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BERLIN Donnerstag

4. Auguft 1932

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Der Abend

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Nr. 364

B 177

49. Jahrgang

Schluß mit der Mordseuche!

Selbst die Regierungspresse fordert das jetzt!

,, Unter allen Umständen und schonungslos muß Schluß mit der neuen Mordseuche gemacht werden und zwar sofort." Diese Forderung stellt die ,, DA3." an die Spizze ihrer neuesten Ausgabe. Leider, fügt sie hinzu, scheine es sich zu bestätigen, daß sich diesmal auch innerhalb der radikalen Rechten Elemente gefunden haben, die sich an Leib und Leben politischer Gegner vergreifen. Im übrigen kommt sie auf ihr Universalmittel zurück: Die Nazis müssen in die Regierung dann werden sie aufhören zu morden.

Die Berliner Börsenzeitung" gibt zu verstehen, daß es zwar um abgeschossene Sozialdemokraten und Kommunisten nicht schade sei, aber im Interesse der Staatsautorität müßten die Nazis ,, ihre begreifliche Wut zügeln". Wenn es dem Braunen Hause nicht gelinge, die Ausschreitungen binnen fürzester Frist abzustoppen, werde mit drakonischer Schärfe" vorgegangen werden.

Klarer und eindeutiger stellt sich die Germania", die ja augenblicklich nicht zur Regierungspresse gehört, zu den ostpreußischen Ereignissen. Sie verweist auf die peinliche Lage der Papen- Regierung, die angeblich im Interesse an Ruhe und Ordnung die preußische Regierung ver­drängte um nun Ruhe und Ordnung durch ihre eigenen Schüßlinge so schwer gestört zu sehen. Wo blieben die ,, drakonischen Mittel" gegen diefes Treiben:

Warum wird hier nicht durchgegriffen? Hat man etma Bedenken, mit einer entschiedenen Entwaffnungsaktion der SA. mehe zu tun? In anderen Fällen, wo die Dinge staatsrechtlich und politisch viel schwieriger lagen, hat die Regierung sehr viel schneller den Mut zum Handeln gefunden. Die Aufgabe der Re­gierung, den politischen Terror, mo immer er auftritt, mit allen staatlichen Machtmitteln zu unterbinden, liegt doch wohl restlos flar auf der Hand. Will man die Dinge weitertreiben lassen, bis aus der Saat der bisherigen Vorgänge, die den Rechtsstaat selbst in Gefahr bringen, eine noch verhängnisvollere und für die Staatsautorität selbst gefährliche Ernte erwächst?

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Die Germania" unterscheidet sich von der derzeitigen Regierungspresse vorteilhaft dadurch, daß sie die Verant wortung der NSDAP . für die neue Mordseuche klar feststellt. Im übrigen werden alle Versuche der Regierungs­presse, diese Verantwortung zu verdunkeln, von der national­sozialistischen Presse selbst zum Scheitern gebracht. Ein Blick auf die Ueberschriften im Völkischen Beobachter" genügt: Selbstschutz gegen die marristischen Blutheher. Der Volkszorn richtet sich gegen die rote Hehpresse. Kommunistisches Hehblatt beschossen.

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Sprengkörper gegen das Liegniter Volkshaus. Schüsse auf das Goldberger Landratsamt.

Die Beschießungen von Redaktionen, Volkshäusern und Landratsämtern werden somit als Selbstschuß" und ,, Volks­zorn" rubriziert.

Bekanntlich wurden auch in Marienburg die Wohnun gen mehrerer Amtspersonen und republikanischer Führer nächtlicherweise unter Feuer genommen. Was schreibt der Völkische Beobachter"-Herausgeber Adolf Hitler - dazu als Ueberschrift?

,, Verzweiflungstaten auch in Marien­

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burg ." Adolf Hitler schließt die Revolverschützen und Hand­granatenhelden in seine schützenden Arme. Ein feiner Volks­führer! Und eine feine Regierungspartei!

Das Rumpfkabinett sitzt. Wegen der öffentlichen Ordnung. Heute vormittag 11 Uhr sind die in Berlin anwesenden Reichsminister zu einer Besprechung über die Wieder­herstellung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit im Reiche zusammengetreten. Der Reichskanzler und der Reichs­wehrminister nehmen an dieser Besprechung nicht teil, da sie außerhalb Berlins find. Am Nachmittag hält die preußische Kommissarsregierung eine Besprechung über das gleiche

Thema ab.

Die ungarische Hängejustiz soll am 6. August in Miskolcz an dem Kommunisten Karikas die Erschießung eines Geistlichen in der Räterepublik vor dreizehn Jahren rächen. An Schuld: beweisen" wird kein Mangel sein. 25 Mitgefangene der inzwischen Gehenkten, Fürst und Szallai, haben in Budapest sechs Jahre ge= hungert und sollen nun auch noch mit Dunkelarrest in Ketten bei Wasser und Brot bestraft werden!

Offpreußen im Fieber

Die Erregung wächst stündlich

R. B. Königsberg , 4. August, 13 Uhr. ,, Königsberger Volkszeitung", Wyrgatsch, die an Soeben läuft die Nachricht ein, daß auf das Amts: dem Attentatsmorgen von den Tätern als erste an der gericht Mehlanken im Kreis Labiau ein Spreng- Wohnungstür überfallen wurde, hat bereits am Diens­stoffattentat verübt worden ist. Personen sollen tag bei der Kriminalpolizei beantragt, den Verhafte nicht verlegt worden sein. Jedoch ist erheblicher Sach- ten gegenübergestellt zu werden. Sie hat bis heute noch keine Vorladung erhalten. Da schaden an der Einrichtung und den Akten entstanden. Die Ermittlungen wegen der Brandstiftungs­attentate am Montagmorgen die Ueberfälle auf das Otto- Braun- Haus, die demokratische ,, Hartungsche Zeitung" und die Inbrand­sehung von drei Tankstellen sind abgeschlossen. Das Material ist an den Staatsanwalt gegangen. Die Er­

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es handelt sich um

" Notwehr

Der Bölkische Beobachter" bezeichnet die Königs. berger Morde als Notwehr und berechtigte Bolksjustiz.

inzwischen eine Reihe Verhafteter wieder entlassen wor­den ist, hat sich Frau Wyrgatsch direkt bei dem Polizei­präsidenten beschwert und gefordert, daß sie sofort den Verhafteten gegenübergestellt wird.

In der Parteizentrale Königsberg häuft sich das Material über nationalsozialistischen Terror in der Provinz zu Bergen und jeden Tag laufen neue Hiobsbotschaften ein. Die Berichte aus Allenstein , wo die Sozialdemokratie bei der Reichstagswahl sehr gut abgeschnitten hat, sind ein einziger Rotschrei der terrori­fierten Bevölkerung. Man muß ganz flar aussprechen: So wie bis­her geht es nicht weiter! Die Lage ist zum Zerreißen gespannt! Die Führer der Partei in Ostpreußen haben bisher noch mit äußerster halten können; aber aus der Provinz vom gepeinigten flachen Lande Energie die erregten Mitglieder von Vergeltungsmaßnahmen zurück­erschallt immer lauter der Ruf nach schärfsten Abwehrmaẞ= nahmen. Kleine Anlässe können in dieser Situation genügen, um das Pulverfaß in Ostpreußen zur Explosion zu bringen. Die Autorität des Staates hat nicht wiedergutzu machenden Schaden erlitten. Immer wieder hört man in den fleinen Städten und auf den Dörfern erbitterte Vorwürfe gegen eine Regierung, die die republikanische Bevölkerung schutzlos dem brutalen Terror von SA.- Banden überläßt.

Nur einige Beispiele aus dem bei der Partei in Rönigsberg aufgestapelten Material mögen die Zustände in Ostpreußen fenn­zeichnen:

Blutterror in Allenstein .

In der Nacht vom 30. zum 31. Juli stürmten SA.- Banden das Arbeiterlokal Konkordia, dabei wurden zwei Arbeiter lebensgefährlich verlegt.

In der Nacht zum 1. August erfolgte ein zweiter Sturm auf das Gasthaus Konkordia. Er wurde von Arbeitern und herbei­geeilter Polizei zurückgeschlagen.

In der Nacht vom 1. zum 2. August überfielen SA. - Banden in allen Teilen der Stadt Arbeiter, Reichsbannerkameraden, Per­sonen, die das Abzeichen der Eisernen Front und der KPD. trugen. Die SA. Leute zeigten sich ganz frech nach außen hin schwer bewaffnet!

Am Abend des 2. August wurde ein Trupp badender Arbeiter von SA. - Leuten mit Armeepistolen 08 be= schossen. Die wehrlosen Arbeiter konnten sich nur durch die Flucht retten.

An dem gleichen Abend wurde ein Arbeiter, Karl Bagosat, der mit seinem Kinde am SA.- Heim vorbeiging, von sieben

Drück' ab! Erstens ist es Notwehr, zweitens Bolts Nazis ergriffen, in den Vorgarten des SA. - Heims geschleift,

justiz und drittens hat nur das System schuld!"

mit Messern gestochen und mit Füßen getreten. Er liegt in bedenklichem Zustande danieder.

In der Nacht vom 2. zum 3. August stieg die Unruhe in der Bevölkerung, weil

von allen Seiten SA. - kolonnen der Stadt zustrebten. Die Führer des ADGB., der Eisernen Front, der Sozialdemokratie, der christlichen Gewerkschaften sowie der KPD. traten am Mittwoch­abend zu einer Beratung zusammen und forderten durch eine Delegation bei der Polizei sofortige Schließung der hiesigen Heute mittag um 2 Uhr wird diese Delegation mit dem Regierungs­präsidenten verhandeln. Die Erregung der Allensteiner Bevölkerung ist derart, daß die Gefahr einer Notwehraktion ständig gegeben ist. In diesem Sinne haben die an der Konferenz Beteiligten vom Zen­trum bis zur RPD. auch die zuständigen Regierungsstellen unter­

SA.- Kaserne und den Abtransport der auswärtigen SA. - Truppen.

mittlungen über die Mordanschläge sind dagegen noch nicht beendet. Der Polizeipräsident von Königs­ berg hat der Nationalsozialistischen Partei und der Kom­munistischen Partei erklärt, daß die heutigen Begräb. nisse nicht zu den gewöhnlichen Leichen begängnissen zu rechnen sind und daher nach Reichsrecht verboten werden. Hierzu erfahre ich soeben, daß gegen 12 Uhr ein Schnellastwagen der Polizei- die Beamten mit Karabinern bewaffnet vor das Leichenschauhaus der Universitätsklinik gefahren kam und die Leiche des ermordeten kommunistischen Stadtrats Sauff abgeholt hat. Es hatten sich schon jetzt, drei Stunden vor der angesetzten Ueberführung der richtet. Leiche eine nach vielen Hunderten zählende Menschenmenge angesammelt, die dem Ermordeten das letzte Geleit geben wollte. Die Polizei räumte den fall auf das Gewerkschaftshaus versucht. Die Nazis In Goldap wurde gleichfalls in der Wahlnacht ein leber Platz und führte die Leiche auf dem Schnellastwagen fort. tonnten aber zurückgeschlagen werden. Ein zweiter Versuch konnte Die Frau des schwerverletzten Chefredakteurs der dadurch von vornherein zunichte gemacht werden, daß die durch

Goldap .