Beilage
fontag, 11. Juli 1932
Explosion auf Spreedampfer
Fünf Personen getötet, zehn schwerverlett
Weitere Personen im Westendfranfenhaus schweben noch in
Die Untersuchungsfommission
Die Kesselexplosion, die sich in den frühen Morgenstunden des Sonntag auf dem Vergnügungsdampfer höchster Lebensgefahr. ,, Sperber" kurz vor seiner Abfahrt in Charlotten burg zutrug, hat bis jetzt insgesamt fünf Todes. opfer gefordert. Einige der Schwerverletten schweben noch in Lebensgefahr.
Der Dampfer Sperber" gehört der Reederei Roloff und follte gegen 9 Uhr nach Ferch abfahren. Aus bisher noch unge flärter Ursache explodierte der Kessel im Heizraum. Der 27 Jahre alte Heizer Ernst Schulz wurde so schwer verlegt, daß er im Krankenhaus verstarb. Er hatte fürchterliche Verbrennungswunden erlitten. 23 Personen wurden durch den ausströmenden Dampf schwer verlegt und ins Westendkrankenhaus in Charlottenburg gebracht. Dadurch, daß die Passagiere des Dampfers den Umfang des Unglücks nicht sofort erkannten und durch das Personal sowie einige beherzte Männer langsam vom Schiff gebracht wurden, fonnte eine Panik verhindert werden."
Die Katastrophe an der Anlegestelle. Der Dampfer lag an der Anlegestelle. Der Sperber" faßt insgesamt 280 Personen und wurde 1899 erbaut. Er wird mit Kohle gefeuert und war erst im Winter auf einer Spandauer Werft
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ist am Montag früh um 9 Uhr am Dampfer erschienen, um igre Feststellungen zu treffen. Anwesend sind von der Staatsanwaltschaft Vertreter. Vom Polizeiamt Charlottenburg der Leiter und der Kommissar des 2. Bezirkes. Ingenieure und Technifer von dem Dampffejjel- llebermachungs- Verein, Vertreter der Wasserpolizei und des Gewerbeaufsichtsamtes.
Der Dampfer Sperber" hat ein Alter von 33 Jahren. Für Spreedampfer ist dies fein hohes Alter. Es verkehren Dampfer, die 40 und 45 Jahre alt sind, und deren Anlagen sich tadellos be= währt haben. Bei dem Dampfer ,, Sperber" ist die Maschinenanlage holländischen Ursprungs und hat schon verschiedentlich Mängel gezeigt. Aus diesem Grunde ist der Dampfer auch vergangenen Winter vollkommen überholt worden. Die Prüfung der Reffelanlagen hatten feine Fehler ergeben. Trotzdem hat es den Anschein, als ob Materialfehler mit unsachgemäßer Behandlung Hand in Hand gegangen sind. Es wird ver mutet, daß der Kessel überheizt war, während der Wasserdruck zu gering war. Der Maschinist befand sich am Lande. Der Heizer Schulz hatte das zufällig bemerkt und faltes Wasser hinzugelassen.
Der Dampfer„ Sperber" nach der Explosion
majd vollkommen überholt und ausgebessert worden. Eine| Durch das Eintreten des falten Wassers wurde die Spannung zu neue Resselanlage wurde eingebaut, Rohre ersezt usw. Bor groß und so erfolgte die Explosion. Welches die erste Bruchstelle etma vier Wochen fand dann von der Kesselüberwachungswar, wird sich faum genau feststellen lassen, da später durch die stelle eine Prüfung des Schiffes statt, bei der nichts bean= Hize und die ausströmenden Dämpfe Nieten und Schrauben sich standet wurde. Am Sonntag früh sollte der Dampfer nach Ferch lösten. abgehen. An Bord befanden sich 84 erwachsene Personen und außerdem 27 Kinder. Die achtere Hälfte des Dampfers ist
mit einem Plan überdeckt. Vorn befinden sich Bänke. Die Passagiere hatten sich über das Schiff verteilt. Plöglich gab es einen leichten Knall, der von vielen Personen infolge der lauten Gespräche usw. gar nicht gehört worden war.
Gleich darauf ertönte ein heftiges 3ijchen, Dampfwolfen famen aus dem Kesselraum und hüllten das Schiff in wenigen Sefunden in eine einzige Wolfe.
Der Steg lag noch an der Anlegestelle. Das Personal hatte sofort die Situation erfaßt und versuchte verzweifelt, in den Kesselraum zu gelangen, um den Dampf abzustellen und den unglücklichen Heizer zu befreien. Jene Personen, die in der Nähe des Einganges zum Rejjelraum faßen, erhielten die schwersten Verlegungen durch Berbrühen. Angstschreie wurden ausgestoßen. Beherzte Männer griffen sofort zu und sorgten für den Abtransport der Verlegten. Man führte die Bedauernswerten schnell über den Steg, während Unverletzte über das Geländer sprangen und festen Fuß fassen konnten. In der Reederei hatte man den Vorgang vom Fenster aus beobachtet und alarmierte sofort Rettungsamt, Feuerwehr und Polizei. In Tagen wurden einige Verlegte sofort ins Krankenhaus gebracht, bis alle Wagen von Rettungsamt eintrafen. Die Feuerwehr drang dann in den Kesselraum ein und fand hier den Heizer mit fürchterlichen Wunden auf, der im Krankenhaus bald darauf verstarb. Der Dampfer wurde von der Kriminalpolizei gesperrt. Im Heizraum war die Kohle und Feuerung aus dem Rost herausgeschlagen. Wahrscheinlich war ein Siederohr explodiert, so daß der Dampf in die Feuerung fam und sich nun einen Weg nach oben fuchte. Es war verhältnismäßig noch ein Glück, daß die Explosion noch an der Anlegestelle geschah. Die Katastrophe wäre gar nicht zu übersehen, die sich ereignet hätte, wenn der„ Sperber" bereits auf der Fahrt gemesen wäre! Die Reederei fonnte sich die Entstehung des fürchterlichen Unglüds nicht erflären und vermutet, daß ein Materialfehler vorliegt.
Die Namen der Toten.
Ein Totenschiff?
Der Reederverband der Märkischen Personenschiffahrt teilt folgendes mit: Der Dampfer ,, Sperber" ist ein altes, in Bres lau beheimatetes Schiff, welches schon vielfach die Behörden beschäftigt hat. Ausweislich der Schiffahrtsregister gehört es dem Breslauer Bankverein. Der Dampfer Sperber" machte stets einen ungepflegten und wenig vertrauenerwedenden Eindruck und ist mit den Berliner Passagierdampfern nicht zu vergleichen. Der Kessel des Dampfers ist 42 Jahre alt und in Holland , also nicht nach den hiesigen Vorschriften, erbaut. Er war auch mehrfach geschweißt worden. Wahrscheinlich ist dieser Umstand im 3ufammenhang mit einem Bedienungsfehler die Ursache des Unglücks. Die Sicherungsvorschriften der hiesigen Behörden, besonders in bezug auf die Keffelanlagen der Berliner Passagierdampfer, find so scharf, daß ein solches Unglück bisher niemals vorgekommen ist und nach menschlichem Ermessen auch nicht vorkommen fann. Bereits vor 14 Tagen spielte sich ein Zwischenfall am Restaurant Prinzengarten im Müggelsee ab. Hier hatte der Dampfer Sperber", der höchstens mit 284 Personen besetzt werden darf, 270 Schulkinder der 205. Gemeindeschule aufgenommen und die dazugehörigen 180 Erwachsenen, so daß der Dampfer start überlastet war. Auch hier stellte sich ein Defekt an der Maschine ein, der aber beseitigt werden konnte.
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Da der Inhaber der Reederei Roloff bei einer Breslauer Bank größere Verpflichtungen hatte, sollte schließlich der Dampfer zur 3 wangsversteigerung gebracht werden. Als sich für den alten Kasten tein Liebhaber fand, blieb die Bank Befizerin und übergab den Dampfer, da sich feine andere Berliner Reederei fand, wieder der Reederei Roloff, die ihn wiederum in ihren Betrieb einstellte.
Mädchen bestialisch ermordet.
Der mutmaßliche Mörder auf einem Friedhof verhaftet. Redlinghausen, 11. Juli.
Die 14 Jahre alte Franziska Thomassen wurde gestern nachmittag in der Wohnung ihrer verheirateten Schwester, deren Das furchtbare Unglück hat bis jetzt fünf Todesopfer gefordert. Kinder sie während der Abwesenheit der Mutter beaufsichtigen sollte, Es sind:
Der 26 Jahre alte Heizer Ernst Schulz:
Siegfried und Elfe Cöllbach, Angestellter bei der UGG., Bane Stephan Porzelanzif, der in angetrunkenem Zustand auf rische Straße 8;
Erika Arndt, Beusselstraße 19; Erifa Ceu, Lutherstraße 9.
Die Namen der Schwerverletzten sind: Wilhelm Runtom, Walter Kühn, Anton Schmidt, Frizz Henning, Otto Laue, Fräulein Margarethe Steingieß, Frau Friedrich, Fräulein Hilde Schmidtchen, Frau Elise Runtom und Frau Erna Löwe.
durch Stiche ermordet aufgefunden. Der Verdacht der Täterschaft lenfte sich auf den im gleichen Hause wohnenden 64jährigen einem Friedhof festgenommen wurde. In seiner Wohnung wurden in einem Koffer ein blutbefledtes Messer und ein blutiges Handtuch gefunden. Porzelanzif bestreitet die Tat. Fünf Frauen von einem Unhold erdrosselt. Belgrad , 11. Juli.
Wie aus Bettau an der südslawisch- österreichischen Grenze gemeldet wird, wurden dort im Laufe von wenigen Tagen fünf Frauen
Der Abend
Spalausgabe des Voors
erdrosselt. Die Frauen wurden in einem Wäldchen i der Nähe der Stadt überfallen, auf das grausamste mißhandelt und schließlich ermürgt. Ein weiteres Opfer wurde nur durch Zufal aus den Händen eines Mannes, den man als den Täter ansieht, errttet. Ein starfes Gendarmerieaufgebot durchstreift die Gegend, um ien etwa 35jährigen Luftmörder zu fassen.
Protest der Eisenbahner.
Gegen Arbeitsdienstpflicht für Lifte 1
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Halle a. d. S., 11. Juli.
3u der Rundgebung der im Einheitsverband organisierten Eisenbahner am Sonntag reichte der Volksparf nicht aus. Allein aus Leipzig waren die Eisenbahner in zwei Sonderzügen gekommen. In den großen Gartenanlagen mußte eine besondere Versammlung abgehalten werden. Es sprachen Scheffel und John, Berlin , und Möller, Halle. Die Redner brandmarkten die Volksverräterolle der Nationalsozialisten und schlossen unter dem stürmischen Beifall der Eisenbahner mit der Auffordeung, bis Ende Juli alles daranzusetzen, um die Aufklärung über die Notwendigkeit der Wahl der iste 1 in die weitesten Volksfreise zu tragen.
Der Führer der sächsischen Eisenbahner, Delfers- Dresden, übermittelte im Namen von 50 000 organisierten Eisenbahnern der Bezirfe Dresden , Erfurt und Schlesien Grüße der Kampf-. verbundenheit mit dem Bezirk Halle und der deutschen Arbeiterbewegung. Der Vertreter der Beamtenschaft betonte, daß die Interessen der Beamten unlösbar verbunden sind mit den Interessen der Arbeiterschaft.
Der dann folgende Demonstrationszug wurde von der Spalier bildenden Bevölkerung, mit den drei Pfeilen versehen, be= geistert begrüßt. Vor dem Gebäude der Reichsbahndirektion nahmen John und Möller noch einmal Gelegenheit, nachzuweisen, wie sich das Arbeitsbeschaffungsprogramm" der Papen- Regierung auss mirft. Der Zug ging dann nach den Räumen des Volksparfs zurüd, mo einige hundert Funktionäre der Bezirke Halle , Dresden , Erfurt und Schlesien zu einem Führer appell zusammengefaßt maren. Jahn- Berlin versah die Funktionäre mit Anweisungen der Organisation, durch die ein einheitliches Vorgehen in allen wichtigen Fragen sichergestellt werden soll, um auch allen plöglich eintretenden Ereignissen auf politischem Gebiet gegenüber vorbereitet zu sein.
Einstimmig fand eine Entschließung Annahme, die fich gegen die Einführung der Arbeitsdienstpflicht wendet, Die Reichsbahnhauptverwaltung werde bereits in dieser Richtung beeinflußt. „ Nach der Entlassung von 10 000 Bediensteten der Reichsbahnausbesserungswerke wurde Tausenden von Bahnunterhaltungsarbeitern plötzlich gekündigt. Weitere Tausende von Kündigungen find beabsichtigt. Die freimerdenden Arbeitsplätze sollen von Arbeitsdienstpflichtigen eingenommen werden. Familienväter, jahrzehntelang im Arbeitsdienst tätige Arbeiter, will man aus Lohn und Brot bringen, um der SA. der nationalsozialistischen Bewegung Platz zu machen. Das ist das großzügige Arbeitsbeschaffungsprogramm" des Rabinetts Papen."
Die Eisenbahner menden sich mit Empörung gegen derartige Pläne, deren Realisierung einen öffentlichen Standal bedeuten würde. Sie werden mit allen verfügbaren Mitteln gegen diefe, Absichten ankämpfen und am 31. Juli ihren Gegnern eine deutliche Antwort erteilen.
Weitere Kundgebungen der Eisenbahner am Sonntag sind in Stettin für den Osten und in Koblenz für den Westen vor fich gegangen.
Jungbanner marschiert.
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Das Fest im Friedrichshain . Kampfschwur der Jugend Körperlich ertüchtigte, geiftig gerüffete Jugend war es, die sich gestern zum großen Sport- und Werbefest des Jungbanners im Reichsbanner Schwarz- Rot- Gold auf dem von fröhlichen Menschen erfüllten Sportplah Friedrichshain traf. Das Fest war aber zugleich Symbol der republikanischen Zusammengehörigkeit von jung und alt, von Reichsbannerjugend und Arbeiterjugend. Unsere Freunde vom Arbeiterradiobund hatten einen hervorragenden Lautsprecher zur Verfügung gestellt. Besonderen Beifall erregte der glänzende Aufmarsch des Jungbanners und die beiden Redner. Polizeipräsident Albert Grzesinski und Bürgermeister Paul mielih wurden stürmisch gefeiert.
Das Berliner Arbeiterviertel des Ostens stand schon von den ersten Nachmittagstunden an unter dem Zeichen der großen Jugendveranstaltung. Ein 4000 Menschen zählender Zug von Reichsbannerfameraden und Männern und Frauen aus der schaffenden Bevölke rung 30g vom Küstriner Plaz aus durch die von Menschen umfäumten Straßen zum Festplatz. Immer wieder wurden FreiheitRufe ausgebracht, und immer wieder zeigte die Bevölkerung unserem Reichsbanner seine Sympathie.
Die Feier selbst wurde durch die Weihe des Banners der Jugendgruppe eingeleitet. Hier fand Bürgermeister Mieliz, nachdem Stadtrat Günther das Ehrenzeichen übergeben hatte, mitreißende Worte der Mahnung an die Jugend, für die Freiheit zu kämpfen. Vor allem aber wies er auch darauf hin, daß es Aufgabe der Kommunen sei, die Arbeit des Reichsbanners zu unterstützen. Denn die ganze Städteordnung sei aufgebaut auf demokratischen und sozialen Ideen.
Polizeipräsident Albert Grzesinski .
,, Es ist Aufgabe der Jugend, mit hellen Augen die heimtückischen Methoden des Nationalsozialismus zu durchschauen. Sie muß erkennen, daß der Mensch nicht nur Brot braucht, um zu leben, sondern daß noch viel mehr der geistig und sittlich verantwortliche Mensch die Freiheit braucht, um geistig und sittlich leben zu können. Darum muß die Jugend die bedrohte Freiheit und, wenn es ſein muß, mit ihrem Leben schützen. Sie muß allen denen, die die Freiheit mißbrauchen wollen, mit äußerster Kraft entgegentreten, und sie muß erkennen, daß der Mißbrauch der Freiheit den Tod der Freiheit bedeutet."
Als zweiter Redner sprach Bürgermeister Mielig. Er ließ vor den Augen der Jugendlichen das Bild des Ehrenfriedhofs erstehen, auf den die Revolutionsopfer von 1848 den ewigen Schlummer schlafen und der allen Kämpfern der Freiheit heilig ist. Bon diesem Friedhof aus muß gerade heute in unseren Tagen eine Rraft ausgehen auf die proletarische Jugend, die von einer sozial reaktionären Regierung in der Entwicklung ihrer Kräfte bedroht ist. Wir müssen nach dem Worte des Dichters gerüstet und bereit sein, daß die Erde ganz eine freie merde.
Künstlerische Vorträge umrahmten die Festreden. Genosse Grzesinski wurde, als er den Festplag verließ, von vielen Hunderten geleitet und durch begeisterte Freiheif- Grüße verabschiedet.