Morgenausgabe
Nr. 365
A 180
49. Jahrgang
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Teils
Vorwärts
Berliner Bolksblatt
Freitag 5. August 1932 Groß- Berlin 10 Pf. Auswärts 15 Pf.
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Todesstrafe gegen Terror? Denter über Ungarn !
Wels und Vogel bei Bracht.- Gefährliche Wege der Regierung.
auch die Todesstrafe
Ein Regime
-O
Das Getöse des Wahlkampfes hat in Deutschland fast vollkommen den Widerhall einer ungarischen Ungeheuerlich
einem Jahrfünft der Fall Sacco und Vanzetti in den Vereinigten Staaten: Am 29. Juli wurden in Budapest zwei Fürst, Sendlinge der Moskauer Internationale, wegen Kommunisten namens Emmerich Sallay und Alexander geheimer Werbetätigkeit vor ein Standgericht gestellt, kurzerhand zum Tode verurteilt und zwei Stunden später dem Henker überliefert.
Die Vorsitzenden der Sozialdemokratischen verordnung des Reichspräsidenten in Kraft treten sollen oder nicht. keit verschluckt, die nicht weniger aufwühlend wirkt, als vor Partei, Otto Wels und Hans Vogel , führten am Da diese neuen Bestimmungen u. a. Donnerstag bei Herrn Bracht schärfste Beschwerden über den nationalsozialistischen Terror in Oft preußen, Schleswig- Holstein und anderen preußischen Landesteilen. Sie betonten das Recht der Notwehr im Sinne des Gesetzes und die Notwendigkeit für die republikanische Bevölkerung, zu Mitteln des Selbstschutes zu greifen, wenn der Schutz des Staates versage.
Der stellvertretende Reichskommissar bekannte, daß er die Gefahr sehe, und erklärte, er sei be
müht, ihrer Herr zu werden.
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Gestern tagte das Reichskabinett. Der Reichskanzler weilte fern von Berlin , zur Erholung von zweimonatiger Regierungszeit, auf seinem Landsiz. Herr v. Schleicher kam im Laufe des Nachmittags nach Berlin zurück. Was wurde
beschlossen?
Ein offizieller Bericht ist nicht erschienen. Dafür
meldet TU.:
Die in Berlin anwesenden Reichsminister beschäftigten sich in einer Kabinettsfihung am Donnerstag mit den immer noch anhaltenden Terrorakten in den verschiedensten Gegenden des Reiches. Wie verlautet, ist die Reichsregierung gewillt, unverzüglich verschärfende Bestimmungen zu erlaffen, sofern sich nicht eine fühlbare Wandlung bemerkbar macht. Zu gleicher. Zeit beschäftigte fich auch das preußische Staatsministerium u. a. mit der gleichen Frage. Die Beratungen galten ebenfalls der Verschärfung der bisher erlassenen Bestimmungen im Sinne der bekannten öffentlichen Warnung des stellvertretenden Reichskommissars Dr. Bracht. Es handelt sich dabei um die Berschärfung der Strafbest immungen und die Stärkung der Schnellgerichte bzw. Einsetzung von Sondergerichten für Terrorakte, die in der fürzesten Frist
geahndet werden sollen.
Wie die Telegraphen- Union ergänzend erfährt, dürfte es ledig
lich von den Vorgängen der nächsten 18 Stunden abhängen, ob verschärfende Bestimmungen zur Bekämpfung des Terrors, die vom
Reichsfabinett bereits beschlossen worden sind, durch eine neue Not
Neue Brandbomben.
R. B. Königsberg , 4. Auguft.( Eigenbericht.) Die Attentats welle in Ostpreußen hat noch nicht ihr Ende erreicht. Zu dem Anschlag auf das Amtsgericht in Mehlauten( Kreis Labiau ) wird noch bekannt, daß eine Brandbombe in das Dienstzimmer des Gerichts geworfen wurde. Nur dem Umstande, daß das Dienstzimmer nachts nicht belegt war, ist es zu verdanken, daß Menschen nicht verlegt worden find. Das Attentat erfolgte zwischen 2 und 3 Uhr nachts. Der
wacht habende Justizwachtmeister war durch fal schen Alarm fortgelockt worden, so daß die Attentäter unge stört die einen halben Meter lange Zündschnur abbrennen und die Bombe durch das Fenster werfen konnten. Die Bombe bestand aus einem Stück Gasrohr größerer Dimension, das mit Sprengstoff gefüllt war. Die Königsberger Bolizei hat mehrere Beamte zur Durchführung des Ermittlungsverfahrens nach Mehlaufen geschickt.
Auch in Ortelsburg wurde in der Nacht zu Donnerstag ein Bombenanschlag verübt. Aus einem vorüberfahrenden Auto wurde eine Brandbombe auf das Kaufhaus Robert Neumann geschleudert; die Spreng- und Brandwirtung war sehr stark, so daß die Auslagen zu brennen anfingen und auch das gegenüberliegende Kaufhaus Mendel beschädigt wurde. Nach den bisherigen Feſt ftellungen der Polizei handelt es sich um ein auswärtiges Auto, das ſtellungen der Polizei handelt es sich um ein auswärtiges Auto, das Don Allenstein hergekommen ist.
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In Königsberg ist der Donnerstag erfreulicherweise ohne Zwischenfälle verlaufen. Am Nachmittag fand unter starter polizei licher Sicherung die Beisezung des ermordeten kommunistischen Stadtverordneten Sauff statt. An der Beisetzung nahmen auch Delegationen des Reichsbanners und der Eisenbahner teil, bei denen Sauff organisiert war. Etwa 20 000 Menschen haben Sauff in mustergültiger Disziplin das letzte Geleit gegeben. Die Polizei brauchte in feinem einzigen Falle einzuschreiten. Auch die Beijezung des SA.- Mannes Reinke verlief ohne jeden Zwischenfall. Dagegen fanden in der Provinz in der Mittwochnacht und am
vorjehen, will man zunächst noch abwarten, ob sich diese äußerste Maßnahme nicht doch noch umgehen läßt, da sie im Falle ihres Inkrafttretens dann auch mit unverminderter Schärfe durchgeführt werden müßte. Die Aburteilungen würden vor Sondergerichten auf dem schnellsten Wege zu erfolgen haben.
Noch immer hat man die Erfahrung gemacht, daß Bestimmungen, die durch Ausschreitungen von rechts veranlaßt wurden, sich schließlich nach links auswirken. Wir sehen die Gefahr, daß einige kommunisten standrechtlich erschossen werden, während die nationalsozialistischen lebeltäter mit leichten Strafen davonkommen, amnestiert und später noch gefeiert werden. Damit würde keine Beruhigung, sondern als Nationalhelden à la Heines und Oberleutnant Schulz gefeiert werden. Damit würde keine Beruhigung, sondern das Gegenteil von ihr eintreten!
den Namen eines Verfahrens verdient, schreit anklagend zum Jede Einzelheit dieses Verfahrens, sofern ein Verbrechen den Namen eines Verfahrens verdient, schreit anklagend zum Himmel. Daß im Bereich Horthys die Kommunistenpartei ſtrengem Verbot und jede, auch die harmloseste kommunistische Betätigung harter Strafe unterliegt, ist eben Ungarn . Immerhin stand bis vor kurzem noch keine Todes= strafe auf der Agitation für die Ziele Moskaus . Aber heute durch den Henker ersetzt. Das Standrecht wurde verkündet, herrscht in Ungarn das Standrecht, das den Richter als man das furchtbare Eisenbahnattentat von Bia- Torbagy listisches, sondern um ein politisches Problem. Kann die ganda hielt und weiteren Explosionen bolschewistischen Wir wiederholen: es handelt sich nicht um ein frimina- für einen teuflischen Anschlag der kommunistischen Propafür Regierung nicht erreichen, daß die NSDAP . ihr Verhalten Terrors vorbeugen zu müssen glaubte. Inzwischen hat sich sofort vollständig ändert, dann muß sie im Staatsintereffe überzeugend flar ergeben, daß jener in religiösen Bahn veraufnehmen. Einstweilen hat Herr Bracht mit seinen Drohun- Don Bia- Torbagy gehört, mit allem zu tun hat, nur nicht jede Verbindung mit ihr lösen und den Kampf gegen sie überzeugend klar ergeben, daß jener in religiösen Wahn verstrickte Matuska, zu dessen Schuldkonto die Katastrophe gen nur erreicht, daß die nationalsozialistische Breffe die mit Politik oder gar mit Kommunismus. Tat nichts, das Frechheit ihrer Heze tagtäglich steigert. Mit Recht sagen noch Standrecht, dessen Verhängung so offensichtlich auf einem erscheinende kommunistische Blätter, daß sie längst verboten Irrtum fußte, wurde nicht aufgehoben, weil es mannigfach wären, wenn sie sich nur den zehnten Teil dessen leisten im Sinne des herrschenden Systems auszunuzen ist. würden, was man in der Nazipresse täglich lieft. Der„ Angriff" stellt jetzt ganz offen die Forderung, daß man„ Der tierte Bluthunde“ und„ nationale Deutsche " nicht gleichstellen dürfe, auch wenn sie das gleiche tun. Damit berührt er die grundsätzliche Frage des gleichen Rechts aller Staatsbürger vor dem Gesez. Besteht dieses gleiche Recht noch oder besteht es nicht mehr? Hat die Regierung Staatswesens zu verteidigen oder nicht? von Papen noch die Kraft, die Grundlagen eines geordneten
Die Politik der Regierung von Papen ist schlecht. Durch die Errichtung von Standgerichten wird sie nicht besser!
Donnerstag mehrere Zusammenstöße statt. So wurden in Dreng furt ein Mann und eine Frau durch Schüsse eines Kommunisten schwer verletzt. In Allenstein fielen SA. Leute über einen Händler her, der niedergeschlagen und gleichfalls fo schwer verletzt wurde, daß man ihn ins Krankenhaus schaffen mußte. Drei bewaffnete SA.- Leute wurden vom Ueber fallfommando festgenommen. Auch in verschiedenen anderen Orten Ostpreußens tamen Schießereien und Messerstechereien vor, bei denen drei weitere Personen schwer verletzt wurden.
Nazi- Besuch aus dem Reich.
Das Königsberger Nazihauptquartier ist inzwischen vom 3entralhotel in ein Haus in der Schönstraße verlegt worden, vor dem in den letzten Tagen ein außerordentlich reger Automobilverkehr stattfand. Auch vor dem Redaktionsgebäude des hiesigen Naziorgans, der„ Preußischen Zeitung", hielten zahlreiche Kraftwagen. Es konnte festgestellt werden, daß die meisten Automobile nicht das ostpreußische Kennzeichen, sondern Nummern aus dem Reich e trugen. U. a. murde auch die Anwesenheit des preußischen Landtagsabgeordneten Zigmann jr. festgestellt. Der Gauleiter Koch hat den Polizeipräsidenten um Stellung einer Polizeima che gebeten. Es patrouillieren zwei mit Rarabinem bewaffnete Schupos vor dem Hause des Herrn Koch. Andere befannte Naziführer sind aus ihren Wohnungen verschwunden. Auf der gleichen Linie liegen das Hakenkreuz und die S.- Uniform, die feit dem Attentatsmorgen aus dem Stadtbilde völlig verschwunden sind. Diese Tatsachen sprechen eine beredte Sprache für das schlechte Gewissen der Nationalsozialisten.
Uebertritt, von der Staatspartei zum Zentrum. Der frühere preußische Landtagsabgeordnete und Oberpräsidialrat in Ostpreußen , Dr. Günther Grzimet, ist schon vor längerer Zeit aus der Staatspartei ausgeschieden und hat sich dem 3entrum ange schlossen, für das er bereits während der letzten Reichstags wahlen tätig war. Dr. Grzimet begründete seinen Schritt damit, daß er eine ersprießliche politische Tätigkeit nur noch in einer großen Partei für möglich halte, weil die ganze Entwicklung zur Bildung weniger großer politischer Gruppen hindränge.
Freilich trägt die Göttin des Standrechts, falls es eine gibt, nicht wie die der Gerechtigkeit eine Binde vor den Augen. Die rechtsradikalen Verschwörer um Ladislaus Bannay, die in aller Form der Vorbereitungen zu einem Gewaltstreich überführt sind
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o nein, ihnen wird keine
Schlinge um den Hals gelegt, fie fommen vor dem ordentSchlinge um den Hals gelegt, sie kommen vor dem ordentlichen Gericht mit ein paar Monaten Gefängnis davon. Rommunisten dagegen, die keinen Putsch geplant, die lediglich unterirdische Agitation für ihre Bartei getrieben haben vors Standrecht mit ihnen, und eilends der Galgen im Gefängnishof aufgerichtet! Wenn auch die Verteidiger weder die Akten noch die Angeklagten vor der Verhandlung zu sehen bekamen, drang doch die Kunde, daß Menschen nur wegen ihrer Gesinnung getötet werden sollten, über die grünweißroten Grenzpfähle hinaus und warf die zivilisierte Welt in Bestürzung. Sozialistische Parteien, Intellektuelle, sogar der französische Ministerpräsident Herriot beschworen die Regierung Karolyis in eindringlichen Telegrammen, von ihrem Vorhaben abzulassen. Aber was heißt zivilisierte Welt! Die magyarische Herrenfaste lebt in den Begriffen Asiens , der Reichsverweser Horthy selbst wünschte, daß gehängt werde, und es wurde gehängt.
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Daß die Budapester Machthaber, allen Mahnungen Europas zum Troh, dem Henter zuriefen: Los!, hat mannigfache innere Gründe, aber es hat einen äußeren Grund: das Anschwellen der Gegenrevolution in Deutschland macht ihnen Mut! Ein Blick auf Papen läßt sie Herriot vor den Kopf stoßen. In Budapest und Berlin hält man ja heute fast denselben politischen Kurs:„, christlich", antikommunistisch, antidemokratisch, antiparlamentarisch. Aber die Galgen für Sallay und Fürst wurden nicht umsonst zwei Tage vor dem berauschenden Hitler - Sieg aufgerichtet, den auch in Ungarn alle Volksverächter und Freiheitsfeinde klopfenden Herzens erhofften und erwarteten. Saß erst in Deutschland - Eljen! der Faschismus im Sattel, würde man überall die Masse auf Kandare reiten können, und da der Ausgang des 31. Juli nicht zweifelhaft schien, konnte man mit der Budapester Doppelhinrichtung schon einen Vorschuß auf das Kommende vorwegnehmen. Die Hoffnung auf den Hakenkreuzsieg hat zwar getrogen, aber wenigstens durften Horthys Henker den Beifall der deut schen Faschist en einheimsen. Das, was den Sallay und Fürst die Luft abschnürte, ist Hanf von ihrem Hanf; Kommunisten, Juden dazu, Standrecht, aufgehängt- bravo, bravissimo! Mit nichts reißen die hemmungslosen Psychopathen, die das wilhelminische Deutschland erneuern wollen, die tollwütigen Spießer ihrer Hörerschaft zu so frenetischem Jubel hin wie mit der sadistischen Ausmalung von Hängezenen. Das Hängen ist der einzige Punkt des sozusagen inoffiziellen Programms der Nazis, der Hand und Fuß hat;