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BERLIN Mittwoch

3. Auguft

1932

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Der Abend

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Nr. 362

B 176

49. Jahrgang

Der Terror im Osten!

Sozialdemokratische Funktionäre werden niedergeschossen

RB. Königsberg i. Pr., 3. August.( Eigenbericht.) Ein neuer Mordanschlag auf einen sozial­demokratischen Funktionär wurde in in der Nähe Königsbergs in der Nacht zum Mittwoch verübt. Der sozialdemokratische Gemeindevorsteher und Kreis­tagsabgeordnete Gallowski in Norgau( Kreis Fisch­ hausen ) hatte bereits seit Tagen verschiedene Mord­androhungen erhalten. In der letzten Nacht wurde gegen 2 Uhr an sein Fenster geklopft und auf seine Frage, wer dort sei, geantwortet: Aufmachen, im Dorfe brennt es." Auf seine weitere Frage, wo es brenne, wurde ihm ein Hof genannt. Daraufhin zog er die Rolläden her­unter. In dem gleichen Augenblick krachten zwei Schüsse, von denen einer Gallowski in den Kopf, scharf am linken Auge traf. Gallowski wurde in bedenklichem Zustande in das Johanniter- Krankenhaus nach Königsberg gebracht. In der Stadt Königsberg hat dieser neue Mordanschlag auf einen führenden Funktionär der Sozialdemokratie größte Erregung hervorgerufen.

Die Lage wird unerträglich.

Im Gebiet der nächtlichen Mordversuche.

R. B. Königsberg , 3. August.( Eigenbericht.) ,, Das ist nicht der Erste und wird auch nicht der Letzte sein, der Noch zittert die Erregung über die Königsberger und Marien­dran glauben muß." burger Attentatsserie in der Bevölkerung Ostpreußens nach, da laufen Schlag auf Schlag neue Attentatsmeldungen aus der Provinz ein.

Heute früh um 29 Uhr traf die Meldung von dem Mord­anschlag auf den sozialdemokratischen Gemeindevorsteher des Dorfes Norgau ein. Ein Auto mit mehreren Königsberger Funktionären der Eisernen Front war sofort fahrtbereit und schon eine Stunde später trafen wir am Tatort ein, wo bereits Landjäger mit einem

Nächtlicher Ueberfall auf Reichsbannerführer. Bericht eines Unparteiischen

Heute früh gegen 3 Uhr erschien in dem Orte Szil.

I en im Kreise Tilsit- Ragnit vor dem Hause des Reichs­bannerführers Raschkowski ein mit vier bis fünf Personen besetztes Auto. Dem Wagen entstiegen drei Personen und riefen nach der Giebelwohnung des Reichsbannerführers hinauf: ,, Wohnt hier Raschkowski?" Als die Ehefrau Raschkowskis am Fenster erschien, rief man ihr zu, sie möge ihren Mann rufen, der Tilsiter Reichsbannerführer wolle ihn dringend sprechen. Rasch­kowski erschien am Fenster, lugte aber nur vorsichtig hinaus, weil er durch die Königsberger und Marien­burger Attentate gewarnt war. Kaum blickte er zum Fenster hinaus, wurden etwa acht Schüsse ab­gegeben. Die Kugeln gingen um Handbreite an den Köpfen des Ehepaares vorbei, verletzt wurde aber glück­licherweise niemand. Die Schützen flüchteten dann mit ihrem Kraftwagen im Dunkel der Nacht.

Bombenwurf in Kiel .

Kiel , 3. Auguft.( Eigenbericht.)

In der vergangenen Nacht gegen Uhr sind in Kiel wieder Bomben geworfen worden und zwar diesmal auf die Synagoge im Hohenzollernpark Ede Humboldtstraße, efwa 500 meter vom Gewerkschaftshaus entfernt. Es wurde erheblicher Sachschaden angerichtet, besonders auch bei dem in der Nähe befindlichen Licht- und Wasserwerk, wo viele Fensterscheiben zerfrümmert wurden. In das Mauerwerk der Synagoge ist ein großes Loch gerissen. Man nimmt an, daß es sich nicht um Handgranaten, sondern um regelrechte Bomben gehandelt habe. Von den Tätern fehlt bisher jede Spur. Es ist jedoch mit Sicherheit anzunehmen, daß der Anschlag eigentlich der Boltszeitung" galt. Dort war aber infolge eines sehr guten Wachdienstes nichts zu machen. Der Bolkszeitung" gegenüber be­findet sich eine Mittelschule, auf deren Hof ungefähr eine Stunde vor der Tat verdächtige Gestalten beobachtet worden sind.

SA. überfällt Polizeibeamte. Der Rädelsführer mit Fleischermesser.

Die Rechtspresse meldet: Soweit das Auge reicht, ist in Deutschland von Terror nicht das mindeste zu bemerken!"

Polizeihund die Ermittlungen aufnahmen. Das Attentat auf den Genossen Gallowsti, der zu den bewährtesten sozialdemokratischen Führern im Kreise Fischhausen gehört, ist mit abgefeimtester Raffiniertheit ausgeführt worden. Als Gallowski auf das Klopfen vorsichtigerweise nicht öffnete, wurde ihm von draußen zu gerufen: ,, Mach auf, hier ist der Bauer Bult, es brennt im Dorfe." Auf die Nennung dieses bekannten Namens ließ Gallowski die Jalousien herunter und in demselben Augenblick wurde er schon

Breslau , 3. Auguft.( Eigenbericht.) Auf der Bohrauer Straße in Breslau kam es in der letzten durch einen Schläfenschuß zu Boden gestreckt. Nacht zu einem Zusammenstoß. Urheber der Ausschreitungen waren wiederum SA.- Leute. Die Hakenkreugler, etwa 30 Mann Sozialdemokratische Landarbeiter des Dorfes haben ausgesagt, an der Zahl, standen vor einem ihrer Berkehrslokale und schlugen daß sie seit Wochen unter schärfstem Maziterror einen Passanten zu Boden. Zwei Polizeibeamte, die dem Ueber- stehen. Bereits für den Wahlsonntag hatte die SA. einen Sturm fallenen zu Hilfe eilten, wurden umzingelt und ebenfalls brutal auf das Befigtum des Genossen Gallowsti angekündigt. 3wei mißhandelt. Schließlich räumte ein Ueberfallkommando die Straße. nationalsozialistische Hofbesiger des Dorfes find Der Rädelsführer, der auf der Flucht ein großes Messer wegwarf, schmer belastet. Der eine besaß die Frechheit, nach dem Abtransport wurde verhaftet. In der Gaststätte fanden die Polizeibeamten bei des schwerverletzten Gallowsti vor Zeugen triumphierend festzu­der Durchsuchung einen geladenen Revolver. stellen:

Gallowski ist in Königsberg operiert worden. Die Kugel, die in der Der Zustand ist linken Schläfe steckte, konnte entfernt werden. den Umständen nach befriedigend.

Der Zusammenhang dieser Mordanschläge auf dem flachen Lande mit den Attentaten in Königsberg und Marienburg liegt auf der Hand. Man ist in politischen Kreisen Königsbergs davon überzeugt, daß in den nächsten Tagen mit weiteren Anschlägen auf dem Lande zu rechnen ist und man hält es für durchaus möglich, daß die Atten­tatswelle vom flachen Lande noch einmal nach der ostpreußischen Hauptstadt zurückschlägt,

Erschütternd sind die Eindrücke, die man in den terrorisierten Dörfern Ostpreußens empfängt. ,, Wir sind hier verraten und ver­kauft", erklären die sozialdemokratischen Landarbeiter. Waffen haben wir nicht und die Nazis schießen einen Kameraden nach dem andern ab wie die Krähen."

Die Mutter des verlegten Gallowski erklärte voll Erbitterung: ,, Wissen die Herren der Regierung von unseren schlaflosen Nächten, wo wir Frauen angstvoll auf jeden Schritt lauschen. Haben wir überhaupt noch eine Staatsgewalt, die uns schützt? Wir sind hier vogelfrei und unsere einzige Hoffnung, die uns in dieser schrecklichen Zeit aufrechterhält, ist das Zusammenhalten der Kameraden der Eisernen Front."

Das sind nur einige Beispiele von der Stimmung der republis fanischen Bevölkerung Ostpreußens . In Königsberg hat die Polizei einen wichtigen Fund gemacht. Der Nationalsozialist Walter ist unter dem dringenden Verdacht verhaftet worden, die nationalsozialistische Brandstifterkolonne am Montag= morgen angeführt zu haben. Es ist festgestellt worden, daß Walter Montag früh um 4 Uhr sein Haus verlassen hat und um 8 Uhr beschmutzt und mit zahlreichen Flecken auf den Kleidern zurück­gefehrt ist.

Von der Polizei war bisher noch keine Meldung über das Er­gebnis der Vernehmung Walters zu erlangen. Wie ich aber von gutunterrichteter Seite erfahre, sollen verhaftete S.- Leute im Kreuzverhör zugegeben haben, daß Walter der Anführer der Brandstifter folonne gewesen ist. Die Ironie des Schicksals will es, daß der Führer der Tankstellenbrandstifter Angestellter bei der Dapolin- Gesellschaft ist!

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Panzerwagen der SA.

Kassel, 3. Auguft.( WTB.)

Bon der Polizei wurden gestern abend in Hofgeismar bei Angehörigen rechtsradikaler Gruppen( die richtige Be­zeichnung Nationalsozialisten scheint jetzt aus den amt­lichen Meldungen zu verschwinden- Red.) Durchsuchungen nach Waffen vorgenommen. Es sollten dort ein kompletter Panzer­wagen sowie Maschinengewehre versteckt worden sein. Bei der Durchführung der Aktion wurde der Panzerwagen wirklich gefunden. Es handelt sich dabei um einen mit 5 Millimeter didem Stahlblech beschlagenen und mit Schieß­löchern und gefechtsmäßiger Ausrüstung ver­sehenen Wagen.

Der Wagen wurde von der Kaffeler Schuhpolizei in der Maschinengewehre oder Polizeiunterkunft sichergestellt. andere Waffen konnten bei der Durchsuchung nicht gefunden werden.

Neben den Beamten der Landjägerei sind auch Beamte der Kriminalpolizei aus Kaffel in Hofgeismar tätig, um die Nach­forschungen nach Waffen fortzusetzen. Personen wurden bisher nicht festgenommen.

Zu der Polizeiaftion in 5ofgeismar teilt die Presse