Nr.AZY• 49 Jahrgang
2. Beilage des Vorwärts
OomterSiog, 21. Juli 1932
Anpassung an die Armut der Nation! Dieses kapitalistische psründensystem wird von den Nazis beschirmt!
Die Schutztruppe des Grotzkopitols, die Na�is, werden von ihren Gönnern großzügig finanziert und ausgehalten. Diese wissen warum. Die Nazis stellen zwar verlogene agitatorische Anträge auf Wsgsteuerung der R i e s e n c i n k o m m e n, um ihren An- hängern Sand in die Augen zu streuen; sie dienen aber als Stoßtrupp gegen die den Kapitalismus bekämpfende Arbeiterklasse und stellen sich als Schiitzgarde vor das bankrotte großkapitalistische System. Sie verteidigen damit zugleich die unerträgliche großkaptalistische Pfründenwirtschaft.
N o t und Elend der Massen steigen ins unermeßliche. Ein Abbau folgt dem anderen. Nur„unsere Wirtschastssührer" bleiben von alldem verschont. Hier gibt es keinen Abbau, die Posten und Pfründen bleiben erhalten trotz der grotesken lieber- setzung in der Leitung der großen Gesellschasten; nach wie vor bewilligt sich diese Clique phantastisch« Bezüge. Die folgende Zu- sammenstellung, bunt ausgewählt und beliebig vermehrbar, zeigt, wie die sogenannten Wirtschastssührer sich trotz der schmersten Wirtschaftsnot und ost riesenhafter Verluste ihrer Unternehmungen ihren Lebensstandard zu wahren verstanden:
Braunkohlenbergbau Zlse Bergbau..... Eintracht AG.... . Rhein . Braunkohle... Kalibergbau Salzdetfurch-Konz..,. Burbach Kaliw. AG... Schwerindustrie Mannesmann Röhren- werke Chemie I. G. Farben...... Deutsche Erdöl AG.... Rütgerswerke AG.... Oberschles. Kokswerke u. Chem. Fabriken AG... Papierindustrie Feldmühle AG ...... Zellstofsabrik Waldhof.. ZNaschinenbau Schubert& Solzer•.• Zill. Pintsch AG..... Akkumolotorenf. AG... Textitindustric Kammgarnspinn. Stöhr. Glanzstoff und Beinberg. Baumwollind. Erlangen . Berlin -Gubener Huts. Schuhindustrie Salamander AG.... Conrad Tack AG.....
Gesamte- Perwal- tungskosten (Vorstand u. Aufsichtsrat)
411 125 369 256 644 855 1265 263 631 325
953 734 7 006 216 632 400 482 000 486 106 902 266 526 200 673 627 403 000 846 900 306 900 678000 154 320
880 000 337 090
2 3 5 10 4
Vorstand | Durch. | Ichniils. i gchalt rund pro Kopt
Bezüge
257 000 211 000 323 000 1000 000 337 200
878 000
43 5 979 719
582 000 450 000 zirta 450 000 820 000 480 000 574 627 373 000 440.100
130 000 70 000 65 000 100 000 85 000
125 000 140 000 120 000 75 000 75 000 103 000 100 000 145 000 125 000 110 000
270 900 90 000 — ca. 80 000 137 320 ca. 70 000 219 244 110 000
12(!) 800 000 5 1 357 000;
80 000 71 500
Die durchschnittliche Vergütung pro Dorstands- Mitglied beträgt bei den aus zahlreichen Branchen ausgewählten 39 Gesellschasten über 100 000 Mark, die Generaldirektoren ollein beziehen vielfach das Doppelte bis zum Dreifachen. Zluch die Aufsichtsratsposten werden noch immer nobel bezahlt. Der deutsche Chemietrust bewilligte seinem Austichtsrat insgesamt 1,6 Millionen, pro Mitglied über 20 000 Mark, die großen Kalikonzerne bewilligen ihren viel zu großen Aufsichtsräten 10 000 Mark, die größeren Braunkohlengefellschaften ninb 15 000 Mark. Bei Gesellschaften mit noch relativ günstigen Abschlüssen (Dessauer Gas. Continental Gummi, Akkumulatorensadrik Berlin ) erhalten die Austichtsratsmitglieder 30 000 Mark und mehr a l s Nebeneinnahmen zur Haupttätigkeit. Die 2 8 5 Direktoren der Aktiengesellschaften unserer Ta- belle beziehen allein an ausgewiesenen Vorstandsbezügen ins- gesamt mehr als 30 Millionen Mark. Dazu kommen die Neben-
einnahmen aus Leitung und Aufsichtsrotsmandoten bei Tochter- gesellschasten und befreundeten Unternehmungen. Repräsentatinns- kosten usw. Man wird die Gesamteinnahmen dieser 25 5 Direktaren mit 70 Millionen Mark kaum zu hoch taxieren. 300 Generaldirektoren verdienen mich heute noch so viel wie etwa 100 000 in kurzarbest stehende Arbeiter. So sieht die Anpassung an die„Armut der Nation" bei den„W irtschastsführern" aus. Dieses Pfründensystem einer unsähigen großkapitalistischen Clique wird vam deutschen Faschismus verteidigt. Gegen dos kapitalistische Wirt- schaftssystem. das aus der einen Seite«ine derartig schamlose und ausreizende Bereicherung schaift, aus der anderen Seite der Mehr- heit der Bevölkerung schwerste Entbehrungen und ärgste Not aus- erlegt, kämpft allein die Sozialdemokratie!
Reichskuraiorium für Wirifchastlichkeii. Tätigkeitsbericht für 1931. Das Reichskuratorium für Wirtschaftlichkeit zeigt in seinem Tätigkeitsbericht für das Jahr 1931, daß es sein im Vorjahr ge- gcbenes Versprechen, die ganze Rationalisierung mehr von der Seite ihrer Auswirkungen aus zu betrachten, wahr zu machen gewillt ist. Es finden sich hier und da gute Ansätze, die mit der Zeit Erfolge bringen können. An sich ist es natürlich, daß sich der Aufgabenkreis des Reichs- kuratoriums für Wirtschaftlichkeit(RKW.) mit dem Verlaus der Krise verschieben mußte. Zwei Dinge treten hier besonders in den Vordergrund: die Wirkungen der Rationalisierung auf den Menschen und die Wirkungen der Rationalisierung aus die Kosten und die Arbeitsmörkte. Gerade hinsichtlich des zweiten Punktes wäre eine tiefgehende Untersuchung begrüßenswert, die ober dann nur Zweck hat, wenn sie objektiver durchgeführt wird als die Arbeit, mit der dos Konjunkturforschungsinstitut vor einigen Togen die Oeffentlichkeit überraschte. Im Mai 1931 wurde aus Vertretern der Arbeitgeber, Arbeit- nehmer, der Behörden und der Wissenschast die A r b e i t s g e- meinschaft Mensch und Rationalisierung geschaffen. Ihre Arbeiten umsassen drei große Gebiete: Die Rationalisierung und die Arbeitslosigkeit, die Berufseignung einschließlich Eignungs- feststellung und die psychologische und physiologische Auswirkung aus den Menschen. Aus dem Gebiete der Berusseignung laufen zur Zeit eingehende Untersuchungen über die Auswirkungen der Eignungs- feststellungen im Zusammenhang mit der Frage der Qualitätsarbeit. Im Rahmen der Frage des Siedlungswesens wurde vor ollem die Auswahl und die Schulung der Siedler behandelt. Im Gegensatz zu den mehr auf Speziolfragen gehenden Ar- beiten der Fachausschüsse werden durch die b r a n ch e n m ä ß i g e n Betriebsuntersuchungen die aus die Hebung der Wirt- schastlichkeit ganzer Wirtschastszweige gerichteten Aufgaben in allen ihren Zuiommenhängen ersaßt. Bei diesen Untersuchungen dient das RKW. in Zusammenarbeit mit den Wirtschoftsverbänden unter Förderung durch den Reichsverband der Deutschen Industrie als so- genannte Arbeits- und Vertrauensstelle. Branchenmäßige Betriebs- Untersuchungen sind bisher vom RKW. u. o. in einzelnen Zweigen der Landwirtschast, in der Industrie der Steine und Erden, in d-r Eisen- und Stahlwarenindustrie, in der Industrie der Meß-
instrumente. in der Papierindustrie, im Bernielfältigungsgewerb«. in der Lebensmittelindustrie, in der chemischen Industrie sowie im Groß- und Einzelhandel durchgeführt worden. Die parallel gerichteten Be- triebsvergtelche im Handel werden mit Unterstützung de» RKW. von der Forschungsstellc für den Handel durchgeführt.
Herrmann Gerfon bleibt« Der endgültige Vergleichsvorschlag. Die Modewarenfirmo Herrmann Gerson unterbreitet ihren Gläubigern jetzt den endgültigen Vergleichsvorschlag, der das sür die Angestellten wichtigste und begrüßenswerte Ergebnis hat, daß das Geschästshaus Werderscher Markt 5/6 un v e r ä n- dert sortgeführt wird. Allerdings bedarf dieser Vorschlag noch der Annahme durch die Gläubiger: doch daran ist noch dem bisherigen Verlaus der Verhandlungen kaum zu zweifeln. Es ist vorgesehen, daß die offene Handelsgesell- s ch a s t Herrmann Gerson liquidiert wird. Das Warenlager geht aus die Herrmann Gerson G.m.b.H. über. Diese G.m.b.H. besteht schon seit dem Jahre 1926 und hat bisher nur die kleinen Strumpfgeschäfte im Westen geführt: sie wird jetzt auch das Geschästshaus am Werderschen Markt fortführen. Für die Gläubiger sieht der Vergleichsvorschlag vor, daß die Forderungen bis zu 100 M. innerhalb eines Monats voll ge- zahlt werden. Danach erhalten die anderen Gläubiger 30 Proz. ihrer Forderungen: sine Ausschüttung hat immer dann zu er- solgen, wenn 2,5 Proz. der Forderungen aus den Erlösen für das Warenlager zur Verfügung stehen. Danach erhalten die dinglich gesicherten Gläubiger 30 Proz. ihrer Ausfallsfnrderungen. Sollte dann noch ein Ueberschuß aus dem Verkauf des Warenlagers vorhanden sein, so wird er auf die Gläubiger gleichmäßig verteilt. Stickstoff-Zniernaiionale fertig. Vorläufige Verständigung zwischen Europa und Chile . Nach langen Verhandlungen in Paris und London ist jetzt eine vorläufige Verständigung zwischen den europäischen Produzenten und den Chilenen zustande gekommen.
Im vorigen Jahre war ein W e 1 t k a r t e l l der Stickstoffprodu- zenten ouseinandergefallen. Die Folge war ein erbitterter Kampf um den Weltmarkt, der zu einem katastrophalen Preissturz bei rückläufigem Absatz führte. Auf der anderen Seite suchten die Produzenten jedes Landes ihre eigenen Produkte zu erhöhen, so daß eine riesige U e b e r p r a d u k t i o n in der Welt entstand. Dos Kartell zwischen den Industrien Deutschlands , Englands und Nor - wegens wurde dann in Paris zu einer europäischen Ein- heitsfront gegen Chile ausgebaut. Die Chilenen kämpften er- bittert um einen größeren Anteil am Weltexport: denn Chiles Wirtschaft und Finanzen stehen und fallen mit dem Stick- stossexport. dafür lieferten die letzten Umstürze in Chile eine beut- liche Jllustratian. Der Kampf ums Gold. Amerika verlor in einem Jahr für 4,6 Milliarden M. Gold. Der Kampf ums Gold scheint vorläufig zu einem gewissen Abschluß gelangt zu sein. Die Vereinigten Staaten haben in knapp einem Jahre den ungeheuren Betrag von 1,1 Mil- liarden Dollar(ein Dollar gleich 4,20 M.) oder 4,6 Milliarden Mark an Gold abgeben müssen. Das ist die größte W e r t b e- w e g ii n g. die die Welt in einem Jahre je erlebt Hot Da aber die kurzfristigen Guthaben der ausländischen Banken in den Ver- einigten Staaten auf wenig mehr als 700 Mill. Dollar veranschlagt werden, ein Betrag, der zur Durchsührung der wirtschastlich notwen- digen Geldbewegungen für unbedingt nä.tig erachtet wird, da serner höchstens die Bank van England noch nennenswerte Gold- betröge abzjphen kann, so dürsten die Geldabwanderungen aus Am«- rika ihr Ende erreicht hoben. Ja, man rechnet in Amerika sogar schon wieder mit Geld zu Wanderungen, die gegen Ende dieses Jahres erwartet werden. Trotz dieser hohen Verluste versügen die Vereinigteg Staaten immer nach über den hoch st en Goldbestand unter allen Ländern, nämlich über insgesamt 3920 Mill. Dollar oder 16.5 Mil- liarden Mark, lieber die Entwicklung des Goldbestandes, des Papier - geldumlauses und der Bankdepositen hat kürzlich der Natianalökonom der größten Bank der Welt, der Chase National Bank. Dr. Ander- s a n, eine Zusammenstellung gemacht. Danach sind die Goldbestände der amerikanischen Notenbanken und des Schatzamtes van 3,7 Milliarden Dollar am 30. Juni 1928 auf 4,6 Milliarden Dollar am 30. Juni 1931 angewachsen und aus 3,5 Milliarden Dollar am 15. Juni 1932 zurückgegangen. Der P a p i e r g e ld u in l a u s ist von 1928 bis 19.32 von 4.0 Mill-arden Mark aus 4,6 Milliarden Mark angestiegen. Durch Gold gedeckt mar der Papiergeldumlouf im Jahre 1928 zu 94 Proz., im Jahre 1931 zu 114(!) Praz, aM 15. Juni 1932 immer nach zu 75 Proz. Die Schwierigkeiten des amerikanischen Banksystems, das Mißtrauen der Bevölkerung in die Zahlungebereitschast der Banken zeigen sich darin, daß die täglich sättigen Depositen alter Banken van 24,9 Milliarden Dollar im Jahre 1928 aus 18,8 Milliarden Dollar im Juni 1932 zurückgegangen sind. Die Goldversorgung Amerikas ist also ihrer absoluten Höhe nach wie im Verhältnis zum Popiergeldumlauf und zu den täglich fälligen Geldern immer noch außerordentlich g ü n st i g. Profitiert von den großen Goldabwanderungen haben vier Länder: Frankreich , die Schweiz , Belgien und Holland . Frank- r e i ch s Goldbestand hat sich im letzten Jahre um fast eine Milliarde Dollar auf 3.2 Milliarden Dollar erhöht. Der s ch w e i- z e r i s ch e Goldbestand hat sich auf 503 Mill. Dollar, der h a l l ä n- dische aus 394 Mill. Dollar und der belgische auf 353 Mill. Dollar erhöht. Englands Goldnorrat hat mit 663 Mill. Dollar sich kaum verändert, während Deutschland im letzten Jahre mehrmals eine halbe Milliarde Mark Gold verlor: der deutsche Goldbestand beträgt zur Zeit 754 Mill. Mark. Die großen Goldbestände in einzelnen Ländern für die Welt- Wirtschaft wieder fruchtbar zu machen, darüber wird die Lon- doner Weltwirtschaftskonserenz im Herbst ebenfalls zu beraten hoben. Neue Znflationsgesehe in LtGV. Hoover protestiert.— Eine Vankreform. Der amerikanische Kongreß hat kurz vor seiner Vertagung bis Dezember eine Bill angenommen, die den einzelnen Staatenbonken (Notenbanken) die Erlaubnis gibt, gegen Deckung durch Staatsan- leihen den jetzigen gesamten Notenumlauf von 5,7 Milliarden Dollar um eine Milliarde zu erhöhen. Präsident Hoover hat offiziell erklärt, daß er das Gesetz auf keinen Fall unterzeichnen werde, bevor nicht ein Gutachten des Währungskontrolleurs über das Gesetz vorliege. Weiter hat der Kongreß eine Aenderung des Notenbankgesetzes beschlossen, die allerdings mehr Vernunft hat. Sie bezweckt die Gewährung von direkten Wechselkrediten an Privat- Personen und Gesellschasten, wenn füns Mitglieder des Federch Reserve Boards dem zustimmen. Bisher wurden Wechselkredite nur indirekt, d. h. durch Vermittlung der Mitgliedsbanken des aineri- konischen Bankensystems gewährt.
Zndustrieobkommen zwischen Großbritannien und Kanada . Die seit längerer Zeit schwebenden Verhandlungen zwischen den Ver- tretern der britischen und der kanadischen Eisen- und Stahlindustrie haben zum Abschluß eines Ilebereinkommens gesichrt Das Ergebnis wird als ein glückliches Vorzeichen sür die Reichskonserenz in Ottawa angesehen Man erwartet, daß dos Abtommen eine Cr- höhung der britischen Einfuhr von Eisen und Stahl nach Kanada ermöglichen wird. ver österreichische Außenhandel. Der Wert der Einfuhr nach Oesterreich betrug im Juni ll8.0 Will. Schilling, der Wert der Aussuhr 64,7 Mill. Schilling, so daß sich ein Passivum von 53,3 Mill. Schilling ergibt. Gegenüber dem Mai ist dos Pasiivum um 2,6 Mill. Schilling und gegenüber dem Juni des Vorjahres um 38,4 Mill. Schilling zurückgegangen. Im ersten Halbjahr 1932 war die Einsuhr gegenüber dem gleichen Zeitraum des Vorjahres um 358,4 Mill.,' die Ausfuhr um 280,5 Mill. Schilling geringer. Da? Passivum beträgt 368.6 Mill. Schilling und ist damit um 77,9 Mill. Schilling niedriger als im ersten Halbjahr 1931.