Eine Wochenchronik des„Vorwärts".
„EinheiisfroKt!" Zur Aufklärung eines Mißverständnisses. Von Anton Erkelenz . Alle Errungenschaften eines jahrzehntelangen Kampfes um F�iheit der Arbeiter, um Demokratie stehen in ernstester Gefahr. Gefährlicher als die Junker und ihr Anhang ist die von Not und Verzweiflung aufgepeitschte nationalsozialistische Bewegung. Das sind die Sklaven, die ihre eigene Freiheit und Gleichberechtigung zerschlagen aus Blindheit, aus Wahn. Das ist die Leidenschaft der Toren! Es war geradezu ein Treppenwitz der Weltgeschichte, daß die K o m m u n i st e n im Preußischen Landtag die ersten waren, die in offener Saalschlacht die..Handschrift" des Nationalsozialismus kennenlernten. Die Kommunisten, die Feinde der Demokratie, die Anbeter der Diktatur und der Gewalt, flüchteten sich unter den Schutz der von Severing geleiteten Polizei der Demokratie!... Alle Gegner der Demokratie von links werden heulen und zähneklappern, wenn die Diktatoren von rechts einmal freies Spiel haben. Es ist kein Wunder, daß in hundert- taufenden kommunistischen Arbeiterköpfen der Gedanke ent- steht: Was wird morgen unser Schicksal sein, wenn die wütend gewordene Hitler -Armee einmal losgelassen wird? In diesem" Lager hat man sich bisher darauf ver- lasten, daß die Demokratie Meinungsfreiheit und Gleich- berechtigung gewährt und sichert. Wenn der Schutzwall der Demokratie fällt, stehen sie ungeschützt der Knute allen Feinden der Freiheit gegenüber. Sie sind die ersten Opfer, die fallen... Aus diesen einfachen Erwägungen entsteht der G e- danke derEinheitsfront in den Betrieben, auch bei nicht wenigen Intellektuellen. Schriftstellern, Dichtern, die manchmal gerne über die Demokratie sich mokieren, sie aber als Lebenselement nötig gebrauchen. Das ist eine gesunde Schockwirkung gegenüber der drohenden Lebensgefahr. Am deutlichsten fühlen das die Arbeiter in den Betrieben, gerade diejenigen, die sonst dem Einfluß der KPD . und der NGO. unterstehen. Nun hilft das Maulspitzen nichts mehr. Erst wenn man ein Recht verlieren soll, ahnt man, was es wert war. Insofern ist der Ruf nach Einheitsfront zur Sicherung der Demokratie ein Naturlaut, ein Hilfeschrei und ist deshalb stark. Es ist nicht zu erwarten, daß die Führung der KPD. � sich diesem Rufe anschließt. Sie wird den Kampf hauptsächlich gegen die Demokratie richten. Sie wird es der Sozialdemokratie überlassen, die Freiheit, vielleicht das Leben der Kommunisten zu sichern. Sie mißbraucht das heiße Ge- fühl nach der Einheitsfront zum Schutze der Menschenrechte aller, zu neuen taktischen Kniffen gegen die Sozialdemokratie. Ein verächtliches Gewerbe! Insofern muß man unterscheiden zwischen dem Ruf nach der Einheitsfront, der aus dem Herzen derjenigen kommt, die die Lebensarbeit von drei Generationen deutscher Arbeiterbewegung retten wollen, und dem anderen Ruf nach„Einheitsfront, der nur ein Stückchen ist aus dem taktischen Pokerspiel einer kammunisti- schen Parteiführung, die keine politischen Ideen hat, gehabt hat und haben wird. So haben sich auch die Unterzeichner eines verbreiteten Aufrufs die Einheitsfront gedacht, jenes Aufrufs, der mit den Worten beginnt�„Die Vernichtung aller persönlichen und politischen F�echeit Deutsche lands steht unmittelbar bevor." Niemand von ihnen will die F a ls ch s p i ele rsi und Spalterei der kommunistischen Parteileitung decken. Jeder von ihnen denkt an den großen Wall gegen die Feinde der deutschen Freiheit. Diesen zweifachen Sinn des Wortes Einheitsfront wird man herausstellen müssen. Das eine ist eine große auf- bauende Idee, das andere ist ein falsches Spiel. Das eine zeigt die weitgeöffneten Tore der Sozial- demokratie und zahllose Arbeiter, die den Weg zur Einheitsftont der Demokratie zurückfinden. Das andere be- deutet eine weitere Schwächung der Kräfte der Freiheit zu Nutzen aller Feinde des Volkes. So, und n u r s o muß man den Schrei nach Einheits- front verstehen. Und das Schicksal der Freiheit für alle steht auf des Messers Schneide!
Skandalöse Gaboiage. Hessische Poststelle verweigert Anruf des tlebersall- tommandos. Darmstadi, 2. Juli. (Eigenbericht.) In vffenhain bei Alzey in Rheinhessen wurden sieben An- gehörige des Reichsbanners, die von einer Gerichtsver- Handlung in Alzey kamen, vonNationalsozialistenüber- fallen und zum Teil schwer verletzt. Die Posthilf-stelle in Offenhain brachte es fertig, die Benutzung des Telephons zur Benachrichtigung des Ueberfallkommando» und der Behörden zu oerweigern. Siraffreiheii als Prämie. Rur SA.-Derbrecher sollen amnestiert werden. Lraunschweig. 2. Juli. (Eigenbericht.) Im Hauptausschuß des Braunschweigischon Landtags brachten heute die Nazis und die ihnen hörige bürgerliche Rechte einen ge- meinsamen„A m n e st i« a n t r a g" ,in, der noch toller al» in Preußen einseitig Straffreiheit für alle rechts- radikalen Verbrecher verlangt. Von der Amnestie sollen ausdrücklich alle diejenigen �Taten ausgenommen sein, die„aus einer Gesinnung heraus begangen sind, die die Voltsgemein- fchaft durch klassenkämpferisch« oder internationale Bestrebungen ge- fährden". Neben diesem Passus, der praktisch die Ausschließung aller links- stehenden Verurteilten und Angeklagten bedeutet, wird die Straf- sreiheit noch bei bewußter planmäßiger Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, mithin bei besonders rohen Taten mit niedriger Gesinnung oerweigert. Da die Nazis zusammen mit den bürgerlichen Parteien im Aus- fchuß die Mehrheit haben, dürfte die Annahm« dieser Amnestie» Verhöhnung gesichert sein. Ex-König Manuel von Portugal ist am Sonnabend plötzlich bei London an Atemnot gestorben. Mit 19 Iahren wurde er König nach der Ermordung feines Baters und feines Bruders bei einem Attentat, aber schon nach Jahren durch eine siegreiche Revolution entthront. Da er keine Nachkommen hinterläßt, hat die monarchistische Bewegung in Portugal nunmehr keinen Thronprätendenten.
WMWZ
wird abgeschlagen.
des Reichsgerichts
2, Juli:.. die jedoch auf bewährte Art beseitigt werden.
In den gestrigen späten Abendstunden wurden von nationalsozialistischen Haufen im Norden und Osten der Stadt auf vier KPD. -Verkehrslokale hinter- hältige Feuerüberfälle verübt. Nach den bis- her vorliegenden Meldungen hat es nicht nur Schwer» verletzte, sondern auch Tote gegeben. Zu allen Fällen fuhren die nelionalsozialisiischen Terrorbanden in Privakwagen und Motorrädern vor den kommu- nislischen Lokalen vor und seuerlen blindlings In die Gast- wirlschaflen hinein. Der erste Feuerüberfall erfolgte kurz vor Mitter- nacht in der Gottschedstraße 26. Die hakenkreuzler seuerlen au« einem Aukv etwa 10 bis 15 Schüsse ab und rasten dann ia wilder Fahrt davon. Zu dem Lokal, das starken Besuch hakte, entstand eine Panik. Zwei Frauen. Else Knecht aus der Bornsmannstraße 3 und Berta Oaberkow aus der Gottschedstraße ll erlitten schwere Bauch- und Oberschenkclschüsse. Die Schwerverlehlen wurden über die Rettungsstelle in der Badstrahe nach dem Virchow-Srankenhau« gebracht. Die weiteren Feuerüberfälle der Rotionalsozialisten ans kom- munistische verkehrslokale trugen sich ia der Oudenarder Straße 27. in der P r i n z e n a l l e e. auf dem Gesundbrunnen , in der V o ig t st r a h e im Osten Berlins , In der Rathaus- st r a ß e In Mariendors und in der R u b e n s st r a ß e 5 4 in Schöneberg zu. 3n allen Fällen benutzten die nationalsozialistischen Schützen Privatwagen oder Motorräder. Die Täter feuerten jedesmal in die Lokale und rasten dann mit Vollgas davon. Es wurden in der Hauptsache Maschinenpistolen und Repellerplstolen 08 benutzt. Bei dem Feuerüberfall in der Rubens-
Fünf Tage werden wir schweigen müssen, damit wir es nicht sagen können. Aber ihr, ihr werdet reden! Unermüdüch, unerbittlich werdet ihr es verkünden: Die Regierung Rapen-Schleicher- Ciavl ist eine Regierung von Hitiers Gnaden! Für alles, was sie tut, trägt Hitler die Verantwortung. Denn: ohne Hitler kein Rapen! Die Regierung der Barone führt Hitlers Befehle aus. Dafür toleriert Hitler diese Regierung, ihre Notverordnungen, ihre Außenpolitik, ihre Attentate auf das Volkswohl und auf die Volksrechte. Weitersagen!- während wir
schweigen müssen I m'., J■'-�15— BMHHBMBBeBB.m.WHIRilWtftH'P i-K—
28. Zum: Ein Verbot des„Vorwärts" stößt zunächst auf Hindernisse..
4. Juli: Die Antwort der Verliner Arbeiterschaft!
straße wurden vier Täter, die von Zwei Motorrädern aus. das Feuer auf dag KPD. -Lokal eröffnet hatten, von einem Patrouillen- wogen der Schupo verfolgt und gestellt. Die Bursche« wurden der Politischen Polizei über- geben. Die Unzahl der Feuerüberfälle läßt auf ein systematisches Borgehe» schließen. Die Polizei hofft durch ein scharfes Verhör der Festgenommenen herauszubekommen, wo der Plan zu der Geueralaktion gegen die kommunistischen Lokale gefaßt worden»ist und wer die Uvberfalle organisiert hat. Zu später Stunde werden die Rsmea von zwei weiteren Schwerverletzten bekannt. Bei dem Feuerüberfall ans das KPD. - Lokal von ttoch in der Oudenarder Straße 26 erlitt der Arbeiter Hermann Sostin einen Beckenschuß und der Arbeiter Thomas ans der Hcnningsdorfer Straße zwei Armschüffe. Zn der Voigtstraße jg wurden auf das Lokal von B u e f f e r von einem Motorrad mit Beiwagen etwa ein Dutzend Schüsse abgefeuert. Ein Schwer- und zwei Leicht- verletzte wurden ins Sronkenhaus gebracht, wie es heißt, ist der Schwerverletzte kurz nach feiner Einlieferung gestorben. Räch den bisher vorliegenden Zeugenaussagen sind zu den Schreckenstaten der nationalsozialistischen Mörder ein Renn- wagen mit der Kennummer 80038 und ein M o lo r r a d mit der Seuuummer 2743 benutzt worden. Ein wagen war, völlig ohne Kennzeichen und eine andere zur Tat benutzte Maschine war«in RSU-Fabrikat mit rotem Tank und schwarz abgesetzt. * Herr von Gayl, ist das noch nicht genug?
Rechisschuh bleibt gewährleistet. Aufruf der bayerischen Regierung. München , 2. Juli. (Eigenbericht.) In einem Aufruf an die Bevölkerung, mit dem die bayerische Regierung nach außen hin zunächst die zweite politische Rotverordnungsaktion der Papen -Regierung abschließen will, wird noch einmal festgestellt, daß nunmehr die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Lande aufs äußerste erschwert sei. Trotzdem werde die Regierung mit dem Einsatz der ihr zu Gebote stehenden Mittel allen Störungsversuchen mit Entschiedercheit entgegentreten. Der Aufruf schließt mit einem Appell an die politischen Parteien und Verbände, im Interesse des inneren Friedens auf den öffentlichen Straßen und Plätzen Herausforderungen Andersdenkender und Aus- schreitungen zu vermeiden und sagt zum Schluß:„Bayern wird und muß ein Rechtsstaat bleiben, in dem das Recht und der Schutz dereigenen Meinung jedem im Rahmen der allge- meinen Gesetze gewährleistet ist." Münchens Unanznoi. Wohlfahrtsausgaben machen Einsparungen illusorisch. Der Rechnungsabschluß 1931 der Stadt München , der am Donnerstag im Münchener Stadtrat behandelt wurde, schließt mit einem Fehlbetrag von 4,5 Millionen Mark ab. Der Fehlbetrag wird durch«inen in zehn Jahresraten zu tilgenden Anleiheoorschuß in gleicher Höhe gedeckt. Der Haushaltsplan 1932 schließt mit einem ungedeckten Fehlbetrag in Höhe von ruird 16 Mil- lionen Mark ab. Die Gesamteinnahmen betragen rund 201 Millio- nen Mark, die Gesamtausgaben rund 217,9 Millionen Mark. Es wurde festgestellt, daß die Arbeit der städtischen Sparkommission durch die Minderung der Steuereinnahmen sowie der Einnahmen der städtischen Werke und durch die nahezu 6 Millionen Mark be- tragende Ausgadensteigerung für Wohlfahrtszwecke illusorisch ge- worden ist, so daß ein ausgeglichener Haushalt nicht erreicht werde» konnte.