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Der Flüchtling

Novelle um einen Kater von Henri Barbusse

Bon der Schwelle des großen Eingangstores aus betrachtete| die Pförtnerin des städtischen Tierafyls die Sonne, die die Tisons straße mit einem goldenen Gewölf überstäubte. Ihr Gesicht war farblos, troden und ohne Belang wie ein amtliches Schriftstüd. Taub für die Schreie der Hunde, die an jenem Morgen im Labora­torium Thiercelin, das zur Medizinischen Fakultät gehörte, aber an das Tierasyl angrenzte, verwendet wurden, trat sie in ihre Loge zurück, um den Kater Ronron zu streicheln.

Als Charles Grandu bei einem Eisenbahnunglück auf der Nordlinie ums Leben tam, hatte außergewöhnliche Protektion ihr, der Witwe, Titel und Amt eines Bförtners des hauptstädtischen Tierasyls verliehen. Sie fam ihren durch die mannigfaltigen Ber­zweigungen der Verwaltung- das Etablissement war zugleich dem Bürgermeisteramt, der Präfeftur und der Medizinischen Fakultät angegliedert und durch den regen Verkehr sehr schwierigen Funk­tionen mit einem sagenhaften Eifer nach.

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Zuerst, als sie sich nach der Hochzeitsreise mit ihrem Batten in Tréport niederließ, hatten sie die enttäuschten Mienen der ein­gelieferten Hunde gerührt. Sie hatte die Augen geschlossen, wenn die armen Kerle, steif und gleichsam wie ausgestopft, am Donners­tag aus dem Wagen hervorkamen oder auch voller Illusionen an der Leine, die ein Laboratoriumsdiener hielt, zerrten. Die Ohren hatte sie damals zugehalten, wenn das Laboratorium von dem wie Kindergeschrei flingenden Jaulen und dem Gelächter der Studenten widerhallte.

Aber Grandu hatte ihr bewiesen, daß es notwendig wäre, die umherirrenden Tiere, die eine öffentliche Gefahr bedeuteten, ein­zufangen, und daß es im allgemeinen Interesse nicht weniger not­wendig wäre, wenn die Aerzte diese Tiere öffneten, um hinein. zusehen.

Er hatte ihr erklärt- und er war ein so schöner Mann, daß sie es schließlich verstanden hatte, daß jene Tiere durchaus keine gewöhnlichen Tiere wären, sondern auf einem Vergehen ertappte Verbrecher, die gegen das Gesetz verstoßen hatten, und im übrigen herrenlose Köter. Und jetzt hatte sie das Mitleid mit diesen zum

unter den Tisch zu guden. In diesem Augenblid erkannte Frau Grandu plötzlich die Ungeheuerlichkeit dessen, was sie wagte! und wäre beinahe ohnmächtig geworden. Aber sie raffte sich zusammen, nachdem sie ein bißchen gehüstelt und leicht geschnaubt hatte.

Quillebeuf sagte: ,, Er ist nicht da." Er machte eine verzweifelte Bewegung, schlug sich mit der Faust an den Kopf und brach in massive Verwünschungen gegen die Tücken des Schicksals aus. Nun würde der Chef ihn wieder als Idioten behandeln, wenn er ihn mit einer ,, leeren" Leine zurückkehren sah! Er stieß ein unflätiges Wort hervor, bat um Entschuldigung deswegen und zog sich ent­täuscht zurück, seinen Rücken, an dem die Falten des Kittels sich bauschten, feige gefrümmt.

Frau Grandu fiel auf einen Stuhl nieder, ihr Mut war zu Ende, fie atmete mühsam und frampfhaft, weil sie zum erstenmal­und wie sehr! die bindendste und heiligste ihrer Pflichten als Pförtnerin des Tierasyls verlegt hatte.

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Nach ein paar Minuten machte sie jedoch entschlossen: Hm!" und erhob sich.

Sie wendete sich, noch ein bißchen schwankend, als hätte sie starken Wein getrunken, dem Bett zu. Im Spiegel des Schranks fah sie sich nur undeutlich, denn sie hatte trübe Augen wie zur Zeit ihrer Trauer. Sie lüftete das blaue Daunenkissen. Der von Er­müdung, Abenteuern und Entbehrungen gelähmte Kater ließ sich nicht stören. Er konnte einfach nicht mehr, war zu nichts fähig. Er begnügte sich damit, sein durch die Ungerechtigkeit geschändetes fleines Gesicht und seine leidvollen kleinen Augen zu ihr zu erheben. Frau Grandu berührte ihn mit einer Hand, die sich sanft an

fühlte wie der Rater selber, und spürte das Klopfen seines Herzens. Stolz, ein lebendiges Geschöpf mit Haut und Haaren gerettet zu haben, beugte sie sich über das Tier, ohne an die Unannehmlichkeiten zu denken, die ihr drohten, wenn sie den Flüchtling heimlich großzog, und sah ihn an mit mütterlichem Blick: hatte sie ihm nicht das Leben geschenkt...? ( Autorisierte Uebersetzung aus dem Französischen von Lina Frender.)

Deutsche Sozialisten:

Carl Rodbertus( 1805-1875).

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So lange die Gesellschaft über Mangel an Gütern zu klagen hat, ist es offenbar widersinnig, daß vorhandene Produktionskräfte, die hinreichend Güter hervorbringen fönnten, dem Mangel nicht abzuhelfen vermögen. Aber dieser Widersinn ist gering gegen den, welchen die Steigerung der Produktivkräfte heute erzeugt. Heute ist es sogar der Ueberfluß, das Resultat der gesteigerten Produktiv­fräfte, der den Mangel hervorbringt. Daß diese erhöhten Produktiv­fräfte, welche auf neuen Grundlagen des Glücks die ganze Gesell­schaft zu etablieren vermöchten, dann und wann ihre Allgewalt zeigen, dann und wann Gütermassen ans Tageslicht fördern, hin­reichend, um allen zu helfen, ist heute vielmehr der Grund, daß sich noch das Elend der einen erhöht und dem Glücke der anderen die empfindlichsten Schläge versezt werden. So lange noch ein fichtbares Eigentum egiftiert, darf fein Armer verhungern!"- Das sind Pitts Worte, nicht die meinigen. Seitdem ist aber der Wider sinn der gesellschaftlichen Organisation so groß geworden, daß die Armen gerade dann verhungern, wenn das sichtbare Eigentum so viel geworden ist, daß auch die Reichen davon ins Unglück gestürzt werden. Wenn die leitenden Mächte der Produktion diese aus irgendwelchem Beweggrunde anspornen, wenn sich soeben der Ge­sellschaft eine allgemeine Fülle von Reichtum und Glück darbieten will, verwandelt sich plötzlich für die danach langende Hand jene Fülle in neue Entbehrung.

Um die Seele des Tieres

Tode verurteilten Tieren verlernt. Von ganzem Herzen liebte fie Ergebnisse moderner Forschungsmethoden/ Von Dr. Ernst Bergmann

aber ihren Rater Ronron, den sie nicht oft genug streicheln konnte. Als sie wieder in ihre Loge getreten war, beugte sie sich über das blaue Daunentissen, auf dem er zu schlummern pflegte. ,, Ah!" Ihre Hände zudten zurüd.

In dem Daunentissennest lagen zwei Ronrons! Oder viel mehr, neben Ronron rollte sich noch ein anderer, gleichfalls ganz grauer Rater zusammen, der sein Schatten schien, so dicht schmiegte er sich an ihn.

,, Oh" murmelte die gute Dame mit starrem Blick und halb offenen, unbeweglichen Lippen, die aussahen wie die Deffnung einer Sparbüchse.

Tierbeobachtung ist eine beliebte Beschäftigung von alt und| farben in unserer Flora nur äußerst selten vor.

tommen! Das kann nicht anders aufgefaßt werden, als daß die Blumenfarben durch Anpassung an den Insektenbesuch entstanden aufzufassen sind, wie das die Selektionstheorie nach Darwin lehrt.

jung. Tierfreunde und andere Menschen, die viel mit Tieren um­zugehen haben, wie Bauer, Förster und Tierwärter, haben uns immer eine große Anzahl interessanter und hübscher Geschichten Dom Tier, seinem Tun und Treiben, seinen Neigungen und Ab­neigungen, seinen Gewohnheiten und Einfällen berichtet. Es fann gar kein Zweifel sein, daß dabei wirklich viel Wertvolles und Rich­tiges beobachtet und mitgeteilt worden ist. Aber das ist meist ver­deckt von einer Spreu phantasievoller Erflärungen, die dem Tier alle möglichen menschenähnlichen Eigen Weiß Gott, das war nicht schwer zu verstehen: dieses messerschaften beilegen, es mit einer Seele begaben, die der mensch­scharfe Rückgrat, dieses räudige Negergesicht, dieses schäbige Fell, lichen nicht viel nachsteht. Die moderne Wissenschaft hat darum das abgescheuert war wie ein altes Handschuhleder, ließen einen zur eraften Beobachtung des Tieres ganz andere Wege einschlagen Flüchtling aus den städtischen Käfigen erkennen. müssen. Wer heute den Anspruch auf Wissenschaftlichkeit seiner Tierbeobachtungen erheben will, muß mit den Methoden der erak- nen, die ganz bestimmte Dienste leisten, einmal ten Beobachtung, dem Experiment und der Statistit ver­traut sein, um die drohenden Fehlerquellen zu vermeiden, die ge rade bei der Tierpsychologie so außerordentlich naheliegen.

Sie brummte etwas vor sich hin und machte einen Schritt nach der Ecke, wo der Besen stand.

Just in diesem Augenblick erhob sich Ronron und machte einen riesigen Buckel, und der andere Kater tat desgleichen. Die beiden Schwänze stiegen ferzengerade in die Luft, einer so wie der andere, und sie miauten zur selben Zeit, mit demselben tiefen, übermensch­

lichen Laut.

Und da kam es, zum erstenmal in ihrem Leben, der Guten zum Bewußtsein, daß, allem Anschein zum Troz, sämtliche Kagen der Erde sich außerordentlich ähnlich sind. Es gibt zwischen jenen, die immer verwöhnt werden, und jenen, die man zu töten beab sichtigt, feinen solchen Unterschied, wie man glaubt.

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Ja, Ronron mochte reich und mit einem schönen Schweif ge­schmückt sein und mochte Augäpfel funkelnd wie Edelsteine haben, und der andere mochte trog seiner Jugend ein zerzaustes und schadhaftes Fell und einen linienschmalen Schwanz haben, man verstand dennoch, daß es keinen stichhaltigen Grund gab, den einen mit Liebkosungen zu überhäufen und den anderen zu martern. Ohne es recht zu wollen, stellte man sich alle Kazen als eine Art unbestimmter, aber umfassender, gemeinsamer Familie vor.

Frau Grandu verzog das Gesicht, noch nicht recht mit sich im flaren, was sie eigentlich anwandelte. Als sie aber durch das Fenster im Hofe den Laboratoriumsdiener Quillebeuf bemerkte, der mit heftigen Gebärden herbeilief, ergriff sie entschlossen den fantigen Drückeberger und steckte ihn unter das Daunentissen. Dann kehrte sie sich der Tür zu Heldin eines unflaren Instinktes. Quillebeuf erschien in der Umrahmung

schwang eine Leine.

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,, Ist er hier?" fragte er haftig.

Er war rot und

,, Wer?" heuchelte die Pförtnerin. ,, Das Kazentier!" schrie der Mann. Der Kater!" ,, Welche Kaze?", die Grandu rührte sich nicht.

" Das dreckige Vieh ist hierher gelaufen!" stieß Quillebeuf wütend hervor. Ein grauer Kater. Sie haben ihn wohl gesehen,

mie?"

Außergewöhnlich ruhig wickelte Frau Grandu, die gewissen hafte Beamtin, die noch niemals etwas in Sachen des Dienstes vernachlässigt hatte, nur ein wenig ihre Hände in die Schürze und

antwortete:

Nein." Und zur Bekräftigung schüttelte sie den Kopf und fügte hinzu: Kein bißchen."

"

Der Mann machte aus seiner Verwunderung keinen Hehl. ,, Komisch, wo ist er denn?" stotterte er. Er ist mir unter den Händen entglitten, der Bandit. Zum Kudud!... Er ist doch hierher gelaufen.... Ist ja gar nicht möglich, daß Sie ihn nicht hier gesehen haben! Vielleicht ist unter einem Möbel und macht sich über uns luftig. Will mal nachsehen, gestatten Sie?"

,, Das Tier ist nicht hier, sage ich Ihnen" flötete Frau Grandu. Ordentlich steif machte sie sich, um eine selbstverständliche, glaubhafte Miene zu bewahren. Sie erfüllte eine Heldentat, ihrer Schwierig feit nach denen jener Frauen vergleichbar, die in grauen Zeiten Verdächtige verbargen und den Häschern mit der Maske voll­tommener Ruhe entgegentraten.

Wenn Sie wollen, treten Sie näher, bitte... Aber es ist

nicht der Mühe wert."

Bon seiner Idee besessen, trat der Mann ein, streckte den Hals, gab sich einen Rud, zudte die Achseln, als er Ronron zur Kugel geballt auf einem Stuhl entdeckte, schnüffelte rechts, schnüffelte links, kniff das Auge ein, musterte das Bett, das blaue Daunen tiffen, eine Sefunde, zwei Sefunden... Du lieber Gott, es rührte sich nichts!

Das größte Hindernis dabei ist für erafte Beobachtung der Mangel der Sprache. Die Psychologie des Menschen fann sowohl durch genaue Selbstbeobachtung als auch durch einen Bericht über die seelischen Erlebnisse der Versuchsperson eine ziemlich einwand­freie Erkenntnis geben. Dagegen muß der Tierpsychologe immer streng auseinander halten, was objektive Beobachtung und was nachträgliche Hinzudichtung ist. Dazu kommt, daß hier vielfach die Beobachtungen nur selten zu machen sind, wenn man z. B. das Tier in der freien Wildbahn beobachten muß. So ist es zunächst notwendig, den betreffenden Vorgang, den man beobachten will, willkürlich hervorzurufen, also planmäßige Versuche anzustellen. So allein können wir auch feststellen, wodurch das Verhalten des Tieres bedingt wird. Die gewöhnliche Beobachtung liefert nur die Beschreibung seines Verhaltens, der Versuch erst gibt die Erklärung. Ferner sind Versuchsreihen notwendig, es genügt also nicht etwa ein einziger Versuch. Endlich muß die Ver­fuchsanordnung vielfach abgeändert werden, die Bedingungen müssen wechseln, und zwar so oft, bis sich einwandfrei ergeben hat, von welchen Bedingungen das tierische Verhalten abhängt. Das ist die Variationsmethode; es handelt sich also um Kontroll versuche, die angestellt werden, um zu beobachten, wie sich das Tier bei veränderten Bedingungen verhält.

Wichtige Ergebnisse für die Theorie wie für die Praxis find mit diesen Methoden schon zutage gefördert worden. So war es lange eine weit verbreitete Ansicht, daß die Bienen durch die Farben der Blumen nicht angelockt würden, sondern durch den Geruch. Der Farbenfinn wurde ihnen abgesprochen. Prof. v. Frisch fonnte nun durch eingehende Experimente das Gegenteil beweisen. Er ſtellte folgende Ueberlegung an: Ist die Biene farbenblind, so kann fie doch noch Helligkeitsunterschiede wahrnehmen. Aber Farben sieht sie eben deshalb noch nicht, sie muß also ein farbiges Papier, etwa ein blaues, mit einem grauen Papier derselben Helligkeit ver­wechseln. In einer Serie grauer Papiere, die feine Helligkeits­abstufungen von Weiß durch alle Schattierungen des Grau bis zu Schwarz zeigt, muß daher ein Grau enthalten sein, das für das Tier mit einem bestimmten Blau identisch ist. Frisch ordnete nun die Serie der grauen Papiere zu einem Schachbrettmuster und fügte an einer beliebigen Stelle darin ein blaues Papier von gleicher Größe und Gestalt ein. Auf jedes Papier stellte er ein Glasschälchen, aber nur das Schälchen auf dem blauen Papier wurde mit 3uderwasser gefüllt. Die Bienen flogen sofort auf dies Schälchen zu und trugen den begehrten Stoff eifrig sammelnd ein. Nach einiger Zeit wurde das blaue Papier an eine völlig andere Stelle gelegt und nun blieben alle Schälchen, auch das auf dem blauen Papier, leer. Sähen die Bienen das blaue Papier wie ein Grau von bestimmter Helligkeit, so fönnten sie es nun, da es an einer anderen Stelle liegt und ferner das Schälchen darauf fein Zuckerwasser enthält, nicht herausfinden. Tatsächlich aber flogen sie sofort auf das Blau los und suchten hartnäckig das leere Schälchen darauf nach dem gewohnten Zuckermaffer ab. Damit war der Nachweis geliefert, daß den Bienen ein Farbensinn zukommt.

Bei diesen Versuchen erwies sich nun, daß die Biene nicht alle Farben wie der Mensch sieht. Es zeigt sich, daß fie einerseits Drangerot, Gelb und Gelbgrün, andererseits Blau, Violett und Purpurrot vollständig verwechseln. Der Farbenfinn der Bienen zeigt also eine weitgehende Uebereinstimmung mit dem

Frau Grandu blieb unbeweglich mit ihrem runden Gesicht, das Farbenfinn eines rotgrünblinden( protanopen) Men. ebenso bleich und leblos war wie das Ziffernblatt der Uhr. schen. Und da ist es nun sehr interessant, daß diejenigen Farben, Der Menn brunte irgend etwas, während er fich büdte, um die vom Bienenauge nicht farbig gesehen werden, als Blumen

Prof. Roesch ist es im Wege des Experiments gelungen, weitere sehr wichtige Feststellungen für das Problem der Arbeits­teilung im Bienenstaat zu machen. Man wußte schon, daß die verschiedenen Arbeiten, wie Reinigen der Waben, Fütte rung der Brut, Wächterdienste und Heranschaffen der Nahrung von verschiedenen Bienengruppen geleistet werden. Aber ein Kasten­staat ist der Bienenstaat deshalb doch nicht, wie Roesch nun fest­stellte, sondern jede Arbeitsbiene absolviert alle diese Tätigkeiten nacheinander im Verlauf ihres Lebens in regelmäßiger Abfolge. Was wird nun, wenn man etwa alle jungen Bie fortnimmt? Geht alles schematisch zu, so müßten diese Dienste nun unverrichtet liegen bleiben, und damit müßte der ganze Staat zugrunde gehen. Bildete nun Roesch künstlich Bienenvölker, die einmal aus jungen, dann wieder nur aus alten Bienen bestanden,

so zeigte sich aber, daß auch diese künstlichen Bölker fähig waren,

alle notwendigen Arbeiten auszuführen. Diese Experimente sind nun feineswegs ohne ein bestimmtes theoretisches Ziel unternommen worden, sie bilden vielmehr ein wichtiges Beweisstück dafür, daß das Tier keineswegs ein bloßer Mechanismus ift, sondern imstande, sich finngemäß veränderten Anforderungen im

Leben anzupassen.

Solche Versuche aber werden nun nicht nur planmäßig aus­geführt, sondern die Ergebnisse auch durch genaue Protokolle festgelegt, denn unmöglich kann sich der Experimentator auf sein Gedächtnis verlassen. Sind endlich die Versuche abgeschlossen und durch Protokoll festgelegt, so beginnt in gewissem Sinne erst die eigentliche Arbeit! Die beobachteten Tatsachen müssen zusammen­gestellt, miteinander verglichen und gedeutet werden. Soweit wie möglich bedient man sich dabei der Wahrscheinlichkeits. rechnung und der Statistik. Beide sind höchst wichtig, da man sonst vielleicht von Zufallstreffen sprechen könnte. Wenn z. B. Hunde sich oft über weite Strecken wieder nach Hause zurück­finden, ohne vorher den genauen Weg zu kennen, so scheint das nur durch die Annahme zu erklären, daß hier ein geheimnisvoller Orts instinkt walte. Die Wahrscheinlichkeitsrechnung berücksichtigt dabei nun aber auch die große Anzahl von Versagern, die uns gewöhnlich nicht auffallen, da unser Interesse allein den wunderbaren positiven Ergebnissen zugewendet ist.

Ein berühmtes Problem der Tierpsychologie konnte durch das Experiment gelöst werden: das Problem der denkenden Tiere", das vor Jahren soviel Aufsehen erregte. Da sollten Pferde, wie der kluge Hans", Hunde oder Affen imftande sein, wie ein Mensch Denk- und Rechenleistungen auszuführen. Das war eine Fundgrube für die dilettantische Tierbeobachtung; Tante Amalie und Onkel Willi konnten nun die wunderbarsten Rechen­schaft hat diesem ganzen Zauber das Lebenslicht ausgeblasen. Es

unſtſtücke an ihrer Kaze oder ihrem Mops feststellen. Die Wissen­zeigte sich, daß die Leistungen solcher Tiere dadurch zustande kamen, daß bestimmte äußere 3eichen, etwa ganz geringe Be­wegungen unwillkürlicher Art des Besizers oder Wärters, dem Tier gewisse Winke gaben, auf die hin es ganz bestimmte Hand­lungen ausführte, etwa durch Klopfen Zahlen angab. Sowie es dem Tier unmöglich gemacht wurde, seinen Besitzer zu sehen, waren sämtliche Antworten auf alle Fragen falsch. Die Ergebnisse waren so klar, daß die denkenden Tiere samt und sonders von der Bild­fläche verschwunden sind.

Hier handelte es sich eben um eine laienhafte Ueberschägung der psychischen Fähigkeiten des Tieres. Was aber kann das Tier im höchsten Falle wirklich leisten? Kann es wirklich intelligente Handlungen ausführen? Andere Untersuchungen, wie die der Pro­fefforen Rothmann und Köhler, haben hier positive Resul­tate gegeben. Einfache Intelligenzleistungen bei den höchftstehenden Tieren wurden zweifelsfrei festgestellt. Affen lernten Werkzeuge gebrauchen, Riften aufeinanderstellen, um eine an der Decke befindliche Frucht zu erlangen, ein Springstock wurde zum Ueberspringen von Hindernissen benutzt. So fonnte einsichti ges Verhalten von der Art des beim Menschen bekannten, beim Schimpansen nachgewiesen werden. Nach Köhlers Auffassung stehen die Menschenaffen an Einsicht den Menschen näher als vielen Affen­arten. Aber die Kluft zwischen den höchststehenden Affen und den primitivsten Menschen ist doch noch gewaltig.

Das sind höchst wertvolle Ergebnisse von großer Tragweite der wissenschaftlichen Tierbeobachtung, die sicher noch zu weiteren schönen Resultaten führen wird.