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Nr.339 49. Jahrgang

1. Beilage des Vorwärts

Donnerstag, 21. Juli 1932

Berlin in Erregung.

Die ersten Stunden des Belagerungszustandes.

Die Verhängung des militärischen Belagerungszu-| außerordentlich provokatorische Haltung einnahmen Sofort machten standes über Berlin und die Provinz Brandenburg hat sich aus verschiedenen Stadtgegenden Arbeiter auf und zogen nach in der Reichshauptstadt wie eine Bombe eingeschlagen. dem Regierungsviertel. Gegen 26 Uhr trafen diese Trupps, die In den Arbeitervierteln ist alles auf den Straßen; schwarzrotgoldene Armbinden angelegt hatten, Unter den Linden ein. Männer wie Frauen diskutieren erregt die Situation. Kräftig erfchollen von allen Seiten die Freiheitsrufe. Millionen heer entschlossener Frei­heitskämpfer war im Nu wie aus dem Boden ge­

Ein

stampft.

Nachdem gegen 21 Uhr der Rundfunk eine kurze Meidung über die Verhängung des Ausnahmezustandes verbreitet hatte, war bereits eine Stunde später eine

Extraausgabe des Vorwärts"

auf den Straßen. Die ersten Verteiler, die Kameraden vom Reichs­banner gestellt hatten, postierten sich gegen 2 Uhr nachmittags vor den großen Fernbahnhöfen und den wichtigsten Halteplägen der Untergrundbahn. Es wäre vollkommen unmöglich gewesen, nur einen oder zwei Berteiler an diese Brennpunkte des Verkehrs auf­zustellen. Sie wären von den nachrichtenhungrigen Massen einfach über den Haufen gerissen worden. Deshalb mußten vor den Bahn­höfen vier und fünf Flugblattverbreiter aufgestellt werden, die innerhalb fürzester Zeit riesige Stapel der Vorwärts"-Extra- L ausgabe umsetzten.

Unterdessen wuchs die Aufregung bei den Massen. Arbeiter brachten gegen 6% Uhr Augenzeugenberichte von der Verhaf tung Grzesinskis, Weiß und Heimannsbergs. Hier war kurz nach 6 Uhr ein Reichswehrhauptmann mit sechs Soldaten, die sogar mit Handgranaten bewaffnet waren, vor das Polizei präsidium am Alexanderplatz gefahren. Sie gingen zu den Amts­zimmern der Berliner Polizeileiter und erklärten Grzesinski , Weiß

Nun erst recht!

Gegen vier 1hr bereits standen auch an den entlegensten| Parole: Plägen der Groß- Berliner Außenbezirke die Flugblattverteiler der Eisernen Front. In hervorragender Weise beteiligten sich überall die Mitglieder der Arbeiterjugend an diesen Massenaktionen. Es war, als stoďte viertelstundenlang aller Verkehr in den Straßen. Jedermann blieb stehen und begann zu lesen. Aber gestern hätte auch die größte Auflage nicht ausgereicht, um jedem ein Flugblatt

Jugendkundgebung der ,, Eisernen Front am Freitag, 22. Juli, 19 Uhr, im Clou,

Mauerstraße 82

Alles für die Arbeiterklasse Alles für den Sozialismus

Referenten: Felix Kanitz , Wien und Hans Gottfurcht . Musikkorps: Neukölln. Spieltruppe: Der Querschnitt

in die Hand zu drücken. So opferten auch die Wermsten der Armen Keiner darf fehlen!

ihren legten Groschen und kauften sich eine Zeitung.

Die Arbeiter, die über die Innenstadt in ihre Wohnbezirke fahren, brachten immer neue Nachrichten in die dichtbevölkerten Außenbezirke. Hier war bereits alles auf den Straßen. Es sah aus, als fänden vor den Haustoren spontane Mieterver sammlungen statt. Buchstäblich vom Küchenherd weg waren die Frauen in ihren Echürzen auf die Straße geeilt und bestürmten die nach Hause kommenden Männer um nähere Nachrichten. Die Filialen der großen Zeitungskonzerne wurden nach Eintreffen der Abend blätter regelrecht belagert. Da nur die vordersten Reihen die aus hängenden Blätter lesen fonnten, riefen die hinten Stehenden: ,, Vorlesen, alle wollen wissen, was da los ist!" Es war wie in einer Versammlung, in der Bericht erstattet wurde. An den drastischsten Stellen wurden erregte Zurufe laut, und damit war gestern an Tausenden und Abertausenden von Stellen die Massendiskussion des werftätigen Berlin eröffnet. Auffallend war die Ruhe und die Sachlichkeit, mit der die Ereignisse be­sprochen wurden. Jeder hatte das Gefühl, daß in diesen ernsten entscheidenden Stunden nur der einheitliche Abwehrwille aller frei heitliebenden Republikaner die Dinge zu meistern vermag. Auch die Kommunisten hatten am Nachmittag ein Extrablatt herausgebracht. Der Tenor dieses Blattes war in empörender Weise gegen den Genossen Severing gerichtet. Die Arbeiter erteilten sofort die Quittung: noch gegen 8 Uhr abends standen in Neukölln die Kommunisten mit ihren Ertrablättern. Das war um die gleiche Stunde, als Auto um Auto den Hof des Parteigebäudes in der Lindenstraße verließ, um die Flugblätter für die zweite, noch größere Verteilungsaktion in die Bezirke zu schaffen.

Alarm in den Straßen.

und Heimannsberg als in Schußhaft genommen. Sofort sammelten sich an dem um diese Stunde überaus belebten Alexanderplaz große Menschenmassen, die in brausende Freiheit- Rufe ausbrachen, als Grzesinski, Weiß und Heimannsberg den Kraftwagen der Reichs­mehr bestiegen, mit dem sie in das Offiziers- Arrestlokal in der Lehrter Straße geschafft wurden. Diese Berichte gaben in den Abendstunden mehrfach Anlaß zu Gerüchten. In der Hauptsache entsprangen sie wohl der Sorge um Severing . Ueberall wurde gefragt: ,, Was wird mit Severing ?" In später Stunde trafen dann die Nachrichten ein, nach denen Severing der Gemalt gewichen war.

Hütet euch vor Provofateuren!

Gegen Einbruch der Nacht sah sich die Kampfleitung Berlin der Eisernen Front gezwungen, die dritte Flugblattverbreitung vorzu­nehmen. Unverantwortliche Elemente hatten unter Mißbrauch des Namens der Eisernen Front ein Flugblatt herausgebracht, das zum Generalstreit aufforderte. Es er­ging an die Arbeiter die Anweisung, die Provofateure fest zu stellen. Gegen 8 Uhr abends hatte übrigens die Sozialdemo­ kratische Partei einen Aufruf an die Partei herausgebracht, der ebenfalls in ganz Berlin verbreitet wurde. Kaum hatten die Autos mit den Flugblattpaketen haltgemacht, da stürzten sich schon die Massen auf die Verteiler, um neue Nachrichten zu erhalten. Es blieb nichts anderes übrig, als die Autos wieder in Fahrt zu setzen und vom Wagen aus die Aufrufe abzuwerfen. Und kein einziges Blatt blieb gestern auf dem Straßenpflaster. Jeder wollte wiffen, was die Sozialdemokratie dem republikanischen Berlin zu sagen hatte!

Vor dem Innenministerium Unter den Linden ftauten sich bereits um 16 Uhr größere Menschenmassen, hauptsäch lich Reichsbannerleute und Mitglieder der Eisernen Front". Kurz nach 17 Uhr tauchte plötzlich das Gerücht auf, daß in wenigen Minuten Reichswehr erscheinen werde, um Minister Severing zu verhaften. Es blieb aber bei dem Gerücht. Zu gern hätten die Journalisten der Rechtspresse aus dem Munde Hirschfelds vernom­men, daß Severing über einen Hinterausgang verschwunden sei. Diese Journalisten hatten plöglich Interesse für die Hinterausgänge

Inzwischen überſtürzten sich die Ereignisse. Die Nachrichten waren noch nicht bis zum Wedding, oder Hermannplay gedrungen, da waren sie bereits überholt. Die sozialdemokratischen Arbeiter des Weddings holten sofort teils ihre schwarzrotgoldenen, teils die roten Freiheitsfahnen mit den drei Pfeilen her vor und flaggten. So wehte schon um 4 Uhr über dem Wedding ein Meer von Freiheitsfahnen. Die Situation war bis zur Siedehige gespannt, als gegen 5 Uhr bedrohliche Nachrichten aus der Innen­stadt kamen. Arbeiter berichteten, daß sich vor dem Preußischen Innenministerium, Unter den Linden , Hakenkreuzler und Stahlhelmer in großer Anzahl versammelt hätten, die eine der Privatwohnung des Ministers, ihre plumpen, aber unverfenn

| baren Verdächtigungen wurden mit Bestimmtheit zurückgewiesen. Dr. Hirschfeld erklärte, daß sich vor 20 bzw. 21 Uhr nichts ereignen und Minister Severing bis zu dieser Zeit wieder im Hause sein werde. Vor dem Gebäude des Ministeriums hatten sich inzwischen immer stärkere Menschenmassen angesammelt. Bald zeigten sich auch sensationslüsterne und radaulustige Elemente mit den Abzeichen des Stahlhelms und des Hakenkreuzes. Es war unverkennbar, daß diese Trupps nach den Linden beordert worden waren, denn sie tauchten fast zur gleichen Zeit von allen Seiten auf. Die Polizei, die in großer Stärke zur Stelle war, hielt die Ruhe aufrecht.

Höchste Kampfbereitschaft.

Die Massen grüßen Braun, Severing und Grzesinski .

In den Bersammlungen der Eisernen Front, die gestern abend in allen Teilen Berlins abgehalten wurden, herrschte eine Kampfftimmung von solcher Leidenschaftlichkeit und Entschloffen­

it, wie wir fie felbſt in den letzten Wochen, da fich die Wähler um das Freiheitsbanner der Sozialdemokratie scharen, noch nicht Maffenbefuch gaben die Arbeiter und Angestellten ihre erste Antwort erlebt haben. Alle Veranstaltungen waren überfüllt, durch auf das gewaltsame Einschreiten der Papen- Regierung gegen das republikanische Preußen.

Jedem Sazze der Redner folgte ein Beifallssturm, wenn ge. childert wurde, wie Otto Braun , Carl Severing und Albert Grzesinski auf dem Posten ausharrten, auf den fie das Vertrauen des Volkes berufen hat und die sie dann unter dem Druck der Gewalt verlassen mußten. Es zeigte sich auch, wie verbunden sich die republikanische Berliner Bevölkerung mit dem gleichfalls verhaftet gewesenen Kommandeur der Berliner Schutz­polizei Hugo Heimannsberg fühlt. In mehreren Versamm lungen wurde dem Führer der Berliner Schutzpolizei durch Aus­führungen der Redner und durch Beifallsstürme der Versammelten der Dank für sein mutiges Verhalten im Interesse der Republik ausgesprochen. Die vielfachen Zurufe zeigten, daß die entzündete, aber wohldisziplinierte republikanische Wählerarmee fest entschlossen ist, das hohe Gut der Freiheit zu erhalten und da, wo es verloren gegangen ist, wieder zurückzuerobern. Der Verlauf der Kund­gebungen zeigte aber auch, daß die Massen die Parolen ihrer Führer verstanden haben. Die deutsche Arbeiterschaft begreift die Parole des sozialdemokratischen Parteivorstandes, daß es jetzt vor allem gilt, die Wahlen am 31. Juli zu sichern.

Auch die Spichernsäle, in denen vor überfülltem Raum Robert Breuer und Major Anker referierten, boten gestern abend ein begeisterndes Bild. Einigen gar zu temperamentvollen Versammlungsbesuchern rief Robert Breuer unter dem Beifall der Männer und Frauen zu: ,, Wir werden uns in den nächsten Wochen und Monaten Nerven anschaffen müssen so start wie Stahltrosse. Breuers Rede wurde immer wieder von starken Beifallstürmen unterbrochen, wenn er die Abwehr der Preußenregierung gegen das gewaltmäßige Vorgehen der Papen - Regierung fennzeichnete. Mi­nutenlange, stürmische Erregung beherrschte die Versammlung, als er schilderte, wie man Berlins Polizeipräsident Grzesinsti, den Vize­polizeipräsidenten Dr. Weiß und den Oberst Heimannsberg durch bewaffnete Reichswehr habe ins Lehrter Gefängnis bringen lassen. Immer wieder schallte aus der Mitte der Versammlung der Ruf: Es lebe Severing ".

Als der Redner ausrief: ,, Schneidet euch aus dem Vorwärts" die Säße aus, die unser Carl Severing dem Reichstanzler Papen ent gegenschleuderte, als er aufgefordert wurde, freiwillig den Platz zu räumen, den er solange im Interesse des gesamten Volkes im Geiste republikanischer Freiheit ausgefüllt hat. Diese Säge wollen wir uns ins Herz schreiben und an sie denken, wenn wir die Republik mit allem, was wir haben, verteidigen werden."

Nach dem gleichfalls mit starker Anteilnahme aufgenommenen Ausführungen des Majors Anker faßte die Versammlung ihr Treuebekenntnis zu den sozialdemokratischen Führern in einer Re. solution zusammen, in der es heißt:

,, Die Republikaner und die Mitglieder der Eisernen Front sprechen ihren Führern, den tapferen Verteidigern der Demokratie

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6 STUCK 20/

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