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Morgenausgabe

Nr. 363 A 179

49. Jahrgang

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Teils

Vorwärts

Berliner Boltsblatt

Donnerstag 4. August 1932 Groß- Berlin 10 Pf. Auswärts 15 Pf.

Bentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschla

Redaktion und Verlag: Berlin   SW 68, Lindenstr. 3

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An die Partei!

Der 31. Juli hat die Unüberwindlichkeit der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands   glänzend bestätigt. Unter dem Kreuzfeuer von rechts und links, unter einer Flut von Beschimpfungen, unter körperlichen Bedrohungen und Angriffen, die den ,, Marxismus  " erledigen sollten, sind

Hunderttausende von neuen Wählern gegenüber

den letzten Landtagswahlen gewonnen.

Ihr habt dafür gesorgt, daß der Traum einer Mehrheit für die Hitler- Diktatur gründlich erledigt und auch die erhoffte Rechtsmehrheit nicht erreicht werden konnte. In Anhalt, Mecklenburg   und Oldenburg  ist die bei den Landtagswahlen erzielte, von den Nationalsozialisten beherrschte Regierungsmehrheit nach dem Stimmenergebnis der Reichstagswahl bereits wiede: zerschlagen.

Diesen großen Erfolg verdanken wir der vorbildlichen Treue und dem unerhörten Opfermut unserer Mitkämpfer in Stadt und Land, die ungeachtet aller Verfolgungen und in steter Lebensgefahr den Kampf geführt und den Sieg errungen haben.

Notwehr."

Das Schuhschild vor den nationalsozialistischen Mördern.

Notwehr ist diejenige Verteidigung, welche erforderlich ist, um einen gegenwärtigen, rechtswidrigen Angriff von sich oder einem anderen abzuwenden.§ 53 Reichsstrafgesetzbuch. Bom Ableugnen ist die nationalsozialistische Presse sehr rasch ins Verteidigen und Entschuldigen gekommen. Am Dienstag noch beschimpfte der Angriff" uns als Strolche in den Redaktionsstuben der Sudelblätter", weil wir als Urheber der Königsberger Attentate die Nationalsozialisten bezeichnet hatten. Die Taten selber waren für das Naziblatt ,, Dummejungenstreiche".

Diese Lügentaktik hat nicht lange vorgehalten. Die nationalsozialistische Presse ist allerdings in der angenehmen Lage, ihrem fanatisierten Lesepublikum heute weiß und morgen schwarz erzählen zu können, ohne daß dieses Anstoß nimmt. So wird denn kein Angriff"-Leser, der noch am Dienstag seinem Leibblatt begeistert darin beistimmte, daß es fich in Königsberg   um ,, Dummejungenstreiche" gehandelt

Den tapferen Streitern gebührt der uneingeschränkte babe, am mittwoch irgendwie erſtaunt geweſen ſein, im

Dank der Partei!

Parteigenossen, ihr wißt, mit dem Erfolg des 31. Juli ist der Kampf nicht beendet, der Feind noch nicht endgültig zurückgeschlagen. Der Gegner will seine Niederlage nicht ruhig hinnehmen, er streckt Bleibt auf der Wacht, führt den Kampf weiter, der seit dem Bestehen unserer Bewegung ein geistiger Kampf war.

trotz alledem seine Hände nach der Macht aus.

Aktivität, Disziplin und Einigkeit- das bleibe auch in Zukunft unsere Parole.

Der kommende Reichstag wird euren Abgeordneten Gelegenheit geben, die Gegner auf die Echt­heit ihrer Versprechungen festzulegen. Die Sozialdemokratie ist gewillt, unverzüglich ihre Vorschläge für Arbeit und Brot dem neugewählten Parlament zu unterbreiten und die Wählerschaft wird in der Lage sein, den wahren Charakter der Volksvertreter zu erkennen.

Aber auch in unseren Organisationen darf die Aktivität keinen Tag erlahmen, sie müssen zu jeder Stunde bereit sein, in Aktion zu treten, wenn Anschläge gegen die Volksrechte oder die Arbeiterklasse gewagt werden. Die Abwehr soll auf jedem Kampffelde vorbereitet sein, auf dem die Volksfeinde vorstoßen könnten.

Der Verfassungstag gibt uns die Gelegenheit, für die Republik   gegen die Diktatur zu demonstrieren

und zu bekunden, daß wir die Demokratie unter allen Umständen zu verteidigen gewillt sind. Parteigenossen! Der Ernst der Stunde duldet keine Unterbrechung des Kampfes, keine Ermüdung, kein Erlahmen. Sofort müssen unsere Kaders formiert, unsere Organisationen wieder schlagkräftig gemacht werden. 150 im politischen Kampf hingestreckte Gesinnungsgenossen, Familienväter und Jungarbeiter, die ihr Leben für die Freiheit opfern mußten, niedergeschlagen zumeist aus feigem Hinterhalt, von brutaler Uebermacht, rufen euch mahnend zu: ,, Soll unser Opfer umsonst bleiben?"

,, Bölkischen Beobachter" zu lesen, daß es sich um ,, außer ordentlich ernst zu nehmende Ausbrüche des Volks. 3orns" gehandelt habe. An den Attentaten sei niemand anders schuld als die Marristen, die die außerordent­lich sensiblen Nerven der Nationalsozialisten so gereizt hätten, daß es zu derartigen Ausbrüchen hätte kommen müssen. Es fei hier eingeschaltet, daß am Mittwoch im Aeltestenausschuß des Preußischen Landtages der Nazihäuptling Kube den Wiederzusammentritt des Landtags zu verhindern suchte, in­dem er ankündigte: Bei der gereizten Stimmung seiner Fraktion fönne er nicht dafür garantieren, daß diese nicht wiederum zu Gewalttätigfeiten schreiten würde. - Die Rücksicht, die die Nazis für ihre franken Nerven er­heifchen, ist nicht gering. Die Partei, deren Schimpfwörter­lexikon jeden Rekord schlägt, deren Preffe ein einzige Samm­lung von Raschemmenausdrücken ist, gefällt sich darin, die provozierte Unschuld zu spielen. Sie übertrifft darin den Wolf der Fabel, dem das Lamm das Waffer trübt, mag es oberhalb oder unterhalb trinken.

Von dieser Taktik ausgehend, erklärt der Völkische Beobachter" die Taten von Königsberg   für begreiflich als Ausfluß des Wunsches ,,, durch Anwendung von Selbst hilfe zu verhindern, daß noch weitere Opfer einfach nieder­gemetzelt werden". Schuld ist für den Bölkischen Beob­achter" wieder einmal das System", obwohl es nicht mehr besteht.

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In genau den gleichen Gedankengängen bewegt sich die Nationalsozialistische Parteitorrefpon­benz, die die Bluttaten vom Montag als eine Reaktion der anständigen Bevölkerungsfreife" gegen das rote Unter­menschentum" erklärt. Dann werden die Attentate direkt

glorifiziert:

Nein, nimmermehr! Wir führen ihren Kampf fort, welche Gefahren uns auch umdrohen. Wir formieren unsere Kampfreihen zur nächsten Schlacht! Wir ruhen nicht bis zum Siege der Freiheit tänden eine Bolts justiz- und zwar gegenüber den

und des Sozialismus!

Donnernd ertönt auch nach der Wahlschlacht unser Ruf durchs Land

Berlin  , den 3. August 1932.

FREIHEIT!

Der Parteivorstand.

Maschinengewehr der SA.

Waffensuche in Nazifasernen mit durchschlagendem Erfolg.

Breslau  , 3. August.( Eigenbericht.) Am Dienstagabend wurde in Katscher   bei Leobschüt in Oberschlesien   ein SA.- Heim nach Waffen durchsucht. Das Heim befindet sich über einem Geräteschuppen, in dem landwirtschaftliche Maschinen untergebracht sind. Es wurden gefunden: eine Schreckschußpistole, ein Gummischlauch mit Bleieinlage. eine Pistole, ein schweres Maschinengewehr mit Schlitten, ein Ersatzver schluß zum Maschinengewehr, ein Erfahlauf zum Ma­schinengewehr, 23 Stielhandgranaten, 3 MG.  - Gurte zu je 250 Schuß, ein MG.- Gurt mit 100 Schuß, 12 MG.- Gurte mit je 50 Schuß, ein Armeedolch und ein Motorrad ohne Nummernbezeichnung. In der Werkzeugtasche des Motorrads wurden ferner 64 Schuß 08- Munition und 8 Schuß Munition für die Armeepistole entdeckt.

Weitere Waffenfunde in Oberschlesien  .

Hindenburg  , 3. August.  ( WTB.)

Die Polizei durchsuchte in der vergangenen Nacht das Wachtlokal der SA. in Sosnika, wo 26 Mann untergebracht sind. Nach dem Polizeibericht wurden ge­funden: 1 Mauserpistole( 9 Millimeter) mit 6 Schuß Munition, 1 Trommelrevolver mit 5 Schuß Munition, 1 Taschentesching, 4 Gummiknüppel, 1 Seitengetwehr, 1 langes Messer und 1 Ladestreifen mit 8 Patronen ( 6,35 Millimeter). Die Waffen wurden beschlagnahmt. Der SA.- Führer wurde im Besitz einer Pistole mit 3 Schuß und eines Schlagrings betroffen. Er wird dem Schnellrichter vorgeführt werden.

,, So bedauerlich die letzten Königsberger Vorgänge auch find, menschlich wird es begreiflich, wenn sich unter den obwaltenden Um­intellektuellen Verantwortlichen herausbildet und wenn auch Nationalsozialisten von dem Naturrecht der Notwehr Gebrauch machen, um sich nicht weiter von dem Mordmob nutzlos abschlachten zu lassen."

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Es gibt ein Maß der Verlogenheit, gegen das mit geisti­gen Mitteln kaum anzufämpfen ist. Wir haben an die Spitze dieses Artikels den Wortlaut des Paragraphen gestellt, in deffen Rahmen das Strafgesetzbuch nicht etwa das republi­tanische, sondern das unter der Monarchie geschaffene Reichsstrafgesetzbuch Notwehr gestattet. Notwehr ist da­nach Verteidigung( niemals Angriff!), und zwar muß sich die Verteidigung richten gegen einen rechtswidrigen An­griff, der noch gegenwärtig ist.

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Was aber war in Königsberg   geschehen? Am Sonnabend vor der Wahl hatte eine der jetzt allzu üblichen Rempeleien zwischen jugendlichen Nationalsozia­listen und Kommunisten stattgefunden. Dabei war ein 20jähriger Nationalsozialist von ebenso jugendlichen Kommu­nisten durch einen Messerstich getötet worden. Rein Wort der Billigung für diese Tat! Aber uns will scheinen, daß das Umgekehrte in den letzten Wochen in Deutschland  doppelt und dreifach so häufig vorgekommen ist. Wer im Einzelfalle Angreifer gewesen ist, läßt sich vielfach nicht mit Sicherheit feststellen. Aber eins ist mit absoluter Sicherheit festzustellen: bevor es eine Nationalsozialistische Partei, bevor es eine S2. in Deutschland   gegeben hat, sind derartig regelmäßig wiederkehrende blutige Auseinander­segungen auf der Straße einfach unbekannt gewesen. Daraus läßt sich einwandfrei ableiten, in welcher