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BERLIN Dienstag 26. Juli 1932

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Der Abend

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Nr. 348

B 169

49. Jahrgang

Belagerungszustand aufgehoben!

Sechs Tage Vorgeschmack vom Dritten Reich! Antwortet am 31. Juli: Liste 1

Der Belagerungszustand ist ab 12 Uhr mittags aufgehoben. Die Verordnung des Reichspräsidenten darüber lautet:

,, Auf Grund des Artikels 48 der Reichsver­

Ordnung in Preußen?

fassung verordne ich: Die Verordnung betreffend die Hitlerbanden pfeifen auf Gefeh.- Schwerster Wahlterror in Schleswig- Holstein

Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in Groß- Berlin und Provinz Brandenburg vom 20. Juli 1932( Reichsgesetzblatt 1 S. 377) wird mit Wirkung vom 26. Juli 1932, 12 Uhr mittags aufgehoben. Die auf Grund dieser Verordnung durch den Inhaber der vollziehenden Ge­walt ausgesprochenen Verbote periodischer Druckschriften werden hierdurch nicht be.

rührt.

Neudeck und Berlin , den 26. Juli 1932.

Der Reichspräsident gez. von Hindenburg. Der Reichskanzler gez. von Papen. Der Reichsminister des Innern gez. Frhr . von Gayl. Der Reichswehrminister gez. von Schleicher.

Nachdem die militärische Eroberung Preußens ebenso glücklich wie glorreich beendet ist, hat das Reichskabinett folgerichtig den Belagerungszustand wieder aufgehoben. Berlin und Brandenburg stehen somit ab heute mittag 12 Uhr nicht mehr unter dem Kommando des General von Rund­stedt, sondern nur noch unter dem Regime des Oberbürger­meisters Bracht und jener Notverordnungen, auf Grund derer der Vorwärts" schon lange vor dem Belagerungs­zustand verboten worden war.

Die sechs Tage Belagerungszustand vom 20. bis 26. Juli 1932 werden für alle Zeiten unvergessen bleiben. Die Ueber­raschungseffekte des Mittwoch mit militärischen Aufmärschen gegen mißliebige Minister, die darauf folgenden Zeitungs­verbote, Verhaftungen, Haussuchungen werden ein ansehn­liches Kapitel der deutschen Geschichte füllen und dieses Kapitel wird wenig ehrenvoll für die Angreifer, desto ehren­voller aber für die Angegriffenen, die Sieger von morgen, sein!

Es steht nun beim deutschen Volfe, am 31. Juli unter dieses Kapitel einen fräftigen Schlußstrich zu ziehen. Kommen die Nazis zur Macht, dann waren die sechs Tage nur ein fleiner Vorgeschmack dessen, was noch kommen soll. Wir denken jedoch, daß dem deutschen Volk die Kostproben aus Bapens Küche genügen werden, um ihm auf alle Zeiten den Geschmack am Dritten Reich zu verderben.

So wird der Belagerungszustand zum Propagandamittel

für uns!

Das Militär zieht ab.

Der Abschied von der Wilhelmstraße.

Die Aufhebung des Ausnahmezustandes trat um 1 Uhr mittags sichtbar in Erscheinung. Vor dem Reichspräsidentenpalais in der Wilhelmstraße fuhren zwei Lastautos mit Reichswehr soldaten vor, die nun aus dem Palais allerhand Waffen, gefüllte Säcke usw. herausholten, auf die Wagen verluden. Sie fuhren da­mit ab, nachdem die Zivilangestellten des Präsidentenpalais die Ab­schiedsgrüße mit Berbeugungen erwidert hatten.

Reichsbannerbundeszeitung erscheint wieder.

Der 4. Straffenat des Reichsgerichts hat in seiner heutigen Ber­handlung über die Beschwerde der Schriftleitung der Bundeszeitung ,, Das Reichsbanner" entschieden, daß der Beschwerde nicht stattgegeben werden kann, hat jedoch die Verbotsfrist bis auf Donnerstag, den 28. Juli, begrenzt, so daß die nächste Nummer der Bundeszeitung ,, Das Reichsbanner" am fom­menden Sonnabend wieder erscheinen fann.

In der Provinz Schleswig- Holstein äußert sich die| Ruhe und Ordnung der Nazis in ungewöhnlicher Weise. Seit Tagen durziehen die Nationalsozialisten in großen Haufen die Straßen der Städte und Dörfer und pfeifen auf das Demonstrationsverbot. Ver­sammlungen der Eifernen Front werden überfallen und unmöglich gemacht.

Die Zahl der Zusammenstöße, ja selbst die Ziffern der leichter und schwerer Verlegten werden kaum noch gezählt.

Der Naziterror herrscht auf der ganzen Linie. 3u wesentlichen Zusammenstößen tam es in den letzten Tagen in Elmshorn , wo die Nazis in unverschämter Weise Flugblattverbreiter provozierten.

demokratischen Mehrheit verwalteten Friedrichkoog( Kreis Suder­Wie die Bestien hauften die SA. - Leute in dem von einer fozial­Dithmarschen) an der Nordseeküste. Am Montagabend follte in Friedrichskoog eine Bersammlung der Eisernen Front stattfinden mit der Spitzenkandidatin für Schleswig- Holstein , Reichstagsabge­ordnete Cuise Schröder als Rednerin. Im Versammlungs­lokal haften sich Hunderte von auswärtigen SA .. gar nicht stattfinden zu lassen. Leuten eingefunden in der bewußten Absicht, die Versammlung

Als die Rednerin erschien, begannen die Nationalsozialisten ein wüstes Geschrei. In Anbetracht des Terrors der Nationalsozialisten mußte die Rednerin ihre Fahrt fortsetzen.

Als sich das Auto mit der Genossin Schröder wieder in Bewegung setzte, wurde es mit Steinen beworfen und Schüsse darauf abgegeben. Sodann stürzten sich die auswärtigen S.- Banden mit Pistolen, Dolchen und Totschlägern auf die ortansässigen Reichsbannerleute. Der Reichsbannerkamerad Jäger aus Friedrichskoog wurde

von den Hitler- Mordbestien erstochen, mehrere andere Reichsbannerkameraden schwer verletzt. Der Amtsvorsteher von Friedrichskoog teilt mit, daß nach seiner Ansicht die Versammlungssprengung von den Nationalsozialisten systematisch vorbereitet war.

Der Gauvorstand des Reichsbanners hat an den Reichs. präsidenten und Reichsinnenminister Protest­telegramme geschickt.

Das Dritte Reich.

In Braunschweig wird Hausschuh bestraft.

Braunschweig , 26. Juli. Die am Sonntag im Wohnblock Bebelhof verhafteten 84 Reichs­bannerleute, die als Hausschuh gegen angekündigte nationalsozialistische Ueberfälle herbeigerufen waren, wurden gestern vor das Schnellgericht gestellt.

59 Angeklagte wurden wegen Teilnahme an einer unerlaubten Versammlung" zu drei Tagen Haft oder 15 Mark Geldstrafe ver=

urteilt.

Robert Breuer noch in Haft!

Erst Schutzhaft, dann Polizeihaft.- Wie die Haft künstlich verlängert wird!

zur Eröffnung der Boruntersuchung führen wird, steht noch nicht feft. Meldungen, die davon wissen wollen, daß der Oberreichsanwalt bereits heute die Eröffnung der Voruntersuchung durch den Unter­fuchungsrichter des Reichsgerichts beantragen werde, entbehren jedenfalls der Grundlage.

Heute mittag um 12 Uhr ist der Belagerungs -| daraufhin das Ermittlungsverfahren eingeleitet. Ob dieses zustand außer Kraft getreten. Mit diesem Zeitpunkt ist automatisch die über den Genossen Robert Breuer verhängte Schuthaft hinweggefallen. Trotz dem ist Genosse Breuer nicht in Freiheit ge­setzt worden! Die Polizei hat vielmehr Breuer unter dem Verdacht, daß er sich einer strafbaren Handlung schuldig gemacht habe, vorläufig fest= genommen und wird ihn jetzt dem Vernehmungs­richter zuführen.

Dies hätte schon längst geschehen können, um so mehr, da während der Schukhaft Zeugenvernehmun gen durchgeführt worden sind. Wir protestieren auf das entschiedenste gegen diese Methode der Haftver­längerung gegenüber einem Manne, der lediglich das Opfer einer niederträchtig verlogenen Denunziation geworden ist!

Die Rechtsbeistände Breuers werden alle Schritte ergreifen, um seine Freilassung herbeizuführen.

Oberreichsanwalt dementiert.

Ceipzig, 26. Juli. Die Hochverratsanzeige gegen den Schriftsteller Robert Breuer ist beim Oberreichsanwalt eingegangen. Der Oberreichsanwalt hat

Dr. Bracht regiert.

Eine Anweisung an die neuen Männer.

gerichtet: Die einschränkenden Bestimmungen auf dem Gebiet der Dr. Bracht hat an alle Landespolizeibehörden folgenden Erlaß Vereins-, Versammlungs- und Pressepolizei sind erlassen worden, um die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu gewährleisten und dem vielfach zutage getretenen Mißbrauch Peine Handhabe dazu bieten, die gesetzmäßige Betätigung der politischer Rechte nachdrücklich entgegenzutreten. Sie dürfen aber Staatsbürger zu verhindern oder einzuschränken, insbesondere die Wahlfreiheit zu beeinträchtigen. Sie sind unparteiisch und gerecht anzuwenden; dazu gehört auch, daß jede kleinliche oder schitan öse Handhabung unterbleibt. Bestehen im Einzelfall Zweifel darüber, ob die Voraussetzungen für die Anordnung einer Beschränkung gegeben sind, so ist von der Maß­nahme abzusehen, gegebenenfalls Entscheidung des gierungspräsidenten einzuholen. Mit der Wahrnehmung der Geschäfte beauftragt gez. Dr. Bracht."

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