Einzelbild herunterladen
 

Waller Irlffl XiebesgeSchichie ohne Snde/"Don fönnsgeorg itlaier

Die Erwartung Walter erzählt Ich weiß noch gut, daß es Winter war und daß der Frost Nicht enden wollt«, obwohl der März begonnen hatt« Ein Kamerad hatte mir bei einem Tischler Arbeit verschafft, und so war ich in der kleinen Stadt geblieben- Da- Umherziehen hatte ich satt- Jeden Abend ging ich durch ein paar verwinkelte Straßen in das große, vom Alter aufgetriebene Haus zurück, wo ich unterge- kommen war. Wie ein mächtiges Wrack, das sonderbar kräftig dem Wasser und der Sonne standhielt, lag das alte Haus unter dem steilen Absturz des Stadtwalles, breit und bauchig, wie eine abge- takelte Schaluppe. Ich trat über die Schwelle auf den Vorplatz. eine niedrige Diele mit mehreren Türen in allen drei Wänden: nur das kleine Zimmer der Wirtin habe ich kennengelernt. Hinten sührte eine hölzern«, an vielen Stufen abgestoßene Treppe hinaus zu meiner Stube. Aus dem Tisch hatte ich einen Spirituskocher stehen. Ich machte mir heißes Wasser und brühte den Tee in der irdenen Kanne aus, die mir von der Wirtin hereingestellt worden war. Ich belegte zwei oder drei Scheiben Brot mit dem Käse oder der Wurst, die ich unterwegs eilig gekaust hatte, und und trank. Dann rückte ich die Lampe heran und las in einer Zeitung All- mählich bekam ich die Kälte zu spüren, ich slopste eine Pfeife, brannte sie an, zog den Mantel über und verließ das Haus. Wohin? Zuerst ging ich links die Straße hinaus rechts führte sie zur Tischlerei und sah die Bilder in den Schaukästen des Kinos an. Manchmal ging ich hinein. Dann gab es eine Geschichte von einigen reichen oder armen Leuten, die schließlich glücklich wurden. Ich konnte nicht immer daran glauben. Wenn es hell wurde, erblickte ich viele Mädchen im Saal-, aber ehe ich mich richtig umgeblickt hatte, begann schon wieder der Film. Am Schluß paßte ich draußen auf, ob eine vorbeikäme, mit der ich bekannt werden könnte. Ich ging immer allein nach Hause. Wenn ich nicht in da» Kino «intrat, hatte ich die Wahl zwischen der erleuchteten Hauptstraße und dem Feldweg bis zum Bahn- wärterhaus am Chausseeübergang. Dort traf es sich meistens, daß gerade zwei helle, lärmende Schnellzüge oorüberfuhren. Es war gut zu wissen, daß sie jeden Abend wiederkamen. Ich verdiente so, daß ich auskam. Ich hatte auch nur für mich zu sorgen. Für zwei hätte es nicht sehr weit gelangt. Ehe ich schlafen ging, besuchte ich öfters die Schenke hinter dem Postamt. Dort lernte ich einen anderen jungen Tischler kenneik, der in einer großen Möbelfabrik arbeitete. Ich wollte auch eine so interessante Arbeit finden, wie er sie schilderte.Bei uns wird keiner mehr ein- gestellt", bemerkte er. Die Fabrik ginge nicht gut. Wir tranken ein Glas Grog. Es gab noch andere Kameraden in der Schenke. Es waren lustige Leute darunter, sie erzählten eigene Erlebnisse und Geschichten, die sie von anderen gehört hatten. Sie sprachen von ihren Mädchen. Sonntag» waren sie mit ihnen zusammen. Ich tat, als hätte ich auch eine Bekanntschaft gemacht. Daß ich die Sonntag« allein oerbrachle, verschwieg ich. Das Alleinsein war auf die Dauer noch schlimmer als das Her- umstreifen im Sommer. Aber davon sagte ich nichts. Wenn ich das Prahlen satt hatte, zahlte ich und ging. Es war mir gleichgültig, was sie über mich reden würden. Bald würde es wieder wärmer werden. Dann wurde das Leben«in wenig leichter. Ich wollte wieder fort. Aber ich wartete noch auf etwas, das geschehen müßte, ehe ich ging. Ich wollte aus keinen Fall vorher wegfahren. Oft war ich voller Hoffnung: es mußte alles besser werden, ich würde nicht länger allein bleiben, ich würde eine interessante Arbeit finden und ein erträgliches Leben haben. Vielleicht war es zu zweit nicht ganz so schwer wie allein. Ich hatte manchmal trübe Tage, an denen ich auf alles pfiff, zuallererst auf mich. Dann kam ich mir lächerlich vor, ein Narr, weil ich glaubte, man müsie auch heutzutage einmal glücklich sein können. Aber was konnte man tun? Man mußte alles hinnehmen, was einem geschah, man konnte schreien, aber man konnte nichts ändern. Immer nur einVielleicht" das war das einzige, was einem blieb. Aber auf die Dauer konnte ich nicht bitter über das Leben denken. Wenn man älter wäre, hätte man es darin sicherlich leichter. Ich war oft müde wie ein Alter und oft setzte ich ein unglaubliches Vertrauen in die Zukunft. Ich wartete auf irgend etwas, das auf mich zukommen würde, auf eine Aenderung, auf ein Ereignis, auf eine Begegnung. Und wirklich lernte ich einige Wochen später Minka kennen.

Die Begegnung. Der Tischlermeister, bei dem ich arbeitete, kündigte mir: es gab keine Arbeit mehr bei ihm, die er nicht gut allein bewältigt hätte. Aber er empfahl mich weiter. So kam ich zu Minkas Vater. Der machte die Tischlerarbeiten für das Theater, das die Stadt unterhielt. Wir lieferten hölzerne Rohmen, die dann mit bemalter Leinwand bespannt wurden, wir machten Podeste und kleine Treppen, wir hatten bei jedem neuen Stück zu tun Es machte mir Spaß, daß ich nun öfters in das Theatergebäuds kam. wo ein be- sondcres Klima war, das mich verwirrte, und der Betrieb nicht mechanisch vor sich ging, sondern vieles improvisiert werden mußte. Einmal schaute ich den Schauspielern bei einer Probe zu. Als ich wieder zur Werkstatt zurückging, sah ich vor mir ein Mädchen die Straße hinuntergehen. Es war gegen Mittag, die Sonne schien. Die Haare des Mädchens glänzten(Es trug keinen Hut. nur einen Mantel). Ich ärgerte mich, weil ich sein Gesicht nicht sehen konnte. Das Mädchen ging schnell und sehr leicht. Als es vor unserer Werkstatt angekommen war, ging e? hin» ein. Bald war ich auch angelangt Drinnen sprach der Tischler» meister mit dem Mädchen. Ms ich eintrat, sagte er. ich sei die neu« Aushllse. Ich erfuhr, das Mädchen sei seine Tochter. Ich machte mir an der Hobelbank zu tun. Sie ging hinaus. Sie hieß Minka. Ich suchte nach einer Gelegenheit, um mit ihr zu sprechen. Aber immer kam etwas dazwischen. Am Sonntag traf ich sie aus dem Plag vor dem Bahnhof. Guten Morgen ", sagte ich.Wollen Sie verreisen?" Nein", antwortete sieIch bin gerade vier Wochen weg ge» wesen." War die Reise schön?" fragte ich. Ich habe eine kranke Freundin besucht", sagte sie. Ich wußte nicht: sollte ich nun noch länger mit ihr sprechen oder sollte ich weitergehen? Ich sah das klare helle Blau in ihren Augen. Wir schauten uns an. Arbeiten Sie gerne bei uns?" fragte sie. Es ist sehr interessant", antwortete ich.Ich sehe zum ersten Male im Theater hinter die Bühne." Ich ward ungeduldig. Wir konnten nicht einfach die ganze Zeit auf dem Platz stehen bleiben. Ich sah sie wieder an. Sie sah mich an. Ich wagte nicht, sie um eine Verabredung zu bitten. Aber ich hatte große Lust, mit ihr verabredet zu sein. Noch für diesen Abend. Ich wollte dahinterkommen: was mit ihr los war. Und mit mir. Gehen Sie manchmal ins Kino?" fragte ich wieder. Ab und zu", sagte sie.Aber man wird oft angesprochen und angestoßen, wenn man allein ist. Ich gehe lieber mit einer Freundin. Zu zweit ist man sicherer." Ich schaute sie an, während sie sprach. Ich sah nur ihr Gesicht. Das Haar verdeckte ein Hut. Ich möchte mit Ihnen irgendwo sitzen und mich länger mit Ihnen unterhalten", sagte ich. Sie nahm dieses Wort nicht übel auf. Aber sie erkundigte sich auch nicht etwa gleich: wann und wo? Sie fragte nur:Finden Sie etwas an mir?" Ich möchte Sie wiedersehen", sagte ich.Ich bin sehr ftoh. daß ich Sie einmal getroffen habe." Sind Sie allein?" ftagte sie. Nicht sehr", antwortete ich ihr. Ich wußte nicht, was ich da» mit sagen wollte, aber ich konnte nichts anderes antworten. Ich gehe h«ute Abend ins Kino", sagte ich.Gehen Sie auch?" Ich weiß noch nicht, ob ich hingehen kann", sagte sie rasch. Ich verabschiedete mich.Auf Wiedersehen!" Auf Wiedersehen!" sagte sie. Ich eilte über den Platz und die Straße hinauf. Nachher ftagte ich mich eine ganze Weile, ob sie mir nachgeblickt habe. Ich schalt mich, daß ich mich nicht einmal flüchtig umgesehen hatte. Ich war sehr verwirrt, sehr unzuftieden mit mir, und zugleich fühlte ich mich sehr gesund. Am Abend traf ich Minka im Kino. Sie war allein. Ich be» gleitet« sie nach Hause. Wir oerabredeten uns für Freitagabend. Am Freitag trafen wir uns draußen hinter dem Bahndamm. Es war kalt. Den ganzen Tag hatte es geregnet. Ein.feuchter Wind trieb über das Land. Wir gingen einen Feldweg bis zum ersten Gehöft vor der Stadt. Dann gingen wir wieder zurück. Ehe wir wieder in die Chaussee einbogen, streichelte ich sie. Wir küßten uns. Bis zu den ersten Häusern sprachen wir kein Wort.

ItaÜher Q- OfchileivsM: ZDeitifchland Dies Land: Heimat. Vaterland. Wenn wir nächtens aufwachen es ist Nacht über Deutschland Wandert der nebelverhangene Himmel über den gequälten Schlaf unserer Brüder Und die ewigen Sterne tragen dunkle Tücher über ihrem diamantenen Leib. Doch bald grüßt uns d«r Morgen in taukühler Frisch«. Wälder und Auen, Gesang der Lerchen über den Feldern Nähren Erdreich und Wurzeln unserer Liebe zu dir, Deutschland . Wir reißen den Pflug durch den brachen Acker Und werfen Saat für die braunlichten Tage der Ernte. Aber hört sie brüllen, die Trompeter der Knechtschaft,.die Schänder der jungen Freiheit, Auf den Tribünen und Märkten des eillen Betrugs! Tönerne Worte und die gefälligen Spiele der Gaukler Wollen mehr sein als aufbauende Tat. Unsere Liebe zu dir schilt man. Uns will man knechten, wie man unsere Väter knechtete. Wer aber die Freiheit liebt, liebt sie bei seinem ärmsten Volke. Was in uns glüht, ist Deutschland morgen!

3)rohende{Kriegsgefahr! Anmerkungen au den letalen Julilagen vernarben die Wunden, e§ vergeben die Zeiten, und arglos über den Stätten des Mordes wandelt ein neues Gescklecht! Einanucl Geibel. In dieser Woche jährt sich zum achtzehnten Male der Tag, in dessen Nachmittagsstunden Trompetenklänge in den Straßen Berlin - erklangen. Offiziere in voller Kriegsau-rüstung verkündeten auf den Plätzen und Straßenkreuzungen, der Kaiser habe denZustand der drohenden Kriegsgefahr" angeordnet. Man weiß, es blieb nicht bei der drohenden Gefahr. Bereits am nächsten Tage wurde die allgemeine Mobilmachung angeordnet. Der größte und entsetzlichste Krieg der Weltgeschichte begann. öl Monate voll des Grauens rollten sich ob. Nie wird es mög- lich sein, in menschlichen Worten das Maß an Blut, Leid und Tränen, an Jammer und Elend auszudrücken, das dieser Krieg mit sich brachte. Wie eine ungeheure Ironie mag es also erscheinen, wenn einem der Zufall, ein Zeitungsblatt aus den letzten Iulitagen 1314 in die Hände spielt. Eine hannoversche Zeitung war es, die einen wissen- schastlich aufgemachten Artikel brachte, in dem bewiesen werden sollte, daß die modernen Kriege unblutig wären. Trotz der außer- ordentlichen Entwicklung der Artilleriewasfe kämen Verwundungen durch diese weit weniger als in ftüheren Kriegen vor. Dazu käme das ausgebildete Sanitätswesen und die Kriegschirurgie. Todesfälle gäbe es in stark geringerem Maße als in den Kriegen des vergange- nen Jahrhunderts oder des' Mittelalters. Allen Ernstes wurde der Krieg als ein ziemlich harmloser Sport dargestellt. Der Artikel schloß mit den Worten:Die Chancen, vom Schlachtfelde heim- zukehren, sind viel, viel günstiger als früher!" Und.wie sah es nach vier Iahren aus? Das furchtbarste Toten- feld, das die Erde je gesehen hatte, lag vor einem. Allein in Deutschland über 1,8 Millionen Gefallene, dazu beinahe 3 Millionen Verwundete. Bei den gesamten am Kriege beteiligten Ländern waren es 10,5 Millionen Tote und rund 26 Millionen Verwundete. Ungerechnet die Opfer durch Epidemien, die stets den Kriegen wie ein untrennbarer Kometenschweif nachfolgen. Ungerechnet die Tausende und aber Tausende von unterernährten Kindern, die nie zu einer vollen Entwicklung kamen, hinsiechten und früh starben. Ungerechnet auch die Kriegskrüppel, die Blinden und alle jene furcht- bar Verstümmelten, die ein Leben führen, das kein Leben ist. Ebenso ungerechnet die unzähligen Insassen der Irrenhäuser, deren Geist sich vor diesem namenlosen Elend verdunkelt hatte. Rechnet man noch alle jene, die später infolge der durch den Krieg bedingten Wirtschaftskrisen Vermögen und Existenz verloren haben, rechnet man die Trauer und das Leid der Mütter um ihre Söhne, der Frauen um ihre Männer, denkt man an die vielen Kinder, denen der Vater und Erzieher von früh auf fehlte, deren Leben deshalb auf falschen Bahnen abrollte, so hat man einen unvorstellbar hohen Turm von Jammer, Elend und Not vor sich, daß es verwunderlich ist. daß dieser Turm nicht die ganze Menschheit mit seinem Gewicht erdrückt hat. Ganz unausdenkbar aber ist die Tatsache, daß wir heute viel- leicht näher als wir glauben, vor derselben Gefahr stehen. Eine neue Generation ist herangewachsen. Während wir in Frankreich und Rußland in den Schützengräben lagen, wurden sie geboren oder spielten auf der Straße. Sie wissen nur vom Kriege, was man ihnen erzählt. Selbst eine Erinnerung an diese Zeit damals haben sie nicht. Man hat versucht, einen Teil dieser Jugend aufzu- Hetzen, man hat ihr verheimlicht, was ein Krieg in Wahrheit ist. Man hat ihr vorgestellt, daß es herrlich und mannbar wäre, in den Krieg zu gehen. So hat man sie zu einem freventlichen Soldaten- spielen verleitet. Mit bunten Uniformen hat man sie gelockt. Und so kann es sein, daß eines Tages der Wunsch, aus diesem Spiel Ernst zu machen, überhand gewinnen wird. Wer so töricht ist, wieder an einen unblutigen Krieg zu glauben, der mag daran erinnert werden, was Dr. H u g o Stolzenberg, der Besitzer jener Gasfabrik vor den Toren Hamburgs, aus der im Jahre 1328 aus einem undicht gewordenen Kessel nur einige Gasschwaden entwichen, vor einigen Monaten in einem öffentlichen Vortrag geäußert hat. Die Folg« des damaligen Unglücks waren einige Dutzend Tote und Hunderte von Kranken. Ein Atemzug brachte bereits den Tod. Auf den Straßen Hamburgs brachen die Menschen urplötzlich zusammen. Durch die Fensterritzen kroch das gelbe Gas in die Stuben. Beim Essen oder beim Schlafen über- raschte es seine Opfer. Man muß also Herrn Dr. Stolzenberg zu- gestehen, daß er weiß, wie ein Krieg sich mit der Masse des Gift- gafes abspielen wird. Er hat erklärt, es wäre bereits jetzt schon im Frieden unerläßlich, das gesamte Leben und Treiben der Städte mit ihren Bahnen, Brücken und Straßen, mit der gesamten In- dusttie, Kanälen und allem, was dazu gehört, unter die Erdober- fläche zu legen, wenn nicht die gesamte Menschheit im Kriegsfall beim ersten Gasangriff auf die erste Sekunde erliegen solle. Es gibt nur einen sehr unvollkommenen Schutz gegen feindliche Fliegerangriffe. Fliegerobwehroersuche in London und Paris und neuerdings auch in Ostpreußen haben das bewiesen. Immer wird der größer« Teil der gistoerbreitenden Flugzeuge durch die Sperre gelangen. Das Meer des Blutes und des Leides, das vor achtzehn Iahren hochschwoll, ist noch nicht abgeebbt. Wieder steht ein 31. Juli vor der Tür. Würde es den Nationalsozialisten gelingen, das Heft in die Hand zu bekommen, so weiß man. wohin die Entwicklung drangt. Nicht um irgendeinen Wahlsieg wie in früheren Jahren also geht es am 31. Juli, sondern um Krieg oder Frieden, Freiheit oder lintergong. kr».

mub: 3)er polHilche Rant Am 2. Februar 1332 trat in Genf die größte aller Weltkonfe- renzen, beschickt von den Vertretern von 64 Staaten, die Abrüstungs- konfsrsnz zusammen, und die Eröffnungsworte des Präsidenten Henderfvn wunden von den Rundfunksendern iib«r den ganzen Erd- ball getragen: die Welt will den Frieden die Welt braucht den Frieden! Der erste Tagungsabschnitt eben dieser Konferenz brauchte ein halbes Jahr, um zu einer im Hinblick auf die Größe des Ob- jekts unwesentlichen Entschließung zu kommen. Und diese Ent- schließung wiederum war das Ergebnis monatelanger Debatten. turmhoch aufgeschichteter Akten, bändedicker Denkschriften. Wieviel zeitgemäßer mutet uns angesichts dieses riesigen Appa- rotes die schlichte Schrist an, die der Königsberg «! Philosoph zu Michaelis 1735, alio vor 137 Jahren erscheinen ließ:Zum ewigen Frieden. Ein philosophischer Entwurf": allerdings, ein philo- s o p h i s ch e r Entwurf! Und hier scheiden sich bei der gerechten Beurteilung auch der heutigen Situation die Geister: es ist etwas anderes um die Theorie und etwas anderes um die Praxis.... Erscheint es nicht als ein weltgeschichtlich ganz normaler Verlauf, daß zwischen der Theorie. und der Praxis eben dieses Entwurfes zu einein ewigen Frieden rund«inundeinhalbes Jahrhundert da- zwischen liegen? Und ist angesichts dieses Tatbestandes nicht auch di« Abrüstungskonferenz 1332 ein wesentliches Stück Entwicklung ja, Fortschritt? Kant ist sich dieser seiner Theorie bewußt:allein in einer Theorie, welche auf dem Pflichtbegriff gegründet ist. fällt die Be­sorgnis wegen der leeren Idealität ganz weg". In der Schrift Theorie und Praxis", die in den achtziger Iahren erschien, kommt er gleich Lessing zu der Erkenntnis, daß«in Fortschritt der Menschheit im ganzen sehr wohl stattfindet, daß unter Mitwirkung der Natur, die ja der Verminst ihr« Gesetze vorschreibt, das Soll allmählich oder ständig über das Ist den Sieg davonträgt: so folgt denn der Friedenszustand aus einer weltbürgerlichen Verfassung und muß. wi« jene, g« st i f t e t werden.... Der Baseler Friede war am S. April 1735 zwischen Preußen und der französischen Republik geschlossen worden und macht« den Wirren der französischen Reoolutton ein Ende. Am 13. August legte Kant seine klein« Schrift zum Druck vor, zu Michaelis erschien

sie, und in der Zwesten Auflage erhielt sie ihre eigentliche philo» sophische Untermauerung in dem ersten Zusatz. Kants Schrist war, zwar Theorie, aus der damaligen Praxi« entstanden, und sie war alles andere als ein« philosophische Träume- rei: dennoch hat sie an Bedeutung mit den Jahrzehnten, ja, mtt den Jahrhunderten zugenommen und scheint erst heute in ihrem großen Ernst ganz gegenwärtig zu sein. Wie sollte nicht auch der schärfste Denker jenes großen Jahr- Hunderts gleich dem erhabensten Dichter, der in seinem Faust eine Inflation größten Stiles beschreibtMan honoriert daselbst ein jedes Blatt durch Gold und Silber, freilich mit Rabatt", einem späteren Jahrhundert seine Gedanken vorwegnehmen, und ist es ein Zufall, daß auch der dritte in diesem Seherbunde, Herder, heute zu neuen: Leben erwacht ist: der politische Herder?! Der politische Kant." lieber den Gedanken des Völkerbundes kommt er, dem Zwange der Wirtschaftskrise folgend(Es ist der Handelsgeist, der mit dem Kriege nicht zusammen bestehen kann"), zur Forderung der B e r n u n f t: die Welt will den Frieden, und zur Forderung der Pflicht: die Welt braucht den Frieden, d. h. den ewigen Frieden! Wo ober, und nun tritt der politische Kant vor das Mikrophon des Tages: wo ist der Zustand des Friedens am ehesten garantiert? Die bürgerliche Verfassung in jedem Staate soll republi» konisch sein. In einer Verfosiung..., die nicht republikanisch ist,... ist es die unbedenklichste Sache von der Welt(Krieg zu führen), weil das �Oberhaupt nicht Staats genösse, fondern Staats- eigentümer ist, an seinen Tafeln, Jagden. Lustschlössern. Hof­festen u. dgl. durch den Krieg nicht das mindeste einbüßt. Nun ist die republikanische Verfassung die einzige, welche dem Recht der Menschen vollkommen angemesien, aber auch die schwerste zu stiften, vielmehr noch zu erhallen ist. dermaßen, daß viele behaupten, es müsse ein Staat von Engeln sein,' weil Menschen mit ihren selbstsüchtigen Neigungen einer Verfassung nan so sublimer Form nicht sähig wären. E? hat ader die r-publikanische Verfassung außer der Lauter- keit ihres Ursprungs, aus dem reinen Ouell des Rcchtsbegrifis entsprungen zu sein, noch die Aussicht in die gewünschte Folge, nomlich den ewigen Frieden."