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Beilage Freitag, 1. Juli 1932

Alice Ekert- Rothholz:

Konferenzen..

Alles im Leben hat doch mal ein Ende:

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Der Frieden hat mal ein Ende. Das Geld hat ein Ende. Bloß die Diplomaten finden kein Ende... Alles im Leben hat doch seine Grenzen. Ein Land hat seine Grenzen. Die Geduld hat ihre Grenzen. Bloß die Konferenzen die kennen keine Grenzen... Und während die Herrn das große Ganze beraten, Die Pleite, das Menü, das Ziel der Nationen Trieft die Zeitung von Tränen und Unglücstaten: 1. Das Kabinett v. Papen   entdeckt sein Herz fürs Volk. 2. Dreitausend Arbeitslose öffnen den Gashahn...

3. Die Konferenz tritt erneut zusammen.

Und die Herrn reden bis in die Morgenstunde Und haben viel Optimismus im Munde.

Alles im Leben hat doch mal Erfolg.

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Ein Bettler hat mal Erfolg. Ein Bankier hat mal Erfolg. Bloß die schönen Reden haben keinen Erfolg...

Alles im Leben tracht doch mal zusammen. Ein System kracht zusammen. Ein Mensch kracht zusammen. Bloß die grünen Tische frachen nicht zusammen...

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Und während die Herrn das große Ganze beraten,

Die Kanonen, das Menü, das Ziel der Nationen, Trieft die Zeitung von Blut und von Unglücstaten: 1. Das Personal des Modehauses M. sucht billigen Tod in der Spree  . 2. Die SA. veranstaltet dafür: Modenschau mit anschließendem Blutbad. 3. Die Konferenz tritt erneut zusammen.

Und die Herrn reden bis in die Morgenstunde Und haben schöne Leitartikel im Munde.

Was ist der Hafen bei Konferenzen?

Der Mangel an sichtbaren Konsequenzen...

Wir fehn immer bloß eine Konsequenz:

Nämlich die nächste Konferenz.

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Gehen Menschen und Länder und Welten zugrunde Immer mit der Ruhe! Immer mit der Ruhe!!! Konferenzen überleben alles um eine Stunde.

Deutsches Heldentum/

Der Abend

Spalausgabe des Vorwärks

Das Gebirge der Dummheit

Eine Parabel/ Von Kurt Schmeltzer

Das ist nun schon sehr lange her, da wurde es dem lieben Gott von Tag zu Tag klarer, daß die Krone seiner Schöpfung, die Men­fchen, ganz schrecklich dumm waren. Heute sagt man, dummer als es die Polizei erlaubt, aber Polizei gabs damals noch nicht, und darum fonnte man das auch nicht sagen. Jedoch das mit der Dumm­heit hatte seine Richtigkeit. Es hatte gleich mit der Apfelgeschichte im Paradies angefangen, nachher erschlug Kain seinen Bruder Abel  und mußte mit dem Kainszeichen herumlaufen, und dann ging das so weiter: es gab keinen Menschen, der nicht einen Haufen Dumm­heiten produzierte, und diese häßlichen Haufen lagen dann überall auf Gottes schöner Erde herum und verschandelten sie; und es war ja nun nicht so, daß solch ein Haufen Dummheit verschwand, wenn der betreffende Mensch, der ihn hingesetzt hatte, starb, sondern der blieb liegen bis in alle Ewigkeit. Und als die Menschen immer mehr wurden, konnte man faum noch treten vor lauter Dummheiten, die im Wege lagen.

,, Sie lernen auch nichts dazu", klagte der liebe Gott ,,, immer machen sie wieder denselben Blödsinn! Was fangen wir bloß damit an? Wir können diese scheußlichen Haufen doch nicht immer weiter fo herumliegen lassen?"

,, Laß sie ins Meer versenken", schlug der Teufel vor.

Aber der liebe Gott wollte nicht: die Sintflut lag ihm noch schwer in den Gliedern. Damals hatte er ja beinahe alles vernich tet, weil er die Schlechtigkeit in der Welt ausrotten wollte. Und hinterher war er erst darauf gekommen, daß alles bloß Dummheit gewesen war, und hatte sich überzeugen müssen, daß gegen Dumm­heit die Götter selbst vergebens fämpfen. Und nun war alles wie zuvor. Und das Meer würde überlaufen, wenn all diese Brocken hineingeworfen wurden, und wieder würde es Ueberschwemmung geben, die alles ertränkte. Ihm graute davor.

Ich glaube, es war ein Offizier der himmlischen Heerschar, der auf den glücklichen Gedanken kam, das Paradies durch die Dumm­heit der Menschen abzusperren, indem man sie davor aufeinander­häufte. Man sparte dadurch die Cherubimwache, und dann ergab es ja auch geradezu eine tiefere Bedeutung...

Der liebe Gott wurde ganz vergnügt bei diesem guten Vor­schlag und traf sofort seine Maßnahmen. Was einmal von früher her auf der Erde an Dummheitsbrocken herumlag, ließ er zu

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fie heldenhaft um ihr teures Leben bangten ,, aus Furcht vor dem Erschießen" in den Dienst ihrer, wie diese Presse jeden Tag schreit, allerniederträchtigsten und ruchlosesten Feinde, traten, in den Dienst der roten Mörder, wie der Verfasser sie selbst gern und frei Wahrscheinlich deckt sich solche Perfidie und Feigheit weitest­gehend mit dem Begriff der deutschen Ehre", wie gewisse

deutsche Ehre! millig bezeichnet.

Aus Hamburg   wird uns geschrieben: Ich stelle Ihnen beifolgenden Artikel zum Abbruck zur Ver­fügung, weil ich die Heuchelei chauvinistisch- nationalistischer Kreise als über die Maßen unanständig empfinde.

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Ohne irgendeiner Partei anzugehören, trieb es mich spontan einfach als Deutsche Kritik an einer geistigen Einstellung zu üben, die, wenn sie einmal die wirkliche Oberhand gewönne, eine ungeheure Verwirrung im Volte anrichten müßte, sofern sie es nicht schon getan hat, und deren Ueberhandnehmen aus unserem deutschen Volte nichts als eine scheinheilige Pharisäer gesellschaft machen müßte, aufgetafelt mit dem unechten Be­griff der Deutschen Ehre" wie sie einige Chauvinisten- Häuptlinge

verstehen.

Man fann gewiß, gerade weil man neutral eingestellt ist, an jeder Partei alles mögliche aussehen, aber schlimmer als alle klei­nen und großen Fehler ist dieses Konglomerat von Heuchelei, Scheinheiligkeit und einer mit tönenden Phrasen verbrämten Ge­sinnungslosigkeit, das die chauvinistischen Kreise aus­

zeichnet.

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Ich glaube, daß man sich in der ganzen Welt über einen be stimmten Ehrbegriff flar sein dürfte ich meine, jenen gewissen mythischen Ehrbegriff, der nichts mit einer gbeliebigen Privatehre zu tun hat, sondern der zu allen Zeiten und für alle Völker gleicher­maßen seine Bedeutung hatte.

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Das Verdienst, diesen Ehrbegriff zum erstenmal so grauenhaft und heuchlerisch verfälscht zu haben, dürfen nach beigefügten Ausführungen wohl unsere Chauvinisten für sich in Anspruch nehmen und man wird deshalb auch wohl faum umhin tönnen, ihre anderen Handlungen einmal unter diesem Aspekt zu sehen.

Ich hoffe, trog Rosenberg, daß sich aus diesem Geiſt nicht eines Tages unsere deutsche und europäische Zukunft entscheiden wird, denn das Ende müßte grauenvoll sein.

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Der Artikel der Schreiberin hat folgenden Wortlaut: Ich lese im Völkischen Beobachter" vom 16. Juni in einem Artifel, der die wertvollen Eigenschaften eines Buches und feines Verfaffers anpreist, folgendes:

Der Illustrierte Beobachter" wird in einer der nächsten Folgen das Tagebuch eines Deutschen   bringen, den das Schicksal nach Ruß land verschlug und den die Not zum Geheimagenten der GPU.   macht."

Dann weiter aus der Einleitung des Verfassers, eines gewissen Willy Melchert:

Erstens will ich mir mein Gewissen erleichtern, das mich bei der Erinnerung quält, als Geheimagent( und wenn es auch aus Furcht vor dem Erschießen war) den roten Mördern ge= dient zu haben."( Die eingeflammerten Worte find Original.) Nun ich frage mich: Was würde wohl geschehen sein, wenn die gegnerische Presse es gewagt hätte, etwa folgende Meldung zu bringen:

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,, Ein Nationalsozialist oder ein deutscher Nationalist, der mit der NSDAP  , sympathisiert, in sowjetrussischen Diensten als Be heimagent der GPU  ."

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Würde nicht die gesamte nationalistisch- chauvinistische Presse Zeter und Mordio geschrien haben? Würden nicht alle Lügen­abwehrstellen" in Tätigkeit gefeßt worden sein, weinend und Ent­rüftung heuchelnd ob solcher ungeheuren Verleumdung und Ver­Togenheit? Sicherlich würde es eidesstattliche Erklärungen en masse geregnet haben, mit gegenteiligen Versicherungen.

So aber schämt sich dieselbe Presse offensichtlich nicht, die Be­richte von irgendwelchen feigen Individuen zu bringen, die, weil

| sammentragen und als Fundament gewissermaßen rings um das Paradies aufschütten. Für die Zukunft gab er es den Menschen ein, daß sie ihre Dummheiten( natürlich ahnten sie es nicht, daß es Dummheiten sein könnten, im Gegenteil!) selbständig auf den ein­mal angefangenen Grundstock niederlegten.

Inzwischen sind die Jahrtausende dahingegangen, die Menschen haben sich vermehrt, daß es kaum zu glauben ist, aber die Dumm­heiten sind die gleichen geblieben; der Wall um das Paradies, das man jetzt nicht mehr Paradies, sondern ,, Land der goldenen Freiheit" nennt, ist ein Gebirge geworden, rauh, zerklüftet, von Nebeln um= wogt, die Spitzen mit ewigem Schnee bedeckt. Und die Menschen bauen unermüdlich weiter und türmen das Gebirge immer höher.

Die Herrschsüchtigen und die Hochmütigen stehen ganz oben auf den eisigen Gipfeln, achten weder Sturm noch Frost, und bauen sie höher; die Eiteln polieren die Gletscher, um sich darin zu spiegeln, die Habsüchtigen wälzen Blöcke heran, die Geizigen graben Schluch­ten und andere Verstecke, die Diebischen schleppen Brocken auf Brocken zu den Geröllfeldern, alle sind sie unermüdlich tätig, glauben Wunder was sie schaffen, und verbauen sich doch nur den Weg zum Land der goldenen Freiheit, in dem sie aber alle für ihr Leben gern sein möchten.

Aus Neid und Zwietracht werden Schroffen und Zacken, und die Herz- und Lieblosen ebenen weite öde Hochflächen. An einer besonders wüsten Stelle treiben Okkultisten und Spiritisten, Wahr­sager und Hellseher ihr düsteres Wesen. Was sie hinterlassen ist ein

unwegsamer, stinkender Morast. Aber die Pedanten säen allent­halben Paragraphen. Die gehen auch auf dem dürrsten Boden auf, freilich was daraus wächst sind Dornenhecken, in denen die hängen­bleiben, die den Weg ins Land der goldenen Freiheit suchen, nach dem sie die anderen Fährnisse, die die Dummheit aufgebaut hat,

überwanden.

Alle hundert Jahr soll es sich einmal ereignen, daß ein Mensch hinüberkommt. Denn es gibt einen Weg über das schlimme Gebirge, und der Auserwählte geht ihn hocherhobenen Hauptes und mit ge­schlossenen Augen.

Aber ob es ein Glück für ihn ist, weiß man auch nicht. Denn so schön das Land der goldenen Freiheit ist, so ist er doch ganz allein dort, und man sagt ja wohl, daß der Mensch vieles entbehren könne, nur den Menschen nicht.

Ich fürchte, man wird nach dem hier Angeführten dieser Zu­funft faum eine günstige Prognose stellen können.

Wenn dieses Gemisch aus Gesinnungslosigkeit, Feigheit und einem Mangel jeglicher Empfindung für ein solches schamloses Ver­halten ,, deutsche Ehre" sein soll, so müßte man sich schämen, ein Deutscher zu sein.

chauvinistische" nationalistische" Kreiſe ſie verstehen und täglich Karl Marx  : heuchlerisch und falbungsvoll propagieren.

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Man dente: der Bölkische Beobachter" vom 9. Juni geriet außer Rand und Band über das angeblich schmachvolle Ver­halten eines Zollpostens, der einige sich auf einer Sonntagsreise be­findliche belgische Soldaten in Uniform unter Zurücklassung ihrer Waffen, die Grenze passieren ließ, zum Besuch eines kleinen deut­fchen Grenzortes. Anläßlich dieser weltaufregenden Begebenheit ver­fündete diese Zeitung emphatisch:

,, An die deutsche Grenze gehören Beamte, denen gelehrt worden ist, daß ein Grenzposten lieber am Plaze stirbt, als eine fremde Uniform durch den Schlagbaum zu lassen."

Eine Lappalie wird fast zu einer Lebensfrage der Nation auf gebauscht, während man an einem zu allen Zeiten und bei allen Völkern gleichermaßen verachteten, feigen und gemeinen Ge­finnungsverrat nichts auszusehen hat, sondern ihn im Gegenteil voll und ganz versteht und bei seinen Lesern dafür um Verständnis wirbt. Man geniert sich nicht, im weiteren Teil des Artikels von grandiosen Erlebnissen" zu sprechen und wünscht, daß das Tagebuch seine Wirkung tun möge.

Kein Sowjet würde wahrscheinlich einen derartigen Gesinnungs­retten und fein Mensch, der überhaupt noch einen Funken Ehre in verrat begehen, einzig und allein, um sein armseliges Leben zu sich trägt, würde es vermutlich wagen, einen einmal begangenen Berrat dieser Art durch Breittreten vor der Deffentlichkeit und durch jene unglaubliche Entschuldigung ins Groteske zu steigern: er habe ihn aus Furcht vor dem Erschießen begangen.

Ich möchte einmal wissen, bei welchem Volke des Altertums oder der Neuzeit eine solche ,, Rechtfertigung" etwas anderes als tiefste Berachtung hervorgerufen hätte, resp. hervorrufen

würde.

Deshalb dürfte es in der ganzen Welt einzig dastehen, daß eine solche Gesinnungslosigkeit nicht nur teine entrüftete Ablehnung, sondern ganz im Gegenteil noch weitestgehendes Verständnis, öffent liche Befürwortung und wahrscheinlich auch noch angemessene Honorierung findet( wonach das schlechte Gewissen hoffentlich wieder beruhigt sein dürfte) mit dem einfachen Hinweis: den die Not ( nämlich die Feigheit und Angst vorm Erschießen) zum Geheim­agenten der GPU.   machte". Als ob so etwas die natürlichste Sache von der Welt wäre.

Und bei wem findet ein solches schamloses Verhalten diese Be­fürwortung?

Bei Menschen, deren jedes dritte Wort Ehre" ist, die an­geben, überhaupt nur noch für diesen Zentralbegriff zu kämpfen und zu leben, die einem Zöllner anraten, eher am Platz zu sterben, als eine fremde Uniform, deren Träger auf einem harmlosen Sonn­tagsausflug begriffen ist, durch den Schlagbaum zu lassen.

Ich gehöre keiner Partei an. Aber meine Vorfahren haben seit Generationen diesem Land, das unsere Heimat seit Urgedenken ist, gedient und zu Hause aufbewahrt hängen die Uniformen von vier Generationen, angefangen von den Befreiungskriegen. Der letzte Träger fiel als Kriegsfreiwilliger in Rußland  .

Ich darf also wohl die Ehre für mich in Anspruch nehmen, deutsch   zu sein, wenn ich auch nicht parteiamtlich abgestempelt bin. Als deutscher Mensch aber muß ich sagen: Ich bin erschüttert über einen solchen Grad von Gesinnungslosigkeit, Heuchelei und Feigheit, wie er in den eingangs zitierten Worten zum Ausdruc tommt. Wie sagt A. Rosenberg   in seinem Mythos des 20. Jahr­hunderts:

,, Aus der Art der Wertung des Ehrbegriffs wird sich auch unsere ganze deutsche, unsere europäische Zukunft entscheiden."

Über die Freiheit der Dresse

Kein Mensch bekämpft die Freiheit; er bekämpft höchstens die Freiheit der anderen. Jede Art der Freiheit hat daher immer existiert, nur einmal als besonderes Vorrecht, das andere Mal als allgemeines Recht.

Die Frage hat erst jetzt einen fonfequenten Sinn er­halten. Es fragt sich nicht, ob die Pressefreiheit existieren solle, denn sie existiert immer. Es fragt sich, ob die Pressefreiheit das Privilegium einzelner Menschen oder ob sie das Privilegium des menschlichen Geistes ist? Es fragt sich, ob das Unrecht der einen Seite sein soll, was das Recht der anderen ist? Es fragt sich, ob die Freiheit des Geistes" mehr Recht hat als die Frei­heiten gegen den Geist"?

Wenn man von zwei Arten der Presse sprechen will, so müssen diese Unterschiede aus dem Wesen der Presse selbst, nicht aus Rüd­sichten, die außerhalb ihrer liegen, genommen sein. Zensierte Presse oder freie Presse, eine von beiden, muß die gute oder die schlechte Presse oder die freie Presse gut oder schlecht sind, d. h. ob es dem Presse sein. Eben darüber wird ja debattiert, ob die zensierte Wesen der Presse entspricht, eine freie oder unfreie Existenz zu haben. Die schlechte Presse zur Widerlegung der freien Presse machen, ist behaupten, daß die freie Presse schlecht und die zensierte

Presse gut sei, was eben zu beweisen war.

Das Wesen der freien Presse ist das charaktervolle, vernünftige, sittliche Wesen der Freiheit. Der Charakter der zensierten Presse ist das charakterlose Unwesen der Unfreiheit, fie ist ein zivilisiertes

Ungeheuer, eine parfümierte Mißgeburt.

Wir haben gezeigt, wie das Breßgesez ein Recht und das 3enfurgesetz ein Unrecht ist. Die Zensur gesteht aber selbst, daß fie fein Selbstzweck, daß sie nichts an und für sich Gutes sei, daß fie also auf dem Prinzip beruht: Der Zwed heiligt die Mittel." Aber ein Zweck, der unheiliger Mittel bedarf, ist kein heiliger 3wed, und könnte nicht auch die Presse den Grundsatz adoptieren und pochen: Der Zweck heiligt die Mittel?"

Meint es aber die Zensur ehrlich, so will sie die Willkür verhüten und macht die Willkür zum Gesetz. Sie kann feiner Ge­fahr vorbeugen, die größer wäre als sie selbst. Die Lebensgefahr für jedes Wesen besteht darin, sich selbst zu verlieren. Die Un­freiheit ist daher die eigentliche Todesgefahr für den Menschen. Einstweilen, von den sittlichen Konsequenzen abgesehen, so bedenkt, daß ihr die Vorzüge der freien Presse nicht genießen könnt, ohne ihre Unbequemlichkeiten zu tolerieren. Ihr könnt die Rose nicht pflücken ohne ihre Dornen! Und was verliert ihr an der freien Presse?

Die freie Presse ist das überall offene Auge des Volksgeistes, das verkörperte Vertrauen eines Volkes zu sich selbst, das sprechende Band, das den einzelnen mit dem Staat und der Welt verknüpft, die inforporierte Kultur, welche die materiellen Kämpfe zu geistigen Kämpfen verklärt und ihre rohe stoffliche Gestalt idealisiert. Sie ist die rücksichtslose Beichte eines Volkes vor sich selbst, und bekanntlich ist die Kraft des Bekenntnisses erlösend. Sie ist der geistige Spiegel, in dem ein Volk sich selbst erblickt, und Selbstbeschauung ist die erste Bedingung der Weisheit. Sie ist der Staatsgeift, der sich in jede Hütte folportieren läßt, wohlfeiler als materielles Gas. Sie ist allseitig, allgegenwärtig, allwissend. Sie ist die ideale Welt, die stets aus der wirklichen quillt und, ein immer reicherer Geist, neu beseelend in sie zurückströmt.