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BERLIN Sonnabend

23. Juli 1932

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Der Abend

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Nr. 344

B 167 49. Jahrgang

Vor dem Staatsgericht

Die Klage der Länder gegen die Papen - Regierung

Leipzig , 23. Juli. ( Eigenbericht.)

Vor dem Staatsgerichtshof des Deutschen Reiches wird heute verhandelt über die Klage der recht­mäßigen geschäftsführenden Regierung Preußens gegen die Reichsregierung und den von ihr eingeseh­ten Reichskommissar. Diese Klage Preußens, der sich auch in ihren wesentlichen Teilen der Länder Bayern und Baden angeschlossen haben, fordert die Erklärung, daß die Einsehung eines Reichskommissars auf Grund des Artikels 48 der Reichsverfassung nicht gerechtfertigt und alle daraus folgenden weiteren Handlungen verfas sungswidrig seien.

Außerdem hat die verfassungsmäßige geschäfts: führende Regierung Preußens eine einstweilige Verfügung des Staatsgerichtshofes gefordert, die der Reichsregierung und dem Reichskommissar bis zur endgültigen Entscheidung des Staatsgerichts­hofes über die Verfassungsmäßigkeit ihrer Maß nahmen weiteres Amtshandeln unter: sagen soll.

Den Vorsik im Staatsgerichtshof führt der aus dem Urlaub zurückgekehrte Präsident des Reichs­gerichts, Bum ke, als Beisitzer fungieren die Reichs­gerichtsräte Schmit, Triebel und Dr. Schwalb, ferner die Oberverwaltungsgerichtsräte Dr. von Müller Berlin , Dr. Güm bel- München und Dr. Striegler Dresden .

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Die Klage Preußens wird von dem Ministerial. direktor Badt vertreten, außerdem haben die Landtagsfraktionen der Sozialdemokratie und des Zentrums, die sich der Klage ausdrücklich angeschlossen haben, besondere Vertreter entsandt.

Die Reichsregierung hat den früheren deutsch­nationalen Landrat und jetzigen Ministerialdirektor im Reichsinnenministerum, Gottheiner, mit ihrer Vertretung beauftragt.

Der Beginn der Verhandlung.

In der bereits gemeldeten Besetzung betrat der Staatsgerichts hof unter Führung des Vorsitzenden, des Reichsgerichtspräsidenten Dr. Bumfe, furz vor 11 Uhr den Sigungsfaal. Der Vorsitzende machte zunächst den Staatsgerichtshof mit den Vertretern der fla­genden Parteien bekannt. Der Klage des preußischen Staats­ministeriums haben sich die Fraktionen der Sozialdemokratie und des Zentrums angeschlossen.

In der heutigen Sigung handelt es sich, wie der Vorsitzende mit­teilte, ausschließlich um den

Erlaß einer einstweiligen Verfügung. Dr. Bumke machte dann darauf aufmerksam, daß es das erste mal sei, daß der Staatsgerichtshof in dem großen Saale tage. Er bitte die Zuhörer, die Sizung nicht zu stören. Jede Störung würde auch dazu führen, den Interessenten von draußen das aus der Ver­handlung kommende Bild zu stören. Der Vorsitzende wies auch noch auf die schlechte Akustik hin, weshalb namentlich auch auf die hier besonders erschwerte Aufgabe der Presse Rücksicht genommen werden möge.

Dann erhielt der Berichterstatter Reichsgerichtsrat Schmit das Wort zur Darstellung der Sachlage. Er machte zunächst mitteilung von dem Inhalt der Verordnung des Reichspräsidenten pom 20. Juli und von dem Antrag der preußischen Regierung, auf dem Wege der einstweiligen Verfügung anzuordnen, daß der auf Grund der Berordnung vom 20. Juli eingesetzte Reichskommissar für Preußen einstweilen jeder Dienstausübung sich zu enthalten habe". Ueber den Hauptantrag, daß nämlich die Einſegung des Reichs­fommissars als mit den Bestimmungen der Reichsverfassung nicht in Einklang stehend zu bezeichnen sei," fönne selbstverständlich heute nicht verhandelt werden. Trogdem aber müsse der Hauptantrag in feinen wesentlichen Grundzügen vorgetragen werden. Der Streit

Robert Breuer verhaftet

Auf Grund der Denunziation eines Spitzels

Amtlich wird mitgeteilt:

Der Militärbefehlshaber von Groß- Berlin und Provinz Brandenburg hat am 22. Juli 1932 gegen die Reichsbannerführer Major a. D. Anker und Robert Breuer Schuhhaftbefehl erlassen. die beiden Genannten sind, wie sich aus einem Artikel der Berliner Börsen- Zeitung" vom 21. Juli 1932 und einer Vernehmung des Berichterstatters der genannten Zei­tung ergeben hat, dringend verdächtig, in einer Versammlung der Eisernen Front" zur Illega lität aufgefordert zu haben. Dadurch haben sie die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährdet. Gegen die Genannten wird wegen Zu­widerhandlungen gegen die Verordnungen des Reichspräsidenten und des Militärbefehlshabers vom 20. Juli 1932 bei der zuständigen Staatsanwaltschaft Strafanzeige erstattet.

Robert Breuer wurde in den heutigen Vor­mittagsstunden festgenommen. Der Reichsbanner­

zwischen Preußen und dem Reich drehe sich darum, ob die Ein­segung eines Reichskommissars mit dem Artikel 48 der Reichs­verfassung in Einklang stehe.

Ein verfassungsrechtlicher Streit liege vor.

Der Staatsgerichtshof sei an sich für die Entscheidung zuständig. Das preußische Staatsministerium mache geltend, daß auch ein im Rücktritt befindliches Staatsministerium die Geschäfte weiterzuführen habe, und daß zu diesen Geschäften hier im besonderen Falle die Vertretung Preußens vor dem Staatsgerichtshof gehöre. Damit ſei die Frage der Aktivlegitimation der ehemaligen preußischen Regierung aufgerollt.

In dem Klageantrag werden dann, so fährt der Berichterstatter fort, der Begriff der laufenden Geschäfte dargelegt. Dieser Teil der Sachdarstellung kommt zu dem Schluß, daß auch ein zurücktretendes Staatsministerium alles das zu tun habe, was das Wohl des Staates erfordere. Dazu gehört nach Ansicht des flagen­den Staatsministeriums auch die

Abwendung alles deffen, was eine verfassungsmäßige Regierung des Landes auszuschalten geeignet fei.

Zur Sache selbst ist zu sagen, daß der Reichskommissar nach Ansicht der flagenden preußischen Regierung zu Unrecht auf Grund

führer Major a. D. Anker, gegen den ebenfalls ein Schutzhaftbefehl vorlag, hat sich, bevor ihn der Haftbefehl erreichen konnte, nach Darmstadt begeben. Da der Schutzhaftbefehl nur für den Bereich Groß- Berlin und die Provinz Brandenburg Geltung hat, und ein richter­licher Haftbefehl nicht vorliegt, ist es nicht mög­lich, Anker in Darmstadt festzunehmen.

Robert Breuer im Polizeipräsidium.

Genosse Robert Breuer ist nach seiner Verhaf tung zum Polizeipräsidium gebracht worden, wo er einem Dauerverhör unterworfen wird.

Endlich Sprecherlaubnis.

Am Mittag erhielt Rechtsanwalt Neumann die Erlaubnis, mit Genoffen Breuer zu sprechen.

( Siehe auch 2. Seite.)

des Artikels 48 der Reichsverfassung eingesetzt wurde. Weder der erste, noch der zweite Absatz dieser Bestimmung der Verfassung träfen hier zu. Nach Absatz 2 des Artikels 48 müsse entweder die öffentliche Ordnung oder die öffentliche Sicherheit gestört sein. Andererseits sei erforderlich, daß die Maßnahmen, die der Reichs­präsident auf Grund des Artikels 48 treffe, zur Wiederherstellung dieser gestörten Verhältnisse notwendig seien.

Ein zurückgetretenes Staatsministerium könne dieselben Auf­gaben wahrnehmen, wie ein Ministerium, das vom Vertrauen der Barlamentsmehrheit getragen werde. Endlich werde von der An­tragstellerin vorgetragen, daß auch die Finanzlage des Frei. staates Preußen die Bestellung eines Reichskommissars nicht rechtfertigen könne. Der Schriftsah komme zu dem Schluß, daß die Voraussetzungen des Artikels 48 für die Einsetzung eines Reichs­tommissars nicht vorlägen und daher die Einsetzung des Reichs­kommissars der Verfassung widerspreche. Die von dem Reichs­fommissar vorgenommenen Regierungsmaßnahmen hätten daher feinen Anspruch auf rechtliche Beachtung. Da es unter diesen Umständen unumgänglich sein würde, daß wider­sprechende Anordnungen ergehen, sei eine ordnungsmäßige Ver­waltung nicht mehr möglich. Die schweren Folgen könnten nur dadurch verhütet werden, daß der Staatsgerichtshof eine einst­weilige Verfügung im Sinne des Antrages treffe.

Gottheiner

Dr. Bumke Vorsitzender des Staatsgerichtshofs

Dr. Badt

der Vertreter Preußens

der Vertreter der Reichsregierung