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Beilage Freitag, 29. Juli 1932

nit2 sab in

Der Abend

Spalausgabe des Vorwärts

Die Frau im Dritten Reich"

99

Das Hakenkreuzprogramm der Raffenzucht"

Sie heulen auf...

weil ihre Stulen- Politik" ans Licht gezogen wurde

Von Käthe Kern

Der Angriff" regt sich am Mittwoch auf über die kleine Broschüre ,, Frauen aufgepaßt!" die der sozialdemokratische Bezirks­verband Berlin   zur Aufklärung der Frauen über die Ziele der Nazis herausgebracht hat. Weil da einmal aufgezeigt wurde, wie die von den Nazis angestrebte ,, Rassen- und Familien­politik" aussehen würde, versteigt sich das Goebbels- Blatt zu der Behauptung, die Sozialdemokratie habe das Edelste, die Mutterschaft, zur verlogenen Wahlpropaganda mißbraucht". In seiner Wut über die Entlarvung bezeichnet er die Broschüre als gedruckten Misthaufen", der ungeheuerliche Beschimpfungen der deutschen Frauenehre" enthalte. Der junge Mann, der das geschrieben hat, verleugnet dreist die von maßgeb= lichen Führern der Nazis vertretenen Rassentheorien.

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In der kleinen Frauenbroschüre sind lediglich die Vorschläge des Herrn Darré, des Leiters der landwirtschaftlichen Abteilung der Reichsleitung der Nazis, wiedergegeben. Bei dem geringen Raum mußte die Broschüre sich auf eine ganz tnappe Darlegung be= schränken. Die dreisten Ableugnungsversuche aber geben Beran­laffung, zur Beweisführung auf die 3uchtvorschläge", die Darré in feinem bei J. F. Lehmanns Verlag, München, er­schienenen Buch Neuadel aus Blut und Boden" gemacht hat, noch einmal zurückzukommen. Dort teilt er auf Seite 170 die Mädchen in vier Klassen ein; es heißt dort:

Klasse 1: Ihr werden diejenigen Mädchen zugerechnet, deren Berehelichung in jeder Beziehung wünschenswert erscheint. Um in dieser Klasse auch tatsächlich nur immer das Beste zu sammeln, jei als höchst grenze für jeden Jahrgang bestimmt, daß nur ein begrenzter Hundertja, etwa 10 Broz, aus der Schar

der zur vollen Che Tauglichen, in ihr Aufnahme finden.

Klasse 2: Ihr wird der Rest aller derjenigen Mädchen zugeteilt, deren Berehelichung im Hinblick auf die Nachkommenschaft keinerlei grundsätzliche Bedenken entgegenstehen.

Klasse 3: Ihr werden diejenigen Mädchen zugeteilt, gegen deren Berehelichung aus fittlichen oder staatsrechtlichen Gründen keine Be­denken vorliegen, deren erbwertiger Zustand aber in jedem Falle eine Unterbindung von Nachkommenfchaft ver­langt. Diesen Mädchen wird man die Ehe gestatten, wenn die Rinderlosigkeit ihrer Ehe gewährleistet ist.( Sterili­

fation!)

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Klaffe 4: Sie nimmt alle diejenigen Mädchen auf, gegen deren Berehelichung grundsätzlich schwere Bedenken vorliegen, so daß man von ihnen nicht nur teine Nachkommenschaft wünscht, sondern sich gegen ihre Verheiratung als solche wenden muß weil dadurch der Begriff einer deutschen   Ehe entwürdigt würde. Hie 1 gehören einmal alle Geisteskranken, dann öffentliche Dirnen, dene ihre Ahnentafel das Gewerbe schon vorzeichnet, weiterhin rüdfällige Verbrecherinnen usw. Dieses nur als besonders hand­greifliche Beispiele erwähnt. Aus Gründen der Folgerichtigkeit gehören hierher zunächst auch alle unehelichen Kinder un befannter Herkunft. Diese sind in jedem Falle für den Volks= förper im höchsten Grade gefährlich."

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Darré schlägt weiter vor, neben den alten Adelsgeschlechtern einen Neuadel auf ,, egehöfen" zu züchten.

,, Tierzüchterische Tatsachen"

find für ihn ,, Erkenntnisquelle und Anleitung" für die Aufnordung des deutschen   Volkes. Aber nur wenige deutsche   Frauen würden Gnade oor den Augen der nach seinem Vorschlag einzusetzenden und mit sta tlichen Befugnissen auszustattenden 3 uchtwarte" finden. Bei der Klasseneinteilung der deutschen   Mädchen geht Darré von der lung in Windels Frauenkunde aus, daß von 100 deutschen  nur noch 14 im Befiz ärztlich als einwandfrei begutachteter Franzungskörperteile seien, 86 dagegen unnatürlich gebaut oder wären. Doch selbst diese 14 läßt Darré noch nicht gelten. Auf Seite 165 trifft er mit folgenden Worten eine weitere Ein­schränkung: Diese 14 von 100 gebärfähigen Frauen find ja zmar gebärtüchtig, nicht aber notwendigerweise auch sonst die Besten

Fr

fra

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Aufruf

In diesen Tagen, da ein übermächtiges Geschehen durch alle Länder, alle Städte, alle Dörfer braust, erhebe deinen Blick, du Arbeitsvolk, um klar zu sehen, daß dich die Willkür packen will mit roher Faust. Sie will dich zwingen in ein unbarmherzig Joch, aus dem du dich in Jahren, in Jahrzehnten nicht befreist. Sie will die Lasten, die du trägst, endlos vermehren noch, dich gänzlich unterdrücken, knebeln deinen Geist. Blick um dich, sieh, schon lächeln hämisch deine Schergen, aus ihren Augen grinst des Henkers frecher Hohn. Sie können ihre lüfterne Erwartung nicht verbergen, sie wähnen dich bezwungen und geknebelt schon. Du Riese Arbeitsvolk, nun rege machtvoll deine Glieder, du bist noch immer, wenn du willst, ein strafender Titan. Derjage die Bedränger deiner Freiheit, zwing fie nieder, du hast die Kraft dazu, pack sie mit Eisenhänden an! Laß nicht von dem Geschrei der Gegner dich beirren, sie machen mit Gelärm sich selber Mut,- lah deines 3ornes Pfeile auf sie niederschwirren, schwing deinen Hammer mit entschloßnem Mut! Sie mögen sich mit allen dunklen Kräften rings verbünden und skrupellos fich zeigen in der Mittel Wahl-

sie werden dir das Banner nicht entwinden,

das rote Freiheitsbanner, deines Herzbluts flammendes Fanal. Rech dich empor, laß alle falsche Rücksicht fallen,

wirf deine Gegner in den Sand in rascher, kühner Tat! Las trozig deinen Freiheitsruf erschallen,

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du bist, wenn du nur willst, unüberwindlich, Proletariat. Walter Dehmel.  

unferes Volkes. Mit Sicherheit fann angenommen werden, daß! ein großer Teil dieser 14 Proz. nichtdeutsches, ins befondere das für uns völlig wertlose polnisch slavische Blut in sich führt..."

Diese ganze Raffentheorie läuft auf weiter nichts hinaus, als eine neue Herrenschicht so zu züchten, wie man vielleicht Pferde oder Hunde züchtet. Einer bestimmten Schicht im Volte sollen alle Vorteile und Vergünstigungen zwecks Verbesserung der Rasse" ge­währleistet sein. Die Arbeiter aber dürfen sich nach wie vor in ihren Kräften erschöpfen.

Die Sozialdemokratie hat gegen eine vernünftige Geburten­regelung zum Zwecke der Hebung der Volksgesundheit nichts einzuwenden. Aber sie wendet sich dagegen, daß nur für eine dünne Schicht des Volkes günstige Daseins- und Entwicklungs­bedingungen da sind. Aus diesem Grunde hat die Sozialdemokratie feit Jahrzehnten den Kampf um die

Hebung der Lebenshaltung der Arbeiterschaft geführt und sich für eine umfassende Mutter und Säug lingsfürsorge und Bekämpfung der Volkskrankheiten ein­gesezt. Diesen Bemühungen der Sozialdemokratie ist es zu verdanken, wenn in der Republik   die Säuglingssterblichkeit und die Todesfälle an Tuberkulose zurüdgegangen find.

Im übrigen aber find wir der Auffassung, daß eine Partei, | die den Mord am politischen Gegner zum Prinzip erhoben hat, nicht berechtigt ist, breite Boltsschichten als Unter­menschen" abzutun. Daß Millionen Arbeiter und ihre Nachkommen ihrer förperlichen Beschaffenheit nach nicht als erstrassig bezeichnet werden können, ist nicht ihre Schuld, sondern Folge des tapi­talistischen Ausbeutungssystems, das den Unter­nehmern wohl Erholung und kostspielige Badereisen gewährleistet, die Arbeiter aber durch lange Arbeitszeit oder durch Arbeitslosigkeit

zermürbte.

Erst in der Republik   sind auch den Kindern der Prole= tarier Spiel- und Sportpläge und Grünflächen geschaffen worden, um sie vor der Verkümmerung in den engen Höfen der Mietkasernen zu bewahren.

Und gerade diese positiven Leistungen der Republik   für die Hebung der Bolksgefundheit werden von Nationalsozialisten und Deutschnationalen als marriffische Mißwirtschaft bezeichnet!

Jede Frau, jedes Mädchen gehört in die Reihen der Sozial­demokratie. Ale müssen mit uns gegen Knechtschaft für Freiheit fämpfen. Am 31. Juli wählen Mütter, Frauen und Mädchen Liste 1: Sozialdemokraten.

Merkt es euch, Frauen!

Generallügen der Hakenkreuzler/ Von Mathilde Wurm  

Aber Alfred Rosenberg   schreibt in seinem Buch Der Mythus des zwanzigsten Jahrhunderts  ":

Die nationalsozialistische Presse veröffentlicht in ihrer Wahls| arbeitet, Mann oder Frau, im eigenen Heim oder im Beruf, tampagne in großer Aufmachung Sechs Generallügen der System ist pollberechtigter Staatsbürger des Dritten Reiches". parteien" über die Stellung der Nazis zur Frauenfrage und ihre fogenannten ,, Widerlegungen". Diese Antworten sind eine einzige Schlammflut an Lügen. Alles, was sie an unzähligen Stellen gesagt und geschrieben, ist plötzlich vergessen, die Nazis werden als die einzig wahren Frauenfreunde hingestellt, die den Frauen im Dritten Reich das Himmelreich auf Erden bringen

werden.

Aber wir haben nicht vergessen, wie die braunen Helden über die Frauen urteilen, welche Rolle sie ihnen zuerteilen. Aber auch die Wähler und vor allem die Wählerinnen dürfen es am 31. Juli nicht vergessen. Sie müssen den Lügnern die richtige Ant­wort geben! Sehen wir uns deshalb die angeblichen Generallügen der Systemparteien noch einmal an:

1. Es ist angeblich nicht wahr, daß die Nazis Frauen und Schwache verelenden lassen: Die Systemparteien haben Deutschland  so ins Elend geführt, daß nicht nur Alte, sondern auch Kraftvolle und Junge ihrem Leben verzweifelnd ein Ende machen. 15 000 Selbstmorde jährlich, Hunderttausende von Kindern, die nicht geboren werden können, 40 000 Frauen, die jährlich an der Abtreibungs­seuche sterben: die beste Quittung für das Beglüdungsprogramm der Systemparteien."

Das wagt diejenige Partei zu schreiben, die den Selbstmord verherrlicht und als höchste Tugend preist! Der nationalsozialistische Schriftsteller Ernst Mann äußert in seinem Buch Die Moral

der Kraft":

Selbstmord ist die einzige Heldentat, die Kränklingen und Schwächlingen übrigbleibt. Jeder, dem es zum Bewußtsein fommt, daß er nie vollste Kraft, Gesundheit, den vollen Gebrauch seiner Gliedmaßen erreichen kann, soll seine Willenskraft zusam mennehmen, um sich von der Last seines Lebens durch den frei willigen Tod zu befreien, und wäre es durch konstante Nahrungsverweigerung, wenn er sonst aller anderen Mittel zum Selbstmord beraubt ist. Für jeden Schwächling, für jeden mit chronischer Krankheit oder mit Verkrüppelung Behafteten ist Selbstmord heiligste Pflicht sich selbst und seinen Mitmenschen gegenüber."

Die Regierung der Nazibarone fürzte mit einem Federstrich die Unterstützungen der Erwerbslosen um 200 Millionen Mark, die Renten der Kriegsopfer um 100 Millionen Mart. Diese Regierung wird von Hitler   toleriert. Trotzdem lügen die Nazis in ihrem Generallügen- Artikel dreist:

Die Nationalsozialisten planen einen großzügigen Ausbau der Altersversorgung, sie haben die Kinder zum kostbarsten Gut eines Boltes erklärt, fie setzen sich ein für eine ausreichende Versorgung der Kriegsinvaliden, der Kriegermitmen und-waisen."

So führen sie die Massen in die Irre, weil sie glauben, es märe nicht bekannt geworden, daß sie an die Stelle der Arbeitslosen­versicherung die Nothilfe treten lassen wollen mit 60 Pf. pro Tag und Person, über deren Gewährung die zuständige Sektion der NSDAP  . entscheiden soll.

2. ,, Wir denken nicht daran, die Frauen aus unserer gemein­samen Arbeit herauszunehmen", ist die zweite Widerlegung der ,, Generallügen".

Daß der nationalsozialistische Abgeordnete Effer in einer Ber­fammlung in Stuttgart   für den Fall der Machtübernahme Not­Derordnungen anfündigte, durch die Frauen und Mädchen aus den öffentlichen Betrieben geworfen werden sollen", haben sie offenbar vergessen. Und sie wollen auch nichts wissen von der Rede Gregor Straßers auf dem Kongreß der Nazi- Aerzte im Dezember 1931 in Leipzig  , in der er sagte, daß die Frau aus dem Produktionsprozeß verjagt werden müffe und daß man ihr im Dritten Reich beibringen werde, mit dem Gelde, das der Mann nach Hause bringt, auszukommen. Wurst und Weißbrot werden verschwinden, dafür wird die gute alte Erbfenfuppe wieder zu Ehren fommen!"

Das ist die gemeinsame Arbeit", von der der Abg. Buch im Bölkischen Beobachter"( Nr. 281) schreibt:

" 1

,, Ihr Frauen habt in erster Linie Bluthüterinnen zu sein, und nur ganz wenige Berufe kommen für euch in Betracht!"

3. Es ist nicht wahr, daß die Nazis die Frauen entrech ten wollen, heißt es weiter in dem erwähnten Artikel: ,, Wer

,, Ein deutsches Reich der Zukunft wird die finderlose Frau gleich ob verheiratet oder nicht- als ein nicht vollwertiges Glied der Voltsgemeinschaft betrachten"

Und Adolf Hitler   in seinem Buch Mein Kampf  ": ,, Nur die verheiratete Mutter soll als Staatsbürgerin

nicht weniger entrechtet sein als die Männer".

4. Es sei nicht wahr, lügen sie weiter, daß der Nationalsozia lismus als reine Männerbewegung die Frau zur Be­deutungslosigkeit herabdrücken und sie nur noch als Gebärmaschine

werten wolle.

Aber im Angriff" vom 28. Januar 1931 schreibt eine Frau(!):

,, Trotz aller modernen Lehren von der Gleichberechtigung der beiden Geschlechter... freut es uns Frauen, daß der Nationalsozialismus   eine rein männliche Bewegung ist."

Goebbels   erteilt der Frau bekanntlich die Aufgabe zu, schön zu fein und Kinder zur Welt zu bringen. In der Zeitschrift ,, Der Hammer" will der Nationalsozialist Dr. Willibald Hentschel die Frau nicht nur zur Gebärmaschine, sondern zur Zuchtstute er­nidrigen. Er schlägt vor, Herdenbücher für nordische Edelbullen" zu führen. Hundert erstrassige deutsche   Männer" sollen zu tausend erstrassigen deutschen   Mädchen getan werden, auf diese Weise könne man ,, hunderttausend Kinder mit hervorragenden Erbwerten auf einen Sieb" erzeugen."

Aber vielleicht haben die Nazis gar nicht so unrecht: nur eine Frau, die sich als Stute fühlt und benutzen lassen will, fann nationalsozialistisch wählen!

5. Es sei nicht wahr, wird meiter behauptet, daß die National­sozialisten die Frau aus dem staatlichen Leben ausschalten wollen.

Es ist klar, daß ein grundsätzlich zugestandener, dauernder staatlicher Einfluß der Frau den Beginn des offen= kundigen Berfalls darstellen muß",

schreibt Rosenberg   in seinem Buch, und in den ,, Nationalsozialisti­schen Monatsheften" heißt es:

,, Die nationalsozialistische Bewegung ist der Anschauung, daß die Frau im Parlament und als politische Führerin eine unerquidliche Erscheinung darstellt."

Aber nicht besser sind die Nazifrauen selbst. Sie schäzen zwar sich selbst, aber nicht die Mehrheit der Frauen richtig ein, wenn sie in ihrer Frauenzeitschrift ,, Der Opferdienst der deutschen Frau" schreiben:

,, Der politische Wille äußert sich immer nur mit Berstand, und hier allerdings ift die Frau nicht am Plate." 6. Und schließlich erklären die Generallügner:

,, Wir kennen keine Männerrechte und keine Frauenrechte, mir kennen für beide Geschlechter nur ein Recht."

Wie sieht dieses eine Recht aus? Gottfried Feder   sagt es

deutlich: Die Frau muß wieder Magd und Dienerin werden, und

in dem Frankfurter   Naziblatt heißt es:

" Unferen Männern ist der Typus der dienenden Frau des schaffenden deutschen   Menschen oder Soldaten der tausendmal liebste und wertvollste."

Das Ganze nennen sie dann Würde und Reinheit", die sie der deutschen   Frau, das ,, neue, freie, frohe Vaterland", das sie den deutschen   Kindern schenken wollen. So sollen ,, Glaube, Liebe und Ehre zu Grundpfeilern des deutschen Volkstums" gemacht werden!

Erniedrigung der Frau zur Zuchtstute und Dirne, Mord an Kindern, Selbstmord als Ausweg aus der Not, Verbannung der Frau aus politischer und beruflicher das ist der Zukunftstraum des Dritten Reichs, den sie mit Phrasen und hochtönenden Redens­arten verbergen wollen.

Arbeit

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Keine Frau darf ihren Lügen Glauben schenken, ihr frevelhafter, barbarischer Wille muß zuschanden werden, er muß zerschellen an dem Einsatz aller Kräfte für die Liste 1 der Sozialdemokratischen Partei!