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Es ist alles ss schwer!" Zwei junge Menschen, Mann und Iran  , haben den Gastod gewählt. Rätselhaft erscheint ihre verzweislungs- tat. Der Mann Halle Arbeil, sie lebten in geordneten Der Hältnissen und waren gesund. Am Zvahlsonniag, nachdem sie gewählt hatten, drehten sie den Gashahn auf. In der Mietkaserne im Osten Berlins  , wo das Ehepaar im vierten Stock zwei Stuben und Küche innehatte, herrscht Rätsel raten unter den Hausbewohnern. Es fehlt der Kernpunkt des traurigen Geschehens, das Angriffsobsekt, dem man die Schuld auf laden könnte, dem man Rache und Vergeltung schwört. Hier aber ist nichts, nichts als die Tat... So mischt sich dem Gedenken an die Toten auch nicht jenes, wenn auch noch so oberflächliche Mitleid bei, das der vom harten Schicksal besiegten Kreatur gilt: es fehlt in den Worten der Leute jenes verängstigte Zittern, das zu sagen scheint:Heute die, morgen du!" Sogar ein leiser Vor- wurf klingt aus den Worten der Flurnachborin, die da meint: Gott  , wenn's ihnen noch schlecht gegangen wäre; aber es war ja alles da und auf dem Tisch hatten sie das Geld für die Beerdigung zurecht gelegt,«in paar hundert Mark." Wer in letzter Stunde so ordentlich sein Haus bestellen kann, warum geht der eigentlich davon? Wer satt ist, den kann's doch nicht nach einem besseren Jenseits hungern? Das ist die Meinung der Nachbarsleute und auch all der anderen, die in kleinen, schlechten Wohnungen in dichtbevölkerten Proletarieroierteln hausen, die ihre drückende Sorgenlast ums tägliche Brot Monate, Jahre, ein Leben lang mit sich schleppen. Wenn einer aus ihren Reihen fällt, well ihn Not und Sorge nach dem Gashahn weisen, das können sie verstehen, das können sie bedauern. Aber wer, der satt zu essen hat? Bloß die alte Frau, die da eben mit ihrem kleinen Enkelkind die Treppe hoch kommt, die sieht ein wenig schärfer:Ja, ja", meint sie,die Jungen von heute, die haben's gar nicht mehr schön aus der Welt. Da ist bloß Verbitterung und Haß unter den Menschen, und so wenig Schönes für jetzt und später, daß ich ijiir oft denke: Bin ich froh, daß ich's bald über­standen habe. Aber was sollen die sagen, die noch«in ganzes Leben vor sich haben? In letzter Zeit habe ich die junge Frau oft be- obachtet, was sie für harte, bitter« Züg« mit ihren 22 Jahren hat. Und wenn wir zusammen sprachen und ich meinte: Na, Frau Merkel, warum denn so ernst, ist denn bei Ihnen irgendwas nicht im Lot? Da antwortete sie: E s i st a l l e s s o s ch w e r für«inen, der Gesinnung und Charakter hat. Dann schob sie schnell ab." Das, was man. nicht sagen kann, drückt oft stärker als das andere, weil's nach innen geht und wächst und bohrt!" Kopfschüttelnd sehen die anderen Frauen der Alten nach, die setzt weitergeht.Ja, ja, wer keine Sorgen hat, macht sich eben welche" meint die Frau von gegenüber, dann sieht sie nach ihrem Mittag, und der Dampf, der aus dem brodelnden Kochtopf steigt, hüllt ihren Kopf samt allen darin wohnenden Gedanken ein. Unten spielen die Kinder mit großem Jubelgeschrei Räuber, bald wird der Namenszettel der Toten auf der Wandtafel im Hauseingang dem des neuen Mieters Platz machen, und keiner denkt dann mehr an die beiden, die sich angeekelt, angewidert, heimlich wie die Diebe aus dem Leben schlichen... Ein Frauenschickfal gsrächi. Die Gespenster ver Vergangenheit wird man nicht leicht los. Dieses Frauenschicksal ist schnell erzählt. Man lernte es in einer Sitzung des Schöffengerichts Berlin-Mitte   kennen. Der Dater ist im Gefängnis gestorben, die Mutter befindet sich in einer Irrenanstalt. Schon als Schulmädchen Kestahl die Ange­klagte ihre Mitschülerinnen. Strafen nutzten nichts. Sie konnte nicht anders, sie mußte stehlen. Vielleicht hatte sie das vom Vater. Die häuslichen Verhältnisse trieben sie davon. Sie schloß sich einer Artistentruppe an. Achtzehnjährig bekam sie das erste Kind. Später lebte sie von der Straße. Ihr Beruf bracht« ihr die übliche Infektion, Von der Krankheit halte sie sich niemals recht erholt. Dann folgten Strafen wegen Diebstahls, in kurzer Reihen- folge sieben hintereinander: sie zog das Gefängnis der Straße vor. Vor acht Jahren lernt« sie einen Mann kennen, der sie trotz de» Vorlebens und der Vorstrasen zu seiner Frau machte. Nun wurde sie gut bürgerlich. Die Vergangenheit schien vergessen. Die erbliche Belastung war aber unausrottbar. Noch immer ließ sie sich leicht zu Handlungen hinreißen, die sie später bereute. Vor wenigen Mo- naten kam es zwischen Mann und Frau zu einer ernsten Differenz.
176045 neue Wotirnrngen Was das neue Berlin   gelcislet hat.
Der katastrophale Niedergang der Berliner   Bauwirtschaft im Jahre 1932 zeigt sich ganz besonders im Rückgang der Wohnungs  - bauten. Schon jetzt ist die Zahl der bezugsfähig fertiggestellten und die Zahl der begonnenen Wohnungen um je etwa 66 Proz. zurück- gegangen, und in anderen Kroßstädten liegt es zum Teil noch ärger. Gleichwohl kann die Einheitsgemeinde Berlin   auf elf gute Jahre der Entwicklung zurückblicken, denn von 1321 bis 1331 sind in Berlin  176 04S Wohnungen hinzugekommen, was bei einer mittleren Be- völkerungszahl von 4,111 Mill. im Durchschnitt 42,8 für das Tausend ausmacht. Zieht man zum Vergleich die Verhältnisse in 13 weiteren dent- schen Großstädten über 266 666 Einwohner heran, so ergibt sich, daß Berlin   an achter Stelle steht, während Bremen  , Hamburg  und Köln   die Spitze halten, und Magdeburg  , Chemnitz  und Kiel   den Schluß machen. Bezeichnend für die ungeheure Leistung Berlins   ist die Tatsache, daß die Zahl der neugewonnenen Wohnungen noch nicht um 2666 hinter der Gesamtwohnungszahl der großen Stadt München  (736 666 Einwohner) zurückbleibt, wie sie bei der Wohnungszählung im Jahre 1327 ennittelt wurde. Ganz besonders stark war die Berliner   Bauleistung in den beiden letzten Jahren, und das Jahr 1336 stellt überhaupt eine Höchstleistung dar. In diesen beiden Jahren hat Berlin   zugleich mit Bremen   unter
allen deutschen   Städten den größten Wohnungsreingewinn zu ver- zeichnen, nämlich 17,4 pro Mille der Bsoölkerung. während der Durchschnitt nur 12.4 pro Mille beträgt. In den beiden letzten Jahren gewann Berlin   allein 73 266 Wohnungen: alle übrigen deutscheu Städte Über 166 666 Einwohner brachten es zusammen auf 167 347. Daß diese im Interesse der breiten Schichten der Bevölkerung höchst erfreuliche Wohnungsbautätigkeit zum großen Teil gegen den Wider- stand der rechtsgerichteten Parteien durchgesetzt werden mußte, ist wohl allgemein bekannt. Besonderen Wert Hat man in Berlin   mit Recht darauf gelegt, den Bedarf an K l e i n w o h n u n g en zu decken, und der Anteil der Kleinwohnungen am Wohnungsrein- gewinn ist ununterbrochen stark gestiegen. So mancher Bewohner eines modernen Wohnhausblocks, der heute die hohe Miete nicht mehr aufzubringen vermag, wird diese unerhörte Leistung des neuen Berlin   mit etwas weniger Begeiste- rung ansehen. Ihm sei in Erinnerung gerufen, daß die Sozialdemo- kratie stets für die Senkung der Mieten eingetreten ist. Die Ver- schärfung der Wirtschaftskrise ließ die Mieten noch drückender werden, als sie es schon früher waren. Welchen Grad hätte aber die Arbeitslosigkeit schon in früheren Jahren angenommen, wenn nicht sozialdemokratische Initiative die Bautätigkeit immer wieder an- gekurbelt hätte?
Sie glaubte Grund zu Eifersucht zu haben und machte dem Mann Vorhaltungen. Der hielt chr ihr Strafregister vor. Das hotte sie von ihm nicht erwartet. War denn das Alle nicht ein für allemal vergessen?!Ich bleibe keinen Augenblick mehr bei dir. Ich gehe fort!"Geh' wohin du willst!" Und sie ging wieder auf die Straße. Die Vergangenheit, die der Mann aufgerührt hatte, wurde plötzlich wieder wach. Sie traf einen Bekannten, ging mit ihm in einen Hausflur und entwendete ihm aus dem Portemonnaie 166 Mark. Der Mann merkte den Verlust des Geldes und ließ sie festnehmen. Vom Polizeirevier wurde sie vom Mann abgeholt. Jetzt haben sie sich wieder versöhnt. Während sie auf der Anklagebank saß, wartete er im Zuhörerraum voller Spannung auf das Urteil. Es war milde. Die drei Monate Gefängnis wird die Angeklagte nicht zu verbüßen brauchen. Trotz der vielen Vorstrafen hat das Gericht gegen Zahlung einer Buße von 266 Mark in Monatsraten von 26 Mark ihr Bewährungsfrist zugebilligt.
Gorgen um die Gauerkirfchenernte. Verheerende Wirkungen des Jaulpilzes. Die diesjährige Ernte von Sanerkirchen ist in der Mark Brandenburg und vor allem in der Umgebung Berlin  » bedroht, es hat sich nämlich in den letzten Tagen in den meisten Sanerkirschplantagen eine verheerende Ausbreitung des kusiclaäium cerasi, des Faulpilzes der Sauerkirsche, infolge der in der letzten Zeil   erfolgten Niederschläge bemerkbar gemacht. Es handelt sich dabei um eine Fruchtkrankheit, die in Fachkreisen beveits seit mehreren Iahren bekannt ist, jedoch noch nie einen derartigen Umfang angenommen hat, wie dieses Jahr. Die Krankheit, die im Übrigen die Früchte nicht vergiftet, sondern sie lediglich zur schnellen Fäulnis bringt, ist neben den häufigen Niederschlägen auf eine zu geringe Durchlüftung der Kirsch- bäume zurückzuführen. Der Faulpilz hat nämlich fast ausschließlich «ine Kirschsorte, die Schattenmorelle, befallen, die allgemein als Buschobst kultiviert wird. Die Früchte werden vor allem nahe über dem Boden und dort befallen, wo das Laub zu dicht ist und daher die Bäume nicht genügend vom Wind durchweht werden können. Die Krankheit äußert sich in einer Schrumpfung der Kirschfrucht bei Beginn der Reife. Der bisher durch den Faulpilz angerichtete Schaden beträgt nach der Schätzung der Landwirtschafts- kammer für Berlin   und die Provinz Brandenburg   mindestens 36 bis 73 Proz. der gesamten Sauerkirschernte, was einen ungeheuren Verlust bedeutet. Eine Bekämpfung der Krankheit ist augenblicklich ausgeschlossen, da man den Faulpilz nur durch Spritzen mit Schwefel- oder Kupferlösungen kurz vor der Blute und während der Fruchtentwicklung bekämpfen kann. Die einzige Möglichkeit besteht jetzt noch in einer gründlichen Auslichtung der Zweige, aber
auch das dürfte an dem Gesamtergebnis kaum noch viel ändern. Der Genuß der vom Faulpllz befallenen Kirschen bedeutet nach Ansicht der Fachleute keine Gefahr, jedoch tritt beim Ein- machen nach kurzer Zeit die völlige Fäulnis und damit Ungenieß- barkeit ein. Der Verbraucherschaft ist der Mangel bisher noch nicht irgendwie aufgefallen oder unangenehm zum Bewußtsein gekommen. Die Übrigen Obstsorten sind vorläufig durch diese Fruchtkrankheit, die dem Baumbestand keinen Schaden zufügt, nicht betroffen oder ge- fährdet. Lteberlastung der Wohlfahrisamter. Die vielen Anträge auf Mietbeihilfe konnten in den Wohlfahrtsämtern nicht rechtzeitig im Laufe des Juli bewältigt werden. Der Oberbürgermeister Hot deshalb beantragt, den Hauseigentümern, denen bisher Stundungen zugunsten hilf»- bedürftiger Mieter gewährt wurden, auch für den Monat August noch einen entsprechenden Betrag ohne Ziel auf Niederschlagung zu stunden bis zur Entscheidung der Fürsorgebehörde. Die Ent» scheidung über diesen Antrag steht noch au». Die Bezirkswohlfahrt»- und Jugendämter können wegen der augenblicklichen Arbeitsüber- lastung Auskünfte über die Erledigung der Anträge auf Miet- beihilfe nicht erteilen. Die Antragsteller werden daher gebeten, abzuwarten, bis ihnen die Entscheidung mitgeteilt wird.
Lepra  -Märchen. Seit einiger Zeit werden in Berlin   Gerüchte verbreitet, e» seien Kinder nach dem Genuß von Bananen an Lepra   erkrankt: ja einige Kinder sollen sogar schon mit Flugzeug auf eine einsame Insel abtransportiert worden sein. Wenngleich diese Nachrichten den Stempel der Unrichtigkeit an sich trogen und wenngleich Sachverständige sich bereits in der Tagespresse Über die Unsinnig- keit der Mitteilungen ausgesprochen haben, hat das Haupt- gesundheitsamt gleichwohl Nachforschungen über die angeblichen Er- trankungen angestellt und nicht den gering st en Anhalts- punkt für die Gerüchte gefunden. Es ist feit vielen Jahren kein einziger Leprafall in Berlin   vorgekommen Die vielfach verbreüete Beunruhigung der Bevölkerung ist völlig unberechtigt.
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Zudrlau sagt allen herzlichen Dank, die aus Anlaß »zeit seiner gedacht haben.
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Noch vor der Reichenau   haben ihn die nachsetzenden Stadtwappner gefangen. Die Jagd hatte ihnen Wut gemacht, und so ließen sie ihn denn in voller Rüstung in den See plumpsen. Da liegt er nun und hat seine Eisenhände in die schwarzgeschieferten Wurzeln des Tanges vertrallt. Nie mehr wird er mit seinen Stehlsingern die Ruhe der Stadt Konstanz  stören. Ganz Konstanz   schläft; es schlafen sogar die Böhmen  . trotzdem bis vor einer Stunde in der steinernen Arche noch großer Lärm und Aufruhr war. Da schilderte Herr Mizta mit der gespaltenen Wange den Freigelassenen Hussens Ende mit solcher Eindringlichkeit, daß es allen das Wasser in die Augen trieb vor ohnmächtiger Wut. Doch es war nicht das Fehlschlagen ihrer Planung und des Magisters Tod allein, was sie bekümmerte. Zu den alten Sorgen traten neue hinzu. Zizka   und Luzia waren verschwunden, auch von Petr Chelcicky   so gut wie keine Spur. Zwar brachte einer der mährischen Herren das Gerücht mit, Petr sei in der Nacht von Stadtsoldaten weggeführt worden. Doch Genaueres läßt sich erst morgen feststellen oder gar erst Montag, wenn die Pogtei offen war. Als einzig Sicheres wußte man in der steinernen Arche, daß Herrn Kepkas Karel als Ertrunkener in der Fraischkammer lag. Und auch dies würde von den böhmischen Herren niemand erfahren haben, wenn nicht der Totenfischer Glenk gekommen wäre, um sich das Anfuudgeld zu holen. Doch wie und warum der blonde liebe Junge in den Rhein   geraten war, wer vermochte das zu erklären? Das konnte nicht einmal Frau Barbara, des Königs Ge- mahlin, die schon am Vormittag das Ende des Knappen er- fahren hatte. Sie, die solches Verlangen nach dem Lebenden gehabt hatte, daß sie in der verflossenen Nacht kein Auge zu- brachte, sie zog es vor, einem Wiedersehen mit dem Toten aus Dein Wege zu gehen. Vielleicht, daß sie sich zu sehr vor
dem strengen Strich seiner Augsbrauen fürchtete. Wie alle Menschen, die sich vor Eier nach dem Leben verzehren, hatte sie eine unbändige Angst vor dem Tod. Es ist gut möglich, daß die hohe Dame den Zusamenhang zwischen ihrem Aben- teuer und der Tragödie des Knaben ahnte. Wenigstens deutet der Umstand darauf hin, daß sie beim Hofkaplan gleich vier Dutzend Messen für die Seelenruhe des Ertrunkenen bestellte. Die Stiftung dieser achtundvierzig Totenmessen goß gleich- zeitig auch Ruhe in die eigene Seele. Wenigstens schläft die Königin diese Nacht wie eine müdgelaufene Wölfin. Kein Jäger ist da, sie mit zornigem Anruf zu wecken. Es schlafen die Gefangenen im Turm: kaum klirrt einer im Schlaf mit der eisernen Kette. Sogar Jeronym ist auf eine Stunde den Schmerzen entsprungen. Unten, im verlorenen Winkel, auf einem Bund Stroh, schläft Petr Chelcicky  . Wohl beklebt noch geronnenes Blut seine Glieder und eingedörrter Schaum seinen Mund, wohl hat er nach bestandener Folter in der ersten Durstqual sechs Kannen Wasser gesoffen. Doch es kam der Schlaf und nahm hinweg die zersplitterten Daumen und das daranhängende Gewicht der Welt. Im Fieber treibt Petr schnalzend Herrn Zizkas Pferde an!Fort, schwarzer Ritter: Fort, damit du entronnen bist, eh eine neue Folter vielleicht doch die ge- bundene Zunge löst!" Es schläft in seinem Stuhl am Geranienfenster der Dom- j dekan Albrecht von Düttelsbach. Wie im Gespräch bewegt er! die Lippen. Nicht in seiner Traumsänfte schwebt er heut im Nachtblau der Unendlichkeit, nein, mit beiden Füßen die,| jetzt im Schlaf, nicht gelähmt sind steht er fest auf der Erde und gibt der aufgeregt im Zimmer hin- und herlaufen- den Eminenz Bescheid. Sein Traumbesucher, der Kardinal,! hat ihm eben auseinandergesetzt, die Kirche sei die einzige i sittliche Pflicht des denkenden Menschen.Eminenz!" wider- spricht eifrig der gelähmte Dekan:Der Schluß mag stimmen. doch die Prämisse stimmt nicht! Denkende Wesen sollen wir sein?! Ist ja alles nicht wahr, Eminenz! Undenkends Wesen sind wir. Keine Erzeuger von Ideen, nein, bestenfalls Haus- knechte oder gar Büttel von Ideen, einzig darauf gedrillt, un- bequeme Gegenideen hinauszuschmeißen. Jawohl, Eminenz, wir stehen geistig in aufgerollten Hemdärmeln da, jederzeit bereft, dem Heule da« Gestern ak Argument gegen das Morgen ins Gesicht zu schlagen, jederzeit bereit, das Vernünf«
tigere mit dem Messer der Unvernunft zu meucheln und zu morden!" Es schlafen tief die zwanzig Ritter des deutschen Ordens, es schläft ihr Komtur, Herr Friedrich von Llaw  . Sein scharfes Gesicht, in der Ruhe dem Kopf eines Raubvogels gleichend, ist auch im Schlaf nicht entspannt. Es trägt noch härtere Linien als unter Tags. Die hohe Stirn ist wie aus Marmor gemeißelt. Marmorn sind auch die Gedanken, die darunter sich in ordnende Reihe zwingen.Ihr habt einen Triumph- tag gehabt!" wird er morgen zu seiner Gefolgschaft sagen. Ihr habt einen Feind des rechten Glaubens, einen Gegner der Kirche, sterben sehen! Den Angehörigen eines Volkes, das wir für gewöhnlich nur mit Mißachtung und Gering- schätzung nennen. Aber ihr seid des Kampfs im Münster  selber Zeuge gewesen: der böhmische Magister hat sich als der bessere Mann geschlagen. Und das trotz seiner unausbleib- lichen Niederlage! Nicht eine Linie ist er zurückgewichen, trotzdem alle und aber alle wider ihn standen. Nicht ein Gran des Seinen hat er aufgegeben! Gegen ihn, das Staub- korn, rannte an die ganze Welt. Er ist gestorben ritterhaft. Gewiß, er schrie im letzten Augenblick. Aber wer schreit nicht, wenn ihm der Tod den Bluiadler ritzt?! Ich wollte, von uns würden manche diesen Todesschrei ichreien. Dann wäre es besser um den Orden und um seine Arbeit gestellt. Dann könnte er, wie früher in seinen heldischen Zeiten, sich ganz auf die Macht seines scharfen Eisens verlassen, dann brauchte er nicht zum biegigen Gold und dessen Winkelzügen zu greifen. Vcrgezt nicht, eine Idee bleibt nur so lange lebendig, als sie imstande ist, Blutzeugen zu stellen, Märtyrer, die sich eher in Stücke hauen lassen oder vom brennenden Feuer fressen, als daß sie sich und ihre Meinung verhandeln und verschan- deln In faulen, jauchzenden Kompromissen. Wenn dieser Mensch kein Böhme wäre, kein Verwandter dieser verdamm» ten polnischen Hunde, verzeih mir's Gott, ich würd' ihm einen Denkstein setzen! Hätien wir Deutschordener seiner, wären unter euch solche, die es unternähmen, ihr Leben der Idee, die uns führt, gleichzusetzen, wir wären unbesiegbar, wir könnten unsere Kreuzstondarte als flatterndes Siegeszeichen in die vier Ecken der Welt stecken. Doch statt voranzugehen den steilen Weg der Entsagung, statt den Schweinehund in euch an die Kette zu legen, statt dessen, nicht, laßt eure Lanzen und euren Ritterstolz im Quartier und schleich: euch als Luderzeua in die Lusthäuser ein! Ihr solltet euch schämen!"(Forts, folgt.)