Der wilde Röver
Oldenburger Zwischenspiele
Der Freistaat Oldenburg erlebt jezt ebenso interessante wie aufgeregte Tage. Seit die Nationalsozialisten die drei bis herigen Beamtenminister abgesezt und an deren Stelle drei richtiggehende Parteibuchminister gestellt haben, ist immer etwas los.
Rundfunk am Abend
Dienstag, den 2. August 1932.
Berlin : 16.05 Künstlerlaunen Künstlertragödien ( Dr. E. Cohn- Wiener). 16.30 Aus Leipzig : Unterhaltungskonzert. 17.30 Doktor Ueberall erzählt. 17.50 Bücherstunde. 18.20 Die Rüstung der europäischen Mächte( Frh. v. Medem). 18.50 Mitteilungen des Arbeitsamtes. 18.55 Die Funkstunde teilt mit. 19.00 Stimme zum Tag. 19.10 Von der bildenden Kunst( Dr. F. Servaes). 19.20 Lieder. 19.35 Unterhaltungs
Polizeidienst ist bekannt. Die Reichsregierung hat daraufhin zmar einen gewissen Schritt in Oldenburg unternommen, doch ist anzunehmen, daß man die Röverei ungeschoren läßt. Eine böse Sache für den oldenburgischen Staat sind seine musik. 20.30„ Der abenteuerliche Simplizius Simplizissimus
Der Spaß begann mit einer vom neuen Ministerpräsidenten angekündigten Amnestie für politische Vergehen. Das jah nach etwas aus. Bei näherem Zusehen entpuppte sich diese Amnestie freilich nur als eine Geste. Politische Prozesse haben in dem kleinen Lande so gut wie gar nicht stattge= funden, also gibt es auch nichts zu amnestieren. Bis auf den Herrn Ministerpräsidenten selber, gegen den seit langem ein oder zwei Beleidigungsklagen schweben. Hier konnte der Staatsanwalt niemals recht zugreifen, weil Herr Röver als Reichs- und Landtagsabgeordneter doppelt immun war und noch ist. Das Ergebnis der Amnestie" wird daher sein, daß der Herr Ministerpräsident in erster Linie von seiner Amnestie profitiert. Im Beleidigen und ehrenrührigen Herabsetzen anderer Leute, besonders politischer Gegner, ist der Nazi- Ministerpräsident überhaupt groß. Das war schon vor seiner Ministerpräsidentschaft so. Seine Landtagsreden waren häufig mit Ausdrücken wie An die Wand stellen" ,,, Aufhängen",„ Gesindel", Judenpack" usw. gewürzt". Im jezt eben abgelaufenen Wahlkampf stellte er die gleiche Walze ein. Die Gegner würden gehängt werden und man würde Posten hinstellen damit die Raben an ihrem Schmaus nicht behindert würden... An dem in Vechta erscheinenden Zentrumsblatte ,, Olden burgische Volkszeitung " übt ein Pfarrer das Amt des Haupt- und seine beiden anderen Parteibuchminister sein? schriftstellers aus. Röver, der es aus spekulativen Gründen liebt, in öffentlichen Volksversammlungen den Kragen abzunehmen und den Rock auszuziehen, erklärte in einer solchen Ver= sammlung, daß er
Steuerrückstände. Ueber 3 Millionen stehen aus!
Das ist für das kleine Land sehr viel. Wer sind die Rückständigen? Die Bauern auf dem Lande. Die gleichen Leute, die die SA.- Abteilungen und den sonstigen Agitationsgrundstock der Nazipartei liefern! Als unter der alten Regierung die Bauern sich um die Zahlung drückten, war dies bei der Nazifraktion ganz selbst verständlich; es hätte gar keinen Sinn ,,, diesem Staat" Steuern zu bezahlen.
Im neuen Nazista at nachen es die Bauern nun ebenso. Der Ministerpräsident bat sie unlängst herzlich, doch zu zahlen, da nun die Gewähr für eine sachgemäße Verwendung des Geldes jetzt gegeben sei. Es nügte aber nichts; die gerufenen Geister wurde er nicht los. Es wurde jetzt anheimgestellt, die Steuern in Naturalien zu zahlen; das bisherige Ergebnis dieser Maßnahmen ist aber gleich Null!
dem Pfarrer die Sehmaschinen taputtfchlagen werde, die dieser dann als altes Eisen verkaufen könne...
Als nun das Blatt sich über diesen, ihm gegenüber angeschlagenen Ton beschwerte, ließ er das Blatt verbieten. Dabei hatte das Blatt nichts weiter getan, als seine ureigensten Interessen wahrgenommen.
Gleich auf vierzehn Tage verbot Herr Röver auch unser Parteiorgan in Delmenhorst . Unserem Parteiblatt in Rüstringen sowie einem weiteren 3entrumsblatt in Löningen ließ er eine ,, Berwarnung" zugehen, mit der Ankündigung, daß, wenn sie sich beide nicht besserten, sie unnachsichtlich verboten werden würden.
Daß der Ministerpräsident zwar die Weimarer Ver fassung beschworen, deren am 11. August fällige Feier jedoch bereits unterbunden hat, sei nur nebenbei erwähnt. Zum Regierungspräsidenten in Eutin hat Herr Röver seinen Parteigenossen Böhmcker gemacht. Als dieser sein Amt antrat, geschah dies unter Hißung der Hakenkreuzfahne auf dem Rathaus und dem Regierungs= gebäude, unter Aufmarsch der SA. und unter Abfingen des Horst- Wessel - Liedes.
des Christoph von Grimmelshausen "( Hörspiel). 22.00 PoliSportnachrichten. tische Zeitungsschau( Dr. J. Räuscher). Wetter-, Tages- und
Muschelfischern an der argentinischen Küste( Dr. E. Dautert). Königswusterhausen: 16.05 Ein Tag bei den 16.30 Aus Leipzig : Nachmittagskonzert. 17.30 Der Verkehr der Zukunft( Dr. Trautvetter). 18.00 Der Laie und das Klavier( Dr. O. Mayer). 18.30 Krisenverlauf und Krisenbekämpfung im Ausland( Staatssekretär Prof. Dr. J. Hirsch). 18.55 Wetterbericht. 19.00 Aus Zoppot : Lohengrin ", Oper von Richard Wagner . 20.20 Der Mensch und die Krise ( Dr. J. Müller). 20.50 Aus Stuttgart : Unterhaltungskonzert 21.45 Aus Hamburg : Spätkonzert. Sonst: Berliner Programm. Vollständiges Europa - Programm im„ Volksfunk", monatl. 96 Pf. durch alle ,, Vorwärts"-Boten oder die Postanstalten.
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Nicht uninteressant ist übrigens, daß auch nach den Reichstags= wahlen vom Sonntag die Naziregierung nicht die Mehrheitliche bis südwestliche Winde. der Bevölkerung hinter sich hat. In allen größeren Orten Oldenburgs und fast durchweg auch in den ländlichen Gebieten haben am 31. Juli die sozialistischen Stimmen zuge= nommen. Sollte das nicht eine Warnung für Herrn Röver
„ Euch wählen ist ein Greuel."
Man schreibt uns: Am Sonntag wurde in einem Stimmbezirk
Verantwortl. für die Redaktion: Rich. Bernstein, Berlin ; Anzeigen: Th. Gloce. Berlin . Verlag: Vorwärts Berlag 6. m. b. H., Berlin . Druck: Vorwärts Buch. druckerei und Verlagsanstalt Paul Singer& Co., Berlin SW 68, Lindenstr. 3. Hierzu 1 Beilage.
ein Stimmschein abgegeben, der unter Liste 2 nur den Vermerk PLAZA trug: Jejaia Kap. 41 Vers 24". Dieser Bibelvers lautet: ,, Siehe, ihr seid aus nichts, und euer Tun ist aus nichts; und euch wählen ist ein Greuel."
Der Scherz ist an sich gut, und man kann dem bibelfesten Mann nur zustimmen. Zu bedauern aber ist, daß die Stimme dieses Wählers durch den mizigen aber unzulässigen Vermerk für die Republik verloren gegangen ist.
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