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Morgenausgabe

Nr. 337

A 166

49. Jahrgang

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Vorwärts

Berliner Boltsblatt

Mittwoch 20. Juli 1932 Groß- Berlin 10 Pf. Auswärts 15 Pf.

Bentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschla

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Hände weg von Preußen!

Nazi- Kerri fordert Reichskommissar.

Der Präsident des Preußischen Landtags , Herr Kerrl , hat an Herrn v. Papen einen Brief geschrieben, in dem er die Einsetzung eines Reichskommiffars für Preußen fordert. Zugleich wird bekannt, daß der Reichskanzler am heutigen Vormittag den Besuch der preußischen Minister Hartfiefer und Severing erwartet, mit denen er sich über innenpoli­tische Fragen unterhalten will. Herr v. Papen wird also rajch Gelegenheit haben, Farbe zu bekennen und zu sagen, wie er sich zu dem dreisten Anfinnen kerrls ftellt.

Hinter Kerrl steht selbstverständlich die Nationalsozia

Das weiß natürlich dieser Herr Kerrl genau so gut wie| zu einer Unzahl persönlicher Tragödien und politisch zu den jeder andere. Wenn er es trotzdem fertig bringt, der Sozial- allergefährlichsten Verwicklungen führen. demokratie, die täglich vor angriffsmäßigen Gewalthandlungen warnt, die Schuld an Mord und Ueberfall zuzuschieben, so zeigt er damit nur, daß er an Geist und Charakter ein an Geist und Charakter ein echter National sozialist ist!

Herr v. Papen ist aufgefordert, einen Mann von der Denkungsart der Kerrl und Röhm, der Kube und Heines als Landvogt über Preußen einzusetzen. Zwar fann man sagen, daß das preußische Volk für die tolle Land­listische Partei, die mit ihrem Verlangen nach einem Reichs: tagswahl vom 24. April eine Lektion verdient hat, doch wäre eine solche Züchtigung zu hart. Am meisten wäre die kommissar der Reichsregierung ein neues Ver= brave preußische Polizei zu bedauern, die sich mit trauensvotum ausstellt. Sie würde natürlich den faft übermenschlichen Kräften bemüht, das Leben der Staats­Reichskommissar nicht verlangen, wenn sie nicht zur Reichs- bürger zu schüßen und nach allen Seiten gerecht und un­regierung das Vertrauen hätte, daß ein von ihr einge: parteiisch zu sein. Jeder Versuch, sie zum Instrument einer fügig zeigen würde. Dieses Vertrauen der Nationalsozia- gewissenlosen Parteidiktatur zu machen, müßte listischen Partei zur Regierung Papen ist vollauf berechtigt. Desto schamloser ist die Verlogenheit der Nationalsozialisti­ schen Partei, die ihr enges Vertrauensverhältnis zu der Re­gierung Papen vor den Wählern zu leugnen bemüht ist.

segter Kommissar sich den nationalsozialistischen Wünschen ge­

Das Schreiben des nationalsozialistischen Landtagspräfi­denten besteht aus einem langen staatsrechtlichen" Teil und einem fürzeren politischen Teil. Der erste Teil ist so, daß polities er allen Studierenden des Staatsrechts als humoristisches Paradestück einer Bierzeitung empfohlen werden kann. Er gipfelt in dem ,, Beweis", daß die Mehrheit des Landtags, die einen Naziministerpräsidenten nicht will, aus ver­faffungsmäßigen" Gründen eigentlich gezwungen wäre, einen folchen Ministerpräsidenten zu dulden. Auf die Einzelheiten dieser staatsrechtlichen" Turnkunststücke einzugeben, er übrigt sich.

Etwas mehr wird jedoch über den politischen Teil des Schriftstücks zu sagen sein. Er hat folgenden Wortlaut:

mit tiefer Besorgnis habe ich weiter in den letzten Monaten beobachten müssen, wie sich die kommunistische und sozialdemokratische Propaganda unbehindert über­steigern durfte, wie in ihrer Auswirkung die Unsicherheit im Lande anwuchs und

Ueberfälle und Morde

sich von Tag zu Tag in erschreckendem Maße mehrten. Ich habe nicht die Ueberzeugung gewonnen, daß von seiten der geschäfts­führenden preußischen Regierung die ihr zu Gebote stehenden Machtbefugnisse in der Weise gebraucht worden sind, wie es zur Verhinderung des Schwindens der Staatsautorität notwendig gewesen wäre. In diesem Berantwortungsgefühl gegen­über der Mehrheit des Volkes, das der Landtag vertritt, und aus der lleberzeugung heraus, daß die Mehrheit des Volkes den be­stehenden Zustand nicht billigt, halte ich mich persönlich für ver­pflichtet, bei der Reichsregierung anzuregen, ob nicht bis zur Wiederherstellung verfassungsmäßiger Zustände in Preußen die Bolizeigewalt besser vom Reich übernommen

wird.

Der Reichskommissar in Preußen tann nicht Ordnung schaffen. Er soll nach den Wünschen derer, die ihn fordern, es auch gar nicht tun. Seine Einsetzung soll nur ein weiterer Schritt auf dem Wege zum Krieg alles gegen alle sein, der sich immer weiter ausbreitet, je mehr sich die Reichsregierung den nationalsozialistischen Wünschen ge= fügig zeigt.

Reichskommissar ist Staatsstreich tom= missar, in den Augen der verfassungstreuen Bevölkerung ein Gewalthaber ohne Recht. Reichskommissar bedeutet nicht Ordnung, sondern Chaos, nicht weniger Blut, sondern mehr

Name des Instruments, mit dem eine gewalttätige Minder­niemand fann sagen wieviel! Reichskommissar ist der heit nach der politischen Macht greift. heit nach der politischen Macht greift. Hände weg von Preußen!

Im Zeichen der Freiheit!

Massenkundgebung der Eisernen Front.

die Wahl durchgeführt wissen, damit

Der große Gedanke der Freiheit ist unbesiegbar. Er| lassen. Aber die Eiserne Front läßt sich nicht provozieren. Sie will trout jedem Verbot, und je mehr man ihn bekämpft und mit Verboten bedroht, um so sieghafter erhebt er sich. Das bewies aufs neue die große Wahlkundgebung, die gestern von der Eisernen Front in der Neuen Welt in der Hasenheide veranstaltet wurde.

Schon lange vor 19 Uhr strömten die Menschen her bei. Bald war der große Saal bis auf den letten Plak gefüllt, und dann vereinten sich die Nachkommenden in dem weiten Garten. Sie drängten sich, Alte und Junge, Arbeiter, die eben aus der Fabrik, Angestellte, die aus dem Büro kamen, und die vielen, allzu vielen Arbeits­losen, die dennoch nicht müde werden, für die Freiheit zu kämpfen.

Reichsbannerkameraden in Uniform und unsere Burschen und Mädels von der Arbeiterjugend in ihrer schmucken blauroten Tracht, gaben, in Gruppen im Garten verteilt, der großen Kundgebung ein besonderes Gejicht.

Nicht endenwollender Beifall empfing die englische Genossin Wilkinson, die das Manifest der englischen Arbeiter und das von den englischen Frauen gestiftete Banner überreichte. Ein herzlicher Empfang ward auch einer Gruppe von Dessauer Genossen zuteil, die der Berliner Arbeiterschaft mit einem großen Trans. parent die Grüße der vom faschistischen Minister heute legal" geknechteten anhaltischen Sozialdemokratie über­brachten.

3m großen Gaal.

Der Marsch der Eisernen Front", das neue Kampflied. gesungen von Arbeiterfängern auf einer Grammophonplatte und durch Lautsprecher weithin schallend übertragen, eröffnet die Rundgebung. Fanfaren des Reichsbanner- Tambourkorps schmettern, der Fahnenzug setzt sich in Bewegung. Die Genossin Ellen Wit tinson betritt den Saal, am Arm trägt sie die rote Binde mit den drei Freiheitspfeilen. Brausende Freiheitrufe schallen ihr ent­Tausende erhobener Fäuste entbieten ihr den Gruß der

So schreibt der Präsident, der es erlebte, daß seine eigene Fraktion wie eine Horde betrunkener Rowdys über eine andere Fraftion herfiel. So schreibt der Mann, dessen Partei fich täglich in Ausdrücken viehischer Roheit und in ekelhaften Drohungen mit Mord und Totschlag überschlägt! So schreibt ein prominenter Vertreter einer Partei, deren Anhänger täglich Ueberfälle auf politische Gegner und auf die Einrich tungen gegnerischer Parteien verüben, ohne daß die Partei es auch nur in einem einzigen Fall für nötig gehalten hätte, von solchen Taten öffentlich abzurücken. Der Ueberfall auf Otto Wels , der Angriff auf den Vorwärts" find ebenso wie Hunderte von Fällen ähnlicher Art von der nationalsozialistischen Parteileitung gedeckt, von der national- gegen. sozialistischen Presse beschönigt worden. Dugende von Ar- Berliner Eisernen Front! beitern sind getötet worden, wobei unzweifelhaft SA. ­Leute die unprovozierten Angreifer waren niemals hat die Führung es für notwendig gehalten, auch nur eine War- eröffnet die Kundgebung: Der erfolgreiche Vormarsch und die auf allen Fronten vorgetragene Offensive der Eisernen Front, so er­nung auszusprechen. Im Gegenteil hat sie durch eine verklärt er, haben unseren Gegnern Angst und Schreden eingejagt. logene Blutheze die Leidenschaften immer mehr gesteigert. Nur die Angst vor der Wahlniederlage und vor dem Für das meiste Blut, das bisher geflossen ist, trägt sie die Niedergang feiner Bewegung hat Adolf Hitler die Forderung nach Berantwortung. Berhängung des Belagerungszustandes erheben

Franz Künstler

aller Welt tund wird, daß auch in Deutschland die Bäume Hitlers und seiner Trabanten nicht in den Himmel wachsen. Immer wiederholte Zustimmung findet der Redner, als er feft­ſtellt, daß der Weg der Eisernen Front aufwärts, der der Hitler- Bewegung aber ab märts führe. Die Kampfentschlossen­heit, der Arbeitseifer und die aufopferungsvolle Hingabe für die große republikanische und sozialistische Sache läßt uns einen

noch größeren Stimmenzuwachs in Berlin erhoffen, als wir ihn schon bei der Landtagswahl hatten. Wenn heute ein kommunistischer Parteiredner im Moskauer Rundfunk für einen Burgfrieden zwischen der KPD . und der Sozialdemo fratie Stimmung machte, so sei dazu zu sagen: Die Einheitsfront ist da! In der Eisernen Front, dieser gewaltigen Massenbewegung der Sozialdemokraten, der Gewerkschafter und aller Freiorgani­fierten sind alle vereinigt, die den Kampf mit Entschloffenheit und Ernst zu führen gewillt sind! Brausender Beifall bestätigte diese Feststellung.

Die Abgesandte unserer englischen Bruderpartei,

Ellen Wilkinson

die gekommen war, um der deutschen Arbeiterschaft die Freiheits­grüße ihrer Landsleute zu überbringen und eine von den engli schen sozialistischen Frauen gestiftete Fahne zu überreichen, wurde mit Beifall überschüttet, als sie an das Rednerpult trat und aus­führte:

,, Deutsche Genoffinnen und Genossen, Sozialdemokraten, Kame­raden der Eisernen Front! Ich bringe euch die herzlichsten Grüße der englischen Arbeiterbewegung, der Gewerkschaften, der Arbeiter. partei und der parlamentarischen Fraktion. Besonders soll ich euch von den Arbeitern meines eigenen Wahlkreises grüßen, in dem eine ungeheure Arbeitslosigkeit herrscht, so ungeheuer, wie sie selbst bei euch in Deutschland nicht zu finden ist. 80 Pro­zent der dortigen Bevölkerung, hauptsächlich Berg- und Werft­arbeiter, find arbeitslos. Als man in meinem Wahlkreis erfuhr, daß ich nach Deutschland fahre, um hier den deutschen Genossen

unsere Grüße und Glückwünsche zu überbringen, bat man mich in einer großen Bersammlung, das tiefempfundene Kameradschaftsge. fühl gerade der Arbeiter der am schwersten betroffenen Gegend Englands besonders auszudrücken.( Stürmischer Beifall, tausend­fache Freiheits- Rufe. Die Rednerin fann minutenlang nicht weiter. sprechen und erklärt schließlich in ihrer Muttersprache ihre tiefe Ergriffenheit über die Aufnahme, die sie hier gefunden hat.)

Die Fahne, die wir euch heute überreichen, soll beweisen, daß eure Eiserne Front und unsere British Labour Barty eins sind im Denken und Wollen. Wir wissen, daß ihr für die Freiheit fämpft und nicht nur für die Freiheit, sondern auch für Wir wissen aber auch, daß die Eiserne den Sozialismus..