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Er. 357 49. Jahrgang
2. Beilage des Vorwärts
Sonntag, 34. Juli 4932
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Sensationen um dasMck-Geschäst. Wollte Frih Thyssen den Gtahlverein an Frankreich   verkaufen?
Die Flick-Affäre hat eine neue Wendung genommen. Der frühere Reichssinanzmini st er Dietrich hat in einer Wahlrede in Mannheim   neu« Einzelheiten bekanntgegeben über das IW-Millionen-Geschäft, durch das bekanntlich das Reich die überbezahlte Herrschaft über die Gelsenkirchener Bergwerks A.-G. und die Vereinigte Stahlwerke A.-G. erworben hat. Die Mitteilun- gen Dietrichs sind wahrhaft sensationell. Danach haben bereits Anfang 1922 Dr. Vogler, der General- direktor des Stahlvereins, und Friedrich Flick  , der Generaldirektor der Charlottenhütte und Beherrscher des Stahlvereins, Dr. von der Porten, den Generaldirektor der vom Reich beherrschten Vereinigten Industriewerke A.-G. davon in Kenntnis gesetzt, daß die Charlottenhütte keine Bilanz mehr machen könne. Der Bankrott der Charlottenhütte, der Gelsenkirchener   Bergwerks A.-G. und der Bereinigten Stahlwerk« A.-G. wäre damit also zutage getreten. Während man verschiedene Pläne erwogen habe, die Charlottenhütte wieder in Ordnung zu bringen, teilten Vogler und Flick   mit, daß sie ein Angebot von Zritz Thyssen hätten, der den Zusammenbruch der Charlottenhütte und die weiteren schweren Zusammenbrüche verhindern könne. Das Angebot lief darauf hinaus, daß die Charlottenhütte die Mehrheit von Gelsen- kirchen herausgeben solle, wofür sie 29 Millionen Gulden oder 34 Millionen Mark in bar und außerdem die Esiener Steinkohlen- bergwerke übereignet bekommen solle. Bögler und Flick hätten Thyssen nach der Herkunft des Geldes gefragt. Darauf sei erklärt worden, daß Dr. Mannheimer, der Teilhaber der Firma Mendelssohn   u. Co. in Amsterdam  , es von Pariser   Banken beschaffe. Als die Reichsregierung von diesem Angebot und der Herkunft des Geldes erfuhr, sei sie sich darüber klar gewesen, daß diese Pläne abgewendet werden müßten. Zur Abwehr einer Ueber- fremdung durch die französische   Schwerindustrie sei also das Flick- Geschäft zustande gekommen. Hinter den französischen   Banken stand auch nach der Auffassung von Bögler und Flick die französische  Schwerindustrie. Am 18. März habe dann Flick Thyssens Angebot abgelehnt. Flick habe folgendenBriefanThyssen geschrieben: Den von Zhaen entworfenen Plan, der daraus hinauslief. meiner Gruppe gegen Hergabe der Gelsenkirchen  -Mehrheit die Zechen dieser Gesellschaft und einen durch Herrn Mannheimer zu beschaffenden Geldbetrag bei einer Meta-Leteiligung des Herrn Mannheime   oder einer Aktienoptioo an diesen zu geben. glauben wir nicht weiter verfolgen zu dürfen, nach dem uns die Pariser   Geldquellen des Herrn Mannheimer für dieses Geschäft be­kannt geworden ist." Aus den Mittellungen Dietrichs und aus diesem Brief Flicks an Thyssen ergibt sich die wahrhaft sensationell wirkende Behaup- tung, daß kein anderer als Fritz Thyssen  , der mit Hitler  Deutschland   erwache!" ruft, bereit gewesen ist, die deutsche Schwer- industrie unter französischen   Einfluß zu bringen. Es ist ganz klar, daß-die Ablehnung von Flick und Bögler sich nur darauf gründen konnte, daß die französischen   Banken, die den holländischen Kredit zur Verfügung stellen sollten, Banken der französischen Schwer- industrie waren. Es ist auch ganz klar, daß Reichsfinanzminister Dietrich und die Reichsregierung, die von Dietrich informiert worden ist, niemals zu der Auffassung hätten kommen können, daß das Reich gegen die drohende Ueberfremdung intervenieren müsse, wenn die Ueberzeugung von der Echtheit des französisch  -holländischen Ange- bots nicht vorhanden gewesen wäre. Dietrich teilte im übrigen noch mit, daß Dr. von der Porten den damaligen Reichswirtschaftsminister Professor Dr. W a r m b o l d über die Pläne informiert habe, und daß auch er selbst mit dem Reichswirtschaftsminister Rücksprache genommen habe. Es haben von dem Geschäft also Dietrich, Warmbold und der Reichs- kanzler Brüning   gewußt. Es war zu erwarten, daß diesen Erklärungen Dietrichs Er-
klärungen von Thyssen und auch von Profesior Warmbold folgen würden. Diese Erklärungen liegen vor. Thyssen kann die Richtigkeit der von Dietrich zitierten Briefstelle nicht bestreiten, behauptet aber, sie sei aus dem Zusammenhang eines längeren Briefes gerissen. Thyssen bestreitet auch nicht, in Holland   mit Dr. Mannheimer verhandelt zu haben. Er behauptet aber, daß er weitere Verhandlungen in dem Augenblick nicht mehr geführt habe, als ihm die Refinanzierung des holländischen 29-Millionen- Gulden-Kredits in Paris   bekanntgeworden sei. Das Bankhaus Mendelsohn erklärt, daß die Ver- Handlungen Dr. Thyssens in Holland   zwar stattgefunden hätten, daß aber nicht gesagt worden sei, um welches Geschäft es sich dabei handele. Die früher vom Bankhaus Mendelsohn abgegebenen negativen Erklärungen zum Flickgeschäft bestünden also zu recht. Auch Professor W a r m b o l d bemüht sich nachzuweisen, daß er von dem Flickgeschäft nichts gewußt habe. Bon der Porten und später auch der Reichsfinanzminister Dietrich hätten zwar mit ihm gesprochen, er habe auch sich dahin geäußert, daß eine Schlüssel- stellung für Kohle und Eisen nicht dem Ausland überlassen werden dürfe, habe jedoch von dem zwischen Flick und Dietrich abgeschlossenen Vorvertrag keine Kenntnis erhalten. Das Interessanteste und Wichligsie ist freilich die Frage, welche Rolle Thyssen hier gespielt hak. Dietrich hat gesagt, daß sich Bögler und Flick bei Thyssen nach der Herkunft des Geldes erkundigt hätten und dann von Thyssen erfahren hätten, daß es sich um französische Gelder handelt. Thyssen hat nicht erklärt, daß er o o r Mitteilung des Angebots von der französischen  Herkunft des Geldes keine Kenntnis hatte. Er sagt in seiner Er- klärung nur:Nachdem ich erfahren hatte, daß ein solcher Kredit aber nur durch Refinanzierung in Paris   zu beschaffen sei, habe ich im Einverständnis mit Herrn Bögler und Herrn Flick weitere Verhandlungen nicht mehr geführt." Die Frage ist also offen, ob der nationale Herr Thyssen die Verhandlungen deshalb abge- brachen hat, weil Bögler und Flick, nachdem sie das Reichs- angebot in der Tasche hatten, auf Thyssens   Angebot verzichteten, oder ob Herr Thyssen die Verhandlungen schon dann nicht mehr weiterführte, als er erfuhr, daß es sich um französische Gelder handele. Die Flick-Affäre ist allmählich unerträglich geworden. Die Regierung von Popen hat sich bisher in vollkommenes Schweigen gehüllt, und noch immer sieht es so aus, als ob die Nächstbeteiligten durch die Regierung Papen   zum Schweigen verpflichtet wären. Vor dem Ueberwachungsausschuh des Reichstages konnte die Frick-Affäre bisher noch nicht verhandelt werden. Es steht fest, daß das Reich eine Verpflichtung über rund 199 Millionen Mark übernommen hat und auf diesem Wege der Bankrott des wichtigsten deutschen schwerindustriellen Komplexes verhindert worden ist. Es liegen Behauptungen darüber vor, daß deutsche Wirt- schaftsführer die Herrschaft über die entscheidenden Teile der deutschen   Schwerindustrie an das Ausland verkaufen wollten. Diesen Behauptungen eines ehemaligen Reichssinanzministers stehen nur gegenteilige Behauptungen von Privatleuten gegenüber. Man hat auch schon von einem Reichstreuhänder für die Schwer- industrie gesprochen und Dr. Schacht genannt. Der Reichskanzler von Papen hat in seiner gestrigen Rundfunkrede schließlich An- deutungen in der Richtung gemacht, daß das Reich möglicherweise trotz des Einsatzes von 199 Millionen Mark auf«inen entsprechenden Einfluß in der Schwerindustrie verzichten würde. Es wird Professor W a r m b o l d, dem früheren und jetzigen Reichswirt-
schaftsminister, volle Kenntnis des Geschäftes zugeschrieben, die dieser aber bestreitet. Das sind Zustände, die noch einer Aus- klärung geradezu schreien. Es wird mit der Oesfent- lichkeit in einem vorläufig noch demokratischen Staatswesen, in dem der Staatsbürger über die Verwendung seiner Steuergelder Rechen- schaft verlangen darf, einfach Schindluder getrieben. Diesen un- möglichen Verhältnissen muh endlich ein Ende gemacht werden.
Höhere Lebenshaltungskosten. Seit Mai sind die Ernährungskosten im Anstieg. So wollen es die Lunker. Ueber die Reichsindexziffer für die Lebenshaltungskosten im 3uli 1932 leill das Reichsstalistische Amt folgendes mit: Die Reichsindexziffer für die Lebenhaltungskosten(Ernährung, Wohnung, Heizung. Beleuchtung. Bekleidung und sonstiger Bedarfs ist für den Durchschnitt des Monats Juli 1932 mit 121,5 gegenüber 121,4 im Vormonat kaum verändert. Im einzelnen haben sich er- höht die Indexziffer für Ernährung um 0,4 Proz. auf 113,8, Heizung und Beleuchtung um 0,3 Proz. auf 134,2. Zurück- gegangen sind die Indexziffern für Bekleidung um 0,9 Proz. aus 11S,2, sonstiger Bedarf um 0.2 Proz. aus 105.2. Die in der Gruppe Ernährung eingetretene Erhöhung der Ausgaben ist zum Teil durch die Einbeziehung von Kartoffeln neuer Ernte verursacht. Angezogen haben hauptsächlich die Preise für Fleisch und Zleischwaren, Eier und Milch. Die Preise für Gemüse und Butter sind dagegen zurück- gegangen. Die Steigerung der Indexziffer für Heizung und Be- leuchtung ist auf den teilweisen Abbau der Sommerrabatte für Hausbrandkohle zurückzuführen." Der Lsbenshaltungsindex ist auch im Juli weiter angestiegen, und zwar liegt seit dem tiefsten Stande des Teuerungsindex im Mai 1932 eine Steigerung von 121,4 auf 121,5 vor, die Preise von 1913/14 199 gesetzt. Die Erhöhung des Gesamtindex beruht auf einer Steigerung der Ernährungskoften. Wir stecken in Deutschland   in einer Periode sich verteuernder Lebensmittel, was angesichts unserer Agrar- und Zollpolitik nicht wundernehmen kann. Mit einem Ernährungskostenindex von 149,4(Preise von 1913/14 199 gesetzt) traten wir in das Katastrophenjahr 1931 ein. Infolge des wirtschaftlichen Drucks hat sich dann der Ernäh- rungskoftenindex bis zum April 1932 auf 113,4 gesenkt. Bei dieser Gelegenheit muß der Regierung Brüning bescheinigt werden, daß sie durch verschiedene Maßnahmen, deren Halbheit man allerdings nicht verkennen darf, zur Verbilligung der Lebensmittel- preise beigetragen hat. Die Verbilligung, die von der Brüningschen Maßnahme ausging, hörte mit dem Augenblick auf, als das gegen- wärtige Kabinett vonPapen erschien und keinen Zweifel darüber ließ, daß ihm eine Entwicklung der Lebenshaltungskosten nach oben gleichgültig ist. Dem entspricht ja auch die Agrarpolitik des Kabinetts. Dem entsprechen auch verschiedene Erklärungen des Reichsernäh- rungsministers von Braun, wonach er keinen Finger rühren werde, um die verteuernden Auswirkungen seiner agrarpolitischen Maß- nahmen aüf die Lebenshaltungskosten zu verhindern. Upter diesen Umständen sank der Ernährungskosten- index von April 1932 bis Mai 1932 noch auf 112,7 ab. Dann be- ginnt eine ständige Steigerung. Für Juni 1932 erhöht sich der Teuerungsindex auf 113,4 und für Juli 1932 auf 113,8.
Großpleiten in Italien  . Das Land Mussolinis, das die Nazis den deutschen   Bürgern mit Vorliebe als Musterland hinstellen, wird von der Krise nicht weniger als andere kapitalistischen   Länder heim- gesucht. Eben werden einige Großpleiten in der Textil- i n d u st r i e bekannt. Eine Baumwollspinnerei und Weberei in Albino   hat ihr Kapital von 19,9 Millionen Lire(ein Lire gleich 9.21 M.) verloren und sucht mit 25,9 Millionen Lire Schulden einen Vergleich. Ein Konfektionshaus in Neapel   hat mit 6,3 Millionen Lire Passiven die Zahlungen eingestellt, ein Seidenhaus in Turin  mit 1,1 Millionen Lire Passiven. Eine Baumwollspinnerei und Weberei in Chieri   bietet einen 49prozentigen Vergleich bei Passiven von 5,1 Millionen Lire.
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keine minderwertige Ware, sondern
also auch im
Saison-Schlußverkauf NUR ECHTE SALAMANDER-QUALITÄT SO