Morgenausgabe
Nr. 367
A 181
49. Jahrgang
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Teils
Sonnabend
6. August 1932 Groß- Berlin 10 Pf. Auswärts 15 Pf.
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Bentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschla
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Fort mit der SA.!
Ende des Rechtsstaats.
Parteijustiz als deutsches Recht".
3wei Meldungen vom gleichen Tage: das von Republikanern gesäuberte Rönigsberger Polizeiprä
Tagung des Parteiausschusses.- Anträge der Preußenfraktion. ibium meldet, daß der Anſchlag auf das Gemertſchafts
zu verzeichnen sei.
haus vom 1. August sowie fünf weitere Brandstiftungen geflärt sind. Die Täter sind je 8 bzw. je 11 Leute von natio nalsozialistischen SA. Sturm Nr. 12.
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Der Parteiausschuß nahm am Freitag einen Be-| nahme von Gewalttaten und lebergriffen richt des Parteivorsitzenden Wels über die politische Situation nach den Wahlen entgegen. In der anschließenden Debatte tam allgemein die ungeheure Empörung zum Ausdruck, die der systematische Terror der SA. und das Bersagen der zentralen Staatsorgane ihnen gegenüber in bolizeiliche Feststellungen einwandfrei erwiesen. Die um helmer paritätisch zu einer Hilfspolizei zu machen.
allen Teilen des Reiches hervorgerufen hat.
Die Zahl der politischen Morde sei ebenfalls seitdem außerordentlich gestiegen. Die Beteiligung der SA. an diesen Vorkommnissen sei durch zahlreiche
Aus Braunschweig wird berichtet, daß zwischen Deutschnationalen und Nationalsozialisten eine Einigung dahin zustandegekommen ist, A.- Leute und Stahl= Waffenfunde in der Minister Röver bereits einige hundert SA. Leute als Motpolizisten eingestellt.
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SA.- Heimen und bei Angehörigen der SA. vom kleinen Revolver bis zum schweren Maschinengewehr und Panzerwagen ließen darauf schließen, daß in Zukunft Dieselbe Organisation also, deren Angehörige an dem noch mit einer Steigerung der Uebergriffe gerechnet wer- einen Ort in Deutschland in geschlossenen Formationen den müsse, wenn nicht endlich energisch durchgegriffen Brandstiftungen, Landfriedensbruch und werde. Attentate begehen, sie soll an anderen Stellen Deutschersucht werden, seinen Einfluß bei der Reichsregierung polizei für den Schutz des Lebens und EigenDer Reichskommissar soll in einem Landtagsbeschluß lands als Hilfspolizei ja was? fie soll als Hilfsdahin geltend zu machen, um die nationalsozialistische tums der friedlichen Bürger sorgen! Wenn so etwas in SA. sofort aufzulösen, die SA. - Heime sofort zu einer Posse vorkäme, würde man es als den üblichen schließen sowie die stark bedrohte persönliche Freiheit Theater blödsinn belächeln. Aber in Deutschland ist führender Republikaner und Funktionäre republikani diese Posse Wirklichkeit: man stellt sozusagen Brandscher Organisationen und der Arbeiterbewegung wie auch stifter an zur Verhütung von Bränden, man beordert Totdie Einrichtungen dieser Organisationen mit allem Nach- schläger zur Verhinderung von Morden, Landfriedensbrecher druck zu schützen. werden für die Erhaltung der Ruhe und Ordnung angestellt - und bezahlt!
Der Parteiausschuß war einmütig der Ueberzeugung, daß die moralische Berantwortung für die terroristischen Bluttaten nicht nur bei den Führern der Nationalsozialisten liegt, die nach ihren fortgesetzten Drohungen und Aufforderungen zum Mord als die intellektuellen Urheber dieser Verbrechen bezeichnet werden müssen. Sie liegt auch in hohem Maße bei der Regierung des Reiches, deren Politik auf die Begünstigung der nationalsozialistischen Bewegung eingestellt ist. Auch das Vorgehen gegen die republitanische und verfassungstreue Regierung Preußens und die ängstliche Zurüdhaltung gegenüber den Berstößen gegen Ruhe und Ordnung in Oldenburg , Braunschweig und Anhalt hat gezeigt, daß die Reichsregierung die versprochene Unabhängigkeit und Unparteilichkeit nicht besitzt. Aus dieser Erwägung wurden vom Parteiausschuß die weiter gegen die Reichsnotverordnung vom 20. Juli über die Ab Möglichkeiten eines beim Versagen der Staatsgewalt einzu- legung der geſchäftsführenden preußischen Regierung durch die EinMöglichkeiten eines beim Berjagen der Staatsgewalt einzusetzung des Reichskommissars. Der Antrag der Fraktion verlangt, fetzenden organisierten Selbstschuhes erörtert. Alige- daß der Standtag auf das entschiedenste gegen dieses völlig unge mein war die Ueberzeugung, daß die Entwicklung zu schwer- setzliche und verfassungswidrige Vorgehen" proften Folgen drängt, wenn die republikanisch gesinnte Bevöl- testiere. Neben der Aufhebung der Notverordnung soll der Landtag ferung nicht von Staats wegen ausreichend geschützt wird. die beschleunigte Herbeiführung der Entscheidung des Staatsgerichts hofs fordern.
Die sozialdemokratische Fraktion des Landtags wendet sich
Die Forderungen der Landtagsfraktion. Ein kommunistischer Antrag, der gleichfalls die Aufhebung der Die sozialdemokratische Fraktion hat im Preußischen Notverordnung bezweckt, will ferner alle auf Grund dieser VerLandtag einen Antrag eingebracht, in dem es heißt, es ordnung getroffenen Maßnahmen sofort rückgängig machen und müsse festgestellt werden, daß seit der gewaltsamen einen Beschluß des Landtags herbeiführen, wonach kein Beamter Beseitigung der geschäftsführenden Re- oder Angestellter verpflichtet sein soll, den auf Grund dieser Vergierung in Preußen eine außerordentlich starke 3ulordnung erlassenen Dienstanweisungen nachzukommen.
Reine Ordnung" im Osten.
Aber der Kommissarius setzt weiter ab.
RB. Königsberg, 5. Auguft.( Eigenbericht.) Bei der Beerdigung des fommunistischen Stadtverordneten Sauff wurden einige Kommunisten wegen Entrollens von Fahnen und Bildung geschlossener Marschkolonnen zwangsgestellt. Sie find am Freitag vom Schnellgericht zu Geldstrafen zwischen 15 und 50 Mart verurteilt worden. Während der Verhandlung vor dem Schnellgericht war der Zuhörerraum mit bekannten Königsberger SS. - Ceuten gespickt, die sich bei dem Aufruf der Angeklagten eifrig namen und Adressen notierten. Nach der Berhandlung 30g der Schupowachtmeister, der als Hauptbelastungszeuge aufgetreten war, mit den SS. Leuten in das Bahnhofsrestaurant.
Die Provinz wird durch Sprengstoffattentate und andere Anschläge weiter in Atem gehalten. In Johannisburg wurde in der Nacht zum Freitag auf das Warenhaus Heimann ein Sprengstoffattentat verübt, durch das sämtliche Fensterscheiben zertrümmert wurden. Der Anlage nach vermutet man, daß es sich um die gleichen Täter handelt, die auch in benachbarten Städten ähnliche Anschläge verübten.
In 2nd wurden durch Steinwürfe die Schaufenster mehrerer jüdischer Geschäftshäuser zertrümmert. Besonders hatten es die Täter auf das Haus der Firma Limberg u. Tifohki und die Apotheke Frankenstein abgesehen. In die Apotheke wurde eine Handgranate geworfen, die jedoch nicht trepierte. Bei der Untersuchung wurde festgestellt, daß die Handgranate scharf war, die Sprengkapsel jedoch nicht explodiert ist.
waren, niedergestochen. Die beiden Berlehten wurden in bedenklichem Zustande in das Krankenhaus geschafft.
Der Rüdfriff des Oberpräsidenten Dr. Siehr und die Abjehung feines Stellvertreters, des fozialdemokratischen Bizepräsidenten Dr. Steinhoff, wird in der ostpreußischen Preffe lebhaft disfufiert. Allgemein wird bis in die Kreise der gemäßigten Rechten bedauert, daß der Rücktritt des mit der Provinz verwachsenen und in 3 wölfjähriger Amtszeit politisch bewährten Oberpräsidenten zu einem Zeitpunkt erfolgt, wo eingearbeitete Kräfte in den führenden Verwaltungsstellen notwendiger denn je find. Jum Nachfolger des Bizepräsidenten Dr. Steinhoff ist der Oberregierungsrat Agricola ernannt worden, der enger Spezialist für agrarische Fragen und in weitesten Kreisen bisher unbekannt ist.
Die gewaltsamen Eingriffe in den empfindlichen Verwaltungsapparat müffen für die ordnungsmäßige Abwicklung der Regierungsgeschäfte natürlich verheerende Folgen zeifigen.
Die
Milde
Fort mit der Milde!
Das Zaudern der„ Reiniger".
Kölnische Volkszeitung" schreibt, die Nachsicht und gegenüber den den nationalsozialistischen Terroristen müsse geradezu zu neuen Terroratten anreizen und das Vertrauen im Volke restlos zerstören. Es scheine, als ob Hitler die Führung der SA. täglich mehr aus den Händen glitte. Gerade einer Regierung, die in zahlreichen Rundgebungen dem früheren Kabinett 3auder politit vorgeworfen und in Preußen mit Methoden durchgegriffen habe, die als Verfassungsver
In Tilsit wurden auf die Wohnung eines fommunistifchen Funktionärs in der letzten Nacht 8 Revolverschüsse abgegeben. Mehrere Schüffe drangen in das Schlafzimmer des Kommunisten ein. Die Täter entflohen mit einem Kraft-| legung empfunden wurden, stehe das Baudern der letzten Tage
wagen.
In Elbing wurden in der letzten Nacht zwei Nationalfozialiften von Kommuniffen, mit denen sie in Wortwechsel geraten
schlecht an. Die Regierung müsse handeln, fie dürfe unmöglich die Zustände fich so entwickeln zu lassen, daß nur noch die Ultima ratio Ordnung zu schaffen in der Lage wäre.
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Der preußische Kommissar Bracht hat eine Statistik der Gewalttätigkeiten herausgegeben, die sich während sechs Wochen vom 1. Juni bis 20. Juli in Preußen abge= spielt haben. Wir halten diese Statistik nicht für zuver lässig. Aber immerhin selbst Brachts Statistit bezeichnet bei rund 300 Terroraften in 75 Fällen, also in rund einem Viertel, SA.- Leute als die Angreifer. Das ist das Menschenmaterial, dem in gewissen Teilen Deutsch lands der anständige und ehrenwerte Staatsbürger fünftig als der Obrigkeit parieren soll. Wirklich etwas viel verlangt!
Aber der Appetit steigt mit dem Essen. Ist man schon einmal dabei, die unpolitische Beamtenpolizei, die nur dem Gesetz gehorcht, durch die auf Hitlers Kommando hörende braune Armee zu ersetzen, so bleibt von da bis zur völligen Beseitigung des Rechtsstaates nur noch ein kleiner Schritt. Unsere Frage, wie es denn in Zufunft mit dem gleichen Recht stehen solle, hat in der Rechtspresse die zynisch offene Antwort ausgelöst, daß man Rechtsgleichheit beseitigen will! Hitlers Organ, der ,, Bölkische Beobachter", prägt den unzweideutigen Satz: ,, Es kommt auf die Gesinnung und nicht auf den Tatbestand an."
Das ist die flare Berneinung jeden Rechtes. Dringt zum Beispiel jemand nächtlich in die Wohnung eines Regierungspräsidenten ein und knallt diesen nieder, wie das in Königsberg geschah, so muß nach dem Rechts" standpunkt des ,, Völkischen Beobachter" zunächst die politische Ge= sinnung des Täters erforscht werden; ist er ein Nazi, so hat man ihn freizusprechen, ist er ein Links= ste hender, so ist er an die Wand zu stellen oder aufzuhängen!
Man glaube nicht, daß es sich hier um ein zufällige Entgleisung handelt. Die nicht einmal offiziell nationalsozialistische Deutsche Zeitung" schreibt in genau dem gleichen Sinne wie Hitlers Organ:
,, Wenn der Vorwärts" im gleichen Zusammenhange heuchlerisch von der grundfäßlichen Frage des gleichen Rechts aller Staats bürger vor dem Gesetz" spricht, so muß nach den obigen Feststellun gen bei der selbstverständlichen Anerkennung dieses Grundsatzes für die Rechtspflege doch gesagt werden, daß im Staatsleben endlich mit einer Auffassung gebrochen werden muß, die den international- margiftischen Staatsfeinden die gleichen Rechte gewährt wie den nationalen Kräften.
Auch Goebbels ,, Angriff" stellt sich auf diesen Standpunkt, nur daß er in seinem Raschemmenton noch entsprechend drastischer wird:
,, Wir wollen dem sozialdemokratischen Schreiberling eine flare und unmißverständliche Antwort geben: Wer das Recht für sich for dert, als Staatsbürger behandelt zu werden, der muß sich auch dementsprechend benehmen.(!) Ein verfommenes und perlumptes Verbrecher pad, das sich von margistischen Mord. hegern zu den brutalsten Bluttaten aufputschen läßt, das sich mit Dolch und Revolver bestätigt und Bluttat auf Bluttat, Meuchelmord auf Meuchelmord häuft, tann selbstverständlich nicht mehr den Anspruch erheben, als Staatsbürger bee