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Nr.369 49.Jahrgang
1. Beilage des Vorwärts
Sonntag, 7. August 1932
Bescheidene Ferientage
L.
Vergangenen Montag hub das große Staunen an: über dreimal hunderttausend Berliner waren hinaus in die Ferne gezogen, hatten sich vorsorglich einen Stimmschein geben lassen, um irgendwo zwischen Wernigerode und Kolberg ihrer Wahlpflicht zu genügen. Das waren aber immerhin erst die Wahlberechtigten. Zu diesen muß man noch die Hälfte zuschlagen und das wird immer noch nicht reichen, um die Zahl der diesjährigen Wandersleut' zu ermitteln, denn es war diesmal so: da kam die Frau A. zur Frau B. und sagte: ,, Sie fahren nach Rügen? Dann nehmen Sie doch bitte meinen Jungen mit, wir können uns keine Reise leisten, aber meine Schwester will ihn sechs Wochen aufnehmen; sie wird in Saßnitz auf dem Bahnhof stehen, nehmen Sie doch den Max bis Saßnitz mit." So war das tausende Mal und, sehr gering gerechnet, werden noch in den letzten Tagen der Hauptsaison eine halbe Million großer und kleiner Berliner verreist gewesen sein. Dabei hat sich ein jeder nach der Decke strecken müssen. Die einen haben sich mit Matratze und Decke für die Nacht begnügt, dafür zahlten sie 50 Pfennig und die Hauptsache war ihnen der Sonnenschein. Die anderen erinnerten sich an einen fernen Onkel bei Lauenburg oder bei Schneidemühl und der wollte für die Milch und die Butter schließlich gar kein Geld haben. So behalf sich ein jeder, wie er konnte. Ein stilles Tal oder ein Stück Heide taten es diesmal auch. Aber keiner mar so betrübt wie die Kinder, als es am Freitag früh um 8 Uhr wieder zur Schule klingelte; nun, es ist auch keine rechte Freude, nach sechs Wochen Feld und Wald roieder auf der Schulbank zu hocken.
Seltener Besuch beim Onkel.
Gut die Hälfte aller Reisenden ging zurück in das Heimatdorf. Wer elf Tage blieb und über 200 Knlometer fuhr, kam in den Genuß der neuen Fahrgeld- Vergünstigungen, und so ließ sich in diesem Sommer für einen seit Weihnachten zusammengesparten 3wanzigmartschein schon ein gehöriges Stück in die Welt fahren. Es langte hin und zurück bis nach Westpreußen . Und die Arbeitsämter hatten folgenden Anschlag angebracht:
Sie brauchen in den Wochen vom 25. bis 30. Juli und vom 1. bis 6. August Beinen Kontrollstempel in Ihrer Fachabteilung, Vermittlungsstelle oder Meldestelle holen. Die Unterſtügung wird Ihnen während dieser Zeit an den bekannten Stellen und zu den bekannten Zeiten unter Vorlegung Ihrer Meldekarte auch ohne Rontrollstempel gezahlt.
In der Woche vom 25. bis 30. Juli brauchen Sie auch keinen Zählzettel abzugeben. Das Arbeitsamt.
So ließ sich auch von dieser Seite einiges einrichten. Jetzt wird erzählt. Und vom Standpunkt der darbenden Arbeitslosen aus gesehen, stimmt es schon, daß sich diese zurückgekehrten Männer und Frauen vorkommen, als seien fie im Schlaraffenland gewesen. Da standen wieder einmal Milch, Butter und Eier auf dem Tisch. Wenn sonst zu Weihnachten und zu Fastnacht je ein Schwein ges schlachtet wurde, dann hat der Onkel diesmal zur Ernte ein drittes Borstenvieh geschlachtet. Was soll ich's verkaufen", hatte der Onkel gesagt, da hole ich nicht einmal die Futterkosten heraus, dann wollen wir es lieber essen"; und so gab es Wellfleisch und Blutwurst, herrliche Bauernfartoffeln und frischgebackenes Brot dazu. Die armen Arbeitslosen aus Berlin leckten sich heute noch die Finger und so nebenher können sie gar nicht recht verstehen, warum ihr bäuerlicher Verwandter trotzdem gescholten hat über die hohen Steuern und die niedrigen Preise; denn er hatte doch satt zu essen. Aber so sehr die Städter noch schwelgen in der Erinnerung an die schönen Tage von Hinterpommern, so fügen sie doch immer hinzu, daß man keinen von ihnen würde brauchen können, denn gemäht haben sie mit der Maschine, gedroschen haben sie mit der Maschine, ,, und eine elektrische Bandsäge haben die auch schon!"
Mit dem Rucksack unterwegs.
Hunderttausend andere holten ihren Rucsac vor und sind wieder gewandert. Abends schliefen sie in den Naturfreundeheimen. Da
irgendeinem verschwiegenen Bergbächlein wurde die Wurst und das Brot ausgepackt. Unterdessen hingen in den Kurorten die Schilder mit der vollen Pension für 7,50 m. den Tag, aber den großen Schritt nach vorn hat die Heimbewegung gemacht.
Wettlauf zur Nachfaison.
Trotzdem konnte die Reichsbahn nicht die Ziffern vom Vorjahr und schon gar nicht die Ziffern von 1930 oder 1929 halten. Auch wenn man es allen mit der Elftage- Ferienkarte leicht gemacht hatte. Gestern abend sollte ein Sonderzug nach Helgoland fahren: Sonnabendmittag ab Berlin , übernachten in Bremen , Sonntag früh weiter nach Helgoland , fünf Stunden Aufenthalt auf der Insel und am Montag früh sollten alle Teilnehmer wieder in Berlin sein. 35 Reichsmart hatte die Reichsbahn für diese Wochenendfahrt verlangt, einschließlich Schlafgeld und Frühstück in Bremen , aber be= reits am Donnerstagabend mußte die Reichsbahn absagen; aus Mangel an Beteiligung ist die Helgolandfahrt ausgefallen. Dabei waren es der Vergünstigungen genug, wenn man bedenkt, daß die reguläre Eisenbahnfahrt nach Bremerhaven 3. Klasse allein 32,40 m. hin und zurüd beträgt. Je mehr die Menschen das Geld zufammenhalten müffen, desto geringer ist die Beteiligung auch an den wohlfeilsten Reisegesellschaften. Im vorigen Jahr noch ging Sonnabend für Sonnabend ein Sonderzug nach Stettin , von Stettin ging es auf den Dampfer nach Kopenhagen und am Sonntagabend ging es von der dänischen Hauptstadt zurück nach Berlin . Wenn jemand dann am Montag früh seinen Kollegen an der Werkbank fragte: ,, Wo warst du gestern?", dann antwortete der Kollege:„ Ich war ein bißchen in Kopenhagen ." Dann hatte man mal in einer Woche kurz getreten und 20 M. für den Trip nach Kopenhagen aufgewendet, aber in diesem Jahr der ungeheuerlichen Krisenzuspizung erwies es sich als unmöglich, für 20 M. einen 2000- Tonnen- Dampfer voller Deutscher nach Kopenhagen zu bekommen. Augenblicklich hat es eine Stettiner Reederei übernommen und durch Anschlag an den Berliner Litfaßsäulen fundgetan, daß sie demnächst für 15,50 m. von Berlin nach Kopenhagen und zurück die Reiselustigen bringen wird. Für 7,75 M. jemand von Berlin nach Kopenhagen zu bringen, das ist immerhin eine ansehnliche Leistung, zumal die 3. KlasseFahrkarte für die 447 Kilometer lange Fahrt nach Kopenhagen
haben zum Beiſpiel unsere„ Naturfreunde" ein wunderschönes Heim Auch der Mitfahrer ist schuldig.
im Harz, nicht weit von Braunlage . Da hat das Nachtlager 50 Pf. gekostet und für den Tagesaufenthalt war als eine Art Aufräumegeld noch ein Groschen dazu zu entrichten. Mittags tochte der Mann dort meist ein Eintopfgericht, Nudeln mit Rindfleisch oder so etwas, und die kosteten dann pro tiefen Teller 25 Pf. Besondere Fleischgerichte waren natürlich nicht für 25 Pf. zu liefern. Aber morgens die Kanne Kaffee( vier Tassen) tostete 20 Pf.; abends die Kanne Tee 10 Pf.; ein gutes, frisches, gekochtes Ei auch 10 Pf.; und frühmorgens fam der Bäcker aus dem Dorf und fragte, wer Kuchen oder frische Semmeln haben wolle. So ließ sich im Harz leben. Die Leute schnallten sich wieder den Brotbeutel und die Feldflasche um, fletterten einen Tag um den anderen auf den Brocken und vergaßen ein wenig dieser letzten Tage Qual". Daß oben auf dem Brocken ein Teller Erbssuppe 90 Pf. plus 10 Proz. Bedienungsgeld fostete, eine Postkarte 25 Pf., und daß in Schierke ein Mittagsgeded 2,50 m. kostete, das kümmerte sie nicht weiter, sie hatten dem Heimleiter Bescheid gesagt, daß sie erst am Abend zurückkommen, und so hatte er das Essen beiseite gestellt. Man brauchte da kein neues Kleid für den Strand, teine neuen Schuhe, sondern es genügte ein Wanderhemd und eine Wanderhose, und an
IM
Wenn man im 80- Kilometer- Tempo durch Berlin raft.
Vier Freunde verbringen einen vergnügten Abend. Man geht von einem Lokal zum anderen und trinkt eine Molle nach der anderen, dazwischen auch diverse Schnäpse und Liköre. Es wird ½3 Uhr morgens, als man endlich an Aufbruch denkt. Und von da an nimmt das Unheil seinen Lauf.
Zweit von den Vieren sind im Besitz von Motorrädern. Das eine Motorrad hat einen Soziussit, das andere einen Beimagen. Die Besitzer der Motorräder befinden sich in einem Zustand, der es ihnen unmöglich macht, zu fahren. Sie überlassen die Räder ihren Freunden, deren, Grad der Trunkenheit sie zwar nicht feststellen können, die aber, wie sie annehmen, sich immer noch einer Die Freunde setzen besseren Verfassung erfreuen als sie selbst. Die Freunde setzen fich an die Steuer, die Motorradbefizer machen es sich so bequem wie möglich im Beiwagen und auf dem Soziussit, und dann saust man los. Manraft durch die Straßen in einer Geschwindigfeit von 70 bis 80 Kilometer, als befände man sich auf der Avus.
| Immerhin 25,50 m. foftet. Immerhin 25,50 M. foftet. Aber fünf Taler sind heute sehr viel Geld.
Wer noch ein paar Mart liegen und Anspruch auf acht Arbeitstage Urlaub hat, dem steht überhaupt die Welt offen. Gestern abend veranstaltete das Mitteleuropäische Reisebüro seine große Bayern - Expedition; acht Tage lang für 89 m. einschließlich Essen und Trinken und Schlafen und Führung, und dazu PromenadenKonzerte, Feuerwert, Tanz, Bauerntheater und Schuhplattln. Eine ganztägige Besichtigung Münchens war dabei, und wer lustig war, der konnte nach Wahl nach dem Salzkammergut , an den St. Wolf gang- See , nach Berchtesgaden oder an den Königssee fahren. Einer überbot den anderen. Eben hieß es noch für diese 89 M. acht Tage lang nach Oberbayern . Da kam schon die Konkurrenz und offerierte acht Tage lang an den Vierwaldstätter See für 115 M., einschließlich die Besteigung des Pilatus , des Rigi und aller anderen Bergriesen. Dabei würde eine reguläre Fahrkarte nach Luzern allein 45 M. fosten, das sind, die Rückreise eingerechnet, 90 M. Die Reisegesellschaft aber gibt Verpflegung, Unterkunft und Trinkgelder dazu. Aber was die einen für 115 M. an den Vierwaldstätter See können, das können die anderen für 112 m. ins Zillertal , für 123 M. in die Deztaler Alpen und für 167 M. an den Garda- See ebensogut. Um den Vierwaldstätter See noch weiter zu übertrumpfen, geben diese Unternehmer noch einen Tag dazu und ver= sprechen, die reisedurstigen Berliner sogar neun Tage in der schönen Schweiz zu beherbergen. Und noch ist die Druckerschwärze nicht trocken, da locken bereits neue, blau- weiß- gestreifte Plakate, die es für ganze 75 M. übernehmen, die Reichshauptstädter in Bayern herumzuführen, obwohl eine Fahrkarte nach München allein schon 26,20 M. foftet.
So standen die meisten Berliner sehnsüchtig vor diesen Plakaten und vernahmen die treffliche Kunde, aber es gebrach ihnen an Geld. Seitdem es nur noch 40 M. in der Woche zu verdienen gibt, begnügte man sich mit einer Fahrt ins Schlaubetal oder in den Unterspreewald; in den letzten Tagen wurde das abgezählte Geld für die Rückfahrt ins Taschentuch geknotet und der Rest aufgewendet für ein halbes Brot und ein Stück Speck. So haben sich Tausende bescheiden müssen, in der Hoffnung, daß es im nächsten Jahr endlich wieder einmal langen möge für die Fahrt in die Lüneburger Heide .
Solch ein Gefnatter, sagte ein Zeuge vor Gericht, habe ich nur beim Motorradrennen gehört. Auf die Straßenkreuzungen wird überhaupt nicht geachtet. Mehr als einmal ist man nahe daran, Bassanten über den Haufen zu fahren und mit anderen Wagen zusammenzustoßen. Und dann geschieht das Unglück: Beide Motorräber prallen zu gleicher Zeit mit einem Auto zusammen. Der Motorradbefizer auf dem Soziussit fliegt in großem Bogen auf die Straße und ist tot, ein Insasse des Autos wird verletzt, der Motorradbesitzer mit Beiwagen kommt zwar mit heiler Haut davon, sein Rad aber geht zum Teufel.
Die beiden Freunde der Motorradbefizer, die an jenem Abend die Fahrer spielten, standen nun vor dem Verkehrsgericht unter Anklage der fahrlässigen Tötung und Körperverlegung. Das Gericht erkannte beide für schuldig. Der, der das Rad mit dem Soziussiz fuhr erhielt 9 Monate Gefängnis, der andere 5 Monate Gefängnis. Was hatte aber der zweite verbrochen? In der Begründung hieß es: Beide Angeklagte haben sich der Körperverletzung und der fahrlässigen Tötung schuldig gemacht. Auch der zweite Fahrer, da er stundenlang mit dem ersten durch die Straßen gesaust ist und ihn dadurch zum weiteren Fahren im selben Tempo ermutigt hat.
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