tagswahlen den Ratgebern des Reichspräsidenten die Mei- nung eingab, der überwiegende Volkswille sei nunmehr „rechts" gerichtet, hätten diese Barone nicht den guten Takt haben müssen, zu erkennen und zu erklären, daß keineswegs s i e durch den Volkswillen, wie immer man dessen scheinbare Zeichen deuten mochte, gemeint waren; daß überhaupt die Wahl in Preußen keinen Grund gab, noch einmal— für die Mehrzahl zum viertenmal innerhalb weniger Monate— Bürger und Bürgerinnen im ganzen Reiche an die Wahl- urne zu rufen, und daß die von oben geschehene Wahl in Verbindung mit den Taten dieses neuen Kabinetts nur ge- eignet war, eine tiefe Verstimmung hervorzurufen, chat denn die Reichsversassung ohne guten Grund die Wahl regelmäßig für vier Jahre gelten lassen wollen? Ist denn die Haken- kreuz-Partei nicht schon viel zu stark vertreten gewesen durch 110 Aäbgeordnete, die ihr Mandat dadurch ausübten, daß sie davonliefen?!— Ein Kabinett der Taktlosigkeit kann nicht lange bestehen und wird niemand zur Ehre, geschweige zum Ruhme gereichen. Es wird eine der unerfreulich- st e n Episoden in der kurzen Geschichte der deutschen Republik bilden, zumal da es mit dem Geiste, wenn nicht mit dem Buchstaben der neuen Reichsverfassung in Widerspruch steht. Seine Bildung sollte dem heiseren Geschrei derer genug tun, die ohne einen Funken von politischem Verständnis sämtliche früheren Regierungen der gleichen Verurteilung unterwarfen: Regierungen, die sehr verschieden zusammen- gefetzt waren, zumeist aber aus Männern, die von ver- fchie'densten Parteilagern stammend doch in gutem Willen übereinstimmten, dem Reiche aus den ungeheuren Schwierig- keiten der Zeit emporzuhelfen, und innerhalb deren fast jeder einzelne an Geist und Fähigkeit mehr Garantien bot als je zwei zusammen von den neuernannten Herren: Garantien für ihre Fähigkeit, für ihren Verstand. Dies galt besonders für den, der an der Spitze jenes letzten Kabinetts stand und inmitten eines durchdachten Planes seiner Arbeit entrissen wurde, für den eben vorher noch die Präsidentenwahl dar- getan hatte, daß er mit dem wiedergewählten Reichspräsiden- ten noch eine große Mehrheit der Nation auf seiner Seite hatte; entrissen wurde, weil unberufene Auch- Politiker, von einem ausländischen Dilettanten angeführt, meinten, in seinem„System" das ganze r e p u b l i k a- nische System zu stürzen und also die republikanische Reichsverfassung tödlich zu treffen. Möge jeder, der die Gegenrevolution und Wieder- Herstellung der Hohenzollern nicht will, diese Erkenntnis sich zu eigen machen und gemäß dieser Erkenntnis sich an der Wahlhandlung beteiligen. Er wirir sich selber und seinen Klassen- oder Standesgenossen dadurch vielen Kummer er- sparen— jenen Kummer, den immer diejenigen erleben, die nachher klug sind— wie Epimetheus in der griechischen Sage!—
Ohlau. Hat Fememörder Heines die Polizeigewalt? In Ohlau in Schlesien scheint nach den letzten Vorgängen nicht mehr eine geordnete Staatsgewalt, sondern etwa der 5?err Fememörder Heines zu regieren! Das„Berliner Tageblatt" teilt folgenden Fall mit: „Zur Illustration der Zustände in Ohlau dient folgendes Vor- kommnis, das sich heute vormittag während eines Telephona- t e s unseres nach Ohlau entsandten Sonderkorresponden- ten mit unserer Berliner Redaktion ereignete. Während unser Kor- respondent in der Telephonzelle eines Ohlauer Hotels mit Berlin sprach, wurde plötzlich die Tür zu der Zelle ausgerissen und ihm von einem Manne der Hörer aus der Hand geschlagen. Aünf Polizisten mit Gummiknüppeln gingen gegen ihn vor. um ihm die Fortsetzung des Gespräche» mit Berlin unmöglich zu machen. Ossenbar war das Telephongespräch an irgendeiner Stelle a b» gehört und den Nationalsozialisten mitgeteilt worden, die ihrer» seits mit unwahre» Behauptungen die Polizei in Bewegung zu setzen verstanden. Aus dem Polizeirevier wurde unser Korrespondent, der sich selbstverständlich gehörig ausweisen konnte, vernommen und sofort wieder in Freiheit gesetzt. Aus Umwegen konnte er Ohlau verlassen und von einer anderen Stelle uns den Rest seines Berichtes nach Berlin weitergehen. Als das von dem Ohlauer Hotel aus geführte Gespräch durch schreiende Zivilisten und die mit Gummiknüppeln bewaffnete Polizei unterbrochen worden war, wurde von unserer Berliner Redaktion erneut eine telephonische Verbindung mit dem Hotel hergestellt. Als wir nach unserem Korrespondenten verlangten, meldete sich eine männliche Stimme, die in schimpfendem Tone mitteilte, der Herr sei„längst abgeholt von der Polizei", er habe„alles gelogen" usw.; es folgten weitere Beschimpfungen wie„Lügenblatt" usw. und erst das Auflegen des Hörers machte der Szene«in Ende." Wir nehmen an, daß das preußische Innenministerium diesen Vorfall sehr gründlich untersuchen wird! Der Eindruck läßt sich jedoch nicht verwischen, daß die Polizei auf das Kommando der Nazis hört! Gegen die Gemeinheit! Zum Schmuhantrag der Razi-Landtagsfraktion. Der„T a g" des Hugenberg-Konzerns hat sich entschlossen, von der abgrundtiesen Gemeinheit der Nazi-Landtragsfraktion a b z u- r ü ck e n. Er nennt den bekannten schmutzigen Antrag gegen den Polizeivizepräsidenten Dr. Weiß eine Entgleisung, sucht aber zugleich den Eindruck zu erwecken, als ob so schmutzige Kampf- Methoden Gemeingut der Linkspresse währen. Wir brauchen uns gegen diese Unterstellung nicht zu verteidigen. Der„L o k a l- A n z e i g e r", die„Deutsche Zeitung" und die„Deutsche Tageszeitung" ungeschlagen bekanntlich nach wie vor den Brief Severings an Weiß und unterlassen es, von der Gemeinheit der Nazi-Landtagsfraktion abzurücken Miß Ellen Wilkinson . die Führerin der englischen sozialistischen Frauen, die am Dienstag beim Lustgarten-Aufmarsch eine Freiheitssohne im Auftroge der englischen Frauen überreichen wird, trifft heute nachmittag um 1S.47 Uhr am Bahnhos Zoo ein. Berliner Genossinnen und Genossen, namentlich Mädchen der Arbeiterjugend, die ihr den Willkommengruß entbieten wollen, treffen sich um 16.30 Uhr am Bahnhof.
Warnung vor Lockspitzeln? Laßt euch nicht in Kämpfe mit der Polizei hetzen!
Bestimmte Umstände, auf die zurückzukommen wir uns vorbehalten, veranlassen uns, eine Warnung auszusprechen. Da und dori treiben dunkle Elemente ihr Unwesen, die es darauf anlegen, zwischen der Schuhpolizei und der Ar- beilerschaft Zusammenstöße zu arrangieren. Die Arbeiter haben mit der Abwehr des Razilerrors wahrlich genug zu tun; sie haben gar kein Interesse daran, sich in der Schupo noch einen neuen Feind aus den Hals zu laden. Es ist im Gegenkeil, soweit das immer nur angängig ist. besonders seht auf ein möglichst gutes Verhältnis zur Schupo das größte Gewicht zu legen, wenn es in Einzelfällen durch nervöse oder parkeiische Offiziere zu Mßgriffen kommt, darf es an Kritik nicht fehlen und muh Remedur geschaffen werden, ehe das allgemeine Verhältnis zwischen der Polizei und der arbeiten- den Bevölkerung Schaden erleidet. An der Schaffung einer allgemeinen Mißstimmung zwischen Arbeitern und Schupo haben nur die Nationalsozialisten ein Interesse. wer die Arbeiter in Kämpfe mit der Polizei hineinzu- Hetzen versucht, ist— er mag in welcher Verkleidung immer, z. B. auch eines besonders radikalen„Kommunisten". auftreien— ein brauner Lockspitzel. Die politisch aufgeklärte und besonnene Arbeikerbevölkerung wird sich hüten, diesem Gesindel auf den Leim zu kriechen.
Ein rauher Kämpfer Hiilers. Wo sich der„Blutzeuge der Idee" seine Wunden holte. halberstadt . IS. Juli.(Eigenbericht.) Im„Illustrierten Beobachter " vom 16. Juli befindet sich das Bild eines verbundenen Menschen in Hitleruniform. Der ganze Oberkopf einschließlich des rechten Auges ist verbunden. Unterschrift: „Ein Blutzeuge der Jde e." Es soll also der Anschein erweckt werden, als handele es sich hier um ein Opfer des roten Terrors, um einen Verwundeten im Dienste
der Hitler-Idee. Totsächlich ist der Mann auch bei dem Nozitreffen in Dessau als Held gefeiert worden. Dieser Mann ist ein gewisser Else aus Wegeleben bei Halber- jtadt. Seine Verwundungen ober hat er nicht im Kampfe mit der Eisernen F1 :ont erhalten, sondern er wurde von den Frauen des sogenannten Siechenhoses in Wegeleben mit Recht verdroschen, weil er sie mit ordinären Redensarten belästigte. So sehen die rauhen Kämpfer Hitlers aus.
Schlesische Kampfdemonstration. Am Grabe des erschossenen Kameraden. Breslau , IS. Juli(Eigenbericht). Unter ungeheurer Beteiligung der Breslauer Arbeiterorgani- sationen sowie der Ortseinwohnerschast fand am Freitagnachmittog in der überwiegend sozialdemokratischen Gemeinde Klettendorf, Landkreis Breslau , die Beisetzung des Reichsbanner- kameraden Tille statt, der am letzten Sonntag bei dem ge- meinen Ueberfall der Nazi- in Kanth , Kreis Neumarkt , drei Schüsse in den Unterleib erhalten hatte. Tille war am Dienstag seinen schweren Verletzungen erlegen. Tausende von Menschen gaben dem gemeuchelten Kämpfer für die Republik das letzte Geleit.
Bayerische Hiebe. Die Landshuter Arbeiter wahren ihr HauSrecht. Landshut (Bayern ), 15. Juli. Im Anschluß an eine überfüllte sozialdemokratische Versammlung kam es hier zwischen Mitgliedern der Eisernen Front und provozierenden SA.-Leuten zu einer schweren Schlägerei. Gartenstühle, Biergläser, Krüge und Dachziegel fanden als Waffen Verwendung. Die Nationalsozialisten, die sich die Sache leichter vorgestellt hatten, wurden buchstäblich aus dem Garten hinaus- geprügelt. Später griff die Poliz?! ein und räumte die um- liegenden Straßen. Fünf Personen wurden verletzt, darunter auch zwei Polizisten.
Wo trägst du die drei Pfeile? Wie, du hast sie zu Hause gelassen? Merke dir: dos Freiheitszeichon ist kein Schmuck fllr deine Kommode, sondern du sollst es sichtbar auf der Brust tragen, und zwar nicht nur bei Versammlungen, Kundgebungen usw., sondern alle taget 1
Hungerdiktator Hitler . Fort mit der Hitler-Rotverordnung! Die nationalsozialistische Agitation drückt sich um klare Antworten auf die Fragen, die das Volk bren- nend interessieren. Sie bemüht sich, wieder einen Hehfeldzug gegen die Sozialdemokratie in Gang zu bringen, die alten Lügen vom Vaterlandsverrat der Sozialdemokratie wieder aufzuwärmen. Wir haben. diese Lügen abgestraft, wie wir alle Nazilügcn abstrafen! Wenn die Nazis aber glauben. uns mit ihrem Schwindel von der Behandlung der Fragen ablocken zu können, die für das deutsche Volk von schicksal- hasier Bedeutung sind, so irren sie sich! In diesem Wahlkampf geht es um die Ver- antwortung für das reaktionäre Kabinett der Barone, um die Verantwortung für das Hunger- diktat, das dies Kabinett der Barone dem Volke auferlegt hat! Diese Verantwortung können die Nationalsozialisten nichi von sich abwälzen! Deswegen hat Hitler noch kein Wort gegen das Kabinett Papen gesagt, deswegen hat S t r a ß e r sich geweigert, den Ueberwachungsausschuß des Reichstags einzuberufen, deshalb hat Goebbels angeord- net, daß über das Kabinelt Papen nicht geredet werden dürfe! Am ZI. Juli werden die Nazis für ihren Volksverrat zur Verantwortung gezogen! Dann wird abgerechnet mit dem hungerdiktator hiller und der h i t l e r- N o t- Verordnung! Für dos Kabinett der Barone gilt die Parole Papen finanziert Schleicher regiert Hitler diktiert! Was er diktiert, ist Hunger und Entrechtung für die Arbeiterschaft! Fort mit der Hitler -Notverordnung! Fort mit der volksverräterischen NSDAP.!
Auflösung des Thüringer Landiages. Neuwahl mit den Reichstagswahlen verbunden. Der Landtag von Thüringen beschloß am Freitag. nachmittag bei Stimmentholtimg der Deutschen Volk«partei und des Staatspartsilers mit den Stimmen oller übrigen Abgeordneten seine Auslösung zum 30. Juli und zugleich damit die Zusammenlegung der Lan-dtagswahl für den 6. Thüringer Landtag mit der Reichs- lagswahl auf den 31. Juli. Die Aenöerung der Wahlord- nung. die eine Zusammenlegung in so kurzer Frist ermöglichen soll, wurde dem Jnnemninistermn überlassen.
Oer Llniversitätsskandal. Schärfster Protest der republikanischen Swdenten. Der Deutsche Studentenverband erklärt zu dem Konflikt um die Ehrenwoche an der Berliner Universität: „Das Angebot der republikanischen Studenten, an der Ehren» wache am Gefallenendenkmal teilzunehmen, blieb ohne jede Antwort. Noch immer stellen nur die Nationalsozialisten und andere Rechtsoerbände allein die Ehrenwache für unsere ge- fallenen Kameraden. Diese einseitige Maßnahme wurde sogar i n einer Proklamation des Senats als „notwendiger und gerechter innerakodemischer Sühneokl" bezeichnet. Die erneute Schließung der Universität kann sich der Deutsche Studentenverbond sehr gut erklären, denn die Empörung über die einseitigen Anordnungen von Rektor und Senat ist unter den Stn- denten, weit hinausgehend über die Kreise des Deutschen Studenten» Verbandes, außerordentlich gewachsen. Ein Teil de« Universitätsgebäude» Ist in ein Londsknechtloger umgewandelt worden. Di«„wachthabenden" Studenten haben sich derart aufgeführt, daß sie auf Beschwerden von Personal und Beamten zurechtgewiesen werden mußten. Der Deutsche Stubentenverband sieht sich gezwungen, di« Oessent- lichkeit auf diese beschämenden Zustände an Deutschland » größter Hochschul? hinzuweisen. Nunmehr ist der Anschein erweckt, daß der Rektor die politischen Gruppen nicht mit der gleichen Ob- jektivität behandele. Der Deutsche Studentenverbond hat gegen die naklonolsozialiskischen Verleumder Strasanlrag gestellt und fordert mit aller Energie im Interesse von IS 000 arbeitswilligen kommili- tonen die Aufrechterhaltung des Lehrbetriebes bis an das Ende des Semester», sei es unter Anwendung der allerschärfsten Maßnahmen."
Eine Erklärung Gcheidemanns. Oer angedichtete Latifundienbesitz. Philipp Tcheidemann bittet uns um Abdruck folgender Zeilen: Die Zahl der Forstbeamten aller Grade, die sich in jüngster Zeit bei mir um ein« Stellung für meine„W älderin Ungarn " bewerben, wird immer größer. Um arme Teujel, die stellenlos sind, vor unnützen Ausgaben zu bewahren, fasse ich noch einmal— auch auf Wunsch vieler VertrauLnzleute im Lande— kurz zusammen, was wiederholt vor früheren Wahlen(seit 1920) in der Presse sestgestellt worden ist: Alle«, was von politischen Gegnern über meine Besitzungen geheim getuschelt, öffentlich geredet odep gar schwarz auf weiß gedruckt wird, ist(leider!) Schwindel von A bis Z. Ich besitze weder in Deutschland noch in der Schweiz , weder in Holland noch in Dänemark , weder in Schweden oder Norwegen , noch in Polen , Ungarn oder der Tschechoslowakei , oder in irgendeinem anderen Lande der Welt, Pjerd« oder Automobile, Wälder oder Felder. Güter, Häuser oder Villen. Ich wiederhole frühere öffentliche Aus- lobungcn in aller Form: wer derartigen Besitz, der angeblich mir gehört, irgendwo entdeckt, dem schenke ich ihn hiermit.
Wahrspruch des Kabinetts der Barone. Dieser Wahrspruch des Kabinetts der Barone soll nicht unter- gehen: Papen firmiert. Schleicher regiert, Hitler diktiert! Das Wort sitzt! Wenn das Kabinett der Barone weggefegt sein wird, so wird in sechs Wochen dieser Wohlspruch olles sogen, was über da» Kobinetl der Bapono zu sogen war! Im Reich»inncnministerium fand am Freitag eine Referenten- besprechung mit Vertretern der süddeutschen Länder über die geplante Neuordnung im Rundsuntwesen statt.