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BERLIN  Montag 11. Juli

1932

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Nr. 322

B 156

19. Jahrgang

Bürgerkrieg in Permanenz

Straßenschlachten in Schlesien   und Holstein- Braunjacken morden im ganzen Land- Zahlreiche Todesopfer

Breslau  , 11. Juli.  ( Eigenbericht.) Die brutalen Ankündigungen des Feme mörders Heines, des Führers der schlesischen Haken­freuzler, sind Wirklichkeit geworden. In Schlesien  herrscht Bürgerkrieg. Die furchtbaren Vorgänge, die sich am Sonntag in verschiedenen Orten Schlesiens abgespielt haben und die mehrere Todesopfer bzw. Schwer oder Leichtverlette forderten, können faum noch eine Steigerung erfahren.

Am Sonntagnachmittag gegen 18 Uhr veranstaltete die Eiserne Front in dem Städtchen Kanth  , Kreis Neu­ markt  , zum Protest gegen den gemeinen Feuerüber. fall, den die Nazis am vorigen Sonntag bei Rackschütz auf Breslauer Jugendgenossen verübten, einen Umzug, an dem rund 1000 Reichsbannerleute und Parteigenossen, meistens auf Rädern, aus dem Landkreis Breslau teil­

nahmen.

Als der Demonstrationszug in die engen Gassen der Stadt einmarschierte, fielen plötzlich Schüsse.

Die Nazis eröffneten mit Revolvern ein regel: rechtes Schnellfeuer aus Fenstern und Türen. Drei Reichsbannerleute aus Kleppendorf, Kreis Breslau  , die an der Spitze des Zuges fuhren, fanfen getroffen vom Rade, eine 70jährige Frau, die ahnungslos des Weges fam, brach mit einem

Armschuß zusammen.

Da die Nazis das Feuer nicht einstellten, setzte sich die Schufo zur Wehr und drang, da ein Ausweg vor- oder rückwärts nicht möglich war, in die Häuser ein, in denen sich die Nazis versteckt hatten. Es kam zu einer regel rechten Straßenschlacht, in deren Verlauf es auf beiden Seiten erhebliche Verluste gab.

Bei der Eisernen Front wurden insgesamt sieben Leute verletzt, darunter drei schwer. Alle drei mußten sofort ins Krankenhaus übergeführt und unter Hinzu­ziehung von Breslauer Aerzten operiert werden. Bei den Nazis trugen vier SA.- Leute mehr oder minder ernsthafte Verlegungen davon. An der Säuberung der Häuser, aus denen geschossen worden war, beteiligten sich bemerkenswerterweise auch zahlreiche Bürger aus Kanth  .

Nach Auflösung der kämpfenden Trupps durch die Polizei setzte sich der Demonstrationszug nach dem be­nachbarten Rackschütz in Bewegung. Dort stieß der Um­zug der Eisernen Front auf etwa 100 Nazis, die sich im Schloßpark die Zeit mit Schießübungen vertrieben. Da hinreichend Polizei zur Stelle war, erfolgten keine weiteren Tätlichkeiten.

Eine scheußliche Bluttat verübte am Sonnabendabend auch ein Trupp Beuthe ner SA., der von einem Razitreffen auf Lastkraftwagen nach Hause zurückkehrte, in Biskupin, einem Stadtteil von Hindenburg  . Das Nazigesindel schoß von den Autos herab blind ins Gelände. Mehrere Schüsse fielen in eine Gruppe spielender Kinder. 3wei 14jährige Jungen erhielten schwere Bauch schüsse. Beide schweben in Lebensgefahr. Die Polizei entwaffnete die Schießhelden bald nach ihrer ver­brecherischen Tat. Zahlreiche Pistolen, Patronen, Gummi­fnüppel und andere Schlagwerkzeuge fielen den Beamten in die Hände.

Das furchtbarste Ereignis des Sonntag in Schle sien hat sich

in der Kreisstadt Ohlau  abgespielt. Wie die Chlauer Polizeiverwaltung am Montagmorgen vorläufig mitteilt, sind bei diesen Zusammenstößen

In dieser Woche

liegen überall im Lande und in Berlin   die Wählerlisten zur Reichs­tagswahl aus. Es ist Pflicht jedes einzelnen, sich durch eigene Prü­fung davon zu überzeugen, daß sein Name in der Liste steht. Auch wer schon längere Zeit dieselbe Wohnung innehat und bisher immer in der Wählerliste stand, läuft Gefahr, sein Wahlrecht zu ver­lieren, wenn infolge einer unkontrollierbaren Fahrlässigkeit bei der Neuaufstellung der Listen sein Name vergessen ist. Deshalb heißt es in dieser Woche bis inkl. Sonntag, dem 17. Juli:

Wählerlisten einsehen!

drei Personen getötet und insgesamt 30 Personen, darunter zwei Frauen, zum Teil erheblich verletzt werden. Der Schauplatz der Unruhen war der Ring, der Schloßzplatz, der Steindamm und mehrere andere Straßen Chlaus. Die Nazis, die sich auf dem Nachhausewege von einem SA.- Treffen in Brieg   nach Breslau   befanden,

fielen zu Hunderten über einige Reichsbanner­leute her, stürmten die Wohnungen bekannter Sozialdemokraten und Reichsbaunerführer und mishandelten ihre Opfer aufs viehischste.

Die Hakenkreuzler drangen u. a. auch in das Sekre tariat des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes  ein und zerschlugen dort das gesamte Mo. biliar. Gewerkschaftssekretär Manche erhielt einen tiefen Messerstich in den Rücken und mußte ins Krankenhaus gebracht werden. Die Nazis terrorisierten die Stadt, schossen und stachen in den Straßen blindwütend um sich, durchsuchten Passanten nach Waffen und schlugen Dukende von Menschen ohne jeden Anlaß nieder. Die Ortspolizei versagte völlig. Auch die Landjägerei des Kreises Ohlau   und ein Bres lauer Ueberfallkommando war gegenüber diesem Treiben der entfesselten Nazibestien vollkommen machtlo 3. Schließlich rückte die in Ohlau   stehende

erste Eskadron des 11. Reiterregiments an und räumte unter rücksichtslosem Gebrauch ihres

Karabiners und Revolvers die Straßen.

Um Mitternacht war die Nuhe wiederhergestellt. Weitere Einzelheiten über die Vorfälle in Ohlau   stehen noch aus. Die polizeilichen Ermittlungen sind noch nicht abge­schlossen. Die Namen der Toten sind ebenfalls noch nicht bekannt.

an dem Lokal vorüberfuhren, fammelten sich die Nationalsozialisten im Garten und stürmten dann mit dem Ruf: SA. raus!" auf die Schlußgruppe der Reichsbannerkolonne, die auf diese Weise ab­geriegelt wurde. Sofort fielen mehrere Schüsse. Ferner wurde mit Biergläsern, Totschlägern und Gummifnüppeln auf die Reichsbanner­leute eingeschlagen. Der Reichsbannerführer Feuerherdt lag als erster in seinem Blute. Die Polizeibesatzung des Ortes war zu schwach, um wirksam einzugreifen. Als das Ueberfallkommando er­schien, konnte es nur noch die Verletzten bergen.

Kennzeichnend für das Borgehen der Hitler  - Bestien ist die Taf­fache, daß fie fich einer Anzahl Fahrräder bemäch. figte, die die Reichsbannerleute zurücklassen mußten. Die Fahr­räder wurden von der Menge in den Garten des Lokals geschleppt und dort völlig demoliert. Insgesamt wurden Räder von 13 Reichsbannerleuten zerschlagen!

Als in den Mittagsstunden des Sonntag die Nachricht von dem Tode des Reichsbannerführers Feuerherdt in der Stadt bekannt wurde, bemächtigte fich der Bevölkerung eine ungeheure Er­regung. Es tam an mehreren Stellen der Stadt zu Zusammen­ffößen. Ein Reichsbannermann wurde von einem Nationalsozialisten in den Arm geschossen.

Der getötete 35jährige Reichsbannerführer Feuerherdt war als Ingenieur bei den Junters- Werken tätig. Er hinterläßt eine Frau und zwei schulpflichtige Kinder.

SA.- Schlächter.

Reichsbannermann mit Fleischerbeil niedergeschlagen.

Halle, 11. Juli.  ( Eigenbericht.)

Am Sonntag fand in Halle eine gewaltige Kund­gebung der Eisenbahner Mitteldeutschlands   mit an­schließendem Demonstrationszug staff. Um 19 Uhr verübten Nazis in der Großen Wallstraße eine furchtbare Bluttat. Der Reichs­bannermann Zahn hatte sich in seiner Wohnung umgezogen, um wieder zum Volkspark zu gehen. Beim Berlaffen des Hauses wurde Zahn von im Hause wohnenden SA.- Leuten in den Hausflur zurückgerissen und mit einem Schlächterbeil und einem Totschläger verletzt. Das halbe Gesicht wurde ihm gespalten, Arm- und Beinschnitte wurden ihm beigebracht. Die Täter, zwei SA.- Leute, wurden unmittelbar nach der Taf verhaftet. Der Verletzte liegt im Krankenhaus.

Weitere Bluttaten.

Kiel  , 11. Juli.  ( Eigenbericht.) Am Sonntagnachmittag überfielen mehrere Trupps Natio­nalsozialisten das Gewerkschaftshaus in Eckernförde  , wo die Landarbeiter eine Kreiskonferenz abhielten. 3 weijunge Land­arbeiter wurden durch Messerstiche so schwer ver­

Mordterror im Nazi- Lande. test, daß einer fofort ſtarb, der andere wurde mit

Dessau  , 11. Juli.  ( Eigenbericht.) Nationalsozialistischer Mordterror hat in der Nacht zum Sonntag in Dessau   zu schweren Blut opfern geführt. Bei einem nationalsozialistischen Ueberfall auf Reichsbannerleute wurde der Hundertschaftsführer Feuerherdt des Dessauer   Reichsbanners durch einen Kopfschuß so schwer verlett, daß er am Sonntagmittag im Krankenhaus st a r b. Außerdem wurden sieben Per­sonen, davon 5 Reichsbannerleute, mit teils schweren Verlegungen in das Krankenhaus eingeliefert. Bei zwei Personen konnte bisher keine Parteizugehörig feit festgestellt werden.

Zu dem Ueberfall kam es in der Mitternachtsffunde zum Sonn­fag. Eine Gruppe Reichsbannerleute, die an dem mitfeldeutschen Treffen der republikanischen Studenten in Zerbst   teilgenommen hatte, befand sich mit Fahrrädern auf dem Heimwege und paffierte den Borort Ziebigt. In diesem Vorort veranstalteten die National­fozialisten in einem Cofal ein Konzert. Als die Reichsbannerleute

schweren Lungenffichen in ein Krankenhaus eingeliefert. Die Hitler­Horden demolierten die Einrichtung des Gewerk­reichen dort untergebrachten Räder der Landarbeiter oder die schaftshauses vollständig. Weder das klavier noch die zahl­Fensterscheiben des Hauses blieben verschont.

Die Nationalsozialisten hatten ebenfalls ein Opfer zu verzeichnen. freunden angeschossen worden.

Dieser Mann war jedoch von feinen eigenen Partei.

Die politischen Zusammenstöße vor dem Gewerk. schaftshaus in Eckernförde   haben ein zweites Todes. opfer gefordert. Ein bei der Schlägerei schwerver. legter Delegierter des Landarbeiterver­bandes und Mitglied des Reichsbanners ist seinen Verwundungen erlegen.

Es unterliegt feinem Zweifel, daß das Vorgehen der G. in den letzten Tagen systematische Vorbereitungen für den Ausbruch des Bürgerkrieges gewesen sind. Nicht nur in Eckernförde   mußten Arbeiter den Terror der braunen Mord pest mit ihrem Leben büßen, sondern auch in der engen Umgebung Riels ereigneten sich zwischenfälle, die auf eine plan. mäßige Organisation des Naziterrors schließen laffen. In Clausdorf überfielen 300 Nazis unter dem Ruf: