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Naziheize gegen Sdwpo gehl weher. Sie lügen, um unterwühlen zu können. Anmaßung ohne Grenzen.

800 neue Giedierfietten. Ausgabe der Fragebogen ab 8. August. Nachdem der Magistrat der Fortführung der Stadtrand- sieölungsaktion zugestimmt hat, werden jetzt in einem Rundschreiben des Oberbürgermeisters an die Vorsitzenden der Bezirksämter nähere Einzelheiten über diese Aktion veröffentlicht. Von den 25 Millionen, die das Reich für den weiteren Aus- bau der Stadtrandsiedlungen zur Verfügung gestellt hat, werden Berlin 2 Millionen Mark für die Errichtung von weiteren 800 Klein- fiedlerskellen zugeteilt. Das Höchstdorlehn beträgt für jede Siedler- stelle wie bei der ersten Aktion 2300 Mark einschließlich lebenden und toten Inventars. Dabei soll in Abweichung von den Maß- nahmen bei der ersten Aktion für Familien mit vier und mehr Kindern ein verlorener Baukostenzuschuß von 120 Mark sowie für Familien mit fünf und mehr Kindern ein erhöhtes Reichsdarlehn von 500 Mark für jede Siedlerstelle zusätzlich gewährt werden, mit der Bedingung, daß im erfteren Falle je eine und im letzteren Falle je zwei Dachkammern sofort ausgebaut werden müssen. Unter Berücksichtigung der Erfahrungen bei der ersten Sied- lungsaktion weichen für die zweite Aktion neu« Fragebogen ausgegeben. Diese Fragebogen liegen ob Montag, den 8. A u g u st, bis einschließlich 2 0. August bei sämtlichen Zahlstellen der Wohlfahrtsämter und Arbeitsämter aus, und zwar bei den Zahl- stellen der Wohlfahrtsämter für die Wohlfahrtserwerbslosen und bei den Zahlstellen der Arbeitsämter für die Empsänger der Ar- beitslosenunterstützung und Krisenfürsorge.. Ferner wenden Frage- bogen bei den Pförtnern des Berliner Stadthauses in der Kloster- straße, Stralauer Straße, Jüdenstraße und Parochialstraße aus- gegeben. Sämtliche Ausgabestellen sind verpflichtet, Fragebogen auch an sonstige Erwerbslose(Rentner, Kriegsbeschädigte usw.) ab- zugeben. Die von den Erwerbslosen ausgefüllten Fragebogen müssen von ihnen bis spätestens 22. August an die Ausgabestellen zurück- gegeben werden. Erwerbslose, die sich bereits bei der ersten Aktion um eine Stadtrandsiedlung beworben hatten, müssen ebenfalls einen neuen Fragebogen für die zweite Aktion ausfüllen und erneut einreichen. Das Massengrab im Meer. Wie dieNiobe" gehoben werden soll. klel. 4. August. Da infolge der starken Strömung an der Unfallstelle der N i v b e* der Hebung an Ort und Stelle erhebliche Schwierigkeiten entgegenstehen, ist jetzt geplant, das Wrack vor seiner Hebung von dem jetzigen Liegeplatz in ruhigeres Fahrwasser abzu- schleppen. Zu diesem Zweck wird der HebeleichterHiev" über der Niobe" verankert und dann voll Wasser gepumpt, damit er so tief wie möglich sinkt. Dann werden Leichter und Wrack von Tauchern durch starke Stahltrossen miteinander verbunden und der Leichter wieder leer gepumpt. Durch den Austrieb, den er auf diese Weise erhält, hofft man, dieNiobe" anzuheben und so den Transport unter Wasser durchzuführen. Erst wenn das Schiff dann in ruhi- gerem Fahrwasser liegt, werden die eigentlichen Aufrichtungs- und Bergungsarbeiten beginnen. Zluf Anregung des Kommandos der Ostseestation ist die Cr- richtung eines G e da ch t n i s m a le s für die Toten derNiobe" auf dem Garnisonsriedhof geplant. Totengrust für die Gefallenen von Verdun . Paris . 4. August. Für die Gefallenen von Verdun , die zum großen Teil soweit es sich um französische Soldaten handelt noch keine letzte Ruhe- stätte gefunden haben, ist jetzt in Douaumont ein« Toten- g r u f t errichtet worden, die am nächsten Sonntag vom Präsidenten der Republik feierlich eingeweiht werden soll. Das Ende des Einbrechers. Aus der Spree wurde Donnerstagvormittag die Leiche des Gelegenheitsarbeiters Leo D o m a n j k i geborgen. D. war ein be- kannier Schaufenstereinbrecher und erst kürzlich aus dem Gefängnis, wo er bereits einmal versucht hatte, sich zu erhängen, entlassen worden. Verschiedene Verletzungen an der Leiche ließen den Ver- dacht aufkommen, daß Domanski gewaltsam getötet und dann ins Wasser geworfen worden sei. Die Obduktion hat ergeben, daß der Tod durch Ertrinken eingetreten ist. Es besteh: danach kaum noch ein Zmeisel, daß der Einbrecher in einem Anfall von Lebensllber- druß Selbstmord verübte, nachdem er zuvor noch einige Kneipen am Engeluser ausgesucht hatte. Um ober völlige Klarheit zu schaffen, geht die Ermittlungsorbeit der Mordkommission weiter.

Schon seit langem hoben wir immer wieder auf die Wühlarbeit der Nationalsozialisten und namentlich ihres Berliner Organs, des Angrisf", hingewiesen, die das Ziel verfolgt, der Berliner Schutz- polizei den Charakter einer über den Parteien stehenden, gegen jeden Rechtsbrecher einschreitenden Truppe zu nehmen und sie zu einer bewaffneten Organisation herab zuwürd ig en, die ihre Aufgabe in einer Duldung und Förderung nationalsozialistischer Exzesse sieht. Die Methode der nationalsozialistischen Wühlarbeit bleibt sich immer gleich. Sie geht dahin, ein Revier zu loben und das andere zu beschimpfen und zu bedrohen, weil das eine dem braunen Schreiber nationalsozialistisch verseucht erscheint, das ander« aber pflichtgemäß handelt, indem es auch nationalsozialistische Strolche so behandelt, wie sie es verdienen. Des weiteren ist zu beobachten, daß. je mehr die Schaudtaten der bewaffneten Nationalsozialisten zu- nehmen, um so lauter in dem Lügenblatt von angeblichen Misse- taten der antifaschistischen Gruppen berichtet wird. Die Angaben des Naziblattes sind, wie man nicht anders erwarten kann, zum großen Teil s r e ch erlogen und aus den Fingern gesogen. Die niederträchtige Taktik, die bei dem Uebersoll der Nazis auf von einer Demonstration heimkehrende Kommunisten am Nonnendamm in der Siemens st adt besonders kraß in Erschei- nung trat, wird weiter verfolgt: damals schrieb derAngrisf" zu einem Zeitpunkt, an dem die Täterschaft der Nationalsozialisten bereits einwandfrei feststand, daß wahrscheinlich Kommunisten oder Reichsbannerleute die Täter gewesen wären. Beim Uebersoll auf unseren Reichsbannerkameraden W o e l s e l, der auf dem Wege zur Arbeit von einer Horde aus dem Hinterhalt überfallen worden war,

30000 Sprengkapseln gesunden. Sprengstoffund in Wilhelmshorst . Zn dem Vorort Wilhelmshorst bei Potsdam ist dieser Tage ein großer Spreng st oss-Aund gemacht worden, der jedoch erst gestern bekanntgeworden ist. 3n der Wohnung eines kürzlich verstorbenen Sprengmeisters sind mehrere Kisten gesunden worden, die etwa 30 000 Sprengkapseln enthielten. Welchem Zweck die Sprengstoffmenge dienen sollte, wird wohl ewig ungeklärt bleiben, denn der Besitzer ist tot und die Ange- hörigen hatten von dem Vorhandensein der 30 000 Sprengkapseln und mehrerer Pfund Pikrinsäure noch ihren Angaben keine Kennt- nis. Der Ausbewahrungsort des Sprengstosfes war ein aus- getrockneter Brunnenschacht und durch einen Zufall wurden die Kisten mit ihrem gefährlichen Inhalt entdeckt. Die Sprengkapseln sind zunächst von der Polizei beschlagnahmt worden.

Montgolfiere"- Aufstieg am Funkturm. In allen illustrierten Geschichtsbüchern der Technik sieht man aus den ersten Ansängen der Lustschiffahrt das erste nach ihren Er- sindern, den sränzösischen Ingenieuren Brüder Montgolsier, benannte LustschiffM o n t g o l f i e r e", das war ein Ballon, der nicht mit Gas oder Wasserstoff gefüllt wurde, sondern mit heißer Luft. Das war vor genau 150 Iahren, und inzwischen hat die Luft- schiffahrt die ungeheuren Fortschritte gemocht, die wir olle kennen und bewundern, und dieMontgolfiere" ist ganz in Vergessenheit geraten. Aber der deutsche Luftschifferartist Conrad aus Guben hat sich diese Art Luftschiffahrt zu einer Spezialität erkoren, und so konnte man in dem Terrassengarten der AusstellungSonne, Luft und Haus für Alle" einem Montgolfiere-Aufflug tatsächlich beiwohnen. Unter der Ballonhülle wurden nach und nach drei Zent-\ ner Stroh verseuert, bis die Hülle rund und prall war. Dann ließ die Haltemannschaft los und der Ballon sauste mit dem Artisten, der an einem Reck Kunststücke vollführte, in die Luft. In etwa 150 Meter Höhe sprang Conrad ab. Sofort entfaltete sich der Fallschirm und der Artist kam in glattem Flug gut zu Boden. Aber auch unmittelbar nach seinem Absprung ließ die Antriebskraft des Ballons noch, und er sank gleichfalls zu Boden, merkwürdiger- weife gar nicht weit von der Aufstiegstelle, und zwar in der Mo- surenallee. Das Schauspiel hatte eine große Menge Leute herbei- gelockt, die den Vorbereitungen und dem Ausstieg mit großem Inter- esse folgten und dem kühnen Artisten zujubelten.

hieß es imAngriff", daß der einzelne Mann die Wegelagerer bedroht habe. Man lügt eben, wie nur Nazis lügen können. In dem gestrigen Raziblatt ist unter der BalkenüberschristRote Mordstossel im Virchow-Viertel" ein Fall geschildert, bei dem ganz kurze Erkundigungen genügen, um die nalionalsozialistischen Lügner zu entlarven. Da liest man:Gerade das Revier 44 in der Genter Straße, aus dem eifrig die Zeitung des Reichsbanners ge- lesen wird, besitzt noch mehrere Beamte, die nicht mehr das Vertrauen der ihnen zum Schutz empfohlenen Oefientlichkeii haben." Dem überheblichen Schrcibling sei gesogt, daß nur 28 proz. der Berliner Wähler nationalsozialistisch. 55 proz. dagegen marxistisch gewählt haben. Wo leitet also das Blatt leine Berufung her, für diezum Schutz empfohlene Oefientlichkeit" zu sprechen? Die Berliner Bevölkerung erwartet vielmehr von den Beamten der Berliner Polizei, daß sie getreu der von ibnen beschworenen Verfassung ihre Pflicht erfüllt! In dem Naziblatt wird weiter gegen einen Polizei wacht- meister der Vorwurf erhoben, daß er nicht gegen einen Reichs- bannermonn eingeschritten sei, demder Revolver buchstäblich aus der Tasche sah". Richtig ist, wie unsere Nachsorschungen ergaben, daß der Reichsbannermann bei einem Zwischenfall in der Müller- straße sistiert und zweimal ans das genaueste untersucht wurde, daß aber kein» Waiie bei ihm gefunden werden konnte, weil er keine besaß. Er konnte auch nichtseine Masse ungehindert seiner Braut übergeben," weil er nämlich weder oerlobt ist, noch eine Waffe besitzt. Der Beamte hat vollkommen pMichtgemäß gehandelt. Nur deshalb greifen ihn die Nazi? an, weil sie wissen, daß er auch gegen sie, wenn es darauf ankommt, sein« Pflicht erfüllen wird.

VerfassunqSfeier in der Neuen Welt . Die Ortsvereine Kreuzberg und Neukölln des Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold veranstalten eine große Verfassungsseier als Volks­fest im Garten und in den Gesamträumen der Neuen Welt in der Hasenheide. Das Fest findet am Sonnabend, dem 13. August, von 15 Uhr an statt. Außer der Festansprache wird ein glänzendes Unterhaltungsprogramm geboten. Eintrittskarten zum Preise von 40 Pf. sind bei allen Funktionären, in den Verkehrslokalen sowie in den Geschäftsstellen der republikanischen Parteien erhältlich. Er- werbslose zahlen nur 20 Pf. Nur noch drei Tage Sommerschau? Am kommenden Sonntag wird die diesjährige Berliner SommerschauSonne, Luft und Hai.s für Alle!" geschlossen. Die letzten drei Tage bringen für den Ausstellungsbcsucher besondere Veranstaltungen. Am Freitag werden im neugeschaffenen Terrassen- garten, der mit seinen 4 bunten Blumenterrassen der schönste und größte Garten Berlins ist, auf dem Wicsenoval Windhund- rennen hinter dem mechanischen Hasen veranstaltet. Am Sonn- abend und Sonntag findet, ebenfalls im Terrossengarten, das II. Reichstreffkn der deutschen Reiterjugend statt.

Genosse Alfred wilk, Stadtrat in Charlottenburg , begeht am 6. August seinen 60. Geburtstag. Genosse Wilk ist seit 34 Jahren Mitglied der Partei und viele Jahre Leiter des Charlottenburger Kreises. Seit nahezu 25 Jahren gehört er den Stadt- und Bezirks- körperfchasten an und ist seit über ein Jahrzehnt unbesoldeter Stadtrat. Dem Berliner Bischof Dr. Schreiber hat Oberbürgermeister Dr. Sahm telegraphisch die Glückwünsche der Reichshauptstadt zur Vollendung seines 60. Lebensjahres ausgesprochen.

Vorträge, Vereine und Versammlungen # ReichsbannerSchwarz-Roi-Gold". Geschäftsstelle: Berlin E. 14. E-dastionstr. 3738. Ho« 2 Zr. Hermedorf(Kameradschaft). Freitag, 3. August, 20 Ahr, Mitglieder» Versammlung beim Kameraden Ockrent, Berliner Ecke Bahnhosstraße. Wassersportabteilung. Zug Köpenick . Sonnabend, 6. August, 21 Ahr Italienische Nacht" im Bootshaus. Eintritt auch für Gäste frei.

Reichsbund der Kriegsbeschädigten, Kriegsteilnehmer und Kriegcrhinter» bliebeuen. Ortsgruppe Charlottenburg . Mitgliederversammlung am Freitag, dem 6. August, in Eckmanns Festsölen. Beginn 20 Uhr. Tagesordnung: Für- sorgebeftimmungen. Zeutralverband der Arbeitsinvaliden und Witwe» Deutschlands , Gau Groß- Berltn. Geschäftsstelle: Berlin-Schöneberg, Kaifer-Friedrich.Str. 9. III. Freitag, 5. August. Kreutberg II: Lokal Wollschläger. Adalbertstr. 2!(15 Uhr). Kreuz- berg III: Lokal Reichenberger Hof, Reichenberger Str. 147(17 Ahr). Rei- nickendorf-West: Lokal Volkshaus, Ccharnweberstr. 113(19 Uhr). Tegel : Lokal Lehnhardt, Berliner Str. 84(18 Uhr). Alt-Glienicke : Lokal Habrecht, Friedrichstr. 2(19 Uhr).

OskAv Äus. 74 / /\A Ganz Konstanz schläft-, der Andres Axt und sein Rott- mann, Sträubele, der Schwab, schlafen mit. Nicht den ge- schreiig unterbrochenen Schlaf der Kriegsknechte schlafen sie diese Nacht, ewig auf dem Kies nach Alarm und Herausruf, nein, die beiden ruhen sich aus als von jeder Pflichtsatzung frei, sie haben den Konstanzer Solddienst von sich getan. Morgen, in der Frühe, wird sie kein Taghorn mehr wecken und schrecken. Nein, wenn der Wächter bläst:Der Tag wird neu, hoch von der Streu!", da werden sie sich erst noch mal vergnüglich auf ihren Pritschen drehen und weiterschlafen. Keine Waffe drückt sie mehr; denn sie haben das Zeichen ihres Dienstes, das Partisaneisen, gleich nach der Rückkehr vom Brühl , noch vor der Vergatterung, ißrem Waibel behandet. Was kommt euch verchaibte Unruhgeister denn an?!" hat halb im Spaß, halb im Zorn der Humpert gesagt und sich dabei brummig den roten Schnauzer gestrichen.Ja, was kommt euch an, daß ihr mitten im währenden Frieden eure Absprache mit Konstanz so jäh ins Eck schmeißt? Hat euch die Stadt die Speckerbsen nicht immer dick genug gekocht? Hat sie euch nicht immer das volle Gewicht an Brot gegeben? Oder ist etwa der Bogt mit euch ungnädig und rauhbauzig gewesen?"Das Brot war vollgewichtig, daran liegt's nicht, und auch der Bogt hat uns nie an das Halsblech ge- klopft!" war des Sträubeles Antwort, und der Axt hat dabei bestätigend mit seinem Struppkopf genickt.Aber heute, Waibel, kochte uns die Stadt in der Tat die Erbsen zu feurig!"Fahrt hin, wo ihr wollt, ihr jähen Potzdunder, überall werden.die Ketzer so glutig bedient! Das ist mal

nicht anders bei ihrem teuflischen Handwerk!"Mag sein, Waibel, aber wir sind Landsknechte und haben uns als Landsknechte verdingt, aber nicht als Helfershelfer des Schinders. Ueberdies, Humpert, vergiß das nicht, uns will scheinen, man habe heute den Hund auf eine falsche Fährte gehetzt. Jedenfalls halten wir es für besser, aus dieser Station des Friedens wegzuziehen an einen Ort, wo draufgehauen wird! An einen Ort. wo es Tiere gibt mit Klauen und Zähnen, um die es sich lohnt, feine Haut zu Markt zu tragen. Blur können wir sehen schüsselweis', aber kein Kaninchen- gewürge!"So fahrt denn in Gottes Namen zu eurem Teufel!"Waibel, desgleichen!" Mit dieser Wünschung haben der Axt und der Sträubele den Rest ihres Soldes ge- nommen und sind damit über dem Umweg über drei, vier Schenken zunächst in einen tiefen Schlaf gefahren, jenen Schlaf, der im Augenblick ganz Konstanz behängt, das noch immer dahintreibt in den weißen Dünsten der Nacht, wie eine Insel im Meer, rauhstimmig überschrien von Gänsen, die mit ihrem Silberkeil den Himmel pflügen. 34. Ganz Konstanz schläft, nur Luzia schläft nicht. Sie sitzt auf den Staffeln des giftgelb gestrichenen Siechenhauses, das, gegen die Landzunge des Horns zu, eine Viertelstunde vor der Stadt liegt. Unbeweglich, wie ein Steinbild, sitzt Luzia da und starrt auf die Oberfläche des Sees, aus dem ohne Aufhören, wie Dampf aus dem Topf, wallend und quallend der Nebel steigt. Der Nebel näßt ihr das wirre Haar. Luzia merkt es nicht. Der Nebel hüllt sie ichleierig ein, verhängt ihr nach und nach den Blick auf die Sträucher am Ufer. Luzia merkt es nicht: sie ist ganz ihrem innern Gesichte gegeben. Wie lange sitzt sie schon da? Sie weiß es nicht. Das Gewesene, das Seiende, das Kammende sind in ihr verflossen zu einem einzigen Einen. Sie wird, solange sie lebt, den Begriff der Zeit nicht mehr kennen. Die Maße der Menschen sind in ihr zerbrochen und ungültig geworden.

Sie hat Herrn Zizka auf vielerlei Umwegen auf die sichere Straße geleitet, und als er sie zum letzten Male grüßte und dann sich wandte und hinausritt in die Nacht, die ihn schon nach hundert Schritten mit ihren dunkelsten Tüchern deckte, da hat sie ihm nachgeschaut, bis ihr vor Schmerz die Augen brannten. Den Schlag ihres eigenen Herzens hat sie für das Tappen der Hufe seines Pferdes gehalten, um ihm so noch eine kleine Spanne näher zu sein. Erst als sich die Täuschung nicht länger aufrechterhalten ließ, hat sie sich bis hierher zurückgeschleppt. Ohne eigenen Willen ist sie auf dieser Treppe sitzen geblieben. Sie hat gar keine Ahnung davon, daß es das Haus der Aussätzigen ist, die Stätte der Ver- worfenen und Unheilbaren, die Zuflucht der von Gott Ge- zeichneten, sonst würde sie vielleicht vor diesem Ort Grauen hegen. Ist es eine Stunde her, daß Zizka von ihr schied? Ist es ein Jahr? Sind es tausendmal tausend Ewigkeiten? Luzia vermag keine Antwort zu geben. Sie weiß nur, daß Zizka fort ist, auf immer fort, und daß er nie mehr zurückkommen wird. Die Sonne geht unter, sie versinkt verglühend im dunkeln Meer. Des Menschen Herz aber weiß, die Versunkene wird sich am Morgen um so strahlender er- heben. Dies Wissen ist es, das die Nacht und ihre Schrecken erträglich macht. Luzias Herz jedoch weiß, daß ihre Sonne auf ewig hinabgesunken ist. Diese Sonne kennt keine Wieder- kehr. Luzia zittert und friert, sie schaudert, denn sie muß jetzt für immer im Nacht- und im Schattenreich leben. Unaufhörlich flattern Luzias Gedanken um den böhmi- schen Ritter. Jede Sekunde, jeder Zeitschlag seiner Gegen- wart belebt sich neu. Jede Phase der vergangenen Nacht und des heutigen Tages wird in ihr quick und lebendig. Sie wird nie die Tränen vergessen, die sie nach dem Ab- zug der Stadtknecht an seinem Herzen weinte. Nie seine Hand, die ihr wie eine Feuerhand über den Scheitel strich und die ihr lohendes Innere noch heller in Brand setzte. Ewig klingt der Klang seiner Stimme ihr im Ohr: Du liebst mich. Mädchen? Aber ich bin Soldat! Ich habe nicht Zeit, an Liebe zu denken!"(Forts, folgt.)