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Der Wahlkampf im Reich.

Kampfbegeisterung der sozialdemokratischen Massen.

Stuttgart , 9. Juli.

( Eigenbericht.)

Eine Kundgebung von einzigartiger Kraft war der Massen­aufmarsch, den die Eiferne Front heute nachmittag in Stutt­ gart veranstaltete.

Ein nach Zehntausenden zählender Zug, darunter viele Reichs­bannerformationen, vor allem aber auch zahlreiche Frauen und sehr viel Arbeiterjugend marschierte unter zahllosen Fahnen, Trans­parenten und Wahrzeichen der Eisernen Front durch die Straßen des dichtbevölkerten Zentrums der Stadt nach dem Marktplah. Eine große Zahl von Sympathisierenden umfäumte die Straßen und er­widerte stürmisch den Freiheitsgruß der kampfbewußt marschierenden Arbeiter.

Auf dem Marktplatz hielt Genoffe Dr. Schumacher eine auf­rüttelnde Rede, in der er mit dem Kabinett der Generale und dem braunen Terror rüdfichtslos abrechnete und unter jubelnder Be­geifferung der Maffen zum Freiheitskampf auftief. Die Zahl der Befucher der Demonstration auf dem Marktplatz betrug 25- bis 30 000 Personen. Es war eine Wahlfundgebung, wie fie Stuttgart feit Jahren nicht erlebt hatte.

Sächsische Polizei gegen Republikaner .

Chemnih, 9. Juli. ( Eigenbericht.)

In Chemnitz tam es nach einer glänzenden Wahlfund­gebung der Sozialdemokratie, in der Reichstagspräsident 2öbe mit Hitler abrechnete, zu 3 wischenfällen mit der Polizei.

Ein offenbar nationalistischer Bolizeileutnant gab miederholt den Befehl, gegen die republikanischen Demonstrationen vorzugehen. Als beispielsweise einige Arbeiter ausriefen: ,, Nazi verrede!", sagte diefer Leutnant: Erst muß Severing verreden!" und ließ rücksichtslos auf fozialdemokratische Arbeiter einschlagen. Bon der sächsischen Regierung muß erwartet werden, daß sie gegen den betreffenden Polizeioffizier sofort ein Untersuchungsverfahren einleitet und, falls fich diefer ungeheuerliche Ausspruch bestätigt, diesen Schädling aus der fächsischen Landespolizei rücksichtslos ausmerzt.

Schluß in Lausanne .

Heimreise der Zeilnehmer.

Lausanne, 9. Jull.

Die beutsche Delegation ist heute nachmittag 18.40 Uhr nach Berlin abgereift, nachdem der Reichstanzler zu Mittag noch za hl reiche ausländische Delegierte und Experten bei sich gesehen hatte.

London , 9. Juli.

Schazkanzler Neville Chamberlain ist aus Lausanne hierher zurüdgefehrt.

England bestattet die Reparation.

London , 9. Juli.

Die englische Bresse drückt mit wenigen Ausnahmen große Befriedigung über das Ergebnis von Lausanne aus. Ueber. all mirb in großen Ueberschriften gemeldet, daß die Repara. tion tot sei. Times" sagt: Der erste Teil des Kriegsschulden­problems ist gelöst. Gin Gift ist aus dem europäischen Wirt ichaftstörper entfernt morhen. Die Krantheit wird sich nicht meiter ausdehnen. Dan fann hoffen, daß nunmehr alle Kräfte für ben zufünftigen Wiederaufbau anstatt zur Beseitigung der Fehler der Bergangenheit aufgemandt werben tönnen. Der große Erfolg von Lausanne liegt darin, daß die einseitigen Zahlungen von einem Land zum anderen Land beseitigt sind. Daily Telegraph " fagt, das Kapitel des Weltkrieges jei nun abgeschloffen. Ueber die Kriegsschuld merbe die Geschichte ihr sicheres Urteil sprechen. Daily Expreß " fagt, das Lausanner Abtommen sege durch die Reparationsregelung auch die kriegsschuldklausel außer Kraft.

orningpost" meint, falls Amerita starr bleibe, dann sei der moralische und materielle Erfolg von Lausanne verloren. Daily Mail" ist überzeugt, daß Frankreich das Lausanner Abkommen ratifizieren werde, während dies von Deutschland nicht mit Sicherheit gesagt werden könne. Der sozialistische .Daily Herald" schreibt, das Ergebnis von Lausanne ent­täusche die hohen Erwartungen, die man bei Eröffnung der Kon ferenz gehabt habe. Das Abkommen schwebe vollkommen in der Luft, und falls Amerika nicht nachgebe, merde es null und nichtig. Die politische Präambel sei äußerst nichtssagend. Wenn eine folche Oberflächlichkeit beide Seiten befriedige, dann müffe man fich wundern, warum man so lange geftritten habe. Niemand könne mehr glauben, daß der vom Chauvinismus diftierte Bersailler Vertrag noch lange Jahre unrevidiert bleiben könne. Die Geschichte werde das Urteil über die Kriegsschuld fällen. Es sei ficher, daß eine große Nation wie die deutsche nicht für ewig unter dem Joch der militärischen Minderwertigkeit gehalten werden

tönne.

Geteilte Aufnahme in USA .

New York , 9. Juli. Entsprechend der freundlichen Ertlärung aus bem Washingtoner Weißen Hause begrüßen die New- Yorter Morgen­Kätter einmütig das Abkommen von Lausanne . New York Herald Tribune" überschreibt seinen Leitartikel Die große Leistung", In den Pressestimmen aus dem Landesinnern ertönt mehr oder minder vorsichtigerweise

die Befürchtung, daß Onkel Sam die Zeche werde begleichen müssen.

Herald Tribune" erklärt, die Alliierten hätten neun Zehntel ihrer Forderungen gestrichen, weil sie gewußt hätten, daß sie diese Forderungen niemals eintassieren könnten. Sie hätten etwas meggeworfen, was bereits wertlos war. Ebenso sicher sei, daß die Wirtschaftskrise die amerikanischen Forderungen an die Alliierten zum größten Teil ebenso wertlos gemacht habe. Die Streichung eines großen Teils der alltierten Schulben sei also lediglich eine Anerkennung gegebener Tatsachen.

Barlamentarier äußern sich über die Regelung von Laufanne start verbittert. Der republitanische Senator Johnson er

Der Schwindel platzt!

Das Dritte Reich treibt Steuern ein/ Rebellion der oldenburgischen Bauern gegen die Nazi- Regierung/ Der größte Heger" als Steuereintreiber

In Oldenburg ist das Dritte Reich ausgebrochen. Die Land bevölterung hat die Nazis in den Sattel gehoben. Sie erwartete vom Dritten Reich:

Niederschlagung der Steuerrädstände von 3,5 Millionen Mart. Keine Steuern mehr für die landwirtschaftliche Bevölkerung. Keine Schuldzinjen mehr.

Mit solchen Parolen und der schwarzen Fahne sind die Nazis durch Oldenburg gezogen und haben zum Steuerstreit auf. gefordert! Der jezige nationalsozialistische Ministerpräsident

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Das ist unser Gruß, hochgereckt die Faust gegen Terror und Reaktion!

Rover mar dabei voran. Auf Versammlungsplafetten ließ er sich ber größte Heger Oldenburgs" nennen.

Jetzt regieren die Nazis in Oldenburg , und was tun fie? Sie treiben Steuern ein! Herr Rover hat eine Einladung an die Wirtschaft und die Gemeindevertreter zu einer Bersammlung am 8. Juli in Oldenburg erlassen. In dieser öffentlichen Einladung heißt es:

Die Ueberzeugung muß allgemein werden, daß von jedem Opfer gebracht werden müssen und jeder einzelne mit dafür verantwortlich ist, daß das Land und die mit ihm verbun­denen polififchen, wirtschaftlichen und fulturellen Güter erhalten bleiben. Bereits in der im Landtage abgegebenen Regierungs­erklärung hat die Staatsregierung in Aussicht gestellt, sich an das Bolt zu wenden, in großen Umrissen ihre Ziele und Pläne dar­zulegen, Anregungen allgemeiner Art entgegenzunehmen und die Bevölkerung aufzurufen zu einer pflichtgemäßen Opferbereitschaft zur Reffung ihres Landes und ihrer

Gemeinden.

Bei aller Anerkennung der großen Notlage vou Landwirtschaft, Handel und Gewerbe muß doch gesagt werden, daß die Wirtschaft es vielfach an der durch die Lage gebotenen Opfer bereit. schaft hat fehlen lassen und zum Teil da burch namentlich in vielen Gemeinden unerträgliche finanzielle Mißstände hervorgerufen sind. Um zunächst in dieser Richtung die Fühlung mit den führen­den Kreisen der Wirtschaft und den Bertretern der Gemeinden herzustellen, hat das Staatsministerium es für richtig befunden, Sie hiermit zu einer Bersammlung am Freitag, dem 8. Juli d. 3., 15.45 Uhr, in der Union zu Oldenburg einzuladen.

Die Vorstände und Vorsitzenden werden gebeten, besonders intereffierte Mitglieder ihrer Körperschaften oder Organisationen zur Versammlung mitzubringen.

In der Versammlung werden die Staatsminiffer das Wort ergreifen. Eine Debatte ist nicht vorgesehen."

Schon in der Regierungserklärung im Landtag hat die Nazi­regierung angedeutet, daß sie die Steuerscheu der Land. wirte brechen werde! Aus den Steuerstreithegern sind rasch Steuereintreiber geworden!

Die betrogenen Landwirte sind in offener Rebellion gegen die Naziregierung. Der Landvoltabgeordnete Meyer erklärt in der Weser Zeitung", daß das Landvolk gegen die Naziregierung scharfe Oppositionsstellung einnehmen wird. Er kommt zum Schluß:

,, daß die neue Regierung bereits im alten Fahrwasser gelandet ist und gar nicht mehr an eine Menderung des ,, Systems" bentt. Die Regierungserklärung stellt den Steuerzahlern in teiner Weise eine Erleichte. rung, im Gegenteil eine Belastung in Aussicht und beweist, daß die Nationalsozialisten ballständig berjagen werden.

Die Dlbenburger Nazis haben die Oldenburger Bauern regel Das ist unser Symbol, die 3 Freiheits- zegt betrogen! Die Bauern find auf ben Beim ihrer gewiſſen. pfeilel lofen und unsinnigen Bersprechungen gefrochen, und jest plagt ber Swinbel!

Jede Genossin trägt unser Abzeichenl

Jede Genossin grüßt mit unserem Freiheitsgrußl

flärte, bezüglich der Schulbenstreichung sei ber tongreß nicht so leicht zu betören, wie bei der Annahme des Moratoriums. Der Führer der demokratischen Mehrheit des Repräsentantenhauses Rainey bezeichnete das Abkommen von Lausanne als nieber schmetternd; Bräsident Hopper habé burch die Bewilligung des Moratoriums die Berfassung verlegt und 10 Milliarden Dollar aus der Hand gegeben, die die amerikanischen Steuerzahler jetzt be­zahlen müßten.

Scharfe Kritif aus dem Zentrum. Gegen die Rettung Papens in Lausanne .

"

Die Germania " schreibt zum Lausanner Bertrag und zu den Methoden der nationalfonzentrierten Regierung der Barone:

,, Drei Milliarden laften weiter auf dem deutschen Bolte; zwar unter dem Namen eines Wiederaufbaufonds für Europa , aber doch eben als deutsche Zukunftsbelastung, über deren Auswirkungen im Augenblic ein Urteil noch nicht erlaubt ist. Die endgültige und restlose Streichung der Reparationen, die Brüning anstrebte und vorbereitet hatte, ist nicht erreicht worden. Gegenüber den Bagatellifierungsversuchen, die wahrscheinlich sogleich einsetzen werden, möchten wir bereits jetzt feststellen, daß uns diese Lösung feinesfalls gefällt.

3weifellos wäre bei den schweren tattischen und politischen Fehlern der deutschen Delegation der Lausanner Reparationstampf noch viel ungünstiger ausgefallen, hätte nicht die weitsichtige und ersprießliche Vorbereitungsarbeit Brünings vorgelegen, der die Kon­ferenz, lange ehe sie begann, bereits psychologisch gewonnen hatte.

Das Lausanner Dokument liegt vor. und es wird Sache der zu­ständigen Instanzen sein, eine gewissenhafte und kritische Prüfung vorzunehmen. Sie wird sich nach unserer lleberzeugung nicht davon beeinflussen lassen, wer diesen Vertrag für Deutschland unterschreibt,| fondern in welchem Bunft und in welchem Umfange es von den Prinzipien der wirtschaftlichen Vernunft abweicht, die Brüning vorgezeichnet hatte.

Der deutschen Delegation aber darf in dieser Stunde nicht ver­schwiegen werden, daß es eine starte Zumutung war, nationale Disziplin während dieser Konferenz zu fordern, nachdem der deutsche Reichskanzler selbst vor dem Feind" einen wertvollen Be­tandteil des deutschen Boltes als für feine unterschrift belanglos bezeichnet hatte. Wenn es die

Bringt das Freiheitsopfer!

Bas sich im Reich mit der hitler Rotoerordnung im großen abspielt, wiederholt sich in Oldenburg im Meinen!

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| Regierung für richtig hielt, die außenpolitische Berichterstattung aus Causanne durch Zeitungsverbote zu zenfieren, so dürfen wir nach dem Kampf mit aller Schärfe befonen, daß es die Regie­rung gewesen ist, welche der einen Hälfte des deut­schen Boltes in den Rüden fiel, als fie fich mit ihrer Unterschrift auf einzelne Parteien bezog, und diesen Parteien zu­liebe den aussichtslosen Kampf um die politischen klauseln des Bersailler Vertrages begann."

Ein Nazi ohne Maste.

Gebt die Antwort am 31. Juli!

Nürnberg , 9. Juli. ( Eigenbericht.) In Auerbach in der Oberpfalz erflärte ein wohlbestallter Gemeindebeamter, der Mitglied der Hitler - Partei ist, den Erwerbs. losen und Rentnern folgendes:

,, Die Unterstützungen zahl ich aus, solang ich will. Wenn ich nimmer will, dann bekommt ihr einen Dred! Was ihr bekommt, ist alles noch zu viel. Wartet nur bis zum 1. August, dann ziehen wir mit 80 Prozent in den Reichstag und machen Schluß mit euch!"

Auf dieses zynische Bekenntnis des Nazifunktionärs fann es nur eine Antwort geben: Arbeitsloje, Rentenempfänger und Unter­ffüßungsbezieher wählen am 31. Juli: Cifte 1 Sozialdemokraten.

Schüffe in Frankfurt .

Ein Kommunist getötet.

Frankfurt a. M., 9. Juli.

Im Vorort Nied fam es gestern abend zu schweren Unruhen, wobei auch die Polizei von der Schußwaffe Gebrauch machte. Kom­munisten hatten an der Nidda - Brücke eine Art Barrikade errichtet, durch die der ganze Berkehr ins Stocken geriet. Die Polizei mußte eingreifen, und da sie mit Steinen bemorfen und auch beschossen wurde, schoß sie ebenfalls scharf. Eine ganze Anzahl von Kom munisten wurde durch Schüsse derlegt.

Beim Eindringen in eine Wirtschaft fand die Polizei eine große Anzahl Hieb- und Stichwaffen, und auch murffertig zurechtgelegte Steine. Ein Kommunist, der einen Schuß auf einen Polizeibeamten abgab, wurde von diesem niedergeschoffen.

Marken für 0.15, 0.50, 1.-, 5.- und 10.- M. sind in den Abiellungen und im Bezirkssekretariat ( Kasse), SW. 68, Lindenstraße 3, 2. Hof, 2 Treppen zu haben. Postscheckkonto 141 57( Adolf Holz)