Jßiefack Aas Ende eines 3)efram Peter Sielotf. Wohnhaft Berlin SD., Prin�enstraße. Geboren 7. Mai 1882 in Berlin . Buchhalter bei der South and Western Bank, Abteilung Berlin . Ledig. Von hagerer knochiger Gestalt. Größe: etwa 1,70 Meter. Verknittertes sommersprossiges Gesicht. Stups- naje. Braune Augen. Rotes Ihaar. Besonder« Kennzeichen: Warze an der rechten Kinnseite... Dieser Peter Liesack hatte eine» Tage» folgende Ueberlegungen angestellt: lieber 30 Jahre gehe ich nun schon jeden Morgen zur Bank. 30 Jahre... Als kleiner Stift hat man angefangen, ist sehr langsam an der vielsprossigen Gehaltsleiter hochgeklettert. Erste Sprosse: 30 Mark. Zweite Sprosse: 40 Mark. Dritte Sprosse: SO Mark im Monat. Die Jugend ist vergangen, ohne daß Zeit für Vergnügungen blieb. Ein junger Bankmensch muß lernen, wenn er vorankommen will. Ludwig Megler, Studien zur Geschichte des deutschen Effektenbankwesens, Leipzig 1911: Edgar Joffe, das englische Bankwesen, 2. Auflage. Leipzig 1310: Paul Wallich , die Kon- zentration im deutschen Bankwesen, Stuttgart 1306... Als der Krieg anfing, war man Buchhalter mit 3S0 Mark im Monat. Keine Kugel hatte einen getroffen, und man war auch nicht von den Läusen aufgefressen worden. Nur die Gesichtszüge waren verändert. Es dauerte lange, ehe der gehetzte, müde Ausdruck der Augen wich. Aber dann war alle» wieder wie früher: 9 bis 171z, Uhr Bürozeit. Einsame Abende-, in einem mit Nippe» und Sofaschonern ausgestatteten möblierten Zimmer: einsame Abende in einem freudlosen Zimmer hinter Büchern verbracht. Inflation: die Zahlenkolonnen schwollen an, blähten sich unHeim- lich. Bis in die Nacht hinein mußte gearbeitet werden. Die Flut der bunten, neuknisternden Scheine wurde in Waschkörben geborgen. Und dann, nach«inigen Jahren der Scheinkonjunktur: Deflation, Krise, Abbau. Von je 30 Buchhaltern arbeitet nur einer noch. Dieser ein« bedient eine nickelblitzende amerikanische Maschine. Ein chebek- griff: die Maschine verrichtet auf dünnen Kartons und langen, band- wurmförmigen Papierstreifen die frühere Federhalterarbeit. Die Maschine frißt Zahlen— und Nerven, die Nerven derer, die sie be> dienen. Bankenkrach, Bankenfusion. Das ist wieder: Abbau. Die noch bleiben dürfen, verdienen so wenig, daß es kaum zum Notwendigsten langt. Eine Stenotypistin. 4 Fremdsprachen fliehend sprechend, be- kommt 50 Mark im Monat. Ein Buchhalter, ein Maschinenmensch vielmehr, 180 höchstens. Nur die Direktoren, die Generaldirektoren, die Aufsichtsräte, die Vorstandsmitglieder: die säckeln gut ein. Phantastische Gehälter. Kein Mensch denkt daran, sie zu kürzen. Und dieser Peter Liesack weiß: es wird nicht mehr lange dauern, dann wird auch er in die große Stempelfabrik kommen. Cr wird durch die drei Stationen Alu, Krise, Wohlfahrt filtriert werden und zuletzt ausgelaugt, ohne Hoffnung, dahinleben. Er sieht 30 Jahre freudloser, für ihn nutzloser Arbeit hinter sich liegen, und vor ihm lauert die Hölle der Stempelsabrik. Da wird er aufsässig. Er will sich wehren. Er wird nicht stempeln gchen. Er will wie die Direktoren, Aufsichtsräte und Vorstandsmitglieder leben. Viel Geld will er haben. Die Zahlen, die er 30 Jahre hindurch addiert, subtrahiert, transportiert und bilanziert hat— trocken« Begriffe bis- lang für ihn—. nehmen jetzt plötzlich Leben an, sie bedeuten:«in Auto, hübsch« Frauen, gute Kleidung, Wohlleben. Peter Liesack sucht Verbindung mit der Unterwelt. Gr frsundet sich mit Dirnen, Zuhältern, Liebin und Hehlern an. Er streift jeden Ab»nd in der Gegend de» Alex umher. Er sitzt in den Kneipen und Cafes der Wen Schönhauser.Straße, in d»n«n sich früh morgens che Dieb««infinden, um di« in der Nacht«rbeut»t». Sor« zu vir« schärfen Pet«r Liesack macht Bekanntschaft mit..Blaukopf", dem König der Berliner Hehler. Es gelingt ihm, Vertrauen zu erwecken. Er weiß bald, daß die Unterwelt ihm bei seinem Vorhaben helfen wird- Inzwischen hat er aus seine Ehance gewartet. Und eine» Tage» ist sie da: Peter Liesack wird mit einem Barscheck zur Reichsbank geschickt. 137 000 Mark soll er abholen! Er unterdrückt mit Not ein höhnisches Lächeln, als ihm der Scheck ausgehändigt wird, Er hat kein« Skrupel. Er ist nicht sentimental. Er denkt weder an seine toten Eltern, ehrlich, und brave Leute, noch an jemand ander». Peter Liesack hat auch keine Furcht. Etwa» aufgeregt ist er ja. Aber sein Plan ist gut. Es muß glücken! Er holt das Geld ah. Nimmt sich eine Taxe. Kauft unterwegs «in«n Koffer. Jagt alle Banken ab. um die Taufender in Hunderter umzuwechseln. Weil sie in der Reichsbank die Nummern der großen Scheine haben. Dann entlohnt er di« Tax «. Und dann ist Peter Liesack spurlos vsrlchwund«n. Don den Säulen schreien die roten Plakat«:— Besonder« Kennzeichen: Warze an der rechten Kinnseite. Liesack ist nach Unter- schlagung von 137 000 Mark flüchtig geworden. Zweckdienliche Mit- teilungen erbeten an—— Die Spürhunde jagen da»'flüchtige Wild. 15 000 Mark Belohnung! Peter Liesack aber ist nicht zu finden. Es ist, als wenn di« Erde ihn verschlungen hätte. Aon dem Augenblick an, da er den Chauffeur bezahlt hat, fehlt sehe Spur von ihm. Wo steckt Peter Liesack? Da gibt es in der Weinmeisterstraße «ine„Pension". Die Dorderräume dienen als Absteige, die Hinter- räume, gut verborgen, sind„Blau-Kopss" Hauptquartier. Acht Wochen lang hält Peter Liefack sich hier versteckt. Diese 8 Wochen kosten ihn 5000 Mark. Nicht, daß„Blau , Kopf" ihn erpreßt hätte. Nein, da» macht„Blau-Kopf" nicht. Er liefert für diefe 5000 Mark gute, vollwertige Arbeit- In 8 Wochen ist aus dem Defraudonten Peter Liesack der ehrbgre Kaufmann Julius Heiden geworden- Nur in Kriminalromanen arbeiten sie mit Perücken, Schmink« und falschen Bärten.„Blau-Kopf" weiß bessere Mittel. Ein Arzt, «in bekannter Kosmetiker. steht„Blqu-Kopj" zu Diensten. Liesöcks Stupsnase erhält durch Operation und Parasfineinspritzungen«ine fast klassische Form. Die Warze wird elektrolytisch, narbenlo», ent- fcrnt. Sein Haar wird in der Wurzel gefärbt. Der ungepflegte rot« Schopf verwandelt sich in«inen korrekten, pomadeglänzenden schwar- zen Scheitel, Die zerknitterte Haut wird gestrafft und kunstvoll hinter den Ohren zusammengeholt.. Eine Emulsion, die wasch, und schweißecht ist, gibt ihr einen satten Bronzelon, der die Sommer- sprossen überdeckt. Erste Kleidungstünstler hoben die gutsitzenden, teuren Anzüge geschneidert, Seidenwäsche und Mahschuh« geliefert. Und der Kaufmann Julius Heiden, der nach 8 Wochen den Schlupf- wink«! verläßt, ein elegantes suit-csse mit dem in Dollars umge- wechselten Geld in der Hand, einen garantiert echten Paß in der Brieftasche, gleicht in nichts dem ehemaligen Bankbuchhalter Liesack. Kein Mensch würde ihn al» Liesack wiedererkennen. Heiden-Liesack fährt nach Hamburg . Von dort will er nach Amerika weiter. Er wohnt in den„Jahrenzeiten". Von seinem Zimmer sieht er aus die weite, leichtbewegte Fläche der Alster . Nachts taumeln die Lichter der Fährdampier. glühen die Lampion- der Boote wie Leuchtkäfer- Drüben steht die Stadt: ein zerrissenes Schattenbild. Der Alsterpavillon liegt sestlich erleuchtet. Der Wind weht Musiksetzen herüber. Da» lockt. Peter Liesack geht den Alster. dämm hinunter bis zum Gänfemarkt. Er kommt über den Jungsern- stieg zur R««p»rdahn. Der„Alkazar" ist in Rot und Gold aehalten, gibt auf anien/'Don Erich ZPreuße Eine weite Halle in sanftem Rot. Hoch oben in der Kuppel dreht sich«ine Kristallkugel und sticht bunte Lichtblitze in den Raum. Zwei Kapellen lösen einander ab. Frauen aller Nationen locken. I Iovs you, my sweetheart— je t'aime— t'adoro...! Drei Tage bleibt Peter Liesack in Hamburg . Diese drei Tage kommt er nicht zur Besinnung. Er schwimmt im Trubel der Stadt. Er speist bei Pfordte. Der gutgeschulte Ober liest die Speisekarte in französisch vor: Cousonune Cultivateur— Supreme de Barbue Radiel, Pommes Vapeur— Canlon Nouveau ä l'Orange, Salade de Laitues— usw. usw. Er verzeichnet mit untertäniger Verbeugung das Bestellte und schwirrt ab... Dann sitzt Peter Liesack im Sonderzug der„Hapag ", der die Passagiere des„Albert Ballin " nach Cuxhaven bringt. Mit einem leichten Frostgesühl im Rücken klettert er die Gangway hinauf. Aber niemand hält ihn an. Ein hilfsbereiter Steward bemächtigt sich seines Handgepäcks und geleilet ihn zur Kabine. Er wirft sich müde aufs Bett und stürzt in den Schlaf wie in einen Abgrund. Leere, Stille, Eingehen in die Seligkeit... Er wacht erst wieder auf, als sie Sauchampton anlaufen. Aus dumpfer, stickiger Tiefe kommt er zur Besinnung. Ein Ekelgefühl steigt in ihm auf. Er klettert mit zerschlagenen Gliedern in die Kleider. Die kühle Abendlust tut gut. Der„Albert Aallin" hat Pasta- giere und Post übernommen und löst sich wieder vom Kai. Tücher- winken und Sirenengeheul. Ruhig und majestätisch wie ein Schwan gleitet da» Schiff aus dem Hafen. .Herbert Sulenberg:«Ott SEu feinem fiebaigflen Qeburtslag am 15. Juli Ter Reichspräsident und Kultusminister Grimme haden Ludwig Fulda ihre Glückwünsche übermittelt. Dem Dichter wurde dt- Goetbe-M-daille für Wissenschaft und Kunst verlieben. C» war im Jcchre 1893. Da tagte wiederum einmal in Berlin eine Preisrichterschar, die über di« höchste Ehrung, die für deutsche Bühnendichter zu vergeben war, über die Verleihung des st a a t- lichen Schillerpreises zu beraten hatte. Zwei Hostheater- leiter, der aus Berlin und der aus Karlsruhe , standen dem Ausschuß vor, dein eine Reihe der besten, berühmtesten und bedeutendsten Köpfe Deutschlands angehörten. Darunter Gustav F r e y t a g, Heinrich T r e i t f ch k e, Paul H e y s e und Erich Schmidt. Ein- stimmig wurde in diesem hervorragenden Männerrat beschlossen, den Preis dieses Jahres dem damals neunundzwanzigjährigen Ludwig F u kd a aus Frankfurt a. M. zuzusprechen, lind zwar für sein wier- aktiges dramatisches Märchenstück:„Der Talisman". Die hohen Herren Preisrichter setzten daraus einen Glückwunschtelegrammgruß an den also bedachten Poeten aus und begaben sich hierauf, nichts Böse» ahnend, zu dem Festmahl, das eine solch« Preisrichtersitzung nach altem löblichen Brauch zu beschließen pflegt. Da schlug plötzlich wie eine Bombe in den arglosen Kreis der damaligen Gesttesritter die Kunde ein. daß Kaiser Wilhelm der Zweit« sein Bar- recht, die Zuertennung de» Schillerpreises zu bestätigen, abschlägig ausgeübt und dem Urteil der ersten Dichter und Kunstgelehrten seiner Zest seine Zustunmung verweigert hätte. Entgegen der Meinung und dem Spruch d«r angesehensten Kum'trichler erkühnte sich der damals vierunddreitzizjährig« Herrscher, der sich-bi» dahin blutwenig um da» Schriistum seine» Lande» gekümmert hatte, da» Urteil der achtbarsten Kenner umzustoßen und ihm seine Billigung vorzuent- halten Diese schwer entschuldbare Eigenmächtigkeit ri»f um so größere» Erstaunen hervor, weil der alte Kaiser Wilhelm , von dem im Geburtsjahre seines Enkels, des nunmehrigen Kaisers, dieser Preis gestiftet worden war, sich in seiner Bescheidenheit niemal» in di« Entscheidung de» Ausschusses gemischt hatte, der über die Per- teilung dieser Auszeichnung berufen war. Und nun hob der neu« Herr willkürlich den Beschluß einer so au»erlesenen Schar mit einem Federstrich auf. Und warum? Man munkell», man raunte, der jung« Monarch fühl« sich in der Person des Bühnenkönigs Asiolf, den Fulda auf d>« Bretter gebracht habe, gekränkt und verletzt. Sich und feine Herrlcherwürde, von der er eine hohe heilige Ausfassung habe. die er auch Im Spiel nicht angegriffen sehen möchte. Wenn wir heute diese» Märchenstück Fuldas betrachten, da» noch immer sein beste» Werk geblieben ist, so staunen wir, wie sich ein Herrscher durch diese» Bühnenstück in seiner Hoheit hat getroffen sWen können. Da» heißt, wir staunen heut« weniger, als es die Zeit tat, die van diesem Schritt de» Kaisers zuerst überrascht wurde und wie vor den Kopf geschlagen war. Denn diese Ablehnung, die Wilhelm der Zweite dem Urteil der ruhmbedeckten Preisrichter zu teil werden ließ, ergänzt uns Heutigen nur das Bild, da» wir in, zwischen von dem Monarchen bekommen haben. Ja, diese Ver- werfung jenes Kunftrichterspruchs ist uns geradezu ein bezeichnender Zug für das Wesen Wilhelms geworden. Denn um was dreht es sich in dem Fuldafchen Bühnenstück vom„Talisman"? Darum, daß ein Fürst d ie Wahrheit nicht hören will, daß er sich für einen unumschränkten allmächtigen Herrscher von Gotte» Gnaden nimmt, und daß ex alle diejenigen von seiner Seite stößt und ver, bannt, die ihn nicht schmeichlerisch anerkennen, ja anbeten wsllen. Die Bekehrung diese« Größenwahnsinnigen, gegen den sich schließlich sein Volk auslehnt, durch die Natürlichkeit und die Wahrheit, ver« körpert in zwei Frauengestasten, da» ist der schön« Inhalt dieses Märchenftück». Berühmt sind die Worts des Mädchen» geworden, da» dem König, der da vermeint in einem prächtigen Mantel zu erscheinen und die» seine ganz« Umgebung glauben machen will, in» Gesicht sagt, daß er ohne Kloid dastehe:„Herr, kann dich das im Ernst erbosen? Du bleibst der König — auch in Unterhosen." Wilhelm, dem Bismarck stets vergebens anriet, mit ministerialer Bekleidung öfsenstich aufzutreten, wollte nicht so unverbrämt gesehen werden. Im Negligö. Wollte von der Wahrheit und Wirklichkeit nichts wissen und am wenigsten sich selbst erkennen. Und sprach van allem Volk wie Fuldas Märchenkönig stolz und selbstbewußt:„Noch ein-' mal, denn: Ich trag' ein prächtig Kleid. Und bleibt's Euch unsichtbar in Ewigkeit. Ich, Euer Herr, beseht' Euch dran zu glauben." Den Dichter Fulda , der sich als Lustspielpoet wie als Verse- schmied und gewandter Uebersetzer einen guten Namen geschaffen hat. mag es an seinem siebzigsten Geburtstag zu einem Lächeln reizen, wenn er zurückdenkt, wie er ehemals mit seinem hübschen harmlosen Stück in di« sogenannte Weltgeschichte und Politik de» Tages verwebt wurde. Andere wird die Rückerinnerung an dies fast vergessene literarische Erlebnis ernster stimmen, wenn sie sich bewußt werden, wie selten die Menschen ein« Lehre aus der Dichter» Weisheit ziehen wollen, di« ihnen zuströmt. Besonders wenn diese Menschen Monarchen sind. Fulda hat immer in gutem Sinn« solch ein Belehrer sein wollen und nach dem braven alten Horazischen Rezept versucht, lächelnd die Wahrheit zu sagen. Sm„Talisman" ebenso wie in seinen zahlreichen gefälligen anderen Lustspielen. Da- für s«i ihm an seinem heutigen Ehrentag« Dank gavußil Im Rauchsalon legt der Obersteward einen pooI auf. Es wrrd gewettet, wieviel Knoten das Schiff am nächsten Tage laufen wird. Ewsatz 10 Dollars. Der ist Gewinner, dessen Schätzung der Wirk- lichkeit am nächsten kommt. Umlagert von einer Schar Zuschauer tragen zwei Herren«ine Pokerpartie aus. Peter Liesack stutzt. Das kaltentschlossene herrische Gesicht des einen Spielers hat er schon oft gesehen. Dieser mitleidlose brutale Schädel ist unverkennbar: er gehört van Bebbit, dem General-Manager der South and Western, Sein Gegenspieler beim Pokern ist ein deutscher Filmstar, der nach Hollywood ein Engagement hat. Sein fades Beau-Gesicht ist bleich vor verhaltener Wut. Van Bebbit überbietet. Er hat nur zwei kleine Paare in der Hand. Der Schauspieler hat einen klusb in Kreuz. Aber van Bebbit blufft ihn heraus. Beim Pokern wie beim Geschäft entscheidet die dickere Brieftasche. Angewidert steigt Peter Liesack in den Maschinenraum hinunter. Ein leichter Oeldunst liegt in der Lust. Blitzendes Gestänge schießt hin und her. Hinter einer Turbine stehen zwei Heizer, Blonde Jungen von der Wasserkante. Peter Liesack erhascht Fetzen ihres Gesprächs:„Wi möt tosomnholn... De Verband ward de Herrn schon de Büxen s— tramm treckn.. Peter Liesack klettert an Deck. Wi möt tosomnholn... Daran hat er nie gedacht. Blitzartig erfaßt sein Hirn die großen Zusammen- hänge des Lebens. Die dicke Brieftasche entscheidet beim Poker und im Geschäft. Aber es gibt noch eine stärkere Macht als die dicke Brieftasche, das: Wir müssen zusammenhalten! Peter Liesack ist durch seine Tat aus dem„Wir" verbannt. Er hat nur an sich ge- dacht. Er ist einen falschen Weg gegangen. Diese Erkenntnis wirft ihn nieder. Und als drüben das Leuchtfeuer von Cap Landsend auf- blinkt, läßt er sich ins Wasser gleiten. Dumpf klatscht sein Körper ins Meer. Liesack gibt auf. Der Dampfer aber zieht ruhig seinen Weg. Seinen Schornsteinen entsteigt dicker schwarzer Qualm. Die Heizer haben den Kesseln wieder Oel zugeführt. m.rievh*reie:0angHerfrauen Ich meine„Gangsterfrauen", nicht„Frauengangster", nicht weibliche Gangster... Dieser Beruf ist den Frauen in Amerika doch noch nicht erschlossen. Mag man sagen was man will über die Zunft der Gangster, es gehört immerhin eine ganze Menge männlicher Mut dazu, immer mit der Hand bei der Tasche, jeden Moment gespannt zu sein wie der Revolver, um nötigenfalls durch einen fixen Griff als erster seinem Gegner das Gehirn heraaszu- knallen. Schiller zur Beruhigung: so schnell werden Weiber doch nicht zu Hyänen. Nicht einmal in Amerika , wo die Hysterie noch mehr grassiert als in Europa . Gangsterfrauen sind Frauen, von denen man nicht spricht. Gangsterstauen, legitim oder illegitim, blühen im Verborgenen, nur versehentlich, durch ein täppisches Hantieren des Schicksals, kommen sie manchmal ans Rampenlicht. Und stets wird bei dieser Gelegen- heit kund, daß über sie weiter nichts zu sagen ist und daß sie nichts zu sagen haben. Meist haben sie nichts als ein ganz niedliches Gesicht, und oft auch nicht mal das. Als man Jack Diamonds Sweetheart im Polizeiverwahr die Schmink« abwusch, blieb von dem ganzen Mädel nicht viel übrig. Nein, der Gangster sucht keine Partnerin, keine Kameradin, die seine Geschäftssorgen teilt. Je dümmer sie ist, je mehr sie sich hinters Licht führen läßt, um so besser. Keinesfalls soll sie ver- suchen, ihr« Nase in seine Angelegenheiten zu stecken. Wenn Männer ernst« Geschäftsongelegenheiten besprechen, wird sie mit einer Tüte Schokolade in« Kino geschickt. „Gangster"(dieser Titel gebührt in Amerika nur den Engro»- Perbrechern, nicht den Neinen Dieben, die man hängt), haben.ihre eigenen 10 Gebots made in USA . Das vierte lautet:„Du salisi eine Frau nicht in Gefahr bringen." Wo» ist das?„Du sollst«ine Frau nicht in Gefahr bringen, indem du sie von deinen Manipula- tionen etwa» wissen läßt. Deine Gegner würden sie totschlagen wie «inen Hund, fall» sie«in Wissen nicht preisgeben würde." Und das eine muh man den amerikanischen Gangstern lassen— ihre eigenen Gebote übertreten sie nicht. Sa totsicher sind die Gangsterrivalen, so totsicher ist die Polizei, daß sie sich überhaupt gar nicht erst die Müh« machen,«ine Gangsterfrau auszufragen. Denn sie weiß nichts. Sie kennt Jack nur von der Kehrseite. Sollte«ine Gangsterfrou aber doch einmal dos verbotene Schlüsselein finden und die verbotene Tür ausschließen, so liegt sie eine» schönen Morgen» mit zerschossenem Kopf im Straßengraben. Es wird dafür gesorgt, daß sie verschwiegen ist wie das Sr«K. Hinein mit ihr. Sie mag den ganzen log spazieren gehen und sich die Nase pudern und Geld vertrödeln, solange welche» da ist.�Und wenn kein» mehr da ist, kommt der plötzliche Sturz aus der Höhe, zumeist Hals über Kopf direkt in den Schlamm. Jack Diamonds beide bekannten Witwen, Mrs. Diamond und Marion Roberts, die noch vor einem Jahr brillaptenumglitzert und dollargespickt durch die Träume der amerikanischen Büro- und Ladenfräuleins flitterten, lassen sich Heute für 10(Cent in Schaubuden sehen, neben dem Mann mit dem rotierenden Kops und der Frau mit dem Fischlejb. draußen im Coney-Jsland-Kerummel. Ein paar Monate Konjunktur, dann ist auch das vorbei, und— im günstigsten Fall— ist die Welt dann um zwei Toilettenfrauen reicher. In ihrer Glanzzeit glänzen sie natürlich. Großes Auftreten auf den Galasesten der Gangster in den Nightelubs von New Park und Chikago: große Ganster-Smeetheart-Schau mit ollem Drum und Dran. Revolver werden in der Garderobe abgegeben. Brillanten kann man aus dem Tisch liegen lassen. Hier wird nicht gestohlen, Ehrensache. Auch Frauen werden nicht geklaut. Ehrensache. Höchsten«, daß sie einverständlich überschrieben werden. Neuntes Gebot, Im allgemeinen beklagen sich die Gangster-Swcethearts, daß ihre„Boys" gar so zart besaitet sind.„Wo gibt es nach Romantik heute i» Amerika ?" beklagte sich eine Gangsterbraut. Nicht einmal mexikanische Banditen gibt es mehr, die über die Grenze kamen, eine Revuejchau mit Revolvern überfielen, alle Ehorusgirls in eine Reihe stellten, sich die hübschesten aussuchten und mit ihnen Reihaus nahmen! Es gibt keine Kavaliere mehr in Mexiko . Nun aber erst der Gangster, der eityverweichlichte! Zu Haus« sitzt der Gangster in Filzpantofseln. Und kann keiner Fliege ein Bein ausreißen. Es gibt herzensgute Papas unter den Gangstern, die nachts gerne ausstehen und den Kinderwagen schieben. Zum Beispiel A l E a p o n e. Er ist der Mustergatte. Ihr herzensguter Mann und treusorgender Vater. Ganze Badewannen voll Frauentränen wur- den vergossen, als Diamond starb. Sogar die geschiedene Frau weinte mit. Frauen bescheidener, solider Bürgerlichtelt. Ja. so ist es wohl... Waschlappen im Lebe» sind oft die brutalsten Ehe- männer, und Gangster fressen zu Hause aus der Hand. Das bißche» Gute, da» bekanntlich in jedem steckt, kriegt die Familie. In den meisten Fällen dauert das Eheglück wohl nur kurze Zeit, Gangster knallen«inander gegenseitig weg aus dem Lebe». Die Probe aus Zeit wird selten gemacht. Aber warum soll man den Tag nicht vor dem Abend loben? Warum nicht loben, wo es etwas zu loben gibt-- und warum nicht lieben, wo es etwas zu lieben gldt? L>« amerikanischen Gangsterfrauen tun beide».
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