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BERLIN Dienstag 2. August 1932

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Der Abend

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Nr. 360

B 175

49. Jahrgang

Attentatsserie in Preußen!

Terrorakte in Marienburg, Liegnitz und Goldberg

des Polizeipräsidenten Berner gewirkt, daß es sich bei den Atten-| gejengte Preußische Zeitung ", das nationalsozialistische Organ taten um eine sehr impulsive Tat, die unverantwortliche Königsbergs , gefunden. Der wichtigste Fund aber ist ein etwa

Leute ausgehedt haben", handele. Allgemein wird diese Er­

klärung des Polizeipräsidenten von Königsberg in nicht faschistischen Kreisen als im Widerspruch zu der ganz offenfundigen Tatsache einer vorbereiteten Organisation der Attentate stehend aufgefaßt.

Vor dem Otto Braun - Haus

12 Zentimeter langes Stüd Holz, in das zwölf Löcher eingebohrt

Königsberg , 2. Juli. ( Eigenbericht.) Noch steht ganz Königsberg unter dem Eindruck der faschistischen Revolver- und Brandstiftungsatten waren. In sieben Löchern steckten noch Spreng­tate, da wird schon aus Marienburg eine neue kapseln, die nicht zur Explosion gelangt waren. Wären alle Attentatsserie auf Republikaner gemel­Sprengkapseln explodiert, so wäre die Wirkung gar nicht abzusehen det. In der Nacht zum Dienstag gegen Uhr wur­gewesen. Hätten sich im Augenblick des Attentats Wachtposten am den in die Wohnung des Polizeiinspektors Toreingang befunden, so wären sie lebende Fackeln gewesen. Für die Riedel mehrere Flaschen mit Salzsäure und eine sammelten sich auch am Dienstagmorgen Hunderte von Menschen äußerst sorgfältige Vorbereitung der Attentate schwere Eisenstange geworfen. Einige Minuten an. Das Aeußere des Hauses bietet ein wüst es Bild. Die Fenster später wurden Schüsse auf den Balkon ab der Eingangstüren sind zertrümmert, die Türen verschwelt und die ist bezeichnend, daß der Ueberfall auf das Otto- Braun - Haus un­gegeben. Wahrscheinlich hatten die Täter angenom- eisernen Pfosten verrußt. Im Treppenhaus sind Sandjackbarrikaden mittelbar nach dem Abmarsch der Hauswache er­men, die Ueberfallenen würden aus den Zimmern Partei, die seit Sonntag faum ein Auge zugedrückt haben, find Königsberger Bolkszeitung" und die kommunistischen Funktionäre führenden Funktionäre der Eisernen Front und der anderen Attentate auf den Chefredakteur der auf den Balkon laufen und dort ihren Schüssen zum unermüdlich tätig. Der Ueberfall auf das Otto- Braun- Haus hat sich auf die Minute genau zur gleichen Zeit verübt Opfer fallen. Riedel ist der Vertrauensmann des nach übereinstimmenden Zeugenaussagen folgendermaßen abgespielt: kürzlich von Bracht abgesetten sozialdemokratischen Bis um 6 Uhr morgens hielt in der Wahlnacht zum Montag Elbinger Polizeipräsidenten Frinzel gewesen. eine starke Wache das Haus beseht. Als sich bis zu dieser Zeit nichts ereignet hatte, wurde die Wache eingezogen und nach Hause geschickt. Nur sieben Führer der Eisernen Front blieben noch im Hause zurück. Zehn Minuten später erfolgte eine schwere Explo­fion am Toreingang. Den fofort auf die Treppe Eilenden schlug

Ferner wurden dem Stadtbaurat Mollen hauer, der dem Zentrum angehört, die Fenster scheiben eingeworfen, und nachts um 2 Uhr wurde der Versuch unternommen, bei dem Vorsigenden des ADG B., dem Stadtverordneten Rahn, ge waltsam in die Wohnung einzudringen. Der Versuch mißlang aber, die Polizei hat eingehende Ermittlungen angestellt, jedoch noch keinen der Täter gefaßt.

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er:

Gegen ein Uhr nachts zur Zeit als die Atten: tate in Marienburg gegen die Wohnungen der drei genannten Personen unternommen wurden schienen bei einem Gastwirt in Marienburg mehrere Unbekannte, gaben mehrere Revolver= schüsse ab und befahlen dem Mann, das Ueber= fallkommando zu rufen und nach dem Orte Tessendorf zu schicken. Der eingeschüchterte Mann kam unter der Drohung der Revolver der Auf­forderung nach. Auf diese Weise hatten die Atten

im Treppenhaus eine 3 Meter hohe Stichflamme entgegen. Die sechs Brandbomben entwickelten einen derart dichten Qualm, daß der einzelne seinen Nebenmann nicht mehr erkennen fonnte. Trotzdem gelang es dank dem energischen Zupaden jedes einzelnen, den Brand zu löschen. Am Toreingang wurde eine an­

Prälat Seipel gestorben.

Der Kanzler ohne Milde.

Nur 56 Jahre alt, ist Ignaz Seipel nach langem Leiden gestorben. Im habsburgischen Altösterreich war sein Name in der Politit noch unbekannt- desto mehr ist er in der Republik genannt worden. Der streitbare und energische Prälat riß die Führung der Christlichsozialen Partei an sich; der Tod des ausgezeichneten Johann Hauser, des aufrichtig demokratischen und anschlußfreundlichen

wurden. Außerdem wurde in dieser Morgenstunde die Königsberger Polizei durch eine Fülle falscher Alarmmeldungen irritiert, so daß sie bei den dann tatsächlich erfolgten Attentaten nicht rechtzeitig zur Stelle sein konnte.

Während die Ostpreußische Zeitung", das Parteiorgan der Deutschnationalen in Königsberg , ihr Urteil dahingehend zusammen­faßt, daß die übereinstimmenden Attentate auf Führer der polifi­schen Linfen nur von Nationalsozialisten verübt sein können, versucht das Naziorgan sich auf frech ste und provo­zierendste Art herauszulügen. Die Preußische Zei­ tung " besitzt die Stirn, zu erklären, daß die ganze Unternehmung am Montagmorgen nichts anderes als eine raffinierte Taktik der Kommunisten sei!

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Die Eiferne Front hatte für Mittwoch eine Mitgliederversamm­lung einberufen, um zu den Vorgängen Stellung zu nehmen. Ob­wohl diese Mitgliederversammlung in geschloffenen Räumen ange­setzt war, hat die Regierung diese Bersammlung wegen Ge­fährdung der öffentlichen Ruhe und Ordnung" auf Grund der Burg­friedenverordnung verboten. Das Verbot hat begreiflicherweise größte Entrüftung hervorgerufen.

Ein Bericht des Regierungspräsidenten.

täter zur Zeit der Ueberfälle das polizeiliche Ueber: Prälaten und Landeshauptmanns von Oberösterreich , machte die wunsch zum Mißlingen des ruchlosen Attentats auf diesen Beamten

fallkommando nach auswärts geschickt.

Es stellte sich ferner heraus, daß vor dem Atten­tat gegen die Wohnung des Polizeiinspektors Riedel die Fernsprechleitung zerschnitten wor­den war.

Der Attentatsversuch gegen den Vorsitzenden des ADGB . Rahn wurde genau nach der in Königsberg geübten Methode unternom­men, ging aber fehl.

In der Stadt königsberg hält die allgemeine Erregung unter der Bevölkerung an. Der Regierungspräsident hat 5000 mt. Belohnung für die Ergreifung der Attentäter ausgesetzt. Vor den roten Anschlägen stauen sich die Menschen und diskutieren erregt die gestrigen Vorgänge. Die Polizeikräfte sind erheblich verstärkt worden. Von der Polizeischule Sens­burg sind 100 Mann nach Königsberg gefandt worden und der fommissarische Polizeipräsident Berner erklärt, gegen alle eventuellen Zwischenfälle gewappnet zu sein.

Besonders in den Arbeitervierteln herrscht die Erregung über die Montags- Attentate nach. In starken Gruppen stehen die Arbeiter auf den Straßen und diskutieren. In den Straßen patrouillieren zahlreiche Polizeistreifen, der Panzerwagen der Königsberger Polizei und die Autos der Feuerwehr rattern durch die Stadt. Diese Bilder find typisch für die gespannte Situation, in der sich Ostpreußens Hauptstadt befindet.

Heute früh hatte eine Pressebesprechung bei dem kom­missarischen Polizeipräsidenten Königsbergs stattgefunden, deren Er­gebnis aber noch reichlich mager ist. Bisher sind 30 Verdächtige verhaftet worden. Es liegt aber von der Polizei noch keine Erklärung vor, ob es sich bei den Verhafteten überwiegend um Nationalsozialisten handelt.

Bahn völlig frei für die erzreaktionäre und scharf: nacherische Politik Schon 1922 hat er als Bundeskanzler jene Genfer Sanierung abgemacht, die Zehntausende aus dem öffentlichen Dienst entfernte, Gehälter und Löhne furchtbar drückte und vor allem das Anschluß­

verbot von St. Germain ,, freiwillig" erneuerte. Die Sozialdemo­tratie hatte damals vergeblich Wege gewiesen, die die Finanzen saniert hätten, ohne derartige Opfer der Werktätigen und der nationalen Zukunft.

Seipel mar der Hauptförderer des schwarzgelben Heimwehr­faschismus und selbst der braunen Volksverhetzung. Nach den grauenhaften Geschehnissen der Julimitte 1927 mit ihrem Hundert erschossener Proletarier sprach der Kanzler- Prälat das fürchterliche Wort: Keine Milde!" 1930 hat er die Heimwehrführer samt seinem Intimus Baugoin an die Macht gebracht.

Der sozialdemokratische Wahlsieg hat dieses Regime weggefegt und Seipel aus der Politik einstweilen entfernt. Fast zugleich mit feinen bürgerlichen Hauptgegner Johann Schober ist Seipel vor einiger Zeit schwer ertranft. Um seinen Tod wird nur der Faschis

Sehr befremdend hat auf der Pressekonferenz die Erklärung mus aufrichtig trauern...

Reichskommissar Dr. Bracht hat dem Regierungspräsidenten Dr. von Bahrfeld in Königsberg einen telegraphischen Glück­gesandt und die Hoffnung auf baldige Genesung ausgesprochen. Ein Bericht des Regierungspräsidenten in Königsberg schildert die Ueberfallserie des gestrigen morgens entsprechend unserem Bericht. Er teilt weiter mit, daß um 10 Uhr vormittags zehn bewaffnete Reichsbannerleute angetroffen, entwaffnet und festgenommen worden sind. Kommunistische Flugblätter für Massenstreit und Massenselbstschuß sind beschlagnahmt worden. Die ganze, start verstärkte Polizei ist auf den Straßen, der Panzerwagen zeigt sich, es herrscht volle Ruhe. Wegen des mehrfachen grundlosen Feuer­wehralarms rückt die Königsberger Feuerwehr nur noch auf An­forderung der Polizei oder anderer Behörden aus.

Man glaubt, daß die Täter der Ueberfälle alle einer Bande angehört haben und vermutet im übrigen, daß ,, eine Anzahl jüngerer radikaler Elemente sich zu diesen Taten anläßlich des Wahlergebnisses zusammengefunden haben".

Es sind 40 Personen verhaftet, die aber mit besonderer Hartnädig­keit jede Aussage verweigern. Sollte sich, so wird weiter amtlich mitgeteilt, der Verdacht verdichten, daß es sich um eine ganz be­stimmte politische Gruppe handelt, so wird gegen fie energisch vor­gegangen werden. Bis jezt hat die Polizei nicht fest= angehören oder nahestehen.( In einer Stadt von der stellen können, welcher Partei die Verhafteten Größe Königsbergs kann die Polizei natürlich solche Feststellungen innerhalb weniger Stunden treffen!)

Der amtliche Bericht sagt weiter, daß unter denjenigen, die eine Tankstelle in Brand zu stecken suchten, Träger von SA.- Uni­formen waren. Weiter hat ein junger SA.- Mann, der auf der Flucht von einer Polizeistreife gefaßt worden ist, einen be­stimmten SA. Führer beschuldigt, zu Gewalttaten und Plünderungen aufgefordert zu haben. Darüber vernommene Hitler­besonders un­Leute bezeichnen aber diesen SA.- Jungen als zuverlässig. Das preußische Innenministerium hat für die Ermitt­lung der Täter 5000 M. Belohnung ausgesetzt und setzt darauf, ebenso wie auf die Aussetzung einer hohen Belohnung für die Nam­haftmachung der Handgranatenwerfer in Schleswig- Holstein die Er wartung auf ihre Festnahme.

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