Einzelbild herunterladen
 
  

BERLIN  

Freitag 1. Juli 1932

Redaktion u. Expedition: Berlin   SW 68, Lindenstr. 8

Tel. A7 Dongoff 292-297

Der Abend

Erscheint täglich außer Sonntags Bugleich Abendausgabe des ,, Borwärts". Bezugspreis für beide Ausgaben 75 Pf. pro Woche, 3,25 M. pro Monat( davon 87 f. monatlich für Zustellung ins Haus) im voraus zahlbar. Post bezug 3,97 M. einschließlich 60 Pf. Postzeitungs- und 72 Pf. Poftbeftellgebühren.

Spalausgabe des Vorwärts"

unzeigenpreis:

Die 1splt. Milli meterzeile 30 Bf. Die Reklamezetle foftet 2 Mart. Rabatte n. Tarif.

Das rote Berlin   marschiert

10 Pf.

Nr. 306

B 153

19. Jahrgang

am Montag 18 Uhr

Sonntag: Arbeiter- Ruder- Regatta Grünau  und Volkskundgebung Weißensee

Wir werden verboten! Noch nicht sagt Herr von Gayl!

Reichsgericht erklärt das Gebot für ,, zulässig".

In der Angelegenheit des vom Reichsinnen­minister von Gahl geforderten Verbots des, Vor­wärts" hat der Vierte Strassenat des Reichsgerichts am 1. Juli unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten Dr. Bünger folgenden Beschluß gefaßt:

Das Verbot wird für zulässig er klärt. Der Senat ist der Auffassung, daß die in Frage kommenden Artikel geeignet sind, den Reichs. präsidenten und die Reichsregierung verächtlich zu machen, zudem aber auch lebenswichtige in- und außenpolitische Interessen zu gefährden. Der Senat hält zumal in der jetzigen Zeit einen wirksamen Schutz dieser Interessen für unbedingt erforderlich. Ueber die Frage eines Verbots der Kölnischen Volkszeitung" ist heute noch nicht verhandelt

worden.

Das Verbot tritt selbstverständlich erst in Kraft, nach­dem die Entscheidung dem Verlag formell zugestellt ist.

Staatsrat gegen Amnestiegesetz

Verfassungsminister Gayl für das Gesetz!

Jm Preußischen Staatsrat wurde heute mittag über das vom Landtag angenommene Amnestie gesetz abgestimmt. Das Zentrum, die Staatspartei und die Sozialdemokraten stimmten geschlossen gegen das Gesetz, die Vertreter der Volkspartei und der Deutschnationalen ftimmten nicht einheitlich.

Außerordentliches Aufsehen erregte es, daß der Reichsinnen­minister Freiherr von Gaylin namentlicher Abstimmung für das Amnestiegeseh, so wie es der Landtag beschlossen hat, stimmte, wonach selbst der Separatistenführer Dorten straffrei erklärt wurde.

Die Einspruchserhebung wurde mit 60 gegen 19 Stimmen be­schloffen. Nur die Kommunisten stimmten geschlossen gegen den Einspruch. Die von der Rechten gebildete Arbeitsgemeinschaft hatte sich gespalten.

Eine Witwe schreibt

an den Vorwärts:

die

,, Ich habe bis jekt 12,60 Mart Invaliden: geld erhalten. Bekomme nur die Hälfte der Invaliden­rente, weil ich 32 Mark Witwenrente bezog. Meine Witwenrente wurde jekt um 5 Mark gekürzt, die 12 M. Invalidenrente aber obendrein Hälfte, um 6 Mark. Das ist ja etwas ganz Ungeheuer­liches! Von den 44,60 Mark im Monat hat man mir nur noch 33,60 Mark für den ganzen Monat gelassen. Denen, die 50 Mark Rente bekommen, werden nur 5 M. abgezogen. Könnten denn die Abzüge nicht wenigstens gestaffelt werden?

Bin 65 Jahre alt, ich bin ganz verzweifelt!"

Der Abzug von 5 Mark trifft die Witwen schon schwer genug. Daß man ihnen obendrein noch die halbe Invalidenrente um den vollen Notvergrdnungssatz von 6 Mart fürzt, ist ein Standal!

Die Auswirkung der Hitler  - Notverordnung forgt dafür, den Witwen den Unterschied klar zu machen zwischen dem, Wohl= fahrtsstaat" und dem von Hitler   tolerierten neuen System der Baronsregierung.

-

-

2 Tote, 4 Schwerverletzte- SA. Waffen beschlagnahmt

Hattingen  , 1. Juli.  ( Eigenbericht.)

Bei der Rückkehr von Nationalsozialisten von einer Beerdigung in Wattenscheid   kam es am Donnerstagabend zu einer Schlägerei mit Kommunisten. Dabei entwickelte sich ein Feuergefecht, in dessen Berlauf ein Kommunist getötet wurde. Zwei Kommunisten und drei Nationalsozialisten wurden schwer verletzt. Ein schwerverletter Kommunist ist im Laufe der Nacht ge­torben. Damit erhöht sich die Zahl der Toten auf wei.

Die Nationalsozialisten, die auf Lastkraftwagen von Wattenscheid   heimkehrten, stammen aus Witten  , sagen, Gevelsberg  , ja jogar aus dem Siegerland. Eine Menge Hieb. und Schuhwaffen wurden beschlagnahmt. Fünf Personen wurden festgenommen.

Ein feiger nationalsozialistischer Mörder.

Köln  , 1. Juli.  ( Eigenbericht.) Vor einem Haus am Türmchenswall in Köln   wurde in der vergangenen Nacht von einem Motorradfahrer in eine Menschengruppe geschossen. Ein verheirateter Mann,

Vater von zwei Kindern, blieb schwer getroffen auf der Straße liegen. Er ist auf dem Transport ins Krankenhaus gestorben. Durch die Schüsse wurden noch zwei andere Männer ver­letzt. Der Motorradfahrer, der Nationalsozialist sein foll, fühlte sich durch eine Gruppe linfsorientierter Männer bedroht. Er rief: Straße frei!" und feuerte sofort vier Schüsse ab. Dann

Geschäft ist Geschäft!

Preis: Tolerierung des Herrenklub­

Kabinets

Meine S

Zustimmung

Hitler  

Wie der Handel zustande fam.

sprang er auf fein Motorrad und fuhr in schnellster Fahrt davon. Da der Täter bekannt ist, kann man mit seiner baldigen Ber­haffung rechnen.

Neue Opfer.

SA.   schießt auf Arbeiter.

Frankfurt  ( Oder), 1. Juli.  ( Eigenbericht.) Die Nationalsozialisten, die bereits in der ersten Juniwoche einen Sturm auf das Gewerkschaftshaus ausführten und dort alle Fensterscheiben zerstörten, marschierten gestern abend entgegen ausdrücklichem Verbot uniformiert und in ge­schlossenem Zuge durch die Wißmannstraße. Dort befindet sich der Häuferblock der Baugenossenschaft Dewoba, in welchem viele Mit­glieder der Eisernen Front wohnen. Als das Ueberfallkommando der Polizei gegen die Nationalsozialisten vorging, fchoffen lettere scharf und brachten dem Arbeiter Frih Balzer einen Stedschuß ins Becken bei, während der Arbeiter Bern­hard 3 wiefau unter Stahlrutenschlägen, Bauch­triften und Messerstich en bewußtlos zusammenbrach. Beide Verletzte liegen in bedenklichem Zustande im Krankenhaus. Die Polizei erklärt, daß die Schuld ausschließlich die Nationalsozialisten trifft, die trotz des mehrmals wiederholten Verbots marschiert sind.

Mordheizer Goebbels  .

Gehenft wird doch". Er will Papen verleugnen.

-

Kiel  , 1. Juli.

Der Reichspropagandachef der NSDAP.  , Dr. Joseph Goebbels  , sprach Donnerstagabend in Kiel   in der Nordostseehalle und erklärte, mit der gegenwärtigen Regierung hätten die National­sozialisten nichts zu tun. Die NSDAP  . toleriere fein Kabinett, das nicht von den Nationalsozialisten befeßt sei. Die Nazibewegung bleibe legal bis zur letzten Minute, aber: Gehenkt wird doch!"

Die Behauptung, daß die Nazis mit der Regierung Papen  nichts zu tun haben, ist als Zwecklüge entlarvf. Die Regierung Papen- Schleicher ist die von Hitler   nicht nur tolerierte, sondern ausdrücklich anerkannte Regierung der Nationalsozia­liften.

Nazis überfallen Herrenklub. Damen und Diplomaten verdroschen.

Wien  , 1. Juli.  ( Eigenbericht.

Die Wiener   Nazis sind von der Reichsführerschaft und den sonstigen Osafs noch zu weit entfernt, um bereits zu wissen, daß man zwar auf Arbeiter und Republikaner   losschlagen muß, aber vor einem feudalen Herrenklub stramm zu grüßen hat.

Es gibt da in Wien   einen feudalen Golfklub, natürlich mit englischem Namen. In der vergangenen Nacht hielten diese Herr­schaften, die auch im Hochsommer Wien   nicht verlassen können, ein Fest ab. Das klubheim ist eine der Villen in dem ehemals faiserlichen, jeht staatlichen Lainzer Tierpart, der sich meilenweit über Berg und Tal zieht. Um 23 Uhr erschienen etwa 50 neue Gäste, zwar ohne Einladung, dafür aber mit Hakenkreuzbinden, knüppeln und Totschlägern.

Rasch wurden Berandafenster und Tafelgeschirr zerfrümmert und die Stühle in ihre Bestandteile zerlegt, um die Zahl der Hieb­waffen zu vergrößern. Und schon gings über die Festteilnehmer her, denen eine entsprechend starte SA.  - Torsperre die Flucht ver­