Vorschau zur Wahl.
Maßstäbe zur Beurteilung der Ergebnisse.
Wahlziffern können richtig nur bewertet werden, indem man sie in Vergleich zu früheren stellt. Diesmal gestaltet sich der Vergleich ziemlich kompliziert, da seit der letzten Reichstagswahl noch sehr starke Veränderungen in der Wählerschaft vor sich gegangen find. Das Ergebnis des 14. September 1930 war folgendes:
Sozialdemokraten
in Proz. 24,5
3,0
Stimmziffer
8 575 200
Nationalsozialisten
6 406 400
Zentrum
4 127 000
18,3 11,8
1 058 600
Kommunisten.
4 590 200
13,1
Deutschnationale
2 457 700
7,0
1 577 400
4,5
Staatspartei
1 322 000
3,8
Wirtschaftspartei
1 361 800
3,9
Landvolk
1 108 000
3,2
Landbund
193 900
0,6
868 300
1 309 900
2,5 3,8
100,0
Christlich- Soziale Sonstige
35 224 400
In der Folgezeit hat sich bekanntlich das Anwachsen des Nationalsozialismus stürmisch fortgesetzt. In diesem Frühjahr 1932 haben neun deutsche Länder ihre Landtage neu gewählt: Preußen, Bayern , Württemberg , Hessen , Oldenburg , Hamburg , MedlenburgSchwerin, Mecklenburg- Strelitz und Anhalt. Diese neun Länder enthalten beinahe fünf Sechstel der deutschen Gesamtbevölkerung. Eine von der Frankfurter Zeitung " vorgenommene Zusammen. rechnung ergibt folgendes Bild: in Proz. 35.74 20,72 11,70
Nationalsozialisten
Kommunisten
.
•
Stimmziffer
10 581 045
•
•
Sozialdemokraten
6 134 878
3 465 700
Zentrum u. Bayr. Volksp. Deutschnationale Sonstige
5 069 876
17,12
1 828 954
6,18
2 539 240
29 609 693
8,58 100,00
Da ein Zehntel von Deutschland unberücksichtigt ist und die Wahlbeteiligung bei den Landtagswahlen geringer war, als sie voraussichtlich heute sein wird, müßten den Zahlen vom Frühjahr allgemein noch einige Prozente zugeschlagen werden- vorausgefeßt, daß das Kräfteverhältnis seitdem stabil geblieben wäre. Das ist jedoch nicht der Fall. Die Hessenwahl hat ein noch weiteres Steigen der nationalsozialistischen Welle gezeigt, und erst seit die Papen Regierung am Ruder ist, dürfte ein Rückschlag eingetreten fein. Das Freie Wort" wählt einen anderen Maßstab der Beurteilung, indem es die preußischen Wahlergebnisse auf das Reich umrechnet. Es kommt dabei zu folgendem Ergebnis:
Sozialdemokraten
Zentrum
Staatspartei
Kommunisten
4
•
Nationalsozialisten
Deutschnationale
Mill. Stimm. Mandate
7
-117
5
84
0,5
8
4,25
71
12,15
202
2,3 0,45
38 8
Waffenlager beim Naziherzog.
beschlagnahmt.- Waffensuche
Mehrere hundert Gewehre bei dem Koburger beschlagnahmt. durch bayrische Landespolizei.
Koburg, 30. Juli. ( Eigenbericht.) Im Laufe des heutigen Vormittag wurden im Hause Heiligkreuzstraße 16 eine größere An zahl Waffen und Munition gefunden. Im Hause Ruhmental 8a wurde ein schweres Maschinengewehr und die nötige Munition dazu gefunden, ebenso eine Anzahl Gewehrschlösser.
Zur Zeit, nachmittags 5 Uhr, findet eine Haus suchung durch die Landespolizei beim ehe. maligen Herzog von Koburg , einem Führer der Nationalsozialisten, auf Schloß Callenberg bei Koburg statt. Bisher sind mehrere 100 Ge wehre gefunden und beschlagnahmt worden. Die Suche nach Waffen in und um Koburg durch die Landespolizei hält an.
Ruhe und Ordnung".
Die gestrige Berluftliffe: 10 Tote, 83 Verwundete. In feiner Rundfunkrede an Amerika hat der Reichskanzler von Papen Freitagnacht erklärt, daß die Ordnung in ganz Deutsch land nun wieder hergestellt ist". In der Nacht vom Freitag zum Sonnabend und am gestrigen Tag zählt die Verlustliste
10 Zote und 83 Verwundete.
In allen Teilen Deutschlands fanden unmittelbar vor dem Abschluß des Wahlkampfes Feuergefechte, Messerstechereien und Ueberfälle statt. Ein besonders schwerer Zusammenstoß ereignete sich gestern abend in Berlin - Reinidendorf, worüber wir an anderer Stelle eingehend berichten. Eine SA. - kolonne griff bei einer Schlägerei mit Mitgliedern der Eisernen Front sofort zur Pistole und schoß neun Arbeiter nieder, von denen drei in bedenklichem Zustande im Krankenhaus liegen.
Ferner wurden in Berlin etwa 30 Personen bei Schlägereien fetzten sich die Zusammenstöße fort und bis 23 Uhr erreichte die im Laufe des Sonnabends verletzt. Bis in die späten Abendstunden fetzten sich die Zusammenstöße fort und bis 23 Uhr erreichte die Zahl der Festgenommenen nahezu 800. Eflingen.
Eine Polizeistreife wurde von Kommunisten angegriffen; zwei Polizeibeamte wurden durch Messerstiche verlegt. Die Polizisten griffen zum Revolver und erschossen zwei Kommunisten, ein dritter wurde verwundet.
In der Nacht vom Freitag zum Sonnabend fand ein regel rechter Straßenkampf in dem Drte Berminghoff zwischen SA .. Leuten und Angehörigen der Eisernen Front statt. Nach dem Bericht des Landratsamtes waren an dem nächtlichen Kampfe annähernd Auch das Freie Wort" verweist auf Hessen , um dann fort tötet und auf beiden Seiten sieben Personen zum Teil 100 Personen beteiligt. Insgesamt wurden ein SA.- Mann ge=
zufahren:
,, Man wird danach etwa sagen können, daß 7 Millionen Stimmen ein normales Wahlresultat für die SPD. wären und alles, was darüber hinausgeht, als Gewinn und Erstarkung der
sehr schwer verlegt.
Ein Vergleich in Zahlen.
Riesenburg( Ostpr.).
In der Nacht zum Sonnabend hatten die Nationalsozialisten eine SA.- Trupps die Stadt terrorisierten. 3wei ReichsbannerWahlveranstaltung abgehalten, nach deren Beendigung uniformierte arbeiter wurden von den braunen Banditen erschossen, ein dritter Reichsbannerkamerad durch einen Schuß schwer verletzt. Von den SA. - Leuten wurden zwei Mann verwundet. Reutlingen .
Schlägereien zwischen Kommunisten und Nationalsozialisten statt. Nach einer großen Hitler - Versammlung fanden vielfach Sieben Personen wurden mehr oder minder schwer verletzt. Fulda .
Am Sonnabendnachmittag wurden die Straßen der ganzen Stadt von Propagandatrupps der Nazis sowie der Kommunisten überschwemmt. Im Verlauf von mehrfachen Zusammenstößen wurde ein Kommunist durch den Führer der Fuldaer SS. er. schossen.
Der Kommunistenführer Töller wurde in den SonnabendMorgenstunden bei einer Schießerei mit SA. - Leuten tödlich ver wundet. Er ist wenige Stunden darauf im Krankenhaus ge= storben. Die Polizei durchsuchte das in der Nähe gelegene SA. - Heim und beschlagnahmte zahlreiche Waffen und größere Mengen Munition. 34 SA.- Leute wurden verhaftet. Königsberg .
In den Abendstunden vom Sonnabend wurde ein SA.- 3ei tungsverfäufer von einem Kommunisten durch einen Messerstich in den Hals getötet. Herbeieilende SA. - Trupps schlugen 3 Kommunisten nieder, so daß sie schwerverletzt ins Krankenhaus geschafft werden mußten. Hindenburg .
Die Polizei wurde am Sonnabendnachmittag von Kommunisten angegriffen. Der kommunistische Führer Januschock wurde mit erhobener Pistole in der Hand durch einen Schuß niedergestreckt und starb im Krankenhaus. Ein Polizeibeamter wurde verletzt. Mitteldeutschland .
Nach den vorliegenden Meldungen fam es in Leipzig und verschiedenen Industriedörfern Mitteldeutschlands wiederholt zu Zusammenstößen, bei denen insgesamt zehn Berjonen verwundet wurden. Ein SA.- Mann wurde bei einer Messerstecherei er sto che n. Worms .
In Monsheim fam es in der Nacht zum Sonnabend zu einem blutigen Zusammenstoß zwischen Nazis und Reichsbannerleuten. Es gab neun Berlegte, davon sechs Nationalsozia listen. Die Polizei nahm siebzehn Sistierungen vor, wobei sich herausstellte, daß fast alle Nazis mit Pistolen, teilmeise fogar mit Armeerevolvern, ausgerüstet waren. Oldenburg .
In Kloppenburg( Münsterl.) wurde der Lautsprecherwagen der Sozialdemokratie unter Führung des oldenburgischen | Nazi- Abgeordneten Niehaus von SAL- Leuten mit Steides Wagens wurden schwerverlegt ins Krankenhaus nen bemorfen und schwer beschädigt. 3 mei Begleiter gebracht. Die Polizei stellte fest, daß die Nazis die Angreifer waren.
Bartei betrachtet werden kann. Die Nationalsozialisten müßten, Am Sonnabend vor der Preußenwahl. wärtiger, rechtswidriger Angriff auf Hitler vor. um etwa das gleiche Wahlergebnis wie in Hessen zu erzielen, auf meit über 14 Millionen Stimmen gelangen. Schaffen sie das nicht, wird man feststellen können, daß endlich die nationalsozia listische Welle zum Stillstand gelangt ist, und ein Stimmergebnis unter 13 Millionen würde bereits darauf hindeuten, daß der Auflösungsprozeß der NSDAP . begonnen hat."
Solche Berechnungen mögen nach der Begeisterung des Wahl tampfes etwas ernüchternd wirken. Es muß aber bedacht werden,
daß die bürgerlichen Parteien, auch ohne Zentrum, bei Wahlen fast immer wesentlich stärker gewesen sind als Sozialdemokraten und Kommunisten zusammen. Die NSDAP . hat die bürgerlichen Barteien fast völlig aufgeschluckt, also fann ihre außerordentliche Stärke eigentlich kaum Verwunderung erregen. Im übrigen fann heute niemand sagen, wie die Ereignisse der letzten zwei Monate auf die Wähler gewirkt haben. Gemiß war die Zeit für einen mirklichen Umschwung sehr kurz, desto aufrüttelnder waren die Ereignisse.
Heute nacht werden wir wissen, wie sie gewirft haben!
Ein nationalsozialistischer Geheimbefehl. Ueber die systematischen Vorbereitungen zu einer Be waffnung der SA. Trupps unterrichtet ein fürzlich herausgegebener Geheimbefehl der nationalsozialistischen Leitung in München , dessen Inhalt wir der Reichsregierung und besonders dem Reichswehrministerium zum Studium empfehlen. Der Befehl hat folgenden Wortlaut:
Nur zur Kenntnis der Abschnitte. Es wird sofortige Meldung anbefohlen, wieviel S.und SS.- Männer waffenkundig sind betreffs einer bevor stehenden Bewaffnung. Diese S2. und SS .- Männer find in Gruppen zu je 8 Mann, ein Scharf., anzugeben. Drei Gruppen, 3 Scharf., ein Sturf., ein Haupttruppf. geben einen Sturm. Ausgabe weiterer Befehle erfolgt demnächst. Strenge Geheim. haltung wird angeordnet. Befehl nach Renntnisnahme fofort zurückleiten. ( Unterschrift.)
Wir konnten bereits früher ähnlich lautende Anordnungen veröffentlichen. Material über Vorbereitung zu einer systematischen Bewaffnung der Bürger friegstruppe Hitlers gehen uns aus allen Teilen des Reiches zu. Die Reichsregierung fennt diese bewußte Borbereitung zum Bürgerkrieg aber nicht.
Wir stellen fest: Der 23. April 1932, der Sonnabend vor der Wahl zum Breußischen Landtag, hat im Bereiche des Frei staates Preußen folgende Zusammenstöße gebracht, die in der Presse verzeichnet wurden.
In Dülmen überfielen 15 Nationalsozialisten 5 Reichsbanner
leute, von denen 2 mit schweren Verlegungen ins Krankenhaus eingeliefert werden mußten.
In Höchst versuchten nationalsozialistische Banden in die Geschäftsstelle der sozialdemokratischen Freien Presse" einzudringen. Die Polizei griff energisch ein. Es gab weder Tote noch ernstlich Verletzte..
In Berlin spielte sich in der Wallstraße in Charlottenburg eine von Nationalsozialisten hervorgerufene Schießerei ab, der von der Polizei, ohne daß Opfer zu beklagen waren, ein Ende gemacht
wurde.
Kein Toter, zwei Schwerverlette! So sah es in Preußen am 23. April 1932 aus! Damals regierte in Preußen das Kabinett Braun Severing, und im Reich waren auf Vorschlag der Regierung Brüning- Groener die nationalsozialistische SA. und SS . verboten!.
=
Was haben wir an diesem Sonnabend, dem 30. Juli 1932, unter dem Regiment von Papen- Bracht erlebt? 10 Tote, 83 Verwundete!
Notwehr gegen- Richter!
Eine Forderung des Tages.
Die deutsche Justiz treibt immer seltsamere Blüten. Jetzt hat ein Feriensenat des Oberlandesgerichts Celle den Straßenraub als erlaubt erklärt, wenn er mit- Notwehr begründet wird.
Das ungeheuerliche Urteil erfolgte in einem Prozeß gegen Nationalsozialisten, die während des Wahlkampfes um die Reichspräsidentenwahl auf der Straße den Verteilern Flugblätter gewaltfam entrissen und ver nichtet hatten, die vom Hindenburg - Ausschuß heraus gegeben waren. Das Oberlandesgericht Celle hat sich durch seinen Feriensenat auf den Standpunkt gestellt, die Nationalsozialisten, die den verteilenden Schulfnaben die Blätter mit Gewalt entrissen, hätten in Notwehr gehandelt:
Durch die Verteilung des Flugblattes habe ein gegen
gelegen. Bon den zuständigen Landjägereibeamten hätten die Angetlagten Hilfe gegen die Verteilung des Flugblattes nicht rechtzeitig erlangen fönnen. Es sei auch fraglich gewesen, ob ihnen diese Hilfe zuteil geworden wäre. Auf jeden Fall würde sie aber zu fpät gekommen sein, da die Flugblätter dann bereits verteilt gewesen wären. Zur Abwehr des Angriffes sei die wegnahme der Kampfblätter die einzig wirffame Gegenmaßnahme gewesen!
Die Theorie, die hier in das Deutsche Recht" eingeführt wird, verspricht allerlei weitere Folgerungen. Irgendein Nazibursche überfällt einen Flugblattverteiler, raubt ihm mit Gewalt seine Drucksachen, weil darin angeblich sein Führer" angegriffen oder beleidigt worden sei. Dazu hat er nach der Rechtsprechung von Celle alle Befugnis. Ja, der Ueberfallene darf sich nicht einmal wehren, denn die Rechtsprechung fennt keine Notwehr gegen Notwehr". Ob eine Beleidigung des Führers" oder eines Führers vorliegt, entscheidet nur der Straßenräuber in Notwehr, nicht etwa das Gericht. Was würde aber das Oberlandesgericht Celle sagen, wenn etwa Sozialdemokraten den Nazijünglingen die Flugblätter entreißen und sie vernichten würden, in denen die marristischen Bonzen" mit den Polstermangen" beschimpft werden?
Es ergibt sich nun aber die brennende Frage: Nachdem das Gericht den politischen Straßenra ub sozusagen legalisiert" hat, wer gibt dem deutschen Bolte endlich ein Notwehrrecht gegen solche Rechtsprechung?
Massenaufmarsch in Nürnberg . Riesenfundgebung der Eisernen Front.
Nürnberg , 30. Juli .( Eigenbericht.)
Am Freitagabend veranstaltete die Eiserne Front in Nürnberg eine Riefenfundgebung. 18 000 bis 20 000 Männer und Frauen folgten dem Ruf der Kampfleitung. Major Anker, der gemaßregelte Polizeipräsident von Altona , Eg gerstadt, und der Parteivorsitzende Hans Vogel riefen zum legten Appell auf. Kopf an Kopf standen die Maffen und gelobten, am 31. Juli Abrechnung zu halten mit dem System Papen .
Abends wurden heimkehrende Versammlungsteilnehmer von einer Nazihorde überfallen. Sieben Verletzte waren die Opfer. Drei erhielten Messerstiche, vier wurden durch Re. Dolverschüsse so schwer verletzt, daß sie ins Krankenhaus geschafft werden mußten.
Von 8 bis 5 Uhr Liste 1
wird heute gewählt! Geht rechtzeitig mit Ausweisen zur Wahl
und
Wahl der