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Die grei Hoiftsntbiflder aus Berlin. - Die Zuchtrute der Weltkrise hat in ihrem tollen Wirbel das unterste zu oberst gekehrt. Fabriken und Werkstätten sind leergefegt, während auf Arbeitsämtern und FLrsorgestellen drangvolle Enge herrscht. Stätten, die vor zwei, drei Jahren noch Zeugnis ablegten für den Pulsschlag Berlins , scheinen wie ausgestorben. Versiegter AuSwandsrerstrom. Da war ein Auswanderersaal an der Ostseite des Ech lesischen Bahnhofs. Tag um Tag türmten sich dort die Kisten und Kasten, tausende litauischer, slowakischer und polnischer Bauersleute traten von hier aus den Weg in die weite Welt an. Jetzt ist keine Maus mehr in dem geräumigen Saal. Man hat die große Leere benutzt, um den Saal neu herzurichten. Die Wände �flnd bordeauxrot getüncht, die bunten Plakate der Schiffahrtsgesell- schaften, die den Auswanderer lockten, nicht mit der Konkurrenz in die neue Heimat zu fahren, hat man ins Feuer gesteckt und nur noch die glasumrahmten Bilder des Bremer Lloyd sind für würdig be- funden worden, von den Leuten aus der Walachei und aus Wolhynien betrachtet zu werden. Aber es ist niemand mehr da, der sie sich anschaute. Seitdem irgendein Kurssturz an der New-Porker Börse geeignet ist, die Lebenshaltung balkanischsr Bauern zu er- schüttern, ist der große Auswanderer ström versiegt, und die Einwanderungsverbote der neuen Welt haben ein übriges getan, zumal dort drüben, wo der Kaffee ins Meer und der Weizen ins Feuer fliegt, selbst Scheiben trockenen Brotes rar geworden sind. So ist niemand mehr im Saal, der die Bekanntmachungen in jiddischer, russischer, polnischer und tschechischer Sprache liest, der Hahn mit dem heißen Wasser für den Tee läuft nicht mehr, der Auewanderungsbeamte liest die Zeitung und auf die langen Tische, an denen einst Mütter saßen, die ihre Jüngsten säugten, hat man die Stühle und Bänke gestülpt. -Sonnige Zweizimmer-Wohnung." Daß es 10- und K-Zimmerwohnungen zu mieten gibt, ist kein Geheimnis, daß es Geschäftsräume und Läden zu mieten gibt, ist keine Neuigkeit, aber daß heute bereits Zweizimmer- Wohnungen kaum zu vermieten sind, das mag der Rede wert sein. In den Proletarierquartieren des Berliner Süd- ostens hängt vor jedem Haus jenes rotschwarze Schild:Zu ver­mieten", Schilder, die die Jahrgänge 1914 bis 1930 nur vom Hören- sagen gekannt haben. Eine wilde Konkurrenz hat sich dort aufgetan,

le leere. Streifzug von Ost nach West. die erste Zweizimmer-Wohnung wird als sonnig angepriesen, von der zweiten wird der dazugehörige Balkon gelobt, die dritte hat noch eine große Kammer dazu und so geht es weiter fort. Große rote Plakate haben die Hauswirte, die mehrere Häuser besitzen, in den verschiedensten Stadtgegenden anschlagen lassen, und aus diesen Plakaten preisen sie ihre Ein-, Zwei- und Dreizimmer-Wohnungen an zum regulären Preis und sofort beziehbar. Nicht einmal mehr die geheiligten Umzugstermine vom April und Oktober werden ein- gehalten, all diese Kleinwohnungen sind zum 1. September zu haben. Bis der letzte Groschen abgewohnt war, haben die alten Mieter in ihren Wohnungen ausgehalten, als es nicht mehr ging, sind sie fortgemacht, zum Verwandten, auf die Laube, in die Sied- lung oder gar ganz zurück in die alte Heimat. Und es ist ja auch klar: jetzt sind sie langsam bald alle in der Wohlfahrt, und wer da 8 oder 10 M. wöchentlich für die Seinen erhält, der kann keine Stadtmiete mehr zahlen, auch wenn die Wohnungen nur zwei Zimmer groß sind. Oer Blick zum Hafen Dann gab es ein wunderschönes Blickfeld am Westrand der Stadt: Oben auf der Putlitzbrücke mußt« man stehen und hinunterschauen zum Westhasen, die große Ladestraße entlang, am Getreidespeicher vorbei, bis der Zollspeicher das Bild abschloß. Da war Leben. Oder in der großen Halle II des Hafens, die sich der Herr Henry Ford aus Detroit für seine Motor Company gemietet hatte. Da kamen in ununterbrochener Folge die Autoteile frisch vom Wasser in die Halle, ein paar Stunden lang ruckten sie übers Fließband, um am anderen Ende der Holle auf Glanz lackiert als neugebackene Autos das Tor zu verlassen. Das waren noch Zeiten. Heute sind die Tore verschlossen, in jener Halle wird nur noch dann und wann ein Lincolnwagen repariert: am Getreidespeicher geht ein Schiffer vorbei und meint, wenn er doch wenigstens einen Scheffel Getreide zu fahren hätte: auf dem großen Kieslagerplatz liegen ein paar Häufchen Sand so niedrig, wie die Konjunkturkurve des Bauaewerbes niedrig verläuft, und wer dann weiter gehen wollte nach Plötzensee zur Schleuse, dem wird der SHleusenmeister sein Klagelied anstimmen, wie er sich vor zwei Jahren noch Brüschen in den Kopf gerannt hat: bis in die Nacht gingen die Schleusen und jetzt kann er sich sein Pfeifchen anstecken und muß warten, bis jemand ans Fenster pocht, der nachBerlin oberhalb" will.

Brücke zur Verstandiguug. Schüleraustausch auch von Familie zu Familie. lieber Austauschverschickungen Berliner Kinder nach Frank- reich und umgekehrt hat derVorwärts" mehrfach berichtet. Die Berliner Schulverwaltung bewirkt diesen Austausch ganzer Klassen oder Schulgruppen. Daneben wird mit bestem Erfolg seit Jahren vom Landes- Wohlfahrts- und Jugendamt der Stadt Berlin ein Schüleraustausch von Familie zu Familie durchgeführt. Dabei arbeitet die Stadt Berlin zusammen mit dem deutsch -franzö- fischen Schüleraustauschdienst in Stuttgart und mit der Deutschen Liga.für Menschenrecht« in Berlin . Auch in diesem Jahre nahmen 110 Berliner und die gleiche Anzahl französischer Schülerinnen und Schüler am Austausch von Familie zu Familie teil. Nachdem die Berliner Jugendlichen zunächst bei den französischen Familien auf- genommen wurden, kehren sie jetzt nach Ablauf der Ferien mit ihren französischen Austauschpartnern nach Berlin zurück. Beide Gruppen von Austauschschülern trafen am 3. August 1932 in Berlin , Bahnhof Friedrichstratze mit dem Zug 13.16 Uhr, ein.

Todesopfer des Fahrdammes. Gestern nachmittag ereigneten sich eine Reihe von schweren Verkehrsunfällen, die zwei Todesopfer und mshere Schwerverletzte gefordert haben. Vor dem Rat- Haus am Rudolf-Wilde-Platz in Schöneberg wurde die 76 Jahre alte Frau Auguste Höhne aus der Albertstraße in Schöneberg von einem in schneller Fahrt herankommenden Prioatauto überfahren. Der Führer des Wagens kümmerte sich nicht um die Verletzte, hielt aber einige Straßenzüge weiter sein Fahrzeug an und lief da- von. Der Wagen, der vermutlich gestohlen worden ist, wurde sichergestellt. Die Schwerverletzte wurde sterbend ins St.-Norbert- Krankenhaus eingeliefert. In Köpenick raste der 23jährige Motor- radfahrer Willi S ch w e b l e r aus der Wrangelstraße 86 mit seinem

MM.m QiUüg bis 14. vm. 1052 Segen Clhgabe dieses Gutsdiei/ts Sie üi jedem Stigdemgeschäft i iOpienla Stjm" i Im Hdeeie voru 10(P/g. SM- od.&h/ie JMstck. t ! OneniöJ' gUgdJcetimfddxHJc I Q.M.b-.dP.'dövesd&i-CL.QI.

Frati, eire italienische Opernsängerin, bringt ein paar Arien vollendet zu Gehör. A u s s i e und C z e ch, ein Mann mit einer Peitsche, zeigt verblüffende Cowboytricks. Explosion einer Erdölraffinerie. Zehn Werksangehörige verlehi Zm Sompressorgebäude der Deutschen Erdölraffinerie sDeurag) in Misburg ereignete sich heute um 8 Uhr bei der Reinigung eines Venzingaskompressors eine Explosion. Durch Stich- flammen erlitten zehn Werksangehörige Verletzungen. Zwei schwerer Verletzte muhten dem Krankenhaus zugeführt werden. Lebensgefahr besteht jedoch nicht. Das Feuer kannte in kurzer Zeit gelöscht werden.

AUgemdne Wetterlage.

Fahrzeug gegen einen Baum. Sch. stürzt« so unglücklich, daß der Tod auf der Stelle eintrat. Außerdem wurden fünf Personen, die unter die Räder von Autos und Motorräder geroten waren, schwer- verletzt in die Krankenhäuser übergeführt.

Nächtliche Piratenjagd auf dem Wanusee. In der Nacht zum Freitag kam es auf dem W a n n f e e zu einer aufregenden Jagd nach Havelpiraten. Klubangehörige des Akademischen Wassersportoereins bei Nikolassee verfolgten in einem Motorboot eine Piratenbande und tonnten sie am Haveleck bei Kladow überholen. Das Motorboot wurde zum Halten gebracht und ins Schlepptau genommen. Die Diebe wurden später der Krimi- nalpolizei übergeben. Es ist eine dreiköpfige Kolonne, die unter Führung eines 23 Jahrs alten Johann Franke aus der Wein- meisterstraße in Berlin stand.

Scala spielt wieder. Der Saisonbeginn der Scala erfüllt die hochgespanntesten Er- Wartungen. Ein ganzes Planetarium voller Sterne hat sich zu- sammengefunden, um ihn würdig zu begehen. Und alle werden angesagt von Adolf Gondrell , der die Wege der bisher üblichen Conference mit eigenen Einfällen vertauscht hat. Jeder aktuelle Witz ist scharf pointiert und schlägt ein. Und dann ist C l a i r e W a l d o f f wieder einmal aus dem Kabarett ins Variete herüber- gewechselt. Mit den neuen Sachen ist es nichts, aber wenn die alt- bekannten Schlager an die Reihe kommen, die Schlager, die eben nur sie so singen kann, will der Beifall kein Ende nehmen. Ein Trapezkünstler mit nicht zu überbietendem Wagemut ist Enos Frazere Lucille Page mit ihrem Dinosaurus aus Pappe ist eine reizende akrobatische Tänzerin, das Ungeheuer aber, das sie nach amerikanischem Rezept trägt, kann sie sich hier ruhig schenken. Die Musikclowns Cairoli, Porto und C a r l e t t o stellen ein Trio, das geladen ist mit den lustigsten Einfällen, und ein ebenso gutes Stepptrio ist Falls, Reading und B o y c e, die außer- dem ganz hervorragende Parterreakrobatik ausführen. Mara

Während der letzten 24 Stunden verlief das Wetter in ganz Deutschland wesentlich freundlicher als am Vortage. Der Himmel war teils wolkig, teils heiter, und es kam nur noch im Süden des Reiches zu einzelnen mäßigen Rsgenfällen. Die Temperaturen lagen aber weiterhin verhältnismäßig niedrig. Meist erhob sich das Thermometer nur wenig über 20 Grad Celsius. Ueber Mittel- und Westeuropa geht zur Zeit anhaltender schwacher Lufidruckanstieg vor sich. Damit kräftigt sich der nach Deutschland reichende Ausläufer des Azorenhochs weiter, so daß wir für die nächsten beiden Tage mit ziemlich heiterem Wetter rechnen dürfen. Wetteraussichten für Verlin : Teils wolkig, teils heiter und am Tage etwas wärmer, keine nennenswerten Niederschläge, meist schwache Winde aus West bis Nordwest. Für Deutschland , lieber- all mäßig warm und ziemlich heiter ohne wesentliche Niederschläge.

Vorträge, Vereine und Versammlungen Arbeiter-Samariier-Vund e. v., Kolonne Berlin . Eeschältsstelle: NO. 43. Iostystr. 4. Telcphou: E 3 Aöaigstadt 5440. ;/ Freitag, 12. August, 20 Uhr, in der Geschäftsstelle Lichtbildervortrag: Marl Brandenburg"(für Jugendliche). Zahlreiches Erscheinen ,st erwünscht. Mitgliederversammlungen: Sonnabend, 6. August. Spandau : Lolal Suple, Lutherplatz 5. Montag, 8. August. Neuliilln: Lolal Sauer, Pannierstr. 54. Köpenick : Lolal Krüger, Schönerlinder Strotze. Bohns­dorf: Lokal Heimann. Waltersdorfer Straße.. Wcitzensce: Lolal Bohacek, Wilhelmstr. 29. Dienstag, 9. August. Fricdrichshain: Lolal Bauer, Tilsiter Stratze 27. Wilmersdorf : Lokal Mesack, Eastelner Str. 28. Schöneberg : Lokal Gehrke, Ebcrsstr. SS. Hermsdorf: Schule Freiherr.v.-Stein-Stratze. Donnerstag, ll. August. Wedding : Lolal Duwe, schulstr. 199, Panlow: Ju. g-ndheim Kissingensiratze. Schöneweide: Säuglingsheim Grünauer Str. Ib. Freitag, 12. August. Tiergarten: Lokal Malonel, Lübecker Str. 3. Kreuz» berg : Lokal Krepp, Am Urban 25. Steglitz : Lokal Rohde, Lichterfelde , Roon- stratze. Tempelhof: Lokal Lindisch, Königstr. 44. Neukölln: Britz . Hanne. mannstr. 40. Trevtow: Lokal Dohling, Elsenstr. 100. Lichtenberg : Lokal Seipke, Kronprinzenstratze. Montag, 15. August. Jugend: Geschäftsstelle. Josttzstr. 4. Dienstag, IS. August. Prenzlauer Berg : Schule Kastanien. ollee 8183. Montag, 22. August. Adlershof : Baracke Friedlanderstratze. Dienstag. 23. August. Mitte: Schule Gipsstratze. Reichsverciniguaa ehem. Kriegsgefangener, Gruppe Berlin , Norden 2. Sitzung jeden 1. Sonnabend im Monat bei Hemperich, Bornholmer Ecke Malmoer Stratze<20 Uhr). Nächste Sitzung Sonnabend, S. August.