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BERLIN  Montag 8. August 1932

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Nr. 370

B 180

49. Jahrgang

Zwischen Putsch und Kuhhandel

Präsidialregierung oder Bürgerblock?

In dieser Woche beginnen die Verhandlungen, die über die künftige Regierungsweise in Deutschland   entscheiden sollen. Zwei Strömungen werden deutlich sichtbar.

Die eine, die hauptsächlich von den Deutschnationalen getragen wird, will auf die reine Präsidialregie­rung" hinaus, die sich um den Reichstag   möglichst wenig fümmert und auch den offenen Konflikt mit ihm nicht scheut. Wie der dabei unvermeidliche Verfassungsbruch juristisch be­mäntelt werden kann, wird in der deutschnationalen Presse ausführlich erörtert.

Die zweite Strömung, deren Träger im Lager der Nationalsozialisten einerseits, des Zentrums und der Bayeri= schen Volkspartei andererseits zu suchen sind, erstrebt eine parlamentarische Mehrheitsbildung. Einige Nationalsozialisten sollen Minister werden, und die so neu­gebildete Regierung soll vom Zentrum unter bestimmten Be­dingungen toleriert werden. Die umgebildete Regierung würde sodann nach dem bisherigen Sprachgebrauch eine Bürgerblodregierung sein, in der die Deutschnatio­nalen eine verhältnismäßig sehr bescheidene Rolle spielen würden.

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Darum sind die Deutschnationalen heftige Gegner der zweiten Lösung, die natürlich auch im Zentrum und bei den Nationalsozialisten große Widerstände zu überwinden hätte. Natürlich wird auch an ein Kompromiß zwischen den beiden Strömungen gedacht und das ist in diesem Augen blick die offizielle Lesart. Man macht einen Bürgerblock und nennt es eine Präsidialregierung. Offiziös gesprochen: Man denkt an die Heranziehung einiger Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens"( lies Nazis), aber nicht wegen ihrer parteipolitischen Bindung, sondern wegen ihrer fachlichen Eig­nung.( Fachminister" ,,, Rabinett der Persönlichkeiten".)

Im Hintergrund steht als dritte Lösung die gewalt­same Machtergreifung durch die NSDAP.  , der hundert­prozentige Faschismus. Seine Anhänger sind Gegner aller Verhandlungen es sei denn, sie betrachteten die Verhand­lungen nur als ein Mittel, den Gegner zu übertölpeln und zu zermürben.

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Butsch oder Kuhhandel ist die Frage.

Die größere Wahrscheinlichkeit spricht für Kuhhandel wenigstens in der heute beginnenden Woche.

Bomben in Schlesien  .

Attentat auf Zentrumsorgan.

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Beuthen  , 8. August.( Eigenbericht.) In der Nacht zum Sonntag wurde auf die Haupt­geschäftsstelle der Zentrumszeitung Oberschlesische Rundschau" in Ratibor   ein Handgranatenanschlag verübt. Das große Schaufenster des Verlagsgebäudes wurde zertrümmert.

Um die gleiche Zeit ist ein Anschlag auf das Gebäude der Allgemeinen Krankenkasse versucht worden. Am Sonntagmorgen fand man im Innern des Gebäudes eine Handgranate, die jedoch nicht explodiert war. Außer dem fielen in verschiedenen Stadtteilen Ratibors in der Nacht zum Sonntag wiederholt Schüsse, ohne daß die Schützen bisher hätten festgestellt werden können.

Der Bombenattentate verdächtig sind drei SA.- Leute, die unmittelbar vor dem Attentat auf das Ver: lagsgebäude des Zentrumsblattes in dessen Nähe gesehen worden sind.

Terror in Waldenburg  .

Bomben und Feuerüberfälle.

Waldenburg  , 8. Auguft. Auf das Geschäftsgebäude der sozialistischen Bergwacht" murde heute früh gegen 3 Uhr ein Anschlag verübt. Vier große Schaufensterscheiben wurden durch Steinwürfe und Revolverschüsse zertrümmert. In der Buchhandlung durchschlugen die Kugeln die Rahmen des Schaufensters und beschädigten die Einrichtung.

zur gleichen Zeit wurden zwei große Schaufensterscheiben eines Kaufhauses bei Waldenburg   durch Steinmürfe zertrümmert. Ferner

Generalstreif in Belgien  

Revolutionäre Stimmung der Bergarbeiter

Brüffel, 8. Auguft.( Eigenbericht.) Jer belgische Bergarbeiter- Berband hielt am Sonntag in Brüffel einen außerordentlichen Kongreß ab, um die Cage in den Streifgebieten zu besprechen. Hennegaues nun schon über einen Monat an. Die Stimmung unter Bekanntlich hält der Streik in den drei Kohlenrevieren des den Delegierten des Kongresses war eine außerordentlich gereizte. Die Arbeiter sind aufs höchste erbittert über den hartnäckigen Widerstand der Zechenbesitzer gegen eine Erhöhung der tief unter das Existenzminimum herabgejunkenen Löhne.

Die Erbitterung wird erhöht durch die Verwendung von Soldaten zu verschiedenen Streifbrecherarbeiten. Die erste Ent­schließung des Kongreffes galt einem sehr scharfen Protest gegen diesen Mißbrauch der Truppen. Nach langer Debatte über den Cohnkampf selbst beschloß der kongreß die Prokla­mierung des sofortigen Generalstreits im ganzen belgischen Kohlenbergbau. Der Streif beginnt am Montag, dem 8. Auguft. Ferner wurden die zentralen Leitungen der Arbeiterpartei und der Gewerkschaften ersucht, die Frage der Ausdehnung des Streifs auf alle anderen Gewerbe des Landes zu prüfen, um so die Forde niedrigsten Lohnklassen, die bereits grundsäglich von den Zechen rungen der Bergarbeiter zu stützen. Neben der Nachprüfung der befizern angenommen ist, betreffen diese Forderungen vor allem die Ablehnung des Lohntarifs in dem Sinne, daß der Preis der Kohle nicht mehr bei der Berechnung des Lohnes berücksichtigt werden

Der Führer

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" Ich habe die SA. fest in der Hand, und was die SA. in der Hand hat, das geht mich nichts an!"

wurden gegen 24 Uhr vier Revolverschüsse auf die Wohnung des sozialdemokratischen Amts- und Gemeindevor stehers in Dittersbach bei Waldenburg   abgegeben. Auch hier wurden die Fenster zertrümmert. Als Täter kommen zwei bisher unbekannte Motorradfahrer in Frage.

Der Maulforb.

Das Sächsische Volksblatt" verboten.

Das fozialdemokratische Sächsische Boltsblatt" in 3 widau ist wegen verschiedener Artikel ab 8. August von der Polizeidirektion Zwidau auf fünf Tage verboten worden. Gegen das Berbot ist vom Berlag und von der Redaktion Be schwerde eingelegt worden.

muß. In der Praris läuft die Annahme dieser Forderung auf eine 5prozentige Lohnerhöhung hinaus. Der Kongreß fordert die Durchführung dieses Lohntarifes erst vom 1. September ab, um so den Zechenbefizern die Möglichkeit zu geben, von den Kontingen­tierungsmaßnahmen, die die Regierung zum Schuße des Bergbaues sich nur dazu bereit erklärt, die Frage eines neuen Lohntarifes einer versprochen hat, Nutzen zu ziehen. Bisher hatten die Unternehmer besonderen Kommission zu unterbreiten.

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Streifbeschluß durchgeführt.

Brüssel  , 8. August.( Eigenbericht.) Nach den bis heute mittag aus den Kohlenrevieren von Lüttich  , Namur   und Limurg vorliegenden Nach­richten in den anderen Kohlenrevieren befanden sich die Bergarbeiter im Streif ist der Streikbeschluß vom Sonntag allgemein durchgeführt worden. Man hofft, daß die Arbeiter ihre an sich bescheidenen Forderungen durch­sehen werden. Bemerkenswert ist die tiefgehende Unzu­friedenheit innerhalb der beteiligten Arbeiterschaft, die

kann. Diese Stimmung wendet sich gegen das ganze man als revolutionäre Stimmung bezeichnen System der fapitalistischen Ausbeutung.

( Siehe auch die Beilage.)

Die Schüsse von Anflam.

Im Hofe ein GA- Heim.- Familie des Sozialdemokraten wird niedergeknallt.

Anklam  , 8. August.( Eigenbericht.) Die bürgerlichen Nachrichtenagenturen, die über die Schie. ßerei in Anklam   auf die Wohnung des Sozialdem. fraten, des Tischlers Rats chat, berichteten, verschwiegen scham­haft, daß sich auf dem Hofe des betreffenden Grundstückes ein Heim der SA.- Leute befand. Genosse Ratschak ist als Mit­glied der Eisernen Front hervorgetreten. Er sollte seine Wohnung räumen und hatte sich bereits auch um eine andere bemüht. An­scheinend ist das Attentat von einer auswärtigen Terror­gruppe ausgeführt worden. Es wurden 5 bis 8 Schüsse auf die Fenster des Schlafzimmers der Familie Ratschat abge­geben. Die Behauptung, es habe sich um einen Anschlag auf die Nationalsozialisten gehandelt, wird schon dadurch widerlegt, daß die Wohnung Raffchaks sich in dem Gebäude des Borderhauses befindet, und daß die Schüsse ausgerechnet auf die Fenster des Schlafzimmers gerichtet waren, während das SA.- Heim in einem Hofgebäude untergebracht ist.

Den Verletzten geht es, den Umständen entsprechend, leidlich. Die Polizei, die die Untersuchung führt, hüllt sich in tiefstes Schweigen, so daß über die Ermittlungen bisher noch nichts weiter berichtet werden kann. Auffällig ist, daß an dem gleichen Abend im Garten des Schüßenhauses Nationalsozia­listen in Uniform bemerkt wurden; es fand nämlich dort eine Reichsbannerversammlung statt. Die Nazis verschwanden, als der Garten von Polizei und Reichsbanner durchsucht wurde. Es ist anzunehmen, daß dieser Vorgang mit dem Attentat in Berbindung steht.

Handgranaten in Wohnungen.

Republikaner find Freiwild.

Breslau  , 8. Auguft.( Eigenbericht.) In der Nacht zum Montag um 2.30 Uhr wurden in Groß­Heidersdorf und Groß- Kniegnih Kreis Breslau zwei Bombenattentate verübt.

im

In Groß- Heidersdorf warfen die Täter eine Handgranate in die