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Morgenausgabe

Nr. 335

A 165

49. Jahrgang

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990

Vorwärts

Berliner Bolksblatt

Dienstag 19. Juli 1932 Groß- Berlin 10 Pf. Auswärts 15 Pf.

Bentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschla

Redaktion und Berlag: Berlin SW 68, Lindenstr. 3 Vorwärts- Verlag G. m. b. H.

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Hitler toleriert Papen !

Dokumentarischer Beweis vom Zentrum erbracht.

Die Ableugnungsversuche der Nazis haben jetzt ein Ende! Das Zentrum hat einen dokumentarischen Beweis erbracht, daß die Nationalsozialistische Partei das Ka binett Papen toleriert, daß sie die Verantwortung tragen für die Taten des Kabinetts. Hier ist der Beweis, wie ihn die ,, Germania " veröffentlicht:

Zum Mittwoch, dem 3. Juni 1932, lud Reichs­tanzler von Papen Bertreter der Zentrumsfraktion des Preußischen Landtages ein, um mit ihnen über eine baldige Re­gierungsbildung in Preußen zu sprecheh. Von der Zentrumsfraktion erschienen mit dem Minister Hirksiefer der ftellvertretende Fraktionsvorsitzende Steger und der Geschäfts­führer Dr. Gra ß. Der hier zum ersten Male in der Oeffentlichkeit bekanntgegebene Inhalt dieser Unterredung wurde sofort nach der Sigung von den Vertretern des Zentrums in einem Pro­fotoll festgehalten.

zur vertraulichen Information Mitteilungen gerichtet, in denen es u. a. heißt:

,, Die NSDAP . läßt sich ihre Politik von niemandem und von nichts vorschreiben. Sie geht ihren eigenen als richtig erkannten Weg. Es muß unserer Presse und Propaganda in kürzester Frist gelingen, die Partei aus der Defensive herauszu. führen und offensiv gegen die marristischen Parteien und gegen das Zentrum in Front zu bringen. Es ist diesen Parteien ihre vierzehnjährige Bankrottpolitik auf allen Gebieten des öffentlichen Lebens nachzuweisen und es darf den schwarzroten Parteien nicht gelingen, diese Tatsache tagtäglich in die Massen hineinzu­trommeln, um aus Angeklagten zu Anklägern zu werden."

Das ist das Geständnis, daß unsere Anklagen gegen den Volks­verrat der Nazis richtig sind und daß die Nationalsozialisten in die Nach dieser Niederschrift legte der Reichskanzler den Herren Defensive gedrängt find! Sie haben versucht, mit einer Flut von dar, daß er über die fünftige preußische Regierung mit Be- Cügen und mit dem juristischen kniff der einstweiligen Verfügung auftragten Adolf Hitlers verhandelt habe und auch ju einem gemiffen Ergebnis gefommen sei. Als vorsichtiger Mann habe er sich die Bedingungen schriftlich geben lassen, unter denen die Nationalsozialisten bereit feien, mit dem Zentrum und den Deutschnationalen über eine Regierungs­bildung in Preußen zu verhandeln. Der Reichskanzler trug dann die nachstehenden Forderungen aus einem Schriftftüd vor, Idas er während der Unterredung in Händen hielt. Die Bedin­gungen lauteten:

1. Den Nationalsozialisten sind neben anderen Ressorts das Ministerpräsidium und das Innen­ministerium zuzuerkennen.

2. Die Zentrumspartei hat ihre sinnlose Oppo­sition gegen das Kabinett von Papen einzu­stellen.

Diese Bedingungen, so teilte Herr von Papen mit, würden die Nationalsozialisten dem Zentrum und ebenso den Deutschnationalen in einem Brief unterbreiten. In diesem Aufsatz erübrigt es sich, im einzelnen darzulegen, was die Zentrumsvertreter dem Kanzler erwiderten. Bon größter Bedeutung ist es aber für die angestrebte Beweisführung, daß Herr von Papen herausstelte, er sei es feineswegs gewesen, der den Nationalsozialisten nahe. gelegt habe, die Bedingung zu stellen, die Zentrumspartei folle ihre unfinnige Opposition gegen sein kabinett einstellen. Bielmehr habe er ausdrücklich gewünscht, diese Forderung möge wegfallen.

Die Nationalsozialisten seien auf diese Bedin­gung aber geradezu ,, bersessen" gewesen." Das ist ein durchschlagender Beweis! Gibt es einen deutlicheren Beweis, als daß die Nationalsozialisten das Kabinett Papen- Schleicher so sehr für ihr eigenes Ka­binett halten, daß sie ihm zur Tolerierung durch die Nazis auch noch die Tolerierung des Zentrums verschaffen Jetzt sind sie gestellt!

wollten?

Wir greifen an!

Die Nazipartei ist in der Defensive. gesteht.

-

Goebbels

Die volksverräterische Partei des Herrn Hitler versucht zu leugnen, daß das kabinett der Barone von Hitler gebilligt worden ist und daß die Nationalsozialistische Partei die volle Berant­wortung für die Hitler- Notverordnung, für die kür­zung der Renten und Unterstützungen, für die ungeheuerliche Be­

die Wahrheit unserer Anklagen zu entfräften. Es ist ihnen nicht ge­lungen und es wird ihnen nicht gelingen! Tag für Tag werden wir unsere Anklage in die Maffen einhämmern:

Ohne Hitler kein Papen! Ohne Hitler keine Hitler- Notverordnung!

Löbe nagelt Hifler fest.

Die Tolerierung von höchster Stelle bestätigt. Jhehoe, 18. Juli. ( Eigenbericht.)

In einer hiesigen Bersammlung erklärte Reichstagspräsident Löbe, er habe aus dem Munde des höchsten Beamten der Deutschen Republik bestätigt bekommen, daß die Führung der Nazis ausdrücklich versprochen habe, die Papen- Regierung zu tolerieren.

Deshalb sei es Aufgabe jedes Republikaners, immer wieder von neuem die Tolerierung der Nazis festzustellen und die ganze Judaspartei aus der Klammer nicht herauszulaffen, in die sie sich felbft begeben habe.

Heute in die ,, Neue Welt "!

Die Eiserne Front veranstaltet heute abend pünktlich 19 Uhr, eine

Wahlkundgebung

in den Räumen: ,, Neue Welt", Hasenheide Bei dieser Kundgebung wird die englische Genossin Wilkinson das Manifest der englischen Arbeiterschaft und das von den englischen Frauen gestiftete Banner überreichen.

Redner: Ellen Wilkinson , Robert Bredow, Dr. Rudolf Breitscheid , Peter Graßmann, Franz Künstler , Karl Litke , Arthur Neidhardt.

Das Demonstrationsverbot

Amtlich wird mitgeteilt:

Auf Umwegen zur Vernunft?

Am vergangenen Sonntag ist es wiederum an vielen Orten zu blutigen Zusammenstößen gekommen. In der weitaus überwiegenden Zahl der Fälle beruhen die Zusammenstöße auf Provokationen und hinterhältigen Ueberfällen von kommunisti scher Seite. Um die unmittelbare Gefahr neuer Ueberfälle auf öffentliche Umzüge zu verhindern, hat der Reichsminister des Innern mit dem heutigen

nahmen zu treffen, um Leib und Leben der Staatsbürger gegen weitere Angriffe zu schützen und die freie politische Betätigung zu sichern. Sie erwartet von allen Teilen des Volkes, die auf dem Boden des Rechts stehen, Ruhe und Besonnen­heit. Nur dann kann den bewußten Provokationen blutiger Auseinandersetzungen wirksam das Hand­werk gelegt werden.

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lastung des arbeitenden Bolles trägt. Die Führer dieser Partei aber Tage bis auf weiteres auf Grund der Zweiten Vers Fragen der Demonstrierfreiheit den Umständen nach ver­

find sich im klaren darüber, daß das Bolk sie mit Recht dafür verant­wortlich mast. Sie fühlen, daß sie durch den Volkszorn in die Ber­teidigung gedrängt find. Die Reichspropagandaleitung der NSDAP., gezeichnet Goebbels , und die Reichspressestelle der NSDAP., ge­zeichnet Dietrich, haben an alle Gaue und Gaupropagandaleiter

Solange es feine Regierung Papen gab, waren die nünftig geregelt. Hitler durfte zwar nicht mit seinen Sol­daten spielen, besaß aber, davon abgesehen, wie man weiß, sehr ausgedehnte Propagandamöglichkeiten. Was die Ver= anstaltungen unter freiem Himmel betraf, so war den er­Die Reichsregierung ist entschlossen, alle Maß fahrenen Polizeiministern der Länder ein weiter Spielraum

ordnung des Reichspräsidenten über politische Aus: schreitungen vom 28. Juni 1932 ein allgemeines Verbot von Versammlungen unter freiem Himmel und Aufzügen erlassen.