen Menschheitsideen, Dann erschallt unser Ruf in die Rund': Freiheit! Freiheit! Freiheit!

Wir sind die Eiserne Front! Vorwärts, Genossen, vorwärts, Genossen, Recket die Arme und schwöret zur Stund': Heilig. entschlossen, heilig entschlossen Steh'n wir zusammen zum Freiheitsbund. Und nun schallt unser Ruf in die Rund': Freiheit! Freiheit! Freiheit! Wir sind die Eiserne Front!

Fritz Wildung .

Meines Dafürhaltens find also, da das Verbot der Zeitung auch aus anderen Gründen nicht gerechtfertigt werden kann, die

gejehlichen Boraussetzungen für das von dem Herrn Reichsminister des Innern gewünschte Verbot nicht gegeben. Ich lege die An­gelegenheit daher gemäß§ 7 Abs. 3 Sat 2 dem Senat zur Ent­scheidung vor, mit dem Anfrage, den Erlaß des Verbots für unzu­

lässig zu erklären."

II. Zum geforderten Berbot der Kölnischen Bolkszeitung".

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des Gegners zur Hauptsache miro, wenn also an die Stelle fittlicher Beweggründe solche treten, die selber als fittenwidrig anzusehen find ( vgl. Entsch. d. Pr. DVG. vom 28. Januar 1932 in RBermBI. 1932 G. 491/32). Trog aller Schärfe der in dem beanstandeten Artikel geäußerten Kritik liegt es auf der Hand, daß die in ihm enthaltenen Angriffe rein sachlichen und nationalen Motiven, vor allem auch der Sorge um die innere Einheit des deutschen Volkes bei seinem Ringen um die äußere Befreiung entsprungen sind.

Daß das Vorhandensein einer wohlmeinenden Tendenz Böswillig. feit" auch dann ausschließt, wenn rein objektiv der Tatbestand der Berächtlichmachung vorliegen sollte, wird auch vom Reichsgericht in seiner Entscheidung vom 23. Juli 1931- XII. V. 63/31-

Universität geschlossen!

Wegen neuer Hitler Tumulte.

Heute, vormittag haben es die Hafenkreuzftudenten durch ihr freches und anmaßendes Benehmen wieder einmal fertig gebracht, daß der Reffor der Universität die Pforten der bedeutendsten deut­ schen Hochschule schließen und die Borlefungen absagen ließ, lediglich um schwere Zwischenfälle von vornherein zu verhüten.

Es ist bebauerlich, daß bei einem Ueberfall nationalsozialistischer auf republikanische Studenten in der Borhalle der Universität wieder mehrere Romilitonen erhebliche Kopfverlegungen erlitten haben, so daß ihnen Berbände angelegt werden mußten. Die gesamte stu­dentische Linte, einschließlich der Kommunisten und der Jungdeutschen, hat sich trotz der ungeheuerlichen Be reits gestern hatte die nationalsozialistische Meute einen Sturm auf schimpfungen und Angriffe geradezu mustergültig benommen. Be­die Linksstudenten geplant. Da aber die Republikaner beim Steh­fonvent in großer Zahl vertreten waren, wagte es niemand von den Hakenkreuzlern zu provozieren. Das wurde heute nachgeholt, als die sogenannten Couleurstudenten sich forporationsweise ein­ftellten. Um 11 Uhr ließen die Nazis Sprechchöre ertönen, dann

gröhlten sie das Lied: Volt, ans Gewehr". Als sich die Situation immer mehr zuspizte und

bereits tätliche Angriffe von den heute in großer Uebermacht befindlichen Naziffudenten erfolgte,

ohne auf die unerhörten Provokationen der Hafenkreuzler einzu­gehen, dürfte von der, Elite" seiner Hochschule nun endlich ein flares Bild bekommen haben.

Ich vermag nicht zu erkennen, inwiefern die Ausführungen erschien der Rektor in Begleitung des Oberpedells und versuchte durch des beanstandeten Artikels eine Beschimpfung im Sinne der gütliche Verhandlungen schlichtend einzugreifen. Die Links. studenten brachten dem Eingreifen des Rektors größtes Berständ­3iffer 2 a. a. D., das heißt eine nach Form oder Inhalt besonders nis entgegen und erklärten sich bereit, den Anweisungen verlegende rohe Aeußerung der Mißachtung gegenüber dem des Rettors zu folgen. Darob bei der nationalsozialistischen Herrn Reichskanzler enthalten sollten. Die Ueberschriften Schwere Meute Geheul und Rufe: Juden raus!" Marristen raus!" Das Mißgriffe des Herrn Reichskanzlers" und Ist Herr von Papen goß aufs neue Del ins Feuer, und es gelang dem Rektor faum, noch als Delegationsführer möglich?" stellen lediglich eine sich bei dem unerhört frechen Benehmen der Rechtsradikalen durch­Rritit an der politischen Haltung des Herrn Reichstanzlers auf zusetzen. Der Rettor der Universität, der heute wieder einmal ge. der Lausanner Konferenz dar, diese wird ergänzt durch die Aussehen hat, wie diszipliniert sich die Linksstudenten benommen haben, führung, der Herr Reichskanzler habe durch sein Garantieangebot namens aller nationalen Kräfte Deutschlands unter Anspielung auf die Verschiebung der politischen Kräfte in Deutschland eine auswärtige Macht zur Benutzung der inneren deutschen Schwierig feiten eingeladen; die am Schluß des Artikels wiedergegebene an­gebliche Meinung in deutschen Rechtskreisen ,, Dieser Kanzler ist eine Ratastrophe" soll das Urteil der Zeitung, der Herr Reichskanzler sei für die Leitung der deutschen auswärtigen Politik ungeeignet, unterstützen. Mehr als eine solche scharfe, aber doch sach liche Kritit, wie sie übrigens von Blättern der politischen Rechten noch vor ganz kurzer Zeit im Hinblick auf die Außenpolitik der Regierung des früheren Herrn Reichskanzlers in ungleich schärferer Form völlig unbeanstandet geübt werden konnte, fann meines Erachtens in diesen Ausführungen feinesfalls gesehen

merden.

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Db der Herr Reichstanzler durch die Ausführungen des Artikels in objektiver Hinsicht verächtlich gemacht worden ist, fann dahingestellt bleiben. Zur Erfüllung des Tatbestandes der Alternative der Ziffer 2 a. a. D.

fehlt es auf jeden Fall an dem erforderlichen subjek. tiben Merkmal der ,, Böswilligkeit".

Eine Rundgebung ist nur dann als eine ,, böswillige" im Sinne der genannten Bestimmung anzusehen, wenn dem Täter nicht der Kampf um die Sache, sondern der Angriff gegen die ihm verhaßte Berfon

Zum Schluß verließ die Linksstudentenschaft unter Führung des Rettors geschlossen die Universität in Richtung Unter den Linden .

anerkannt. Bei dieser Würdigung darf auch nicht an der Tatsache vorbeigegangen werden, daß die Kölnische Volkszeitung" sich stets einer sachlichen Schreibweise befleißigt, die deutsche Außenpolitik vom nationalen Standpunkt immer in loyaler Weise unterstützt und bisher noch niemals Anlaß zu behördlichem Einschreiten ge. geben hat.

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Der Tatbestand der Ziff. 4 a. a. D. könnte, da er die Behauptung oder Berbreitung unrichtiger oder entstellter Tatsachen zur wesent­lichen Borauslegung hat, nur in dem Abdruck des Inter. viems erblickt werden, das der Herr Reichskanzler nach einer Meldung des Matin" französischen Pressevertretern gemähri haben soll. Die Tatsache der Veröffentlichung im Matin", die soweit ich übersehen kann von einem sehr großen, wenn nicht dem überwiegenden Teil der deutschen Presse, und zwar auf Grund einer Mitteilung des zu amtlichen Verlautbarungen der Reichs. regierung stets benutzten Wolfffchen Telegraphenbüros gebracht worden ist, wird wohl nicht bestritten. Insofern liegt also jedenfalls feine Behauptung oder Verbreitung einer unwahren oder entstellten Tatsache vor. Ob der von bem, Matin" veröffentlichte

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